Protokoll der Sitzung vom 26.09.2018

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete der Fraktion der AfD, Volker Schnurrbusch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Angesichts der großen Herausforderungen, vor denen wir stehen - denken Sie etwa an den unaufhaltsamen Anstieg der Weltbevölkerung oder die drastischen Wetterschwankungen - brauchen wir eine wissenschaftliche Diskussion zur Pflanzenzucht im Labor.

Eine ideologische Debatte zu Gentechnik, die sich nur an Stimmungen oder Umfragen orientiert, führt nur dazu, dass wir nicht die beste Lösung bekommen, sondern allenfalls Mittelmaß. Wir glauben, dass der Europäische Gerichtshof mit seinem Urteil vom 25. Juli 2018 eine falsche Entscheidung getroffen hat, als er molekularbiologisch veränderte Pflanzen auf dieselbe Stufe gestellt hat wie gentechnisch veränderte Organismen und sie daher dem strengen Gentechnikrecht unterworfen hat. Das sieht übrigens auch Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner so.

Die CRISPR/Cas-Methode - CRISPR steht, ich traue mich einmal, das hier zu sagen, für Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats, das heißt auf Deutsch gruppierte kurze palindromische Wiederholungen mit regelmäßigen Abständen, nämlich der DNS - ist etwas anderes als die herkömmliche Gentechnik, nämlich ein Quanten

(Flemming Meyer)

sprung in der Pflanzenzüchtung. Cas ist übrigens ein Enzym, das wie eine Schere die DNS an der gewünschten Stelle abschneidet. Daher rief das Urteil des EuGH in Wissenschaftskreisen auch Kritik hervor. Ich zitiere dazu mit Erlaubnis der Präsidentin aus dem Wissenschaftsmagazin „Spektrum“ mit dem bezeichnenden Titel „Der lange Schatten der Ideologie“:

„Aus naturwissenschaftlicher Sicht leuchtet das Urteil nicht ein.“

Auch Professor Christian Jung von der ChristianAlbrechts-Universität in Kiel ist ein Befürworter der CRISPR-Methode, und Staatssekretär Dr. Aeikens aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium befürchtet sogar, dass die Innovation hier im Land ausgebremst wird. Der sogenannte Weizenflüsterer, Professor Beat Keller, befürchtet, dass es sich angesichts der komplizierten Zulassungsverfahren für Gentechnik nur noch Großkonzerne leisten können, auf diesem Gebiet zu forschen. Die Forschung werde so nach Nordamerika, China und Korea verlagert. Kleinere regionale Zuchtbetriebe, die wir auch in Norddeutschland haben, sind gar nicht mehr in der Lage, die hohen bürokratischen Hürden zu nehmen, die das Urteil jetzt aufbaut.

Aus meiner Sicht ist dies ganz klar ein negatives Signal für die Forschung hier in Schleswig-Holstein und auch für unsere heimische Landwirtschaft, die auf robuste Pflanzen angewiesen wäre. Aufgrund der Bodenverhältnisse und des hier vorherrschenden Klimas könnte gerade sie von neuen Züchtungen profitieren und sich so im immer stärker werdenden Wettbewerb behaupten. Denn wir können nicht auf der einen Seite fordern, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln immer weiter zu reduzieren, und gleichzeitig einen Weg versperren, Pflanzen resistenter zu machen.

Die Gentechnik und auch CRISPR/Cas sind sicherlich nicht der Heilige Gral zur Lösung aller Probleme in der Landwirtschaft. CRISPR/Cas funktioniert nicht immer fehlerfrei. Es ist auch noch nicht lückenlos erforscht. Deswegen sollten wir das vorantreiben. CRISPR/Cas ist ein Werkzeug von vielen in der Pflanzenzüchtung.

Bei dieser Methode handelt es sich um Mutagenese und nicht Transgenese. Ich möchte das gern erklären: Neue Sorten werden erzeugt, indem gezielt Schnitte im bestehenden Genmaterial erzeugt werden, ohne fremdes Material einzubringen, anders also als bei der Transgenese, denn dort werden artfremde Gene eingebracht. Die Mutagenese und damit auch die sogenannte Genschere CRISPR be

wirkt also eine Veränderung, die auch auf natürlichem Wege hätte erfolgen können, die vom Organismus selbst repariert werden kann und in der Folge robustere Pflanzen hervorbringt.

So ist es bereits gelungen, Maispflanzen zu züchten, die eine bessere Reaktion auf Dürrestress zeigen. Wir wissen, was Dürre bedeuten kann, das haben wir gerade erlebt. Wir müssen also die CRISPR/Cas-Methode als das begreifen, was sie ist: ein naturidentisches Verfahren.

Schon vor dem Urteil des EuGH hat die BASF ihre Forschungssparte zur grünen Gentechnik in die USA ausgelagert. Das bedeutet einen Verlust an Know-how und die Abwanderung hochqualifizierter Wissenschaftler. Hier in Schleswig-Holstein überlegt die Norddeutsche Pflanzenzucht, die hier in der Nähe angesiedelt ist, ihre Forschungsaktivitäten auszulagern.

Der Fortschritt der Forschung auf diesem Feld ist akut bedroht. Deswegen bitten wir in unserem Antrag die Landesregierung, die Erfolge der Humanmedizin auch im Bereich der grünen Gentechnik zu ermöglichen. Deswegen fordern wir den Erhalt der bewährten Forschungseinrichtungen hier in Schleswig-Holstein, eine Versachlichung der Debatte und ideologiefreie Bewertung der neuen Methode und nicht zuletzt eine Beratung und Unterstützung unserer Landwirte, um die Zukunftsfähigkeit unserer hochwertigen Landwirtschaft sicherzustellen; denn die nächste Dürre kommt bestimmt. Wir beantragen die Überweisung an den Umwelt- und Agrarausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Heiner Rickers das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kollegen! Herr Schnurrbusch, ich bin Ihnen dankbar für diesen Antrag, denn das Thema ist ein spannendes, und wir sollten das durchaus hier im Parlament einmal diskutieren.

Worum geht es? - Sie haben richtig dargestellt, deswegen will ich es nicht wiederholen, dass das CRISPR/Cas-Verfahren ein international bestauntes, beachtetes und auch bei Forschern und wahrscheinlich auch bei Anwendern zukünftig sehr gefragtes Verfahren im Bereich der Pflanzenzüchtung oder vielleicht auch im Bereich der Gentechnik sein

(Volker Schnurrbusch)

wird. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 25. Juli dieses Jahres besagt eindeutig, dass die Einstufung genau wie bei der Verwendung von ganz normalen GVO, also gentechnisch veränderten Organismen, ist. Insofern unterliegt auch CRISPR/Cas in den Zulassungsverfahren in all den Bereichen in der Anwendung und in der Forschung der Einstufung einer gentechnisch veränderten Pflanze oder eines Tieres. Das macht es umso schwieriger in der Diskussion und auch umso schwieriger in der Frage, ob CRISPR/Cas etwas für Europa oder unserem Standort hier in Deutschland wäre.

Sie sind relativ schnell auch auf die Aussagen unserer Landwirtschaftsministerin in Berlin, Julia Klöckner, gekommen. Ja, der stimme ich eindeutig zu. Ich persönlich habe - das gilt auch für meine Fraktion - das Gefühl, dass wir dort ein Stück weit den Fortschritt und die Zukunft verschlafen, wenn wir das genauso sehen, wie der Europäische Gerichtshof das entschieden hat.

(Beifall CDU, vereinzelt AfD und Beifall Oliver Kumbartzky [FDP])

Ich will versuchen, Ihnen das anhand von einigen Beispielen klarzumachen. Nun stellen Sie sich vor, Sie gehen zum größten Rinderzuchtverband hier im norddeutschen Raum. Der nennt sich RSH, und damit ist nicht das Radio gemeint, sondern die Rinderzucht Schleswig-Holstein. Berechtigt tragen die uns im Facharbeitskreis Agrar vor, dass sie genau das sehen, was ich beschrieben habe, nämlich die Konkurrenz aus dem Ausland, die es in der Realität geben wird, wo solche Verfahren zugelassen sind.

Denn es können zukünftig durchaus auch Spermaverkäufe aus dem Ausland hier nach Deutschland von Bullen erfolgen, die zum Beispiel eine genetische Hornlosigkeit vererben. Diese genetische Hornlosigkeit ist nicht durch Züchtung, sondern durch dieses Verfahren CRISPR/Cas und damit durch Genschnitte relativ schnell, kostengünstig und wahrscheinlich auch noch mit einem Patent versehen umgesetzt worden, zum Beispiel in den USA. Da lautet die spannende Frage, wie die Landwirtschaft zukünftig - nicht in der ersten Generation, für die man vielleicht noch nachweisen kann, dass das Verfahren angewendet wurde oder wo man vonseiten des Patentinhabers vielleicht noch Gebühren erheben will, sondern in der zweiten Generation, wenn man nicht mehr feststellen kann, dass es wirklich das CRISPR/Cas-Verfahren war, sondern vielleicht auch Züchtung hätte sein können damit umgeht, wenn der deutsche Bauer nach die

sem Sperma oder eben auch nach Tieren ruft und diese auch kaufen wird.

Genau das ist die spannende Frage: Bleiben wir dann in einem Markt wettbewerbsfähig, oder werden wir abgehängt?

Die zweite Frage will ich ebenfalls mit einem Beispiel einleiten. Das gilt gar nicht unbedingt für Europa, sondern es gilt für den westafrikanischen Erzeugermarkt von Kakao. Neueste Studien belegen, dass CRISPR/Cas dazu beitragen könnte, dass dort eingeschleppte Viren, die diese Kakaobestände durchaus belasten oder sogar gefährden und Ernten unmöglich erscheinen lassen, zukünftig wieder bekämpft werden könnten, indem man ein Stück dieser Gensequenz - die Anfälligkeit für dieses Virus relativ einfach und kostengünstig wegschneidet und insofern auch in Dritte-Welt-Ländern erfolgreich weiterhin Kakao anbauen könnte. Auch denen wäre damit geholfen.

Wir stehen jetzt vor diesem Urteil und müssen in der Praxis, in der Forschung, im Handel und natürlich auch im internationalen Markt in der Konkurrenz- und Wettbewerbsfähigkeit damit umgehen. Das ist nicht einfach. Traum eines jeden Züchters wäre natürlich, einige Verfahren der Züchtung, vielleicht auch Generationen zu überspringen oder so etwas wie Mutationen beeinflusst durch Strahlung oder Chemikalien durch solch ein Verfahren zu ersetzen. Das würde Riesenchancen bieten. Die sind uns im Moment natürlich versagt. Ich will es deutlich sagen: Wir werden es in Zukunft mit Endprodukten zu tun haben - egal, ob im Pflanzenanbau oder bei der Tierzucht -, bei denen nicht nachweisbar ist, wodurch die vermeintlich positiven Eigenschaften hervorgebracht wurden, durch Züchtung oder durch CRISPR/Cas. Das ist das große Problem. Das ist noch nicht gelöst, auch nicht in der Forschung.

Forschung, Lehre, Wettbewerb, Beratung, all das siedelt sich erfahrungsgemäß dort an, wo es einen Markt findet. Der Markt ist im Moment leider nicht bei uns. Insofern stimme ich mit Ihnen überein: Es besteht die Gefahr, dass der komplette Bereich abwandert.

Sie haben mich nach meinem Abstimmungsverhalten - wir wollen abstimmen - gefragt. Wenn wir uns in Jamaika nicht einig sind - das Urteil des Europäischen Gerichtshofs hatte einiges dazu beigetragen -, neigen wir dazu, Anträge ablehnend zu bescheiden. Das werden wir auch hier tun. Vielleicht schaffen wir es, auf anderer Ebene weiter zu diskutieren. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Heiner Rickers)

(Beifall CDU und Volker Schnurrbusch [AfD])

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort hat nun der Abgeordnete Dr. Dolgner für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einmal müsste sich die Fraktion der AfD entscheiden: Gibt es nun einen Klimawandel, auf den man mit neuen Zuchtmethoden reagieren muss, oder gibt es ihn nicht? Es ist nicht an mir, diese Frage zu klären, aber das wäre zielführend.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Die Gründe sind entscheidend!)

- Auch zu den Gründen ist vorhin höherer Blödsinn gesprochen worden. Dazu kann ich nur sagen: 99,9 % wissenschaftlicher Konsens. Das kann man gern ausführen. Wer glauben will, will glauben. Die anderen machen sich auf den Weg, die Probleme zu lösen.

Das Urteil des EuGH hat viele Wissenschaftler überrascht, mich auch. Es ist schwer zu verstehen, warum Pflanzen, bei denen mit CRISPR/Cas nur das eigene Erbgut verändert wird, etwas, was die konventionelle Pflanzenzucht mit mutagenen Substanzen und früher auch mit Radioaktivität in der Mutationszüchtung viel grobschlächtiger macht, gleichgestellt werden mit Pflanzen, denen fremdes Erbgut zugefügt wurde. Diesen Widerspruch hat aber der EuGH nicht, wie man nach dem Vortrag des Generalanwalts hätte erwarten können, zugunsten der CRISPR/Cas-Methode aufgeklärt, sondern er regt die Nationalstaaten sogar an, auch die konventionelle Mutationszüchtungen unter die strengen Vorschriften der GVO-Richtlinie zu stellen.

Man mag nun von dem Urteil halten, was man will, aber: Es ist geltendes Recht. Es ist denklogisch überhaupt nicht zu verstehen, weshalb das Land wegen des Urteils eine wie auch immer geartete Chancen-Risiken-Analyse durchführen soll. Was hat sich denn an Chancen und Risiken durch das Urteil geändert?

Könnte eine solche Analyse nachträglich etwas an dem Urteil ändern? - Nein.

Den Antragstellern ist vielleicht entgangen, dass der Lehrstuhl für Pflanzenzüchtung und das Institut seit Langem Teil der staatlichen finanzierten Hochschule CAU sind. Der Lehrstuhlinhaber feiert gera

de sein 25-jähriges Lehrstuhljubiläum. - Herzlichen Glückwunsch von dieser Stelle aus! - Deshalb ist die Aufforderung im AfD-Antrag, diese Forschung zu fördern, fast albern. Das tut der Landeshaushalt bereits seit sehr langer Zeit. Sie täuschen mit dem Antrag Urteilsaktionismus vor und fordern etwas, was seit 25 Jahren Realität an der CAU ist.

Im Gegensatz zu meinen Kollegen von der CDU bin ich für den Antrag nicht dankbar. Ich weiß auch nicht, warum ich das sein sollte. Wenn man über CRISPR/Cas reden möchte, kann man eigene, viel bessere Anträge schreiben als diesen,

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Immer ran! Einfach machen!)

den aus den eben genannten Gründen wirklich niemand braucht. Deshalb werden wir den Antrag nicht überweisen, sondern ablehnen. Sowohl an der GVO-Richtlinie als auch an dem Urteil des EuGH ändert Ihr Antrag nicht ein Jota. Es soll eine völlig nutzlose Risikoanalyse gemacht werden. Außerdem versuchen Sie zu suggerieren, es werde in Schleswig-Holstein dazu nicht geforscht. Ich glaube, Professor Jung dürfte das in den Ohren klingen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort hat nun für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abgeordnete Bernd Voß.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf die ganze Genese der Freisetzungsrichtlinien will ich an dieser Stelle nicht eingehen. Die Diskussion zeigt schon, dass wir an anderer Stelle einen Exkurs dazu machen sollten.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu neuen Mutagenese-Verfahren am 25. Juli 2018 hat festgestellt, dass durch neue Mutagenese-Verfahren wie CRISPR/Cas entstandene Organismen als GVO anzusehen sind. Damit unterliegen sie den Verpflichtungen der GVO-Richtlinie. Ich begrüße diese rechtliche Klarstellung ausdrücklich. Sie war notwendig. Es ist gut, dass der Europäische Gerichtshof sie gefällt hat.

Den Zungenschlag der AfD, die in dem Urteil der Großen Kammer eines unabhängigen EU-Gerichts alle Richter haben unterschrieben, was selten ist

(Heiner Rickers)