Protokoll der Sitzung vom 29.08.2019

Wir wussten nicht, wann sie kommen würde, und wir hätten nie geahnt, dass sie friedlich erfolgen würde. Dass eine friedliche Wiedervereinigung hier in Deutschland möglich war, ohne dass ein Schuss gefallen ist, das ist allemal und immer wieder ein Grund, miteinander zu feiern.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW - Volker Schnurrbusch [AfD]: So ist es! - Beifall AfD)

Die Älteren unter uns - es sind gar nicht so viele haben noch miterlebt, wie der 17. Juni gefeiert wurde. Er war ein wichtiger Gedenktag, bei dem an den Aufstand in der damaligen DDR gedacht worden ist. Auch dafür wurden wir manchmal sogar angepöbelt; wir wurden belächelt, dass wir das immer wieder zum Anlass genommen haben, an die Frei

(Kai Vogel)

heit der Menschen zu erinnern. Und diese Freiheit kommt jetzt.

Am 3. Oktober 2019 wird dies nun wieder einmal hier gefeiert. Ich hatte das Glück, schon beim letzten Mal als Abgeordneter dabei sein zu dürfen, und ich freue mich auch dieses Mal, dass wir dabei hier in Kiel, hier in Schleswig-Holstein die Gastgeber sind.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Wir wollen - danke, liebe Kolleginnen und Kollegen - gern Gastgeber sein. Wir wollen uns dabei von unserer besten Seite präsentieren - als Abgeordnete, als Parlament, als Regierung, als Schleswig-Holstein. Deshalb ist es gut, dass wir möglichst viele Menschen hierher einladen.

Dem Bericht der Landesregierung zufolge werden über 500.000 Menschen erwartet. Das ist auch für Kiel ein Spektakel, das die Stadt so noch nicht erlebt hat. Dafür werden wir sehr gern alle möglichen Dinge tun, um diese Menschen so gut wie möglich willkommen zu heißen.

Dabei wissen wir aber - das muss auch dazu gesagt werden -, dass die Mehrzahl der Menschen nach wie vor mit dem Auto anreisen werden. Wir müssen also am Stadtrand oder außerhalb der Stadt für Park-and-Ride-Plätze sorgen. Das ist in dem Konzept der Landesregierung enthalten, und es ist auch in den Besprechungen immer wieder Thema gewesen.

Darüber hinaus wollen wir aber auch, dass die Gäste mit SPNV und ÖPNV hierherkommen, und zwar am 3. Oktober möglichst umsonst. Damit kann zumindest ein Teil des Autoverkehrs vermieden werden; zu viel Verkehr muss nämlich nicht sein. Wir sind dabei vorbildlich; dies hat es in anderen Bundesländern in dieser Form bislang noch nicht gegeben, und hier wären wir tatsächlich einmalig.

Ich kann im Namen der CDU-Fraktion die Landesregierung und den Ministerpräsidenten bei diesem Vorhaben tatsächlich nur unterstützen. Bei den Verhandlungen sowohl mit der Stadt Kiel wie auch mit NAH.SH ist es bereits gelungen sicherzustellen, dass wir am 3. Oktober unsere Gäste kostenfrei herkommen lassen können. Auch der eine oder andere von uns ist ja selbst hiervon betroffen.

In diesem Sinne, Herr Ministerpräsident: Verhandeln Sie! Wir alle geben uns Mühe, an diesem Tag gute Gastgeber zu sein und uns als Land, als Parlament, als Parlamentarier von der besten Seite zu zeigen. Denn das soll ein Fest sein, das noch lange

an Schleswig-Holstein erinnert, das uns nachhaltig als Gastgeber darstellt.

In diesem Sinne herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit, und Ihnen, Herr Ministerpräsident, viel Erfolg bei den Verhandlungen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Dr. Andreas Tietze.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einige von Ihnen werden sich erinnern: Die Bahn spielte schon vor dem Mauerfall eine besondere Rolle. Ich erinnere mich noch gut an den Moment im Oktober 1989, als Hans-Dietrich Genscher auf dem Balkon der Botschaft in Prag stand und bekannt gab, dass die Menschen ausreisen dürfen. Wir erinnern uns an diese Züge: 22 Sonderzüge waren es, die die Menschen in die Freiheit brachten.

(Beifall FDP, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Dr. Frank Brodehl [AfD])

Meine Damen und Herren, das Kalkül des damaligen SED-Regimes, die Züge über DDR-Gebiet fahren zu lassen und damit zu demonstrieren, dass die Lage unter Kontrolle sei, schlug ins Gegenteil um. Tausende Menschen stürmten die Bahnhöfe, um an die Züge zu gelangen. Trotz des massiven Einsatzes von Sicherheitskräften gelang dies einigen sogar.

Meine Damen und Herren, in dieser Woche vor dem Mauerfall konnten weitere Tausende Menschen per Zug durch die damalige Tschechoslowakei in den Westen fliehen.

Mit dem Mauerfall wurden die Deutschen damals vom Regierenden Bürgermeister Walter Momper als das glücklichste Volk der Welt bezeichnet. Wieder einmal war es die Bahn, mit der Menschen zum ersten Mal in den Westen reisten - sei es für immer, oder sei es nur, um mal zu gucken und um Freunde, Verwandte und Bekannte zu besuchen. Wer also ein bisschen Geschichtsbewusstsein hat, wird feststellen, dass das Thema Bahnreisen, dass die Anreise mit der Bahn mit der Deutschen Einheit sehr viel zu tun hat.

Insofern ist es nicht damit getan zu sagen - Herr Kollege Vogel -: Wir bieten einen kostenlosen Nah

(Hans-Jörn Arp)

verkehr an. Das wäre unter den politischen Forderungen von uns Grünen die Forderung Nummer eins, und ich würde mich tatsächlich dann hier hinstellen und sagen: Herzlich willkommen im Club! Nein, es hat eben auch - - Herr Ministerpräsident, ich finde es sehr gut, dass Sie dies auch angenommen haben; ich weiß gar nicht, ob Sie dazu einen Antrag der SPD benötigt hätten. Sie haben immerhin erkannt, dass dies ein wichtiger Aspekt der Deutschen Einheit ist, etwas, das mit Freiheit zu tun hat und das mit der Frage zu tun hat, welche Bedeutung die Deutsche Einheit hat. Deshalb feiern wir diesen Tag, den 3. Oktober 2019, in Kiel, und deshalb ist dies auch mehr als nur ein Symbol.

Meine Damen und Herren, wir alle wissen ja, wie so ein Tarifgeschachere abläuft.

Ich habe das beim Semesterticket selbst leidvoll erleben können. Wenn Sie Erster Bürgermeister von Hamburg wären, Herr Ministerpräsident, könnten Sie das einfach so entscheiden und sagen: „Ich unterschreibe das jetzt“, weil die Tarifhoheit durch die Bruttoverträge in Hamburg eben in der Hand des Hamburgischen Senats liegen. Bei uns müssen Sie durch die Institutionen hindurch. Was ich beim Semesterticket erlebt habe, werden Sie jetzt wahrscheinlich leidvoll beim Thema Deutsche Einheit erleben, denn Sie müssen mit NAH.SH, mit Unternehmen verhandeln, dann wird hier und da geschaut. Ich habe das alles hinter mir.

Das zeigt eben auch, dass dieses ganze Tarifgefüge tatsächlich einer Reform bedarf. Wenn wir so etwas wollen - wir haben auch viele andere Ideen -, dann sieht man jetzt an dieser Stelle, dass an einigen Schrauben mehr im System zu drehen ist, als wir vielleicht im Moment denken. Es ist wichtig - darauf kommt es mir an, meine Damen und Herren -, dass wir gerade auch zu solchen Begebenheiten wie dem Tag der Deutschen Einheit als höchstes gesetzgebendes Kompetenzgremium dieses Landes auch einmal einen Akzent setzen können. Das ist auch eine wichtige Voraussetzung. Wir machen das nicht, weil wir möchten, dass die Bürger Geld sparen, sondern wir machen das aus dieser Verantwortung heraus, die ich am Anfang dargestellt habe.

Deshalb appelliere ich auch an die Unternehmen: Ihr seid auch Teil des Ganzen, ihr seid auch Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, ihr seid Bürgerinnen und Bürger dieses Landes! Deshalb gehe ich davon aus, dass wir tatsächlich in diesem Rahmen, Herr Kollege Vogel, sehr schnell zu einer Einigung kommen, dass die Bahnfahrt und der ÖPNV an diesem Tag frei sind. Aus der historischen Verantwortung heraus - das Klima wird es uns selbstverständlich

auch danken - können wir damit ein Zeichen setzen, ein besonderes Zeichen des Willkommens, ein Zeichen aber auch, dass uns bewusst ist, dass Mobilität mehr ist, als nur von Punkt A nach Punkt B zu kommen. Mobilität ist auch ein Zeichen von Freiheit von Menschen. Ich glaube, das zeigen wir mit diesem Beschluss und mit Ihrer Initiative sehr deutlich.

Ich möchte mich an dieser Stelle bedanken und wünsche Ihnen viel Erfolg und immer eine ordentliche Handbreit Wasser unterm Kiel, damit Sie das auch schaffen, dass wir das am Tag der Deutschen Einheit auch wirklich umsetzen können. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und Dr. Frank Brodehl [AfD])

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Richert.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Vogel, Sie haben eben gesagt, die Diskussion sei ein bisschen schräg. Da gebe ich Ihnen recht. Es gäbe natürlich die Möglichkeit, jetzt noch ein bisschen Öl ins Feuer zu gießen, aber ich denke, es ist ein so freudiger Anlass, über den wir uns hier unterhalten, dass ich hier keine weitere Kontroverse aufmachen möchte.

Der Tag der Deutschen Einheit ist ein Freudenfest für alle Deutschen. Ich - ich denke aber, ich spreche da für meine gesamte Fraktion und auch für die meisten hier im Haus - empfinde es als großes Glück, dass Deutschland vor 30 Jahren wieder zu einem Staat geworden ist, dass diese unselige Teilung überwunden wurde, dass die ständige Bedrohung des Kalten Krieges überwunden wurde und vorbei ist. Ich bin nach wie vor den Bürgerinnen und Bürgern der DDR dankbar für ihren Mut, für ihre Entschlossenheit, sich diesem menschenverachtenden, diesem brutalen und gewalttägigen sozialistischen Regime entgegenzustellen.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU, AfD, Beifall Lars Harms [SSW] und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Das ist auch ein eindrucksvoller Beweis dafür, welche Kraft der Wunsch der Menschen nach Freiheit hat.

Dieses Gefühl der Befreiung und Erlösung von der ständigen Bedrohung durch Krieg und Verderben

(Dr. Andreas Tietze)

können wir vielleicht nicht weitergeben, das muss man wahrscheinlich erlebt haben. Aber die Überzeugung, dass Unrechtsregime, Unrecht, Gängelung, Bevormundung und Unfreiheit überwunden werden können und überwunden werden müssen, ist die zentrale Botschaft für uns an diesem Tag der Deutschen Einheit. Deshalb ist dieser Tag der Deutschen Einheit so wichtig für uns.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind jetzt wieder ein Volk in einem Land, und die Freude darüber und das Glück, das wir empfinden, wollen wir mit allen unseren Freunden teilen. Deshalb richten wir als Deutsche einmal im Jahr den Tag der Deutschen Einheit mit einem Bürgerfest aus, jedes Jahr in einem anderen Bundesland. Dieses Jahr haben wir die Ehre, hier bei uns in Schleswig-Holstein, in unserer Landeshauptstadt Kiel Gastgeber für dieses große Fest sein zu dürfen. Natürlich kommt auch dieses Fest nicht ohne offizielles Tüdelüüt und Brimborium aus, aber im eigentlichen Mittelpunkt stehen doch die Bürgerinnen und Bürger. Denn nicht die große Politik hat das DDR-Unrechtsregime überwunden, sondern der Bürger, der mutige, aufrechte, optimistische Bürger war es, der neugierig war, der optimistisch und hoffnungsvoll auf seine eigene Zukunft geblickt hat. Das müssen wir feiern.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Dr. Frank Bro- dehl [AfD])

Wir wollen dieses Fest alle zusammen feiern. Ich finde es deshalb klasse, dass die Landesregierung zusammen mit der Stadt Kiel dafür sorgt, dass alle Menschen in Kiel mobil sind - und das kostenlos. Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Landesregierung: Vielen Dank für Ihre Initiative dazu.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU - Zurufe SPD - Birte Pauls [SPD]: Das ist so lächer- lich!)

Meine Damen und Herren, der Tag der Deutschen Einheit ist ein Freudentag für alle Deutschen und für unsere Freunde und Gäste. Wie einig wir uns in diesem Punkt sind, zeigt ja auch Ihr Beitrag, den Sie dazu geleistet haben, der Antrag der Opposition, der parallel zur Initiative der Landesregierung eingebracht wurde.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Nicht parallel, son- dern davor! - Birte Pauls [SPD]: Das ist reali- tätsfern!)

Wir sind also da einer Meinung, auch wenn Sie jetzt versuchen, das wieder zu relativieren. Ich nehme das trotzdem als positives Signal aus Ihrer Richtung. Ich freue mich auf ein schönes Bürgerfest in unserem schönen Schleswig-Holstein. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und CDU)

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Schnurrbusch das Wort.

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste, die gerade eintrudeln! Am 3. Oktober 2019 feiern wir hier in Kiel den Tag der Deutschen Einheit. Wir freuen uns alle auf ein großartiges Fest, bei dem wir uns der Wiedervereinigung erinnern. Wir sind den mutigen Männern und Frauen dankbar, die sich damals gegen das DDR-Regime erhoben und die Wende vollendet haben.