Protokoll der Sitzung vom 14.11.2019

1. Welchen Stellenwert misst die Landesregierung der Sprachbildung und -förderung im frühkindlichen Alter zu, und was wird unternommen, um diese zu stärken?

2. Wie wird Mehrsprachigkeit in Kitas gefördert? 3. Welche Anforderungen werden an Kitas bezüglich der Sprachbildung und -förderung gestellt?

4. Welche Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es für Erzieherinnen und Erzieher, um die notwendige Sprachkompetenz zu vermitteln?

Für die Landesregierung antwortet Staatssekretär Beckmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Willius-Senzer und Lerch beantworte ich im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Sprachbildung und Sprachförderung sind der Landesregierung ein wichtiges Anliegen und haben einen sehr hohen Stellenwert; denn wir wollen allen Kindern den besten Start ins Leben ermöglichen. Dafür ist es elementar, dass Kinder lernen, sich gut zu verständigen. Sprachförderung ist eine Querschnittsaufgabe in allen Kindertagesstätten, die beginnt, wenn das Kind die Einrichtung zum ersten Mal betritt, und die es bis zum Ende der Kita-Zeit begleitet.

Sie ist Aufgabe des gesamten Kita-Teams und damit jeder einzelnen Erzieherin und jedes einzelnen Erziehers. So ist es seit 2004 auch in unseren Bildungs- und Erziehungsempfehlungen für Kindertagesstätten festgehalten. Sprachliche Bildung ist ein originärer Förderauftrag in der Kindertagesstätte. Damit, das festzuschreiben, war Rheinland-Pfalz im Jahr 2004 Vorreiter unter den Bundesländern.

Seit 2006 stellt das Land für Sprachfördermaßnahmen und Sprachförderlehrkräfte zusätzliche Mittel in Höhe von rund 6,5 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Um die Bedeutung der Sprachbildung zu betonen, ist es Fördervoraussetzung, dass es innerhalb jedes Teams eine Sprachbeauftragte bzw. einen Sprachbeauftragten gibt. Sie sollen sicherstellen, dass alle Fachkräfte des Teams gemeinsam

für eine alltagsintegrierte Sprachbildung Verantwortung übernehmen.

Diesen alltagsintegrierten Ansatz verstärken wir noch einmal mit unserem Kita-Zukunftsgesetz. In alle Plätze für Kinder über zwei Jahren bis zum Schuleintritt wird ein Teil an Sprachförderung bereits in die Grundausstattung an Personal eingerechnet. In den Kitas kann aber auch zusätzliches Personal eingesetzt werden, beispielsweise Französischkräfte im grenznahen Raum und interkulturelle Fachkräfte. Auch sie unterstützen die Sprachentwicklung der Kinder. Diese Kräfte können zukünftig aus dem Sozialraumbudget finanziert werden.

Wir sind davon überzeugt, dass sich mit unserem KitaZukunftsgesetz das Qualitätsniveau der sprachlichen Bildung in Rheinland-Pfalz nochmals erhöhen wird. Darüber hinaus beteiligt sich Rheinland-Pfalz an dem Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ und kann dadurch von 278 zusätzlichen Sprachexpertinnen und Sprachexperten sowie 22 Sprachfachberatungen, die durch den Bund finanziert werden, profitieren. Auch dieser Ansatz ist der einer alltagsintegrierten Sprachbildung. Das Programm läuft Ende 2020 aus, aber alle Länder sind an einer Weiterführung stark interessiert, und wir haben uns beim Bund für eine Weiterführung eingesetzt.

Zu Frage 2: Für die Sprachentwicklung und die Entwicklung der Persönlichkeit spielt die Muttersprache eine entscheidende Rolle. Ihre Beherrschung durch das Kind ist deshalb wichtige Voraussetzung für alle darauffolgenden Schritte der kindlichen Entwicklung und des Lernens. Deshalb werden in Kitas alle Sprachen wertgeschätzt. Zentral ist aber, dass alle Kinder in Rheinland-Pfalz die deutsche Sprache sicher beherrschen. Das brauchen sie, und das ist die Voraussetzung für ihren erfolgreichen Bildungsweg. Hier greift die alltagsintegrierte Sprachbildung, auf die ich bereits Bezug genommen habe.

Rheinland-Pfalz als Land in der Mitte Europas ist mit seinem Nachbarn Frankreich besonders verbunden. Deshalb ist es gerade für die Kinder in grenznahen Regionen wichtig, die Sprache ihres Nachbarn sowie die Kultur und Lebensform kennenzulernen. Das fängt in der Kita an. Deshalb wollen und haben wir die Französischkräfte im Rahmen des Programms „Lerne die Sprache des Nachbarn“ in den Kitas, die hierfür den Grundstein legen.

Zusätzlich beteiligt sich das Land an dem Programm „Élysée-Kitas“. Damit haben die 38 beteiligten Kitas die Möglichkeit, sich mit ihrem Konzept als bilinguale Kindertageseinrichtung „Élysée 2020“ zertifizieren zu lassen und so ein zusätzliches Qualitätslabel zu erhalten.

Zu den Fragen 3 und 4: Uns ist bei allen Sprachfördermaßnahmen wichtig, dass diese auf einem qualitativ hohen Niveau stattfinden. Deshalb müssen die Sprachförderkräfte die 9-modulige Qualifizierungsreihe „Mit Kindern im Gespräch“ durchlaufen. Dieselbe Qualifizierungsgrundlage wird mit Inkrafttreten des Kita-Zukunftsgesetzes auch von den Sprachbeauftragten erwartet.

Zudem können alle Fachkräfte einer Einrichtung diese Qualifizierung absolvieren. Seitens des Landes empfehlen wir dies auch allen Fachkräften im Team, da alltagsinte

grierte sprachliche Bildung, wie ich schon ausgeführt habe, Aufgabe des gesamten Teams ist. Damit dies umgesetzt werden kann, wurden landesweit Multiplikatorinnen und Multiplikatoren geschult, sodass es zahlreiche Bildungsträger im Land gibt, die die Qualifizierungsreihe anbieten.

Das Qualifizierungskonzept „Mit Kindern im Gespräch“ haben wir allen Kindertagesstätten, Horten, Grundschulen, Bildungsträgern, Fortbildnerinnen und Fortbildnern kostenfrei zukommen lassen. Das Konzept ist im Landescurriculum für die Fortbildung fest integriert, und es wurde auch bereits im Bildungsausschuss vorgestellt.

Meine Damen und Herren, das zeigt, sprachliche Bildung und Sprachförderung haben für die Landesregierung eine sehr hohe Bedeutung, und wir stellen auch sicher, dass alle Kinder davon profitieren können.

Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Brück.

Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Ausführungen. Gibt es eine wissenschaftliche Grundlage, auf der die Durchführung der alltagsintegrierten Sprachförderung basiert?

Frau Brück, wir haben in den Jahren 2009 und 2010 unsere Sprachfördermaßnahmen von Frau Professor Kammermeyer von der Universität Koblenz-Landau evaluieren lassen. Sie hat bei ihrer Evaluation festgestellt, dass alltagsintegrierte Sprachförderung zielführend ist und wir auf diesem Weg eigentlich richtigliegen.

Rheinland-Pfalz beteiligt sich auch an dem Bund-LänderProgramm „Bildung durch Sprache und Schrift“ (BiSS). Da wurde das auch noch einmal festgestellt. Wir haben also zwei wissenschaftliche Studien, die belegen, dass die alltagsintegrierte Sprachförderung richtig ist.

Mir liegen jetzt noch zehn weitere Zusatzfragen vor, danach betrachte ich die Frage als beantwortet. – Wir fahren fort mit dem Kollegen Weber.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Beckmann, ich habe gespannt zugehört. Ich frage mich: Ist die Sprachförderung in die Sockelpersonalisierung mit eingerechnet?

Bisher ist die Sprachförderung anders geregelt, Herr Abgeordneter. Bisher stellt das Land 6,5 Millionen Euro pro Jahr für Sprachfördermaßnahmen zur Verfügung. Mit dem Kita-Zukunftsgesetz wird die Sprachförderung in die Sockelpersonalisierung integriert, weil es unser Weg ist zu

sagen, Sprachförderung muss alltagsintegriert stattfinden. Deshalb muss auch im Prinzip bei der Personalbemessung für jeden Platz ein Anteil an Sprachförderung enthalten sein. Die Antwort: Ja, für Sprachförderung sind Anteile in der Grundausstattung vorgesehen.

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Ernst.

Herr Staatssekretär, werden bei der Erkennung und Förderung von Kindern, die Probleme mit der Sprachbildung im frühkindlichen Alter haben, auch Sprachtherapeuten eingesetzt?

Ob und wie viele das sind, kann ich Ihnen nicht sagen, Herr Ernst, aber wir verfolgen den Weg – ich sage es noch einmal – der alltagsintegrierten Sprachförderung. Wir wollen die Kinder auf ihrem Weg begleiten. Deshalb finden Sprachbeobachtungen statt. Ich kann mich an Diskussionen auch schon in der letzten Legislatur zu der Frage in diesem Hause erinnern. Es gibt unterschiedliche Beobachtungsraster, Sismik für Kinder mit Migrationshintergrund und Seldak für Kinder aus einem deutschen Elternhaus. Diese Beobachtungsbögen kommen zur Anwendung. Aufgrund dieser Erkenntnisse werden dann die Kinder in ihrem Kita-Alltag gefördert.

Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Huth-Haage.

Das spielerische Erlernen einer Fremdsprache erhöht nachweislich auch die muttersprachliche Kompetenz. Insofern ist es begrüßenswert, dass wir 38 bilinguale Écoles Maternelles haben. Die Voraussetzung ist, dass eine Grundschule auch Französisch anbietet. Nun ist es in den allermeisten Fällen nicht der Fall. Bei zwei Schulen haben sie eine Ausnahme gemacht, aber bei allen anderen 36 bietet es eben eine Grundschule an. Nun die Frage: Gibt es ähnliche Konzepte für andere Fremdsprachen, beispielsweise Englisch? Gibt es solche Konzepte im Land?

Es gibt drei bilinguale Kitas Englisch, und zwar in Ludwigshafen und Neustadt; wo die dritte liegt, weiß ich jetzt nicht. In Neustadt ist es an der Internationalen Schule, an der Englisch die Unterrichtssprache ist. In Ludwigshafen ist es bei der BASF. Die dritte kann ich Ihnen gerne nachliefern.

Ansonsten gibt es keine weiteren bilingualen Kitas. Weil Sie die Élysée-Kitas angesprochen haben: Mit 38 sind wir in Rheinland-Pfalz bundesweit wirklich sehr gut vertreten. Ich glaube, es gibt in Deutschland insgesamt 244. Wir warten auf die nächste Ausschreibungsrunde. Ich gehe davon aus, dass sich noch weitere Kitas bewerben werden.

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Brandl.

Herr Staatssekretär, ich gehe davon aus, Sie stimmen mir zu, dass es auf die Zeit ankommt, in der die Erzieherinnen und Erzieher mit den Kindern arbeiten, um tatsächlich Sprache vermitteln zu können. Sie haben gesagt – es steht ja auch im Gesetz –, dass keine externen Sprachförderkräfte mehr gefördert werden, sondern dass Sie auf die alltagsintegrierte Sprachförderung setzen. Allerdings ist diese altersintegrierte Sprachförderung in den 0,1 Personalanteilen pro Kind integriert.

Der Landesjugendhilfeausschuss hat klar gesagt, in Summe reichen die 0,1 nicht. Wenn es nun auf die Zeit ankommt, die die Erzieherinnen und Erzieher mit den Kindern verbringen, wie schätzen Sie dann ein, dass diese 0,1 Personalanteile pro Kind tatsächlich reichen, um auch in Kitas, die einen höheren Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund haben, entsprechend zu fördern, damit sie alle Deutsch können, wenn sie in die Schule kommen?

Herr Brandl, Sie sehen es mir nach, dass ich nur etwas zur Sprachförderung sagen werde und nicht zur Diskussion über die Kita-Gesetzesnovelle

(Abg. Martin Brandl, CDU: Sprachförderung in der Kita! Das ist doch das Thema!)

ja –, weil wir das schon an anderer Stelle gesagt haben.

Ja, wir wollen, dass Sprachförderung alltagsintegriert stattfindet. Das heißt aber nicht, dass in einer Kita Kinder mit besonderem Sprachförderbedarf darüber hinaus nicht auch zeitweise aus der Gruppe herausgenommen werden. Das ist bisher so, und das wird auch künftig möglich sein.

(Abg. Martin Brandl, CDU: Aber es gibt keine externen Kräfte!)

Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Beilstein.

Herr Staatssekretär, Sie haben die Sprachförderung als Querschnittsaufgabe bezeichnet und den alltagsintegrierten Ansatz betont. Mich würde interessieren: Beschreiben Sie doch bitte einmal ganz konkret diesen alltagsintegrierten Ansatz, den ich so verstehe, dass eine allgemeine fachlich bezogene Begleitung aller Kinder stattfindet. Und was darüber hinaus gibt es an Einzelmaßnahmen ganz konkret für betroffene Kinder, die eine stärkere Förderung benötigen?

Frau Beilstein, alltagsintegrierte Förderung – das besagt schon der Name – bedeutet, dass jede Situation im Kitaall

tag für sprachliche Förderung genutzt wird, und zwar von allen Erzieherinnen und Erziehern. Darüber hinaus gibt es auch noch – das ist ja im Prinzip die Frage, die auch Herr Brandl gestellt hat – zusätzliche Förderung,

(Abg. Anke Beilstein, CDU: Welche?)

zum Beispiel wenn bei der Schulanmeldung bei einem Kind, das nicht die Kita besucht hat, festgestellt wird, dass noch Sprachförderbedarf besteht. Dann wird dieses Kind in der Kita gefördert, wenn es möglich ist alltagsintegriert, und – das habe ich auf Ihre Frage geantwortet, Herr Brandl –, wenn es erforderlich ist, auch darüber hinaus, weil es Kinder gibt, die diese Förderung brauchen.

Es gibt im Übrigen noch andere Kinder mit Sprachförderbedarf. Wenn ein Kind aus dem Ausland kommt, beispielsweise viereinhalb Jahre alt ist und in eine Kita kommt, findet die Integration natürlich in der Gruppe statt. Die Sprachförderung findet alltagsintegriert statt. Aber darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, dieses Kind noch speziell zu fördern.

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Roth.

Vielen Dank. – Herr Staatssekretär, Sie hatten vorhin gesagt, dass alle Sprachen in den Kitas wertgeschätzt werden, natürlich besonders Deutsch, und dass in den Regionen, die zu Frankreich hin liegen, besonders Französisch gefördert wird. Werden auch noch andere Fremdsprachen in den Kitas gefördert? Ich denke zum Beispiel an die Stadt Mainz und ihre Partnerschaft mit Valencia. Wird auch Spanisch angeboten?