Aber seien wir uns dabei immer bewusst, ein Landtag und damit wir alle werden an seiner Debattenkultur gemessen. Die Menschen merken sehr schnell, wenn Politik etwas anderes verheißt, als sie macht, wenn Politiker anders erscheinen wollen, als sie sind. Das größte Kapital in der Politik ist und bleibt die Glaubwürdigkeit.
Wir können im rheinland-pfälzischen Landtag viel erreichen, wenn wir die Worte des ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau anlässlich des zehnten Todestages des Bundeskanzlers Willy Brandt beherzigen: „Glaubwürdigkeit entsteht, wenn man tut, was man sagt, und sagt, was man tut.“
Meine Damen und Herren, Freiheit, sie ist der eigentliche Kern unserer Landesverfassung. „Der Mensch ist frei“ ist der erste Satz unserer Landesverfassung. Freiheit bedeutet, die Möglichkeit zu bekommen, aus seinem Leben etwas zu machen. Zugang zu Bildung und gelungene Integration für alle gehören zu der Freiheit, die wir nach unserer Verfassung zu gewährleisten haben.
Wer als gewählter Präsident dieses Hauses auf diesem Stuhl Platz nimmt oder gerade steht, hat nicht nur die Abgeordneten im Blick, sondern auch die Besuchertribüne; denn auch die Besucherinnen und Besucher gehören zwingend dazu. Parlamentarische Demokratie braucht Öffentlichkeit.
In den Medien wie in der Politikwissenschaft kursiert die These vom Bedeutungsverlust der Landesparlamente. Sie seien der Übermacht der Regierung und der Verwaltung ausgeliefert, zudem führe die europäische Mehrebenenpolitik zu Einbußen bei der Gestaltungsmacht von Parlamenten. Das Parlament und seine Abgeordneten seien daher heute weniger Gestalter der Politik als deren Vermittler.
Dem ist entgegenzuhalten, dass die Gesetzgebung, insbesondere das Budgetrecht und die Kontrolle der Regierung, entscheidende Aufgaben des Parlamentes sind, die wir selbstbewusst erfüllen sollen; denn nur der von allen Bürgerinnen und Bürgern demokratisch gewählte Landtag kann politischen Entscheidungen die notwendige demokratische Legitimität verschaffen.
Dabei stehen repräsentative Demokratie und Bürgerbeteiligung nicht im Widerspruch, im Gegenteil. Es ist wünschenswert, dass der Landtag die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung im Gesetzgebungsprozess ausbaut. Das Internet und die sozialen Medien bieten uns Chancen hierzu. Es lassen sich Beteiligungsformen entwickeln, damit die Bürgerinnen und Bürger sich nicht nur umfassend informieren, sondern ihren Sachverstand und ihre Wünsche
Vor besondere Herausforderungen und Chancen stellt uns der Prozess der europäischen Einigung. Den Landesparlamenten wird in Deutschland oftmals die Aufgabe zugedacht, Wächter des Subsidiaritätsprinzips zu sein. Wir sollten sie selbstbewusst annehmen. Wenn wir es nicht tun, besteht die Gefahr, dass wir mitschuldig an einer wachsenden Europa-Skepsis werden. Dabei sollten gerade wir in Rheinland-Pfalz aufgrund der Nähe zu Frankreich, zu Belgien, zu Luxemburg und der guten Partnerschaft die Vorzüge der europäischen Einigung kennen und für sie werben.
Der Landtag ist und bleibt ein Ort gelebter Demokratie. Er ist auch ein Ort demokratischer Bildung. Mehr als 30.000 Menschen aller Altersgruppen kommen pro Jahr zu Besuch in dieses Parlament. Für unsere Besucherinnen und Besucher bieten wir unterschiedliche, qualitativ hochwertige Programme an, die in den vergangenen Jahren weiterentwickelt und ausgebaut wurden. Das Interesse daran ist groß.
Wir sollten engagiert daran arbeiten, diesen Dialog zukünftig weiter zu intensivieren, und zwar bürgernah, ehrlich und verständlich. Nur wenn es uns gelingt, die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes viel stärker in die politischen Entscheidungsprozesse aktiv einzubinden, wird es uns gelingen, unsere Demokratie fit zu machen für die Zukunft. Politikvermittlung und Beteiligungsformate innerhalb unseres Parlamentsbetriebes müssen sich an alle Menschen richten, und zwar ungeachtet des Alters, ihrer sozialen und kulturellen Herkunft und ihres Bildungsstandes.
Nehmen wir daher unseren Auftrag ernst, und lassen Sie uns aufbauend auf diesen guten Erfahrungen den Landtag als Ort der gelebten Demokratie für alle Menschen in unserem Land weiter stärken.
Der Landtag muss noch stärker zum Ort aktueller gesellschaftlicher Diskussionen unabhängig von der Tagesaktualität werden. Verantwortbare Entscheidungen im Detail können nur getroffen werden, wenn man sich mit den grundsätzlichen und den Zukunftsentwicklungen auseinandergesetzt hat. Wir sollten geeignete Formate hierfür finden.
Unser Land ist ein starkes Land. Unser Land ist ein offenes Land. An Rhein und Mosel, im Westerwald und in der Pfalz, an der Nahe und im Hunsrück, unser Land ist, wie der Dichter unseres Landes, Carl Zuckmayer, so treffend schrieb, „die Völkermühle Europas“.
Wie viele Menschen sind über die Jahrhunderte bei uns zusammengekommen, und wie gut haben wir sie integriert? Wie viele Menschen mussten aus purer Not oder aus politischer, religiöser oder rassistischer Verfolgung unsere Heimat verlassen, um eine neue Heimat zu suchen? In unserem Land haben wir also so viel Erfahrung mit Migration und Integration. Mit unserer Kraft zum Zusammenhalt haben wir die Situation gemeistert und werden sie auch zukünftig meistern.
Statisches. Politisch hat sich einiges verändert seit meinem ersten Arbeitstag als Abgeordneter vor genau 20 Jahren, auch für mich.
Wir tagen heute im selben Plenarrund, aber in einem anderen Haus. Heute kommt der Landtag in seinem Interimsplenarsaal zusammen, während im Deutschhaus die Arbeiten an einer nachhaltigen Sanierung begonnen haben.
Zu der Veränderung gehört auch, ein modernes Haus für unsere zukünftige Arbeit zu schaffen, für unsere Debatten, für den Diskurs, für Begegnungen.
In das neue Deutschhaus wollen wir in dieser Wahlperiode wieder einziehen, am historischen Ort der Mainzer Republik, wo 1793 das erste nach modernen demokratischen Regeln gewählte Parlament in Deutschland tagte. Georg Forster sagte damals: „Es gibt nur zwei Wege, wie man auf die Überzeugung eines Menschen wirken kann: durch den Kopf und durch das Herz.“
Meine Damen und Herren, da ich die Arbeit auf Dauer nicht alleine erfüllen kann, rufe ich Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Die Vorläufige Geschäftsordnung bestimmt keine Zahl der Stellvertreterinnen und Stellvertreter des Präsidenten. Ich darf um Abgabe von Wahlvorschlägen bitten
Die Mehrheit der Fraktionen dieses Hauses ist übereingekommen, Ihnen zwei Stellvertreter zur Seite stellen zu wollen.
Sehr geehrter Herr Präsident, wir hatten Ihnen bereits im Vorfeld vorgeschlagen, dass ein Vizepräsident ausreicht. Wir sind der Auffassung, wenn Baden-Württemberg mit 138 Abgeordneten damit klarkommt, dann können wir das mit 101 Abgeordneten auch. Unser Vorschlag heißt, ein Vizepräsident.
Aus diesen beiden Wortmeldungen ist deutlich geworden, dass es kein Einvernehmen des ganzen Hauses gibt, wie hoch die Anzahl der Vertreterinnen und Vertreter sein soll.
Daher muss darüber eine Entscheidung herbeigeführt werden. Herr Haller hat den weitergehenden Vorschlag vertreten, zwei Vertreter für den Präsidenten zu wählen.
Wer dem Vorschlag zustimmt, dass der rheinlandpfälzische Landtag zukünftig zwei Vertreter des Präsidenten hat, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke. Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Dieser Vorschlag ist mit den Stimmen der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der AfD angenommen.
Herr Präsident, ich schlage für die SPD-Fraktion Frau Abgeordnete Barbara Schleicher-Rothmund als Vizepräsidentin des Landtags vor.
Herr Präsident, für die Fraktion der Christdemokraten schlage ich den Abgeordneten Hans-Josef Bracht als Vizepräsidenten vor.
Herr Präsident, als Gegenkandidaten zur Kandidatin der SPD-Fraktion schlagen wir den Abgeordneten Michael Frisch vor.
Gibt es weitere Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Der erste Wahlvorschlag bezieht sich auf Frau Kollegin Schleicher-Rothmund. Wer diesem Vorschlag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Frau Schleicher-Rothmund ist damit mit den Stimmen der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der AfD gewählt.
Durch die Wahl von Frau Schleicher-Rothmund hat sich die Abstimmung über den Alternativvorschlag der AfD-Fraktion erledigt.
Wir kommen damit zum zweiten Wahlgang. Von der CDUFraktion ist der Abgeordnete Hans-Josef Bracht vorgeschlagen worden.
Wer für den Abgeordneten Bracht stimmt, den darf ich um das Handzeichen bitten! – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Ich stelle fest, dass Herr Bracht mit allen Stimmen des Hauses zum Vizepräsidenten des rheinland-pfälzischen Landtags gewählt worden ist.