Protokoll der Sitzung vom 15.07.2005

Danke schön. – Wir nähern uns der Abstimmung. Nun liegt ein Änderungsantrag seitens der PDS-Fraktion unter der Drucksachennummer 4/2602 vor. Frau Bonk, Sie möchten ihn einbringen?

Ja, vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir freuen uns natürlich, wenn ein Schritt in Richtung Gemeinschaftsschule getan wird und die Maßnahmen, wie in der Pressemitteilung angekündigt, in Kraft treten. Die Frage ist natürlich – und das hat auch etwas mit politischer Ehrlichkeit und Redlichkeit zu tun –, ob man das Ganze festmacht und dem gleichen Inhalt, wenn der Änderungsantrag vorgelegt wird, zustimmen kann. Wie fest steht man hinter dem, was man selber ankündigt? Dann kann man es auch parlamentarisch festzurren. Deshalb bringen wir diesen Änderungsantrag ein, um dahin gehend Rechtssicherheit zu schaffen. Für uns gibt es einen wichtigen Punkt in der Diskussion, den ich noch erwähnen möchte, bevor wir uns mit der Demokratie an Schulen und danach mit dem Buffet und anschließend mit dem Sommer beschäftigen: Wenn die Gemeinschaftsschulen durchgesetzt werden, finde ich, ist es richtig, dass das Konzept dafür den Schulen überlassen wird. Aber natürlich müssen die Rahmenbedingungen – auch in Bezug auf die Fragen der Lehrerversorgung und der Ausstattung – geschaffen werden. Das ist noch zu klären. Dazu erwarte ich – auch für die Schulen – noch eine weitere Untersetzung des SMK und der Koalition nach dem Sommer.

Nun bitte ich die Koalition, das, was sie angekündigt hat, sich auch in einem Beschluss niederschlagen zu lassen sowie um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.

(Beifall bei der PDS)

Das war das Einbringen des Änderungsantrags. Möchte jemand dazu Stellung nehmen? – Dies ist nicht der Fall. Dann, meine Damen und Herren, bringe ich diesen Änderungsantrag der PDS-Fraktion in der Drucksache 4/2602 zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei wenigen Enthaltungen und einigen ProStimmen ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Meine Damen und Herren! Da dieser Änderungsantrag abgelehnt worden ist, kommen wir zum Originalantrag der FDP-Fraktion, der Ihnen in der Drucksache 4/2475 vorliegt. Wer diesem Antrag die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einigen Enthaltungen und keinen Gegenstimmen wurde der Antrag mit großer Mehrheit angenommen. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 9

Politisch motivierte Kündigungen von Schulleitern an sächsischen Schulen

Drucksache 4/2474, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die GRÜNEN beginnen die Aussprache. Danach folgen CDU, PDS; SPD, NPD, FDP und, wie gewohnt, die Staatsregierung, wenn sie möchte. – Frau GüntherSchmidt, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor der Sommerpause müssen wir uns noch mit dem Aufreger der letzten Wochen befassen: den politisch motivierten Kündigungen von Schulleitern in Lohmen. Es geht darum, dass Ende Mai die 5. Klasse der Mittelschule Lohmen einen Mitwirkungsentzug übermittelt bekam, der schließlich in einer Schließung der Schule enden soll.

Am 02.06.2005 fasste daraufhin der Elternrat des Ortes einen Beschluss, dass eine Demonstration gegen diese Schulschließungen durchgeführt werden soll. Die Einbindung der Schulleiter bezüglich der Organisation wurde auf dieser Elternversammlung beschlossen. Es wurde ein öffentlicher Aufruf der Eltern und des Schülerrates der Mittelschule Lohmen verfasst und die Grundschule Lohmen wurde ebenfalls integriert.

Die Änderungskündigungsschreiben suggerieren, dass die Grundschulleiterin offenbar gegen den Willen der Eltern gehandelt hat. Ich zitiere aus dem Schreiben des Elternrates vom 04.07.2005 an das zuständige Regionalschulamt. Dieses Schreiben wurde von allen Elternvertretern aller Klassenstufen unterschrieben. Zitat: „Wir, die gewählten Elternvertreter, erklären hiermit, dass die Teilnahme der Grundschule an dieser Veranstaltung in unserem Sinne geschah. Eine Information der Eltern war durch die im ganzen Dorf verteilten Flugblätter sowie Aushänge in Geschäften und öffentlichen Einrichtungen gegeben.“

Am 7. Juni fand schließlich um 10:00 Uhr vor der Gemeindeverwaltung die Demonstration statt. Die außerordentliche Änderungskündigung gegen die Schulleiter der Mittelschule und der Grundschule folgte auf dem Fuße. Die Eltern und die Lehrer der Schulen waren sehr überrascht. Mit Datum 23.06. wurde der zuständige Gemeinderat in nichtöffentlicher Sitzung über die Amtsenthebung und die dadurch notwendige Amtseinführung informiert.

Nun stellt sich natürlich die Frage, ob dieser Umgang mit Lehrern, mit öffentlich Bediensteten im Freistaat zur Politik gehört. Massiver Druck auf Lehrkräfte im Zuge von Tarifauseinandersetzungen oder im Zusammenhang mit dem Volksbegehren „Zukunft braucht Schule“ sind uns noch in wacher Erinnerung. Ebenso sind das die Versuche, disziplinarisch wirken zu können, als es darum ging, Protestdemonstrationen für den Erhalt sorbischer Schulstandorte durchzuführen.

Grundlage für Änderungskündigungen – so wurde uns im letzten Bildungsausschuss gesagt – ist § 8 des BAT Ost. Allgemeine Pflichten sind demnach: „Der Angestellte hat sich so zu verhalten, wie es von Angehörigen

des öffentlichen Dienstes erwartet wird. Er muss sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen.“

Diese Erwartungen sind durchaus interpretationsfähig. Warum ist eine Demonstration für den Erhalt einer Schule unvereinbar mit dem Bekenntnis zur freiheitlichdemokratischen Grundordnung? Gegen welche dienstliche Anordnung wurde konkret verstoßen? Gibt es eine dienstliche Anweisung an Lehrer oder Schulleiter, sich von Demonstrationen gegen die aktuelle Schulpolitik fernzuhalten? – Das sind Fragen, die beantwortet werden müssen.

Als Randnotiz möchte ich noch anmerken, dass schließlich nicht gegen die Schulpolitik des Kultusministers demonstriert wurde, sondern der Bürgermeister motiviert werden sollte, dem Mitwirkungsentzug des Kultusministers zu widersprechen.

Das Regionalschulamt begründet seine Amtsenthebung mit § 42 Aufgaben des Schulleiters. Im § 1 Abs. 3 heißt es hierzu: „In Verwirklichung ihres Erziehungs- und Bildungsauftrages entwickelt die Schule ihr eigenes pädagogisches Konzept und plant und gestaltet den Unterricht und seine Organisation auf der Grundlage der Lehrpläne in eigener Verantwortung.“ Man könnte also durchaus sagen, dass hier ein Ermessensspielraum bestanden hat. Ein geregelter und ordnungsgemäßer Schulablauf muss nicht zwingend gefährdet gewesen sein.

Zum Verfahren der Absetzung – § 12, Versetzung, Abordnung und Zuweisung nach BAT Ost: Zum Thema Einsetzung des Schulleiters heißt es im § 41 Schulleiter, stellvertretender Schulleiter in Abs. 2: „Schulleiter und sein Stellvertreter, ausgenommen solche der medizinischen Fachschulen, werden nach Anhörung der Schulkonferenz bestimmt. An sorbischen Schulen ist auch der Sorbische Schulverein anzuhören. Vor der Bestimmung des Schulleiters wird der Schulträger über alle eingegangenen Bewerbungen unterrichtet.“

Ich frage mich: Hat eine Anhörung der Schulkonferenz, wie im Gesetz vorgeschrieben, stattgefunden? Ist eine Unterrichtung über Bewerbungen vorgenommen worden? Wohl kaum, denn es gab ja keine Ausschreibung.

Ich bin der Meinung, das Verfahren des Regionalschulamtes verstößt gegen das Schulgesetz. Ich habe auch Grund zu der Annahme, dass das in Sachsen die gerichtliche Auseinandersetzung beweisen wird.

Wir haben ein Eilverfahren der Schulleiterin der Grundschule, das gescheitert ist, aber eigentlich nur aus formalen Gründen. Die Richterin hat wohl in ihrer Begründung gesagt, sie wolle dem Hauptverfahren nicht vorgreifen, aber sie sähe gute Chancen, dass die Schulleiterin gewinnen wird.

Mit liegt ein Urteil des Landesarbeitsgerichtes SachsenAnhalt in Halle vom vergangenen Jahr vor. Hier ging es um einen ähnlichen Fall. Der gemaßregelte Schulleiter bekam eine Ermahnung. Ich zitiere aus dem Urteil:

„Allein der Antrag, im Auftrag der Schüler und Eltern die Demonstration zu genehmigen, stellt lediglich die Hilfestellung zur Wahrnehmung der Inanspruchnahme demokratischer Grundrechte dar. Bei summarischer Prüfung ist daher ein Verstoß gegen vertragliche Pflichten des Klägers bzw. gegen gesetzliche Bestimmungen nicht zu erkennen. Der Plan des Klägers, dass Lehrer der Schule als Ordnungskräfte den Demonstrationszug begleiten, veranschaulicht das Verantwortungsbewusstsein des Klägers, bei der Ausübung demokratischer Rechte für die Sicherheit der den Lehrern anvertrauten Schüler zu sorgen. Dieses Engagement verdient keine Ermahnung.“

Ich denke, das wird die Richtung sein, die auch in Sachsen eingeschlagen wird.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und der PDS)

Für die CDU-Fraktion Herr Abg. Colditz, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte es zunächst auch mit Blick auf die Ausführungen von Frau Günther-Schmidt für notwendig, die Diskussion zu diesem vorliegenden Antrag zu versachlichen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Das war sehr sachlich!)

Politisch motivierte Kündigungen, meine Damen und Herren, hat es in diesem Land sicherlich gegeben, und zwar bis 1990. Es ist jedoch meines Erachtens nicht zu rechtfertigen, die Vorgehensweise damaliger staatlicher Stellen leichtfertig und in gewisser Weise auch verantwortungslos auf die Gegenwart zu übertragen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Man kann über die Angemessenheit der getroffenen Entscheidungen des Regionalschulamtes Dresden durchaus unterschiedlicher Meinung sein.

(Beifall der Abg. Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE)

Von einer politisch motivierten Vorgehensweise gegen die betroffene Schulleiterin kann jedoch meines Erachtens trotzdem keine Rede sein.

Ein Blick in § 42 Sächsisches Schulgesetz vermittelt Aufschluss über die Aufgaben des Schulleiters. So hat er als Schulleiter die Aufgabe, die Schule nach außen zu vertreten und im Rahmen gesetzlicher Vorgaben zu verwalten und zu leiten, für einen geregelten und ordnungsgemäßen Schulablauf zu sorgen sowie Lehraufträge zu verteilen, Stundenpläne aufzustellen, die Hausordnung und Konferenzbeschlüsse einzuhalten und umzusetzen.

Meine Damen und Herren! Hauptaufgabe des Schulleiters ist also die Durchführung und Realisierung des Erziehungs- und Bildungsauftrages. Die Aufgabenerfüllung schränkt eine persönliche Meinungsbildung, insbesondere auch eine politische Meinungsbildung, nicht ein. Nur darf die Wahrnehmung dieser persönlichen Freihei

ten und Rechte nicht zur Infragestellung oder Vernachlässigung der ihm übertragenen Aufgaben führen. Auch muss bei der Ausgestaltung des Bildungs- und Erziehungsauftrages die politische und weltanschauliche Neutralität der Schule, des Schulleiters und auch jedes Lehrers gewahrt bleiben.

Genau an dieser Stelle macht sich aber meines Erachtens der Konflikt des zur Diskussion stehenden Vorganges fest. Es gehört nicht zu den Aufgaben eines Schulleiters, Demonstrationen an seiner Schule zu organisieren und damit der Hauptaufgabe, nämlich der kontinuierlichen Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages, nicht mehr gerecht zu werden.

Natürlich muss es einem jeden Schulleiter zugestanden werden, auch zu aktuellen Fragen der Schulpolitik eine eigene Meinung zu haben und zu artikulieren. Nur kann dies beim besten Willen nicht in einem zeitlichen und organisatorischen Rahmen geschehen, in dem der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule umzusetzen ist. Dennoch ist im zur Diskussion stehenden Fall genau dies geschehen. Die per Schulgesetz dem Schulleiter übertragenen Aufgaben standen nicht mehr im Mittelpunkt des schulischen Alltags. Eine Pflichtverletzung durch die Schulleiter war und ist damit festzustellen und kann auch im Nachgang nicht einfach gerechtfertigt werden.

Schulleiter haben, wie andere Lehrkräfte auch, ausreichend viele Möglichkeiten, ihre Meinung öffentlichkeitswirksam zu vertreten und in die Entscheidungen einzubringen, und sie tun das auch. Diese Gestaltungsmöglichkeiten sind vielseitig. Erinnert sei hier an die Mitwirkungsmöglichkeiten im Rahmen des Schulgesetzes, Schul- und Lehrerkonferenzen, an Interessenvertretungen der Lehrerinnen und Lehrer in Verbänden und Gewerkschaften bis hin zu Parteigremien, in denen sich viele der Lehrerinnen und Lehrer ebenfalls engagieren. Von der Einschränkung persönlicher Rechte und Freiheiten eines Lehrers in unserem Alltag kann also keine Rede sein.

Auch das Streikrecht der Lehrerinnen und Lehrer als öffentlich Bedienstete stellt grundsätzlich keiner infrage, auch wenn dessen Ausübung durch die optimale Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages von Schule zumindest moralisch begrenzt sein sollte. Die Tarifverhandlungen, die jüngst stattfanden, und die damit verbundenen Aktivitäten der Gewerkschaften haben die Gültigkeit dieses Streikrechtes im Übrigen dokumentiert.

Legitim ist in diesem Zusammenhang eine gewerkschaftlich organisierte Demonstration von Beschäftigten, nicht dagegen die Instrumentalisierung von Schülerinnen und Schülern zur Auseinandersetzung mit staatlich zu verantwortenden Entscheidungen.

In diesem Sinne und im Sinne der Aussprache, die wir zu diesem Antrag führen, halten wir den Antrag für erledigt und werden ihm deshalb nicht zustimmen können.

(Beifall bei der CDU)

Für die PDS-Fraktion spricht Frau Abg. Falken.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gott sei Dank, wir haben ja jetzt die Freiheit und dürfen alles sagen und demonstrieren. Die Lehrer haben unter anderem die Aufgabe, demokratische Grundrechte, zu denen auch freie Meinungsäußerungen und Formen der Proteste gehören, ihren Schülern zu erklären. Nur vormachen dürfen sie dieses offensichtlich nicht.