Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte mir nach dem ersten Teil des Beitrags des Kollegen Harms überlegt, meinen Wortbeitrag zurückzuziehen, weil die rechtliche Betrachtung den Kern der Sache trifft. Es ist auch in den entsprechenden Ausführungsbestimmungen nach dem Vertrag von Lissabon - die sind 2009 dann zwei Mal verändert worden - expressis verbis ersichtlich, dass man die Produktion von Rüstungsgütern, Munition und so weiter ohne Wenn und Aber herausnehmen kann. Wenn alle das machen - das muss man ganz ehrlich sagen -, ist das auch fair. Wenn man das selber aber nicht macht, dann hat man auch selber Schuld; dann braucht man nicht mit dem Finger auf andere zu zeigen.
Ich muss auch ganz ehrlich Folgendes sagen: Nachdem Deutschland und die EU kein Mittel gefunden haben, dem subventionierten Handelsschiffbau von China und vor allem Südkorea in irgendeiner Weise zu begegnen, zumal dort ein unfairer Wettbewerb betrieben wird - - Ich komme aus Rendsburg und habe seit meiner Jugend die ständige Reduktion und am Ende das Sterben der Werft hautnah miterleben können, auch den entsprechenden Verlust von sehr vielen Arbeitsplätzen. Das hat mich immer sehr geärgert. Wettbewerb ist schön, aber wenn einer nicht nach den Spielregeln spielt, dann nützt das alles überhaupt nichts.
Ich gebe Lars Harms in einem Punkt völlig recht. Es ist kein Angriff auf das europäische Vergaberecht, wenn man etwas zur Schlüsseltechnologie erklärt, sondern das ist im europäischen Vergaberecht explizit vorgesehen. Das ist auch gar kein so langer Absatz. Damit ist das sehr wohl pro-europäisch. Man kann das hier nicht auf die EU schieben, auch wenn das einige hier im Haus - ich schaue mal in eine gewisse Richtung - immer gern tun, weil ihnen die EU nicht gefällt.
Nun komme ich zurück auf den Beitrag des Kollegen Harms. Ich glaube, wir haben nicht das gleiche Verständnis von Gewaltenteilung, das haben wir, glaube ich, auch in der Küstenkoalition nicht gehabt. Die Ausschreibung ist von dem Kollegen Saathoff von der SPD im Deutschen Bundestag sehr wohl kritisiert worden. Das ist also ausgeschrieben worden.
Es gelingt einem Parlamentarier aber nicht immer, die Ministerien davon zu überzeugen, etwas zu machen, was allein der Exekutive vorbehalten ist. Ich für meinen Teil halte die Gewaltenteilung für durchaus richtig. Es ist auch kein großes Geheimnis, dass das Wirtschaftsministerium schon seit einiger Zeit auf seiner sehr eigenwilligen Interpretation der Vergaberichtlinien besteht. Darüber gibt es einen Streit der Ministerien. Auch das gehört zur Wahrheit, zumindest für die Leute, die sich mit dieser Thematik länger beschäftigt haben.
- Ja, natürlich in Berlin. Aber falls Ihr Kollege einmal die Gelegenheit dazu hat, kann er das ja mitnehmen und das anders machen.
Diese Dinge auszuschreiben wird in diversen Fachpublikationen schon seit Jahren kritisiert; das ist alles nichts Neues.
Vielen Dank. - Werter Herr Kollege Dolgner, zur Gewaltenteilung gehört ja auch, dass die Regierung das ausführende Organ ist. Hätte sich das Parlament mit Blick auf den Koalitionsvertrag darauf geeinigt, die Schlüsseltechnologie bereits vorher zu definieren, also vor dieser Entscheidung, hätte es dann eine Veränderung geben können?
- Das Problem ist, dass der Koalitionsvertrag - das ist auf Betreiben der SPD hereingekommen, weil die IG Metall entsprechend interveniert hat - nach dem Beginn des Vergabeverfahrens geschlossen worden ist. Das ist der erste Teil der Antwort. Ich glaube, diese Information braucht man; denn im Nachhinein ist man natürlich immer schlauer.
Ein Koalitionsvertrag wird im Übrigen nicht zwischen Parlamentsfraktionen geschlossen, sondern zwischen Parteien und bindet erst einmal niemanden - das ist auch gut so -, sondern das ist eine freiwillige Selbstverpflichtung der Akteure. Auch diesen Teil des Koalitionsvertrages hat einzig und allein eine Regierung umzusetzen.
Ich weiß ja nicht, wie das bei Ihnen ist; aber bei uns ist das so: Wenn eine Regierung etwas nicht macht,
dann ist es nicht die Aufgabe einer Bundestagsfraktion, daran etwas zu ändern, sondern das ist dann eine Aufgabe des Koalitionsausschusses. Und wer sitzt da drin? - Normalerweise die Vorsitzenden der entsprechenden Parteien.
Ich weiß ja nicht, wie das bei Ihnen ist. Aber bei uns sitzen im Koalitionsausschuss die Vorsitzenden der Parteien. Da gibt es manchmal Doppelungen und manchmal gibt es solche Doppelungen nicht. So ist das normale Verfahren.
Das Parlament - auch das gehört zur Gewaltenteilung - - Ich kenne Ihr Verständnis nicht, aber es dürfte spannend sein in den gemeinsamen Arbeitskreisen mit der Regierung. Es gibt Dinge, die der Exekutive originär vorbehalten sind. Da kann man hier im Parlament beschließen, wie man lustig ist. Die Regierung kann und muss es trotzdem so machen, wie sie es für richtig hält. Das ist kein Parlamentsbeschluss. Man kann höchstens appellieren.
- Ich will mich ja auch nicht streiten. Ich habe wahrscheinlich nur auf eine Bewerbungsrede des Kollegen Harms für den Deutschen Bundestag reagiert, der zuvor das Wort hatte.
Ich will zu diesem Thema drei Gedanken platzieren; denn ich finde, das ist bisher noch nicht deutlich geworden.
Wir haben in Schleswig-Holstein ein Bruttosozialprodukt von etwa 100 Milliarden €. Der in Rede stehende Auftrag hat ein Volumen von 5 Milliarden €. Das ist ungefähr fünf Mal so viel, wie alle Bauern, alle Fischer, alle, die sich mit Forstwirtschaft in diesem Land beschäftigen, pro Jahr erwirtschaften. Das ist die Dimension dieses Auftrags, um den es hier geht.
In Richtung Bundesregierung ist Folgendes sehr deutlich zu sagen: Wenn man Strukturpolitik ernst meint, wenn man Bundesländer, die gegenüber dem Süden einen Nachteil haben, irgendwie stärken kann, dann muss das die Bundesregierung nach meiner Überzeugung auch tun; sie muss sich dafür
Aber Sie werfen unserem Ministerpräsidenten vor, sich in Berlin in internen, aber auch in externen Runden nicht für unsere Interessen einzusetzen? Ich bitte Sie, zum Thema MKS 180 einmal zu googeln. Gemeinsam mit Herrn Tschentscher hat der Ministerpräsident schon vor einem Jahr einen Brief zu diesem Thema geschrieben. Ich sage Ihnen: Wenn Sie sich richtig informieren und hier nicht einfach nur auf Polemik setzen würden, dann würden Sie erkennen, dass dieser Ministerpräsident wie kein anderer zuvor an dieser Stelle gekämpft und sich für dieses und andere Projekte eingesetzt hat.
MKS 180 ist nur ein Beispiel. Ich könnte Landstrom und viele weitere Themen nennen, über die auch wir hier immer diskutieren.
Auch das Folgende geht an Ihre Partei - das sage ich selbstverständlich auch als Kieler Abgeordneter -: Ich habe mich sehr gewundert, dass der Kieler Oberbürgermeister zu MKS 180 bisher kein Wort verloren hat. Ich habe nichts darüber gelesen, was der Kieler Oberbürgermeister dazu meint. Vielleicht passt es ihm nicht, sich mit Rüstungspolitik zu beschäftigen und sich mit Rüstungsunternehmen zu solidarisieren. Das könnte ein Grund sein.
Er sollte sich für den Standort Kiel einsetzen. Fest steht: Ulf Kämpfer hat sich dazu nicht geäußert.
Wenn Sie behaupten, in Ihrer Partei täten alle etwas für dieses Thema, dann ist das an dieser Stelle eben nicht ausreichend gewesen.
Das Letzte: Wenn Sie von Industriepolitik sprechen, dann engagieren Sie sich bitte auch in den Bereichen, wo Sie das können. Bei vielen Gewerbegebieten und Industrieparks in Schleswig-Holstein haben Sie die Möglichkeit dazu. Bei der gestrigen Zusammenkunft der Unternehmerschaft im Hotel Kieler
Kaufmann habe ich Beispiele gehört, unter anderem aus Bad Bramstedt, dass sich unter sozialdemokratischer Führung Gewerbegebiete nicht weiterentwickeln könnten. Auch im Hamburger Rand gibt es viele Beispiele. Ich verweise auch auf das MFG-5Gelände hier in Kiel. Wenn man Industriepolitik wirklich ernst meint, dann muss man sich auf allen politischen Feldern dafür engagieren. Dazu lade ich Sie herzlich ein. Sie sollten sich hier nicht einzelne Personen heraussuchen, um sie zu kritisieren, obwohl es nichts zu kritisieren gibt. - Danke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Debatte gerät das in den Hintergrund, was Kollegin Serpil Midyatli in den Mittelpunkt ihrer Rede gestellt hat.
Damit geht es auch um die Perspektiven für den Standort Kiel. Wir kommen nicht weiter, wenn wir uns in irgendwelchen Diskussionen verlieren und wenn Sie Behauptungen aufstellen, die falsch sind. In Europa zum Beispiel ist es mit der Gemeinsamkeit bei Rüstungsprojekten so eine Sache. Bei manchen Projekten wollen wir diese Gemeinsamkeit übrigens nicht, weil wir striktere Waffenexportrichtlinien anstreben. Wir wollen nicht in Schurkenstaaten liefern, um es einmal klar zu sagen. Insoweit wollen wir keine Gemeinsamkeit.