Protokoll der Sitzung vom 14.11.2019

manchmal Dinge verzapft, bei denen man wirklich wahnsinnig werden kann. Wenn ich mir vorstelle:

Ein gutes Bahnprojekt, das einzige, wird herausgenommen, Dinge aber, die schlechter geeignet sind, werden reingenommen, dann weiß ich natürlich, dass das tiefster Regionalismus ist; das ist nichts anderes.

(Heiterkeit CDU - Zuruf Dennys Bornhöft [FDP])

Regionalismus ist ja auch mir nicht fern. Aber ich würde so etwas nie tun. Ich würde immer das gute Projekt, wenn es bei mir ein regionales Projekt gibt, mit reinsetzen. Das wäre schlauer, meine Damen und Herren.

(Christopher Vogt [FDP]: Du stehst ja we- nigstens dazu!)

- Ich stehe wenigstens dazu.

Aber es geht mir um eine gute Argumentation; denn ich glaube, es ist auch eine Herausforderung, das Projekt wieder reinzukriegen. Deswegen will ich noch ein ganz wichtiges Argument mitgeben:

Stellen Sie sich vor, wir hätten in Bayern irgendein Tal, das man mit Verkehrsmitteln aus der Bundesrepublik Deutschland heraus nicht erreichen könnte. Was würden wir dann machen? - Dann würden wir die Bagger kommen lassen, damit die dann eine Bahnlinie oder eine Straße dorthin bauen, damit man in dieses Tal kommen kann, damit die Menschen dort irgendwie angeschlossen sind.

Sylt ist aus der Bundesrepublik Deutschland heraus nur mit der Bahn zu erreichen. Deshalb besteht eine gottverdammte Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland, dafür Sorge zu tragen, dass die Leute ihre verkehrsmäßige Grundversorgung gestellt kriegen. Das ist eine wichtige Aufgabe, die schnell erfüllt werden muss. Diese Aufgabe kann man nur schnell erfüllen, wenn die Bahnstrecke eben auch in dieses Gesetz eingebunden wird. Das ist ganz wichtig. Auch Sylter haben Rechte, meine Damen und Herren, und dafür müssen wir gemeinsam kämpfen. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, CDU, FDP und Volker Schnurrbusch [AfD])

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende Dr. Ralf Stegner.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erstens. Ich habe in der Tat mit vielen Kolleginnen und Kollegen in Berlin gesprochen. Wir unterstüt

(Christopher Vogt)

zen es, dass der Antrag gestellt wird, damit das Ding wieder reinkommt.

(Beifall CDU, FDP und SSW)

Das Parlament wird darüber am Ende entscheiden. Das sage ich, obwohl ich große Zweifel habe - ich werde das gleich begründen -, ob es sich hier um das geeignete Instrument handelt. Aber ich bin dafür, dass wir das tun, damit niemand sagen kann, wir hätten nicht alles versucht, damit das schneller geht. Wir sollten alle dafür eintreten, unbeschadet dessen, wer das nun im Kabinett wie geregelt hat. Ich finde, das sollen wir machen. Ich habe die Kolleginnen und Kollegen gebeten, das zu tun. Wir haben ja mächtige Bundestagsabgeordnete aus Nordfriesland, die das unterstützen. Wir haben eine tolle FDP-Bundestagsfraktion; die wird das auch noch unterstützen. Das wird also passieren. - Das ist der Punkt eins.

(Zustimmung Dennys Bornhöft [FDP])

Punkt zwei. Wenn man sich dieses Gesetzeswerk mit diesem kuriosen Namen anguckt, dann, so muss man sagen, ist das eigentlich für Projekte gedacht, die rechtlich umstritten sind, bei denen es ganz große Widerstände von Einwendern und Klagenden gibt. Davon kann bei der Marschbahn gar keine Rede sein, übrigens beim Nord-Ostsee-Kanal auch nicht. Da ist nicht das Problem, dass Leute dagegen klagen, sondern da fehlen Personal und Geld. Der Planfeststellungsbeschluss ist für das Jahr 2028 vorgesehen. Das ist doch kompletter Wahnsinn! Das muss doch viel schneller passieren. Wir brauchen überall Beschleunigung, was diese Dinge angeht.

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogt?

Aber bitte.

Verehrter Herr Kollege Stegner, es ist ja schön, dass Sie Gespräche geführt haben und dass wahrscheinlich Genossen, mit denen Sie gesprochen haben, gesagt haben, sie würden sich dafür einsetzen. Das ist erst einmal wunderbar.

Die spannende Frage ist aber: Wird die SPDBundestagsfraktion das entsprechend beantragen, oder wird sie einem Antrag aus der Opposition zustimmen, dass die Marschbahn wieder aufgenommen wird? Es ist ja nicht entscheidend, dass Sie mit jemandem gespro

chen haben und irgendjemand gesagt hat, er finde das auch gut und wolle sich dafür einsetzen, sondern die Frage ist, was Ihre Fraktion im Bundestag machen wird. Stimmt sie jetzt der Aufnahme der Marschbahn zu, oder stimmt sie dagegen? Das ist ja die spannende Frage bei der heutigen Debatte.

- Ich finde es spannend, was am Ende dabei herauskommt. Ich hoffe, dass es reinkommt.

(Christopher Vogt [FDP]: Genau!)

- Entschuldigung! Sie müssen es schon ertragen, wenn ich so antworte, wie ich es richtig finde. Ich sitze hier im Landtag und habe nicht nur mit Leuten aus der SPD darüber, sondern auch mit Ministeriumsvertretern darüber gesprochen, was in dieser Frage passiert. Ich bin guten Mutes, dass das wieder reinkommt und es am Ende so ausgeht, wie wir uns das wünschen.

Noch einmal: Ich bin dafür, dass wir alles tun müssen, um eine Beschleunigung zu erreichen. Trotzdem müssen Sie es ertragen, dass es ein kompliziertes und auch verfassungsrechtlich problematisches Gesetz ist, das eigentlich für Projekte einer Dimension wie zum Beispiel die A 20 gedacht ist. Bei der ist es in der Region durchaus schwierig, das hinzubekommen, nicht aber bei der Marschbahn, bei der kein Mensch irgendetwas dagegen haben kann, dass deren Situation verbessert wird. Das Gleiche trifft beim Nord-Ostsee-Kanal zu. Das Problem sind nur die Mittel und die Planer, die eingestellt werden müssten, damit es endlich losgeht und damit der Planfeststellungsbeschluss nicht erst in zehn Jahren ergeht, was ein kompletter Irrsinn ist.

Nun zu meinem dritten Teil. Sie müssen es auch ertragen, wenn ich hier sage, dass es jedenfalls trotz der netten Beiträge Ihrer Fraktionskollegen dem dynamischen Ankündigungsminister Buchholz eben nicht gelungen ist, in den letzten Monaten zu entscheidenden Verbesserungen bei der Marschbahn zu kommen. Das muss man einfach feststellen. Vielmehr ist die Situation dort nach wie vor ärgerlich und schlecht, wenn man mit den dortigen Bürgerinitiativen redet. Daran sind Sie keineswegs alleine schuld, überhaupt nicht. Aber Sie sind jedenfalls nicht so erfolgreich, wie Sie tun. Wir müssen an allen Ecken und Enden beschleunigen. Da muss man übrigens, Herr Kollege Tietze -

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogt?

(Dr. Ralf Stegner)

Nein. Ich wollte mich jetzt eigentlich mit dem Kollegen Tietze beschäftigen. Ich fange noch einmal an und sage: Natürlich dürfen Rechte nicht eingeschränkt werden. Aber es kann nicht sein, dass wir einen solchen Planungswahnsinn haben wie in Deutschland, dass jede Leitung und alles Mögliche über viele, viele Jahre geprüft werden muss. Dadurch werden die Leute demokratieverdrossen und gehen zu anderen rüber. Wir müssen das schneller hinkriegen. Wir müssen diese Leute am Anfang gut beteiligen und dann schnell handeln. Das ist das, was wir wollen.

Langer Rede kurzer Sinn - und deswegen stimmen wir Ihrem Antrag auch zu -: Wir haben zwar Zweifel, ob dies das richtige Instrument ist. Aber wir wollen uns nicht übertreffen lassen in dem gemeinsamen Ehrgeiz, alles dafür zu tun, damit die Pendlerinnen und Pendler, die die Marschbahn benutzen, bessere Verhältnisse vorfinden. Dafür setzen wir uns auf allen Ebenen ein. Es kommt ja auch bei Ihnen manchmal vor, dass Sie Bundestagsabgeordnete überzeugen müssen; das kennen wir alle aus unseren Bezügen; das versuchen wir hinzukriegen. Wir haben als Schleswig-Holsteiner in Berlin keine so großen Bataillone; deshalb ist es gut, wenn das verschiedene Parteien tun.

Aber wir müssen bei den anderen, bei den komplizierten und schwierigen Riesenvorhaben dafür sorgen, dass Schnelligkeit in das Verfahren kommt, dass Personal bereitgestellt wird, dass Mittel fließen, damit es losgehen kann. Wir alle sind dafür, dass sich die Dinge verbessern, erst recht beim öffentlichen Personennahverkehr. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall SPD)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Dr. Andreas Tietze.

Gestatten Sie mir, Frau Präsidentin, eine Bemerkung zum Kollegen Harms. Uns geht es auch darum, die Planung zu beschleunigen. Ich darf an der Stelle auch einmal daran erinnern, dass es Herrn Habeck bei den Stromtrassen hervorragend gelungen ist, durch eine vorgezogene Planung mit den Leuten zu reden und herauszufinden, wo die geringsten Raumwiderstände sind, wie ökologische Risiken ausbalanciert werden können. Wir haben in

Regierungsverantwortung gezeigt, dass wir politische Ziele, die wir haben, schnell und klar umsetzen können. Darum geht es mir.

Was ich aber deutlich machen wollte - da bin ich bei dem Kollegen Stegner -, ist dieses: Parlamente können auch irren. Wenn ich mir in der Annahme der Fehmarnbelt-Querung einmal den ersten Beschluss anschaue, durch die alten Bäderorte die Bahnstrecke durchplane mit 800 Millionen €, und ein Parlament hätte das als die allein selig machende Planungsentscheidung beschlossen, dann hätten wir doch hier in Schleswig-Holstein den Knüppel auf dem Kopf gehabt. Erst durch Bürgerbeteiligung, durch das Dialogforum haben wir Verbesserungen erreicht.

Herr Dr. Stegner, auch das Thema Stuttgart 21 ist so ein Ding. Da haben wir gemerkt, wenn politische Mehrheiten plötzlich so sind und sagen, jetzt gehen wir da mal durch, gegen jede Vernunft, auch gegen jegliche umweltpolitischen Standards. Das ist dann das, was das Verfahren am Ende verlängert. Dann gehen die Leute vor den EuGH. Dann gehen sie erst richtig vor, und dann sind wir bei Prozessen, die viel, viel länger dauern.

(Beifall des Abgeordneten Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich will nur einmal sehr deutlich sagen, meine Damen und Herren: Wir sind sehr konstruktiv mit Ihnen dabei zu fragen - und dafür ist die Marschbahn das beste Beispiel -: Wie beschleunigen wir das? Gar keine Frage.

Herr Abgeordneter Tietze!

- Einen Augenblick. Den Gedanken zu Ende. - Aber was nicht geht, ist, Bürgerrechte zu schleifen, und was nicht geht, ist, gegen die Substanzinteressen von Umweltpolitik, die wir alle zu beachten haben, Artenschutz, Flächenversiegelung, Klimawandel wir haben es 1000-mal diskutiert -, mit aller Gewalt Projekte aus der Perspektive heraus durchzupeitschen. Das will ich nur an dieser Stelle deutlich machen.

(Christopher Vogt [FDP]: Nein, Kollege Harms hat ja das dänische Modell gezeigt!)

Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Habersaat?

Bitte schön.

Herr Kollege Tietze, im Tremolo Ihres donnernden Sowohl-als-auch ist mir jetzt entgangen, sind Sie für das Maßnahmenbeschleunigungsgesetz oder dagegen, und sind Sie für eine Beschleunigung oder nicht?

- Ja, ich bin für eine Beschleunigung. Das habe ich doch ganz deutlich gesagt.

(Beifall FDP)

Aber ich sage auch, in einem normalen Gesetzgebungsverfahren gibt es mehrere Dinge, die man sich genau anschauen muss. Lesen Sie die Gutachten dazu. Das werden wir tun. Ich sage an dieser Stelle noch einmal: Wir wollen die Planung beschleunigen, wir wollen aber keine Rechte schleifen. Das werden wir uns anschauen. Deshalb sage ich an dieser Stelle: Die Marschbahn ist davon ausgenommen.

Aber sie als Pilotprojekt zu nehmen, wir machen das mal so ein bisschen und schleichen uns in einen Abbau von Rechten von Bürgerinnen und Bürgern und von Umweltrechten ein, das wird es nicht geben. Dazu sage ich auch klar: Wir sind zwar nett, aber nicht blöd. - Vielen Dank.