Protokoll der Sitzung vom 13.11.2003

Wenn wir uns hier nicht auf einen gemeinsamen Weg einigen können, können wir das Ganze vergessen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Kalinka das Wort.

(Günter Neugebauer [SPD]: Darauf haben wir gewartet! Man könnte auch sagen: Wir haben es befürchtet!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über Themen kann man unterschiedlicher Meinung sein. Was mich in dieser Debatte ein bisschen erstaunt, ist, wie die Gewichtung der Argumente vorgenommen wird. Sie fragen nach dem Sinn des Antrags. Es sind zwei nahe liegende Punkte. Erstens ist die Auseinandersetzung mit DDR-Unrecht und Stasi nicht nur eine Frage der Ost-Länder, sondern des ganzen Deutschlands. Zweitens möchte man gern wissen, wer sich in den Dienst eines Unrechtsstaates auf deutschem Boden gestellt hat, um die Freiheit zu bekämpfen. Das wüsste ich gern. Das sind die beiden grundsätzlichen Fragestellungen, um die es in dieser Angelegenheit geht.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das kannst du al- les machen!)

Sich auf seinem Weg mit diesen beiden Fragen auseinander zu setzen, darf nicht verboten sein.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Du kannst re- cherchieren, wie du willst!)

Wir haben hier einige Bemerkungen über einzelne Punkte gehört zum Beispiel, zu den unrechtmäßig erworbenen Akten. Wenn es darum ginge, könnten wir Spionage überhaupt nicht verfolgen. Alle, die Spionage betreiben, handeln unrechtmäßig, wenn auch aus der Sicht ihres Landes rechtmäßig. Auch die HVA hat aus der Sicht der DDR rechtmäßig gearbeitet - natürlich nicht aus unserer Sicht. Von daher könnten Sie Spionage aufgrund Ihrer logischen Argumentation überhaupt nicht verfolgen.

Sie haben gesagt, es handele sich um Abschriften, die erhebliche Mängel aufwiesen. Offensichtlich haben Sie schon Einblick nehmen können - außer Sie haben Medienmeldungen zitiert. Bislang ist dies der Öffentlichkeit nicht zugänglich.

Worin liegt die besondere Qualität der RosenholzAkten? Sie liegt darin, dass sie dubios gestohlen wurden und wesentliches Material mit hoher Brisanz enthalten. Darüber sind sich alle Fachleute einig.

Wenn diese Dateien nach Deutschland zurückkommen, mit Sorgfalt geprüft werden, unterstellen Sie doch der Stasi-Behörde einfach einmal, dass sie nicht einfach sagt: „Hier ist etwas aus Amerika gekommen, das werfen wir einfach einmal auf den Markt und gucken, was dabei herauskommt“sondern unterstellen Sie deutschen Behörden eine gewisse Sorgfalt.

(Beifall bei der CDU)

Gehen Sie einmal davon aus, dass durch die Verjährung eine Grauzone entstanden ist.

In der Konsequenz dieser Argumentation müssen Sie doch einfach den Wert anerkennen, zu wissen: Wer war es denn, der unter dem Schutz der Verjährungsfristen ungeniert auftreten kann?

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Fröhlich?

Ja, gern.

(Werner Kalinka)

Sie haben von der Stasi-Behörde gesprochen. Ich bin nicht ganz sicher, was Sie damit meinen.

- Es ist doch klar, was ich meine.

(Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nein! - Heiterkeit!)

Also: Erst die Gauck-Behörde, dann die BirthlerBehörde. So viel Fachkunde können Sie mir grundsätzlich schon unterstellen.

Die hier angesprochene Fragestellung ist doch eigentlich nur die, welche Zielsetzung wir damit verfolgen. Sie und andere, die ständig von Transparenz sprechen, werfen einen Generalverdacht auf die Forderung, sich einer Überprüfung freiwillig zu unterziehen. Das ist nicht das Gebotene in dieser Diskussion. Heute, nach 13, 14 Jahren gibt es einen begründeten Anlass, die Forderung aufzustellen, aufgrund der Rosenholz-Dateien in eine Überprüfung einzutreten. Man muss dem nicht folgen. Dem anderen aber die Wahrhaftigkeit abzusprechen, weise ich zurück.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile Herrn Minister Buß das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat Mitte September 2003 die Diskussion über die Nutzung der Kenntnisse aus den so genannten Rosenholz-Dateien aufgegriffen und entschieden, an der bisherigen Praxis festzuhalten.

Das bedeutet: Beschäftigte des öffentlichen Dienstes - das will ich hier ausdrücklich klarstellen, auch wenn das nicht Gegenstand Ihres Antrags ist, Herr Schlie -

(Klaus Schlie [CDU]: Das habe ich aus- drücklich gesagt!)

- das haben Sie ausdrücklich gesagt, das ist richtig -, Bewerberinnen und Bewerber für den öffentlichen Dienst werden nur dann überprüft, wenn im Einzelfall tatsächlich Anhaltspunkte für ein Zweifel an der Verfassungstreue vorliegen. Dieses Verfahren steht im Einklang mit dem grundlegenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Mai 1975. Danach ist eine generelle Prüfung der Verfassungstreue in Form einer Regelabfrage nicht zulässig. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat damals - übrigens in einem Fall aus Schleswig-Holstein - in Bezug auf Regelanfragen beim Verfassungsschutz angemerkt -

mit Genehmigung der Präsidentin zitiere ich wörtlich -:

„Sie vergiften die politische Atmosphäre, irritieren nicht nur die Betroffenen in ihrem Vertrauen in die Demokratie, diskreditieren den freiheitlichen Staat, stehen in einem außerordentlichen Verhältnis zu ihrem Ertrag und bilden insofern eine Gefahr, als ihre Speicherung allzu leicht missbraucht werden kann. Deshalb sind solche Ermittlungen und die Speicherung ihrer Ergebnisse für Zwecke der Einstellungsbehörden schwerlich vereinbar mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Gebot der Verhältnismäßigkeit.“

(Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist das!)

In Schleswig-Holstein erfolgt keine derartige routinemäßige Überprüfung der Verfassungstreue. Auch hinsichtlich etwaiger Tätigkeiten für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR wird es keine Überprüfung aller Beschäftigten durch routinemäßige Abfrage bei der Dienststelle der BStU geben. Anfragen werden nur im Einzelfall und nur dann in Betracht kommen, wenn konkrete Anhaltspunkte beziehungsweise Hinweise für Kontakte zum Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR vorliegen sollten.

Das Verfahren gilt auch für Staatssekretärinnen und Staatssekretäre. Es erfasst in seiner Intention auch die Ministerinnen und die Minister, also die Regierungsmitglieder.

Bei den Regierungsmitgliedern, den Staatssekretärinnen und Staatssekretären kommt hinzu, dass die BStU nach dem Stasi-Unterlagen-Gesetz verpflichtet ist, den zuständigen Stellen von sich aus Mitteilung zu machen, wenn eine hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst festgestellt wird. Das legt § 27 StUG so fest. Von daher läuft der Antrag hinsichtlich der Landesregierung jedenfalls ins Leere.

Abschließend darf ich sagen: Jedem Abgeordneten steht es völlig frei, sich überprüfen zu lassen, wenn er es denn möchte, Herr Abgeordneter Schlie.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zur Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Astrup das Wort.

Frau Präsidentin! Im Namen der Fraktionen von SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW beantragen wir gemäß § 63 Abs. 2 der Geschäftsordnung namentliche Abstimmung zu diesem Antrag.

Ich schließe damit die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zur namentlichen.

(Zurufe: Erst Ausschussüberweisung!)

- Zur Geschäftsordnung, Herr Abgeordneter Stritzl!

Frau Präsidentin, wenn ich die Debatte richtig verfolgt habe, war zunächst Ausschussüberweisung beantragt. Darüber müssen wir zuerst abstimmen.

Ich greife das gern auf. Das war mir nicht mehr erinnerlich. Ich bitte um Entschuldigung.

Ich frage zunächst: Wer stimmt dafür, den Antrag an den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Antrag auf Ausschussüberweisung ist mit den Stimmen von SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen der CDU abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung in der Sache, und zwar, wie beantragt, zur namentlichen Abstimmung. Wir werden jetzt die Namen aufrufen.

(Namentliche Abstimmung) 1 Ich verkünde das Ergebnis der namentlichen Abstimmung: Der Antrag der Fraktion der CDU ist abgelehnt bei 54 Neinstimmen, 31 Ja-Stimmen und vier abwesenden Abgeordneten. Ich erteile jetzt der Frau Ministerin Erdsiek-Rave nach § 55 der Geschäftsordnung das Wort. (Zurufe: Hat sich erledigt!)

Abgeordneter Maurus!

Frau Präsidentin! Ich möchte nachtragen: Der Kollege Steincke ist erkrankt und hat daher an der Abstimmung nicht teilgenommen.

1 siehe Anlage