Einen besonderen Schwerpunkt unseres Antrages stellt die Priorisierung von Investitionsmitteln für die Bereitstellung von Sportstätten im Verhältnis zu den notwendigen Erhaltungsinvestitionen dar. Wir gehen davon aus, dass es in Zukunft eine deutliche Schieflage, insbesondere aufgrund der finanziellen Ausstattung der Kommunen, geben wird. Die Deregulierung, die der Paragrafenpranger forcieren soll, ist unserer Einschätzung nach möglicherweise ein Hindernis bei der Sicherheit dieser Bauten.
Wenn wir uns andere Bundesländer anschauen: Bayern hat nun das Unglück in Bad Reichenhall erleben müssen. Dort gibt es beispielsweise in Deggendorf seit 1982 ein so genanntes Frühwarnsystem für Hallendächer, eben auch aufgrund eines Unglücks, das damals allerdings keine Toten oder Verletzten nach sich gezogen hat. Ein solches Frühwarnsystem wäre in Sachsen möglicherweise auch einzurichten.
Darüber hinaus ist meine Fraktion der Meinung, dass die Unterhaltskosten, die den Kommunen aus den Investitionen derartiger Hallen aufgebürdet werden, zu Fehlinvestitionen führen können. Die Fiskalillusion vor Ort, dass ein gewisses Prestige mit dem Erwerb einer solchen Halle verbunden ist, führt dazu, dass man im öffentlichen Raum die finanziellen Probleme, die die Erhaltung mit sich bringt, nicht thematisieren kann.
In unserem Antrag geht es – das möchte ich noch einmal deutlich sagen – nicht darum, eine neue Bauordnung zu fordern, sondern uns geht es um das Problembewusstsein und die Möglichkeit, Präventivmaßnahmen rechtzeitig ergreifen zu können. Deshalb unser Berichtsantrag mit den vier Punkten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Eissporthalle in Bad Reichenhall, im Jahre 1971 erbaut, stürzte zu Jahresbeginn unter der Schneelast ein und riss 15 Menschen in den Tod. In vielen Familien ist nichts mehr wie vorher, und alle Debatten machen das Unglück nicht ungeschehen. Wir können den Angehörigen der Opfer nur unsere Betroffenheit und aufrichtige Anteilnahme aussprechen. Ich möchte dies in unser aller Namen hiermit tun.
Auf solche Geschehnisse muss reagiert werden, denn sie dürfen sich nicht wiederholen. Darin dürften wir uns einig sein. Allerdings ist eine eilige Reaktion mit irgendwelchen Maßnahmen selten zielführend, wenn man die Ursachen nicht kennt. Der Schaden muss umgehend analysiert werden, erst dann sind Schlussfolgerungen möglich. Es werden solche Fragen zu beantworten sein wie die nach menschlichem Versagen oder Fehlverhalten, Fragen nach der Bauplanung, wie etwa der Baustatik, Fragen der Veränderung des Bauwerks während seiner Lebensdauer und viele Dinge mehr.
So wird aufzuklären sein, was in der Presse zu lesen war, nämlich warum im Jahre 2003 im Stadtrat von Bad Reichenhall über eine Sanierung der Halle heftig diskutiert wurde, die Sanierung aber ausblieb, warum seit längerer Zeit des Öfteren mehrere Eimer in der Halle aufgestellt werden mussten, um das an vielen Stellen vom Dach tropfende Wasser aufzufangen, und was dagegen unternommen wurde. Ferner ist aufzuklären, warum kurz vor dem Unglück das Eishockeytraining aus Sicherheitsgründen abgesagt, das öffentliche Eislaufen aber gestattet wurde.
Meine Damen und Herren! Wir haben darüber nicht zu urteilen, aber bei der Suche nach den Ursachen und bei unseren Schlussfolgerungen muss das auch eine Rolle spielen. Es wird auch zu klären sein, welchen Einfluss die Schneelast hatte. Der Ort Bad Reichenhall liegt in der dritten von vier Schneezonen. Die Normlast beträgt 125 kg/m². Der nasse Schnee soll bei einer Kontrolle aber zirka 200 kg/m² gewogen haben. Nicht dass dies nun zwingend die Schadensursache sein muss, aber es ist die Frage zu klären, ob die konstruktive Sicherheit möglicherweise dadurch aufgezehrt worden ist.
Es wird ebenso zu klären sein, ob Träger in Leimbinderkonstruktion einer Lebensdauer zuzuordnen sind. Das ist
zumindest dann der Fall, wenn die Dichtheit der Dachhaut nicht mehr garantiert werden kann. Ich persönlich möchte diesem Gedanken nahe treten, aber es kommt eben nicht darauf an, was ich denke, sondern es kommt auf eine wissenschaftlich fundierte Schadensanalyse an.
Woran liegt es – auch das ist zu beantworten –, dass in den letzten Wochen einige Hallendächer mit solchen Leimbindern schadhaft wurden und einige auch einstürzten?
Diese und andere Fragen sind zu beantworten, wenn wir die richtigen Schlussfolgerungen ziehen wollen. Die Bauministerkonferenz am 6. Februar 2006 muss sich mit der Angelegenheit befassen und aus den Sachverständigenberichten die bauordnungsrechtlichen Konsequenzen ziehen, falls solche geboten sind – ich betone: falls solche geboten sind. Wir wollen darüber informiert werden, weil wir dann logischerweise bauordnungsrechtliche Konsequenzen ziehen müssen.
Die Standfestigkeit von Baukörpern wird bei der Bemessung im Ergebnis statischer Berechnungen nachgewiesen. Sie muss über die Lebensdauer des Bauwerkes gewährleistet werden. Dies ist und muss ein gültiger Grundsatz bleiben. Was dabei zu tun ist, hängt nicht von einer politischen Debatte ab, sondern muss wissenschaftlich bzw. ingenieurtechnisch ermittelt werden.
Es bleibt die Frage nach den Risiken. Hallen in Leimbinderkonstruktionen existieren im Land Sachsen erst seit wenigen Jahren. Diese sind wohl kaum im Grenzbereich der Lebensdauer angekommen und eine korrekte statische Berechnung darf unterstellt werden. Extreme Lastfälle sind wohl auch nicht festzustellen. Im Übrigen ist bei allen Betreibern auch aufgrund der öffentlichen Diskussion darüber inzwischen eine hohe Sensibilität bezüglich der Dichtheit der Dächer eingetreten. Das ist allerdings kein Grund – so möchte ich auch nicht verstanden werden –, das Problem abzuhaken und zur Tagesordnung überzugehen. Die offenen Fragen müssen alle geklärt werden, aber nicht als Sofortaktionismus, sondern zügig in der für eine Genauigkeit erforderlichen Zeit.
Nun zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Wir können Punkt 1 des Antrages zustimmen. Die Staatsregierung soll auch nach unserer Auffassung über ihre Erkenntnisse zur Lebensdauerüberwachung von öffentlichen Gebäuden berichten.
Dem Punkt 2 werden wir nicht zustimmen, weil kein Anlass zu erkennen ist, die Statik von Hallenkonstruktionen als Sofortmaßnahme zu überprüfen. Da keine Berechnungsfehler unterstellt werden können – sie hätten sich ohnehin bald nach Fertigstellung gezeigt –, ist eine solche Kampagne überflüssig und trägt eher zur Verunsicherung bei.
Den Punkt 3 werden wir auch ablehnen. Wie im vorliegenden Sachzusammenhang auf den so genannten Paragrafenpranger geschlussfolgert wurde, erschließt sich uns nun wahrlich nicht. Technische Regeln und Vorschriften
sind nicht der Gegenstand der Untersuchung in diesem Paragrafenpranger, sondern es sind nur die Gesetze und Verordnungen.
Das Gleiche gilt für den Vorschlag in Punkt 4 zur Priorisierung von Investitionen in Sportstätten unter Berücksichtigung kommunaler Haushalte. Was soll das, meine Damen und Herren?! Es ist weder einsichtig noch im Sachzusammenhang, noch trägt es zur Lösung des Problems bei. Wir werden diesen Punkt ebenfalls ablehnen.
Mit unserem Änderungsantrag wollen wir darauf hinwirken, dass die Bauministerkonferenz zügig feststellt, was im technischen Regelwerk möglicherweise geändert werden muss und auf welche Weise in der Bauordnung der Länder die Lebensdauerüberwachung von Baukörpern anders verankert werden muss.
Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis möchte ich den Änderungsantrag als eingebracht verstanden wissen. Es wäre dann der neue Punkt 2, der die Punkte 2 und 4 alt, wenn Sie mir den Terminus gestatten, ersetzt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Dacheinsturz der Eislaufhalle in der bayerischen Stadt Bad Reichenhall, der zwölf Kinder und Jugendliche sowie drei Erwachsene das Leben kostete, hat eine heftige Debatte unter Politikerinnen und Politikern, aber auch unter Fachleuten ausgelöst. Die Frage lautet: Was hat neben den Massen von Nassschnee auf dem Flachdach letztlich zum Zusammenbruch der Holzkonstruktion an jenem Nachmittag des 2. Januar 2006 geführt?
Der „Spiegel“, Betroffene und Anwohner sind sich einig: Das Dach war morsch und die Sanierung der Halle seit Langem überfällig. Im „Spiegel“, Ausgabe 2/2006, wird ein Prüfungsingenieur zitiert, der festgestellt hat, dass – ich zitiere – „an mindestens fünf der 20 Bruchstellen vollständig abgelöste Leimverbindungen festgestellt“ wurden. Jedoch lokale wie überregionale Fachleute widersprechen sich, ob die zirka 35-jährige Holzkastenkonstruktion aus Schichtholz, Holzstegen, Nagelpressleimungen sowie Ober- und Untergurten das Gewicht des Nassschnees hätte aushalten müssen. In der Stadtverwaltung muss man sich der Gefahr bewusst gewesen sein, als sie den Sportverein am Unfallnachmittag nicht mehr trainieren ließ und die Halle nach dem Öffentlichkeitsbetrieb eigentlich schließen wollte, um den Schnee auf dem Dach zu beseitigen.
Zwar bleibt das Untersuchungsergebnis der Staatsanwaltschaft abzuwarten, doch wirft die aufflammende Diskussion über die Sicherheitsüberprüfung bereits jetzt ein negatives Schlaglicht auf Gesetzeslücken und schwindende staatliche Verantwortung für die Sicherheit öffentlicher
Gebäude und Anlagen. Während es strenge gesetzliche Vorgaben und Prüfungsmechanismen für die Planung, die Konstruktion und die Errichtung eines Gebäudes gibt, mangelt es an gesetzlichen Regelungen zur Sicherheitsüberprüfung für bestehende Gebäude. Laut Aussage des Staatssekretärs im Hessischen Wirtschafts- und Verkehrsministerium betrifft hier die Sicherheitsüberprüfung vor allem den Brandschutz. Dieses gilt insbesondere für Sonderbauten wie Einkaufseinrichtungen, Schwimm- und Eislaufhallen.
Mit der Übergabe des Schlüssels geht ansonsten jegliche Verantwortung auf den Bauherrn – im Fall Bad Reichenhall auf die Stadt – über.
Nun gehört aufgrund der seit Jahren bestehenden Gesetze die Überprüfung der Sicherheitsstandards zum Beispiel bei Fahrstühlen, Öltanks und Windrädern zu regelmäßiger Selbstverständlichkeit. Für Sonderbauten wie die Eislaufhalle in Bad Reichenhall gilt dies nicht. Hier entscheiden die Geldbörse der Bauherren und deren jeweilige Interessen darüber, ob, wie oft und in welchem Umfang die in ihrer Obhut stehenden Gebäude geprüft und Sicherheitsmängel beseitigt werden. Allein Brückenbauwerke müssen sich nach der Inbetriebnahme regelmäßig einer statischen Überprüfung unterziehen lassen.
Wie schon nach dem Einsturz der Berliner Kongresshalle im Jahr 1980 wird verstärkt die Einführung staatlich geregelter Kontrollen für öffentlich genutzte Gebäude gefordert. So verlangt der Präsident des Deutschen Städtetages und Münchner Oberbürgermeister Christian Ude regelmäßige Kontrollen. Er schlug vor, bei Hallen mit Publikumsverkehr einen festen Turnus vorzuschreiben, und äußerte, dass es einen verhängnisvollen Trend gebe, Kontrollen als überflüssige Bürokratie anzusehen.
Die geltende Bauordnung verlangt unter anderem die Prüfung auf Nichtgefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere von Leben oder Gesundheit und der natürlichen Lebensgrundlagen. Doch verlässt sich der Gesetzgeber darauf, dass die beim Bau auferlegten Sicherheitsvorschriften und statischen Berechnungen auf Jahrzehnte hinaus die Sicherheit der Gebäude garantieren. Hier möchte ich ausdrücklich dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN widersprechen. Denn wenn wir tatsächlich einen TÜV für bestehende Sonderindustriebauten haben wollen, dann kann man nicht appellieren und darum bitten, sondern es müssen gesetzliche Regelungen beschlossen werden. Angesichts der Toten von Bad Reichenhall komme mir keiner mit dem Argument einer Aufblähung der Bürokratie.
Der Ruf nach stärkerer Umsetzung von Kontrolleinrichtungen und nach Verbesserung der Gesetzeslage zur Kontrolle der Sicherheitsstandards bei alternden Gebäuden bleibt folgenlos, wenn im Anschluss an die Gutachten nicht auch Sicherheitsmängel beseitigt werden. Auch Christian Ude warnt eindringlich vor maroder Bau
substanz und befürchtet eine Schließungswelle – Zitat –: „Fast alle Kommunen in Deutschland haben wegen ihrer Haushaltssituation in den vergangenen Jahren Mittel für den Bauunterhalt kürzen müssen“, sagte Ude in den „Ruhr Nachrichten“. Hier müssen wir als Politikerinnen und Politiker gemeinsam gegensteuern.
Ich komme zum Schluss. Tatsächliche Schlussfolgerungen aus der Katastrophe in Bad Reichenhall sind wohl erst möglich, wenn der Untersuchungsbericht mit den tatsächlichen Ursachen des Unglückes vorliegt. Vorher sollte aufgrund dieses bedauerlichen Unglücksfalls – trotz der von mir angerissenen Problemfelder – das Risiko nicht pauschal auf alle Bauten hochgerechnet werden. Die Baufachleute in den Ländern sollten zunächst gemeinsam beraten, ob und in welcher gesetzlichen Vorschrift Änderungsbedarf besteht.
Deswegen geht der Antrag der Koalition in die richtige Richtung, und wir werden diesem Änderungsantrag zustimmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich nahtlos den Worten meiner beiden Vorredner anschließen. Leider bedurfte es eines solch traurigen Anlasses, bevor sich Experten noch einmal intensiv mit der Gebäudesicherheit und Gefahrenabwehr im Bauwesen befassten bzw. befassen möchten. Wir sind froh, dass der Bundesminister zur Behandlung dieser Fragestellung aufgerufen hat und sich die Innenminister im Monat Februar ausführlich diesem Thema widmen möchten.
Gleichzeitig ist es uns zugegebenermaßen auch klar – viele von uns haben sehr enge Kontakte zur kommunalen Ebene –, dass ein Sanierungsrückstau wegen der angespannten kommunalen Finanzen mancherorts tatsächlich gegeben ist. Aber wer glaubt – hier möchte ich einen Sachverhalt aufgreifen, den meine beiden Vorredner noch nicht angesprochen haben –, dass die kommunale Ebene notwendige Baumaßnahmen aufschiebt und Sicherheitsvorkehrungen nicht beachtet, der täuscht sich. Es wird durchaus zu unlukrativen Mitteln gegriffen und die eine oder andere Schwimmhalle/Sporthalle geschlossen. Jeder sollte tatsächlich noch einmal in den Kommunen nachfragen und dort genau hinschauen.
Richtig ist allerdings, dass zu überlegen wäre, welche Sicherheits-TÜVs wir hier einbauen bzw. einziehen könnten. Darüber sollten selbstverständlich erst einmal die Experten sprechen und dann sollte, wenn es notwendig ist, die Bauordnung entsprechend geändert werden. Ich glaube aber, dass wir als Parlament dieses Thema durchaus begleiten können, und würde vorschlagen, dass Sie, Herr Innenminister, in der nächsten Sitzung des Innenausschusses im Monat März darüber berichten, welche Hauptschwerpunkte gerade zu diesem Thema
anlässlich der Innenministerkonferenz im Februar besprochen worden sind, damit wir begleitend tätig werden können.
Richtig ist auch, dass wir uns durchaus in einem bestimmten Spagat befinden, wo kommunale Mittel eingesetzt werden. Aber eines seien Sie versichert: Leib und Leben steht an oberster Stelle, auch – das weiß ich – bei unseren kommunalen Stadträten.