Sie, Herr Kollege Puls, sagen weiter, auf keinen Fall dürften der Polizei Befugnisse zur Analyse und Auswertung von Erbinformationen zugestanden und zugemutet werden. Das haben wir nie gefordert. Kein Mensch hat das hier gefordert. Daher kann ich Ihnen nur sagen, das ist eine Phantomdiskussion. Gleiches gilt für Ihre Behauptung, eine Erweiterung auf Bagatelldelikte und Kleinkriminelle sei weder notwendig noch verhältnismäßig. Das hat doch auch niemand gefordert, Herr Kollege Puls. Denn es wäre wahrscheinlich tatsächlich nicht verhältnismäßig. Warum
bemühen Sie solche Argumente, die in keiner Diskussion bisher ernsthaft eine Rolle gespielt haben? Meine Damen und Herren, das sind Scheinargumente, die einen tief greifenden Konflikt innerhalb der SPD verschleiern sollen. Aber sie werden ihn an anderer Stelle deutlich erscheinen lassen.
Herr Innenminister, Sie haben sich offenbar gründlich informiert, Sie haben CDU-Positionen übernommen. Dafür verdienen Sie Respekt.
Wir erwarten, dass Sie Ihren Anfang Januar eingeschlagenen Kurs weiterverfolgen. Wir erwarten auch von Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, dass Sie unserem Antrag heute zustimmen. Es ist geradezu abenteuerlich zu sagen, er sei nicht hilfreich. Wir können heute gemeinsam dem Innenminister den Rücken stärken und das sollten Sie gemeinsam mit uns tun und nicht erklären, das sei nicht hilfreich. Das ist Unsinn.
An unserem Antrag erkennen Sie auch, wir nehmen den Aspekt des Daten- und Persönlichkeitsschutzes ernst. Wir wollen rechtsstaatliche Regelungen. Wir können sie gemeinsam vorantreiben, können sie gemeinsam verabschieden. Tun Sie uns den Gefallen, stärken Sie mit uns gemeinsam die Position des Innenministers und liefern Sie einen Beitrag für eine verbesserte Verbrechensbekämpfung auch in Schleswig-Holstein! Sie wären gut beraten, unserem Antrag zuzustimmen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn wir den Inhalt und die soeben vorgetragenen Begründungen des CDU-Antrages zur DNA-Analyse analysieren, stellen wir fest, was die Oppositionsinitiative ist: deutlich nur Aktionismus.
Der CDU-Antrag ist falsch terminiert, falsch konzipiert, geht von falschen rechtlichen Voraussetzungen aus und beruft sich zu allem Überfluss fälschlicherweise und verfälschender Weise auf Innenminister Klaus Buß.
Erstens. Der CDU-Antrag kommt zu spät, weil sein Anliegen auf der zuständigen Bundesebene längst überall beraten wird. Es gibt Initiativen zur Auswei
tung der DNA-Analyse im Bundestag, im Bundesrat, in der Justizministerkonferenz und nach Übernahme des Vorsitzes der Innenministerkonferenz durch den schleswig-holsteinischen Innenminister auch dort. Weil Innenminister Buß als Vorsitzender der IMK einen umfassenden Prüfauftrag erteilt hat, der darauf abzielt, Herr Kollege Geißler, erweiterte Möglichkeiten der DNA-Analyse für Zwecke der Strafverfolgung ergebnisoffen zu untersuchen, kommt insoweit der CDU-Antrag auch zu früh. Der Innenminister will im Sommer Prüfungsergebnisse und gegebenenfalls auch konkrete Vorschläge vorlegen. Leider ist die CDU-Landtagsfraktion der Bitte des Innenministers nicht gefolgt, ihren Antrag bis dahin zurückzustellen.
Zweitens. Der CDU-Antrag ist falsch konzipiert, weil er nur einen Teilaspekt der geltenden strafprozessualen Regelung zur DNA-Analyse erfasst, nämlich die verbesserte Nutzung der DNA-Analyse für Zwecke künftiger Strafverfahren. Das geltende Strafprozessrecht sieht DNA-Erhebungen und -Untersuchungen auch und vor allem zur Aufklärung bereits begangener Straftaten in anhängigen Strafverfahren und Ermittlungsverfahren vor. Auch hier sind Veränderungen denkbar, die die Strafverfolgung verbessern. Der CDU-Antrag springt inhaltlich zu kurz.
Drittens. Der CDU-Antrag geht von falschen rechtlichen Voraussetzungen aus, wenn in der Begründung behauptet wird, die im geltenden Recht vorgesehene Beschränkung der so genannten Anlassstraftaten, auch solche von erheblicher Bedeutung, sei bei Vergehen mit sexuellem Hintergrund zu eng und müsse beseitigt werden, weil gerade im Bereich der Sexualdelikte weniger gewichtige Straftaten der Beginn einer kriminellen Karriere mit schwersten Straftaten sein könnten. Lesen Sie die Drucksache 15/350: Am 1. April 2004 tritt auf Initiative der Bundestagsfraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine gesetzliche Neuregelung in Kraft, die eine DNAAnalyse für Zwecke künftiger Strafverfahren bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung unabhängig davon ermöglicht, ob bereits die Anlassstraftat von erheblicher Bedeutung ist. Insoweit läuft der CDU-Antrag hier und heute ins Leere.
Viertens. Ausschlaggebend für unsere Ablehnung des CDU-Antrags hier und heute ist allerdings die ausdrückliche Ankündigung unseres Innenministers, auch im Innen- und Rechtsausschuss, die gesamte Problematik der DNA-Analyse auf den Prüfstand der IMK zu stellen und konkrete Vorschläge für die Verbesserung der Strafverfolgung und Veränderung der einschlägigen Gesetzgebung in der Strafprozessordnung auf den Tisch zu legen, die auch die immer wieder geäußerten Befürchtungen - es gibt sie ja, Herr
Kollege Geißler - des Datenmissbrauchs berücksichtigen und nach Möglichkeit ausräumen und beseitigen.
Wir sind uns mit dem Innenminister einig darin, dass unseren Strafverfolgungsbehörden alle technisch verfügbaren Möglichkeiten an die Hand gegeben werden, die eine wirksame und erfolgreiche Kriminalitätsbekämpfung gewährleisten. Wir werden jeden konkreten Vorschlag des Innenministers unterstützen, der die verfassungsrechtlichen Grenzen nicht überschreitet und für den im Einzelfall ausreichend Missbrauchsvorsorge getroffen wird.
(Beifall des Abgeordneten Holger Astrup [SPD] Denn eines ist klar, meine Damen und Herren: Die DNA-Analyse mit ihrer Aussagekraft über Erbanla- gen und Krankheitsdispositionen ist eine der sensi- belsten und problematischsten Informationsquellen überhaupt. Vor jeder Ausweitung erkennungsdienstlicher Mög- lichkeiten der Polizei sollte deshalb intensiv und dif- ferenziert über wirksame bundesgesetzliche Miss- brauchsschutzregelungen diskutiert werden. (Beifall des Abgeordneten Holger Astrup [SPD] Der Innenminister hat eine umfassende Prüfung durch die IMK zugesagt. Lassen Sie uns das Ergebnis ab- warten, bevor wir hier weiter über Einzelaspekte diskutieren. Wir lehnen den CDU-Antrag ab. Er ist ein unausgegorenes Stückwerk. (Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr glücklich darüber, dass wir heute noch einmal über den CDU-Antrag zur Ausweitung der Anwendung von DNA-Analysen debattieren. Denn wir können durch die Diskussion hier und heute ein klares Zeichen setzen, in welche Richtung die Sicherheitspolitik eines liberalen Rechtsstaates zeigen soll.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 hat eines ganz klar gezeigt: Wir müssen uns der Grenzen der Gefahrenabwehr im Spannungsverhältnis zur freiheitlichen Gesellschaft immer wieder neu besinnen.
Eines lässt sich feststellen: Beim höchsten deutschen Gericht haben Freiheits- und Bürgerrechte weiterhin Konjunktur. Die Entscheidung hat aber nicht nur juristisch festgestellt, dass ein Großteil der in der Strafprozessordnung zum großen Lauschangriff getroffenen Regelungen verfassungswidrig ist.
Dieses Urteil ist geradezu eine rote Karte für all die politischen Gruppen, die den staatlichen Organen immer neue Eingriffsbefugnisse in die persönliche Lebenssphäre der Bürgerinnen und Bürger geben und dabei die rechtsstaatliche Grundordnung auf dem Altar des Sicherheitsstaates, des Überwachungsstaates opfern wollen.
Diese rote Karte bedeutet nichts anderes als den Auftrag an die Politik, dass solche Mitspieler das Spielfeld der inneren Sicherheit zu verlassen haben.
Der Dank meiner Fraktion geht insbesondere an die drei liberalen FDP-Politiker, die gegen eine solche Politik erfolgreich gekämpft haben, die einen Sieg für den Rechtsstaat errungen haben und die sich immer der Unterstützung der liberalen Parteifreunde aus Schleswig-Holstein sicher sein konnten.
Ganz in diesem Sinne wird meine Fraktion der vorliegenden Beschlussvorlage des Innen- und Rechtsausschusses zustimmen und der nach unserer Auffassung unverhältnismäßigen Ausweitung der DNAAnalyse, wie sie die Union beabsichtigt, eine Absage erteilen.
Die von der CDU vorgeschlagene Ausweitung der DNA-Analyse ist höchst problematisch. In seiner Entscheidung vom 14. Dezember 2000 hat das Bundesverfassungsgericht klare Grenzen gesetzt.
Kriminalistische Nützlichkeit genügt nicht als Rechtfertigung für die DNA-Analyse. Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht müssen verhältnismäßig sein. Erst ab dem Bereich der so genannten mittleren Kriminalität ist die DNA-Analyse rechtlich überhaupt zulässig.
Die CDU will aber die DNA-Analyse auch bei Personen vornehmen lassen, die eines sonstigen Vergehens mit sexuellem Hintergrund verdächtig sind. Dazu gehört unter anderem § 183 StGB, der die so genannten exhibitionistischen Handlungen beinhaltet. Exhibitionistische Handlungen im Sinne des § 183 StGB sind im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bedroht - also bis zu einem Jahr.
Das ist nun so ziemlich das unterste Maß der Strafzumessung. Vom Bereich der mittleren Kriminalität kann überhaupt keine Rede sein, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union.
Dazu kommt, dass nach einer Studie der Göttinger Universität bei exhibitionistischen Straftätern mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 bis 2 % mit der späteren Begehung eines Gewaltdelikts zu rechnen ist. Dies rechtfertigt keine Änderung der Strafprozessordnung in dem von der CDU verlangten Maß.
Im Übrigen ist seit dem so genannten Volkszählungsurteil bekannt, dass die so genannte Vorratsdatenspeicherung schlicht unzulässig ist.
Die Tatsache, dass die CDU nun wegen 1 bis 2 % potenzieller Gewalttäter die restlichen 98 bis 99 % auch in einer DNA-Datei erfassen will, spricht dafür, dass sie es genau auf eine solche Vorratsdatenspeicherung anlegt. Damit ignoriert die Union ein zweites Mal die Vorgaben der Verfassungsgerichtsrechtsprechung.
Ähnliches gilt für den von der CDU geforderten Wegfall der Gefährlichkeitsprognose. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will eines im Namen meiner Fraktion ausdrücklich feststellen. Der Besuch des Innen- und Rechtsausschusses im Dezember beim LKA hat allen dort Anwesenden deutlich vor Augen geführt, wie verantwortungsvoll in Schleswig-Holstein beim LKA mit den DNA-Spuren umgegangen wird. Ein Missbrauch mit diesen Spuren ist in SchleswigHolstein nahezu auszuschließen.
Wir lehnen Ihren Antrag aus vollster Überzeugung inhaltlich ab, weil wir keinen Ordnungsstaat, keinen Überwachungsstaat, sondern einen liberalen Rechtsstaat möchten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nein, ich habe hier niemanden zur Raison zu bringen. Jeder spricht für sich selber. Und natürlich spricht das Parlament für sich. Wenn der Herr Minister eine Idee äußert, lieber Herr Geißler, bedeutet das noch längst nicht, dass das Parlament sofort aufspringt.
Gerade hat Ihr Fraktionsvorsitzender in der Föderalismusdebatte ein erhebliches Mitspracherecht der Parlamente in allen Fragen der Zusammenarbeit gefordert. Sie werfen uns aber vor, dass wir nicht sofort getan hätten, was der Minister wollte. Das passt in keinster Weise zusammen. Sie sollten darüber nachdenken, ob das die richtige parlamentarische Auffassung ist.