Protokoll der Sitzung vom 25.01.2006

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sachsen ist Spitze, das wissen wir alle, leider auch bei den Strom- und Gaspreisen. Vor wenigen Tagen konnten wir es wieder schwarz auf weiß nachlesen, dass Leipzig mit knapp 643 Euro auf 3 000 Kilowattstunden bundesweit mit die höchsten Strompreise hat; Dresden ist nicht viel besser. Leider sind trotz der Liberalisierung des Strommarktes die Strompreise gestiegen, weil monopolartige Strukturen auch dort den

Markt beherrschen und insbesondere über erhöhte Nutzungsentgelte den Wettbewerb bremsen.

Noch dramatischer ist die Preisproblematik auf dem Gasmarkt einzuschätzen. Hier sind die privaten Endverbraucher nach wie vor völlig vom Wettbewerb ausgeschlossen. Ein Versorgerwechsel von einem teueren zu einem preiswerteren Anbieter ist nicht möglich.

Seit 2004 gab es bei den sächsischen Gasversorgern Preiserhöhungen bis zu über 40 %. Zum Beispiel verlangen die Stadtwerke Leipzig als trauriger deutschlandweiter Spitzenreiter 35 % mehr als RWE in Niedersachsen. Die Auswirkungen dieser Preispolitik erfüllen uns mit großer Sorge. Wie sollen Bürger Vertrauen in notwendige Reformen im Zuge der Marktwirtschaft gewinnen, wenn sie zugleich in der Energiebranche erleben, wie Marktmacht auf Kosten der kleinen Leute ausgenutzt und Kaufkraft entzogen wird? Auch für die sächsische Wirtschaft wird die Energiepreisspirale zunehmend zu einem großen Wettbewerbsnachteil im europäischen und innerdeutschen Maßstab. Natürlich wissen wir um die explodierenden Preise auf den Rohstoffmärkten. Staatliche Regulierungen wie Ökosteuer verteuern aktuell die Energiekosten. Dennoch können wir ganz praktisch die Stromerhöhungen der letzten Zeit nicht ganz nachvollziehen.

In Sachsen wird Strom zu 85 % aus heimischer Braunkohle gedeckt. Preissteigerungen beim Brennstoff Braunkohle sind uns nicht bekannt. Die Begründungen mit steigenden Weltmarktpreisen bei Öl, Gas und Importkohle sind also in diesem Falle nicht stichhaltig. Wir als CDUFraktion haben uns immer für den Vorrang des Energieträgers heimische Braunkohle eingesetzt, auch gegen die linke Opposition, und werden dies auch künftig tun. Investitionen in Kraftwerke hat Sachsen großzügig mit Steuergeldern unterstützt. Da ist es nicht nachvollziehbar, die Strompreise im Verweis auf steigende Rohstoffpreise in die Höhe zu schrauben.

Noch eines. Die Kraftwerksbetreiber haben 93 % der jetzt erforderlichen CO2-Zertifikate zum Nulltarif erhalten. Dennoch werden die nicht entstandenen Kosten – man spricht deutschlandweit von fünf Milliarden Euro – offensichtlich an die Stromkunden weitergegeben. Das ist für uns schlichtweg unsittliches Verhalten. Wir plädieren dafür, dass solche Praktiken künftig gesetzlich unterbunden werden.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Es ist schon jetzt festzustellen, dass die in der Vergangenheit zu beobachtende Neigung der Gasversorger, sich wie kritikresistente Monopolisten zu verhalten, ins Bröckeln gerät. Leider sind die bisherigen Informationen der Gasversorger noch immer nicht nachvollziehbar, sodass bis zur Erreichung einer größeren Transparenz der Preisgestaltung sicher weiter Druck ausgeübt werden muss. Die Sammelklagen der Verbraucherzentralen Sachsen werden diesen Prozess sicher vorantreiben. Herzlichen Dank an die sächsischen Verbraucherschützer für ihr

Engagement, das im Übrigen auch von der Staatsregierung und der Koalition voll unterstützt wird.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Auch wenn wir wissen, dass die Einflussmöglichkeiten der Staatsregierung beschränkt sind, auch wenn die linke Opposition teilweise anderes suggeriert, so bitten wir sie dennoch, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um einen weiteren Anstieg der Preise für Strom, Gas und Energieträger zu verhindern. Hierzu zählt für uns, sich für ein Verbot der Einrechnung kostenlos erteilter Emissionszertifikate für die Kostenkalkulation der Stromerzeuger auf Bundesebene stark zu machen – man kann sich hier eine Bundesratsinitiative vorstellen –, die Energieversorger zu einer Offenlegung ihrer Kalkulation zu drängen und durch die Ausschöpfung aller kartellrechtlichen Möglichkeiten ungerechtfertigte Preiserhöhungen auszuschließen. Hier müssen die Bundes- und Landeskartellbehörden im wahrsten Sinne des Wortes Gas geben. Wir wissen, dass die Staatsregierung hier auf einem guten Weg ist. Verweisen möchte ich dabei auch auf die in der Plenarsitzung am 22.09.2005 beschlossenen Anträge der Koalitionsfraktionen zu Strom- und Gaspreisen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die energiepolitischen Ziele Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Umweltverträglichkeit müssen gleichrangig verfolgt werden. Energiepolitik muss auch dem Wirtschaftsstandort Sachsen verpflichtet sein. Hierzu gehören bezahlbare wettbewerbsfähige Preise für Bürger und Unternehmen.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr Nolle, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren der demokratischen Fraktionen! Herr Gansel, noch einmal als eine Replik auf Ihren Beitrag vorhin. Es gibt Würstchen in diesem Parlament, Herr Gansel, die sind den Senf nicht wert, den man darauf streichen muss, um sie genießbar zu machen. Das lassen Sie sich einmal ins Stammbuch schreiben.

(Protest des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Ich muss Ihnen jetzt einen Ordnungsruf erteilen, Herr Nolle.

Den nehme ich gerne an.

In kaum einem Geschäftsjahr, meine Damen und Herren, haben die Mineralölkonzerne solch explodierende Gewinne geschrieben wie im Jahr 2005. Auch die Gewinne der Stromkonzerne stiegen auf immer neue Höchststände. Unsere Energiepreise sind auf europäischem Spitzenniveau, und für die energieintensiven Unternehmen sind die Preise inzwischen zur Standortfrage geworden.

Statt Herausbildung von mehr Wettbewerb wurde das Kartell der Energiekonzerne seit mehr als 20 Jahren politisch gehätschelt. Das Resultat sind zweistellige Preiserhöhungen; Unternehmen und private Verbraucher fühlen sich über den Tisch gezogen und geschröpft.

Aber der so genannte Markt für Energie beschränkt sich nicht auf ein Produkt, sondern auf verschiedene Energieträger. Betrachtet man den Energiemix des Jahres 2005, so betragen die einzelnen Anteile am Primärenergieverbrauch: 37 % Mineralöl, 22 % Erdgas, 13 % Steinkohle, 13 % Atomenergie, 11 % Braunkohle, 1 % Wasserkraft und 3 % sonstige Energieträger.

Energiepolitik ist ein Schlüsselsektor unserer Volkswirtschaft. Dabei werden in der Diskussion oft die verschiedenen Energieträger und -märkte vermischt. Die Märkte für Öl, Gas und Strom sind jedoch unterschiedlich strukturiert; ebenso wie die Sektoren Strom, Heizen und Verkehr.

Die Forderung „Weg vom Öl!“ hilft bei der Erklärung hoher Stromkosten wenig, da wir kaum Erdöl verstromen. Auch eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke bringt bei Heizkosten oder Mobilität keine Entlastung. In der nationalen Energiepolitik vollzieht sich heute oft, dass im Grundsatz bereits entschieden wurde. Nämlich viele Entscheidungsbefugnisse sind nach Brüssel delegiert worden und werden von internationalen Abkommen vorstrukturiert. Durch die von der EU in den neunziger Jahren durchgesetzte Liberalisierung der europäischen Strom- und Gasmärkte mit dem Ziel der Schaffung eines einheitlichen EU-Energiemarktes wurde die notwendige Gestaltungsmöglichkeit von Politik weiter zurückgedrängt – gerade in einem Bereich, in dem der Staat eine besondere Verantwortung hat.

Dies drückt sich in Deutschland nicht zuletzt durch unsere weltweit einmalige pluralistisch-kommunalwirtschaftliche Struktur aus. Die EU hat weitgehend das angelsächsisch geprägte Handelsmodell durchgesetzt. Profitiert hat sie dabei von der Globalisierung der internationalen Finanzmärkte, die dem Prozess der Liberalisierung des europäischen Energiesektors zusätzlichen Schub verlieh.

Aber dort befinden sich auch die Gewinner. Die Absahner sind nicht nur die Handvoll deutschen Energiekonzerne, sondern vor allem die weltweit operierenden Energiekartelle und Spekulanten, die die derzeitige Knappheit auf den Energiemärkten zu Spekulationszwecken missbrauchen. Die Knappheit ist nicht nur derzeit, sondern auch zukünftig vorhanden. Treffend hat das Ex-CDUGeneralsekretär Heiner Geißler einmal so beschrieben – Zitat: „Diese weltweit operierenden Unternehmen können genauso frei operieren wie die Mafia, die Drogendealer, die Terroristen.“

Meine Damen und Herren! Energiepolitik ist auch Strukturpolitik. Es geht, erstens, um hochwertige und langlebige Investitionsgüter wie zum Beispiel Kraftwerke, Autos, Häuser. Politik muss sich an deren Zyklen orientieren. Zweitens geht es um intensive Aufklärung der Verbraucher über Energiesparmöglichkeiten ohne Komfortverlust.

Drittens geht es um Erforschung, Entwicklung und den Einsatz von effizienten, energieintelligenten Produkten und Techniken.

Gerade unser – mit Ausnahme der Kohle – energiearmes Land kann sich verschwenderisches Wirtschaften nicht leisten, sondern muss vor allem auf den Rohstoff Knowhow, Wissen und Bildung setzen. Da haben wir als Volk der Dichter und Denker schon viel verspielt und inzwischen im Vergleich zu anderen Ländern sehr viel aufzuholen – auch in Sachsen, meine Damen und Herren.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort; Herr Delle, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht zum ersten Mal debattieren wir heute über die Strom- und Gaspreise und bestimmt auch nicht zum letzten Mal. Unbestreitbar sind wir mit Preissteigerungen konfrontiert, die sich zu einem ernst zu nehmenden sozialen Problem auswachsen, und die auf Strom und Gas bezogenen Nebenkosten drohen sich tatsächlich zu einer Art zweiter Miete auszuwachsen. Dies wurde jetzt allerdings schon mehrfach von meinen Vorrednern wiederholt – auch die Zahlen –, sodass ich mir das sparen und lieber ein paar grundsätzliche Dinge zum Thema ausführen möchte.

Ich denke, dass es, gelinde gesagt, langsam an der Zeit ist, darüber nachzudenken, ob wir mit den bisherigen Mantras Regulierungsbehörden, Bundesnetzagentur, Kartellbehörden usw. überhaupt auf dem richtigen Wege sind oder uns nicht auf einem Nebengleis mit der falschen energiepolitischen Stoßrichtung bewegen.

Fakt ist, dass wir über keine Energieautonomie verfügen und hochgradig abhängig sind, jedoch die weltweite Nachfrage zunimmt, während die verbliebenen Ressourcen teils dramatisch schrumpfen. Dem ist so und hier wäre demzufolge schwerpunktmäßig anzusetzen.

Viel lieber diskutiert man hierzulande angesichts des selbst verschuldeten Preisdiktats eine kleinteilige Wettbewerbsordnung – wohl wissend, dass unter den derzeitigen Rahmenbedingungen, das heißt der überwiegenden Nutzung konventioneller Energieträger, Milliardeninvestitionen zur Erschließung neuer Bezugsquellen vonnöten wären. Wer soll diese leisten – die Oligopolisten, die die beklagte Preisbildung am Markt vornehmen können, oder gar die Kleinanbieter?

Hier stellt sich die Frage: Lassen es die derzeit vorherrschenden Rahmenbedingungen denn überhaupt noch zu, dass das Allgemeinwohl die Debatte bestimmt, oder werden nicht schon längst Scheindebatten im Sinne wirtschaftlicher Partikularinteressen geführt? Ich bin wirklich gespannt, wie es energiepolitisch in der großen Koalition hier im Lande und vor allem in Berlin weitergeht.

Durch das rapide Steigen der Gaspreise werden gerade unionsseitig wieder Stimmen nach der Kernenergie laut, die Atomlobby wittert Morgenluft, doch noch länger als geplant Gewinne einstreichen zu können, und bemüht mit Blick auf die Abhängigkeit von Russland das Argument der Versorgungssicherheit.

Nach unserer Auffassung sind zwar kartellrechtliche Überprüfungen, Preisoffenlegungen usw. begrüßenswert; jedoch sollte darüber hinaus endlich eine breit angelegte gesellschaftliche Debatte über die langfristigen energiepolitischen Perspektiven in Deutschland geführt werden. Hier wäre der Ehrlichkeit halber zu klären, inwieweit die Privatisierungen auf diesem der Daseinsvorsorge zugehörigen Bereich richtig waren oder ob es nicht doch angebracht wäre, die Energieversorgung in staatliche Verantwortung zu nehmen.

Meine Damen und Herren, wir haben oligopolistische Strukturen und stehen einem Markt gegenüber, der nicht funktioniert. Zudem ist jeder Einzelne im Land Betroffener und nimmt immer spürbarer die Auswirkungen über den Geldbeutel wahr. Während die ins Private entlassene Energiewirtschaft der gegenwärtigen Konstellation nicht zufrieden stellend gerecht wird, steht man unvermeidlich der Herausforderung einer Energiewende gegenüber.

Die Mission dabei muss sein, meine Damen und Herren, die zentralistischen privatwirtschaftlichen Strukturen spätestens mittelfristig zugunsten dezentraler kommunalisierter oder genossenschaftlicher Selbstversorgerstrukturen auf ökologischer Basis zu ersetzen. Wird dies nicht bald angegangen, rückt dieses Ziel in unerreichbare Ferne, und die Strom- und Gaspreise werden zur parlamentarischen Dauerbeschäftigung bei Aktuellen Debatten und Anträgen.

Von daher noch einmal deutlich: Die Energiewirtschaft als grundlegendes Fundament eines Staates gehört in den staatlichen Aufgabenbereich, und eine im Zuge einer möglichst ökologischen Energiewende mögliche Dezentralisierung im Sinne einer regionalen Kongruenz von Nutzung und Erzeugung von Energie sollte ebenfalls unter Bevölkerungsbeteiligung oder kommunaler Verantwortung erfolgen.

Hierzu hört man in diesem Hause aber nichts – nicht einmal mehr von der linken PDS; ich frage mich zudem, wo Sie denn noch sozialistisch sind.

Erfreulicherweise vertritt der Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer die dezidierte Meinung, dass zumindest – ich zitiere – „die Stromnetze in die öffentlichen Hände gehören“.

Bereiche der existenziellen Daseinsfürsorge gehören nicht in privatwirtschaftliche Hand, sondern sind nach sozialer Maßgabe in Staatsverantwortung zu gewährleisten. Somit sind alle Diskussionen so lange nicht weiterführend, bis eine im nationalen Interesse liegende Resozialisierung des Energiesektors erfolgt.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort; Herr Morlok, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man sich diesem Thema der Preissteigerung im Energiebereich verantwortungsvoll nähern möchte, muss man erst einmal mit einer Mär aufräumen, die immer wieder in diesem Zusammenhang genannt wurde: dass hier irgendwo ein Zusammenhang zwischen der Liberalisierung auf dem Energiemarkt und den Preissteigerungen bestehen würde.

Das Gegenteil ist der Fall: Im Jahre 2000 – nach der Liberalisierung des Strommarktes – ist der Strompreis in Deutschland zunächst um 30 % gesunken. Das war das Ergebnis der Liberalisierung des Strommarktes. Inzwischen ist er wieder angestiegen. Wenn man überlegt, warum er angestiegen ist, lohnt es sich einmal nachzuschauen, wie er sich zusammengesetzt: 36 % des Strompreises kommen aus der Netznutzung. Es ist heute schon angesprochen worden, dass die Netznutzungsentgelte in Deutschland europaweit relativ hoch sind, und es gibt ja auch politische Gegensteuerung mit der Regelung des Unbundlings, also der Trennung des Netzbetriebes und der Produktion und dem Verkauf der Energie.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Morlok?