Protokoll der Sitzung vom 10.03.2005

Danke. – Ob das ein Grund zum Feiern ist, weiß ich nicht.

Wir hatten im Kultusministerium bereits einen Abbauminister. Wir brauchen keinen zweiten. Einen zweiten halten wir nicht aus.

(Beifall bei der PDS, der FDP und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Zum Schluss habe ich noch eine ganz direkte Frage an Herrn Flath: Es gibt das Gerücht – ich bezeichne es einmal so; ich hoffe, dass es eines ist –, auch aus Ihrem Ministerium, dass Sie Streichungen in der Stundentafel der Schülerinnen und Schüler sowie Streichungen in Anrechnungsstunden und im Ergänzungsbereich der Lehrer vornehmen wollen, um somit einen künstlichen Überhang der Lehrerstellen zu erwirken. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie dazu heute klar Stellung nehmen. Wenn Sie das weiter vorhaben – das wäre ja nicht der erste

Schritt –, dann erwarte ich, dass Sie heute klar darlegen, wie, wann und wo.

(Beifall bei der PDS, der FDP und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abg. Dulig für die SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Situation an unseren Schulen, bezogen auf die Ankündigung von Stellenabbau und Schulschließungen, ist nicht gut. Es ist normal, dass Demotivation und Verunsicherung nach einer solchen Ankündigung auftreten; das verstehe ich. Niemand baut gern Stellen ab, niemand schließt gern Schulen. Dass uns Kürzungen bevorstehen, ist aber nicht neu. Wir wissen doch, dass es immer weniger Kinder gibt – das liegt nicht an mir –

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der PDS, der FDP und den GRÜNEN)

und dass wir mit einem drastischen Rückgang der Schülerzahl zu kämpfen haben. Stellenkürzungen waren deshalb auch schon in der letzten mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen. Worum geht es? Es geht um unsere Kinder. Es geht um eine andere, bessere Bildung. Es geht um eine andere Schul- und Lernkultur. Es geht dann auch um die notwendigen Strukturen und Ressourcen. Wir brauchen eine ordentliche Unterrichtsversorgung. Wir haben vereinbart, den Fokus stärker auf den Primarbereich zu richten und deshalb 800 zusätzliche Stellen im Grundschulbereich zu schaffen. Im Förderschulbereich und im Berufsschulbereich werden jeweils 100 weitere Stellen geschaffen. Das ist eine wichtige Antwort. Diese Balance zwischen der Antwort auf die demografische Entwicklung und der Absicherung guter, hochwertiger Bildung herzustellen ist unsere Aufgabe in den Haushaltsverhandlungen und Aufgabe der Tarifpartner.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Die NPD-Fraktion, bitte. Frau Abg. Schüßler.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf des Doppelhaushalts seitens der Staatsregierung liegt vor. Schon seine Einbringung sorgte für Unruhe, auch vor dem Landtag; dort demonstrierte nämlich die GEW gemeinsam mit Mitgliedern anderer Gewerkschaften. Die Teilnehmer protestierten gegen den Abbau von fast 7 500 weiteren Lehrerstellen. Meine Damen und Herren! Das sagt schon aus, wie die Lehrer selbst ihre Situation und ihre Perspektiven in unserem Freistaat einschätzen.

Die Nationaldemokraten können sich der Sorge der sächsischen Lehrer um den Erhalt von Lehrerstellen, Schulstandorten und Bildungsstandards anschließen. Wir gehen einfach davon aus, dass man niemals, auch nicht in Zeiten leerer Kassen, im Bildungsbereich sparen sollte.

Die Sächsische Staatsregierung behauptet schon seit Jahren, ein drastischer Stellenabbau und die Schließung eines Drittels aller sächsischen Schulen seien unvermeidlich. Unvermeidlich für wen denn, Herr Staatsminister Flath? Es ist mitnichten ein Naturgesetz, dass man Einsparungen zuerst an seinem eigenen Nachwuchs vornehmen muss.

Bis 2009 wollen Sie 7 500 Lehrerstellen abbauen und – wir hatten es schon gehört – 100 Mittelschulen und 25 Gymnasien schließen. Durch diese Maßnahmen möchten Sie, Herr Staatsminister, laut einer Pressemitteilung Ihres Hauses vom 13. Januar 2005 die Bildungsqualität verbessern. Wie kurzsichtig es ist, auf Kosten der Bildung herumzulaborieren, ist wirklich erschreckend.

Schon heute sind die Belastungen im Lehrerberuf nicht unerheblich und wenn das Stellenabbaukonzept der Staatsregierung aufgeht, wird sich wohl auf lange Zeit keine Verbesserung der Arbeitsbedingungen mehr durchsetzen lassen. Mit der dann verbleibenden Stellenzahl werden keine Pflichtstundensenkungen möglich sein. Zu befürchten ist eine weitere Verdichtung der Arbeit für die verbleibenden Lehrkräfte und mit ausreichendem Nachwuchs ist auch nicht mehr zu rechnen, wie wir gehört haben. Die Lehrerschaft ist überaltert und es sind zu wenig Lehrkräfte.

Anstatt sich auf eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die pädagogische Arbeit zu konzentrieren, praktiziert die Staatsregierung eine kurzsichtige und konzeptionslose Personalpolitik.

Die Lehrer selbst haben in ihren Verbänden die Situation klar analysiert und ihre Forderungen formuliert.

Meine Fraktion sieht den heutigen Sondierungsgesprächen mit großem Interesse entgegen.

Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Für die GRÜNEN spricht Frau Abg. Astrid Günther-Schmidt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Situation der Lehrer hat sich ja eigentlich nicht grundlegend geändert. Seit 1990 ist das Phänomen Personalabbau auf der Tagesordnung. Im Moment erleben wir es in verschärfter Form. Bis 2009 sollen 7 500 Stellen abgebaut werden. Das erschreckt die Massen und führt zu Demonstrationen vor dem Landtag. Aber wir sollten auch einmal einen Schritt weiterschauen, dann werden wir nämlich feststellen: Bis zum Jahr 2010 ist sogar geplant, 8 100 Stellen zum Abbau freizugeben.

Das Durchschnittsalter der Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen beträgt 47 Jahre. Planmäßiger Unterrichtsausfall gehört bereits heute zum täglichen Geschäft der Stundenplanung. Sie müssen dafür sorgen, dass Stunden gehalten werden.

Ich habe mich in der vergangenen Woche mit einer Elternvertreterin unterhalten. Ich werde demnächst eine Kleine Anfrage dazu formulieren. Ich war sehr schockiert. Die Elternvertreterin erzählte mir, dass es Grundschulen gibt, in denen Stunden stattfinden, wo die Kin

der von ihrer Klassenlehrerin Arbeitsblätter bekommen, die sie zu bearbeiten haben. Wenn sie Fragen haben, gehen sie zu der Person, die vorn am Lehrerpult sitzt. Diese Frau antwortete in der Schule: „Das kann ich dir auch nicht sagen.“ Als die Eltern sich an die Schulleitung wandten, weil die Kinder nicht wussten, wie diese Frau hieß, wurde gesagt, das sei eine Ein-Euro-Jobberin. Wenn das tatsächlich der Fall sein sollte, also Stundenhalten mit einem Ein-Euro-Job, wäre das ein Skandal. Ich würde dann auch gern wissen, wie das in der Statistik verarbeitet wird.

(Dr. André Hahn, PDS: Nächstens macht es der Hausmeister!)

Das ist wirklich ein Skandal! Dafür zahlen wir keine Steuern.

(Beifall bei den GRÜNEN und der PDS)

Zu der Frage, wie denn bislang die Stellenabbaupläne umgesetzt wurden, muss man sagen: Im Grundschulbereich hat es ironischerweise relativ „gut geklappt“. Bei den Gymnasiallehrern scheint das nicht so gut zu funktionieren. Es waren so über 500 Stellen freizusetzen. Geschafft hat man knapp 100 Stellen. Da besteht ja noch Potenzial. Was steht uns denn da noch ins Haus? Haben wir zu erwarten, dass die Mittelschul- und Gymnasiallehrer auch Verträge wie die Grundschullehrerinnen und -lehrer über Zwangsteilzeit angeboten bekommen, so dass sie sich noch einen Job suchen müssen, damit eine Familie ernährt werden kann, wenn man nebenberuflich als Lehrer arbeiten geht?

Wir haben das Problem Unterrichtsausfall in Größenordnungen bereits heute zu bewältigen. Meine mündliche Anfrage im vergangenen Plenum zum Gymnasium Delitzsch wurde ja aussagekräftig beantwortet, und es geht nicht an, es ist nicht möglich, diesen Stundenausfall zu kompensieren.

Dem Kultusminister ist in dieser Woche ein Schreiben des Elternrates des Augustum-Annen-Gymnasiums in Görlitz zugegangen, das auch an alle Fraktionen verschickt wurde. Der Elternrat beklagt: „Ausgehend von der Papierform werden auch umfangreiche Lehrerausfälle keine größeren Probleme nach sich ziehen, denn rein statistisch wies unser Gymnasium zu Beginn des Schuljahres 2005/2005 geringfügige Kapazitätsüberhänge in der Lehrerschaft aus. Allerdings waren und sind diese Überhänge nicht aufzurechnen und es sind die falschen Überhänge. Für die Schulleitung und das Regionalschulamt war und ist ein schnelles Reagieren auf Lehrerengpässe kaum noch möglich. Im Regionalschulamtsbezirk Bautzen fehlen offensichtlich Lehrer mindestens für Deutsch, Musik, Kunsterziehung, Englisch und Polnisch, während beispielsweise ein nicht benötigter Russischüberhang die Statistik verfälscht, weil das einen rein theoretischen Gesamtüberhang suggeriert.“ Das Problem ist, hier werden einfach Stunden gegenübergestellt und nicht der Bedarf. Der Regionalschulamtsbezirk Bautzen bildet keine Ausnahme.

Was die Entwicklung der Lehrerbedarfszahlen anbelangt, so erwarte ich vom Kultusministerium, dass wir eine Analyse vorgelegt bekommen, was den tatsächlichen

Lehrerbedarf anbelangt. Ich bin mir nicht sicher, dass die geplanten Stellen nicht aus der Not des Finanzministers resultieren und den tatsächlich notwendigen Stellenabbau widerspiegeln.

Es geht das Gerücht um, die Personalentwicklung im Schulbereich solle dem Stundenvolumen angepasst werden und nicht in dem Ausmaß, wie wir es fordern: kein Stundenausfall, mindestens 100 % Stundenabdeckung, darüber hinaus gegebenenfalls noch ein Puffer zum Ausgleich von Krankheiten und dergleichen. Nein, ganz im Gegenteil, es soll der zurückgehende Lehrerbestand dazu führen, dass das Unterrichtsvolumen gekürzt wird. Dazu hätte ich gern vonseiten des Kultusministeriums eine Stellungnahme, wie das in welchem Zeitraum praktiziert werden soll und wie sich das vor allen Dingen auch mit der Qualitätsoffensive verträgt.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und der PDS)

Das war die Runde der Abgeordneten. Ich sehe Herrn Staatsminister Flath bereits ungeduldig.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zunächst als aktuelle Information, weil es zum Thema passt: Heute Nachmittag fand bekanntlich das zweite Sondierungsgespräch mit Gewerkschaften und Lehrerverbänden statt. Es ist leider noch nicht zu dem Ergebnis gekommen, dass tatsächlich Tarifverhandlungen aufgenommen werden. Ich bedaure das außerordentlich. Es ist noch im März ein weiteres Gespräch vereinbart. Bedauerlich ist es deshalb für mich, weil ich zeitlich dadurch so unter Druck gerate, dass ich natürlich die Vorbereitung von Kündigungen einleiten muss. Damit komme ich auch zum Thema dieser Debatte.

Herr Herbst, nicht nur Sie haben den Vorwurf hier erhoben, der Finanzminister würde dieses Vorgehen diktieren. Im Grunde kann man das dann bei jedem Ressort sagen. Es ist nun einmal so – die Erfahrung habe ich in den verschiedenen Verwaltungen gesammelt –: Grundlage allen Handelns ist ein Haushaltsplan. Sie haben es wohl hier in diesem Hohen Hause in der Hand, diesen Haushalt zu beschließen. Nur muss ich davon ausgehen, nachdem die Staatsregierung, der ich angehöre, den Haushaltsplan im Entwurf beschlossen hat, dass ich alle Vorkehrungen treffen muss. Dort ist eben enthalten, dass im Augenblick jede Lehrerin und jeder Lehrer in Sachsen eine Stelle hat. Ab 1. August 2005 wird nicht mehr jeder eine Stelle haben. Deshalb habe ich Vorkehrungen zu treffen. Dazu gehört die Möglichkeit von Kündigungen oder eben der Abschluss eines Bezirkstarifvertrages. Ich habe die Hoffnung, dass wir bei der nächsten Beratung im März zur Aufnahme solcher Tarifverhandlungen kommen werden. Den Vorwurf lasse ich nicht gelten, dass der Finanzminister das diktieren würde. Es trifft im Grunde für jeden anderen Ressorthaushalt in gleicher Weise zu.

Nun wird das ganze Thema nicht einfacher händelbar, wenn wir lamentieren und lamentieren. Ich meine, der konstruktivste Beitrag in dieser Angelegenheit kam von

Herrn Dulig und seinem persönlichen Hinweis, dass er seinen Teil nun wahrlich getan hat.

Das ist in der Tat das einzig wirksame Mittel. Wer sich mit der Situation nicht abfinden will, der soll bitte möglichst noch heute dafür sorgen, dass mehr Kinder auf diese Welt kommen. Einen anderen Weg sehe ich nicht.

(Beifall bei der CDU)

Wenn das aber nicht eintritt, dann müssen wir reagieren. Dazu will ich noch sagen: Wenn es so wäre, dass in Deutschland die Finanzmittel nach Fläche verteilt würden, dann bräuchten wir keine Anpassung vorzunehmen. Dann könnten wir alles so lassen, wie es ist.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Einen Augenblick, ich möchte den Gedanken noch zu Ende führen. Da es aber so ist, dass die Finanzmittel in Deutschland nach Köpfen verteilt werden – und es ist auch nicht absehbar, dass es zu einer anderen Regelung kommt –, führt das zwingend zu einem Anpassungsbedarf. Ich glaube, jeder im Land versteht, dass es unmöglich ist, die Stellenzahl der Lehrer konstant zu halten, wenn sich innerhalb von 15 Jahren die Schülerzahl halbiert. Das ist eine Illusion und ich bitte, nicht immer wieder dazu beizutragen, sie zu wählen.

Herr Staatsminister, ich möchte Sie gern fragen, ob es zutrifft, dass erstens die Geburtenzahlen seit 1994 in Sachsen beständig angestiegen sind und ob zweitens, für den Fall, dass die Geburtenzahlen nicht weiter steigen, die an den Schulen vorhandenen Kinder ein Recht darauf haben, eine ordentliche, angemessene Ausbildung zu erhalten und die notwendigen Lehrerstellen bereitgestellt zu bekommen.