Protokoll der Sitzung vom 01.02.2017

(Beifall bei der CDU)

Es gibt eine Kurzintervention. – Bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich muss eine Kurzintervention machen, weil unsere Fraktion mit einer unverschämten Unterstellung angegriffen worden ist:

(Protest von der CDU: Was?)

dass aus unserer Fraktion gefordert würde, dass wir die Arbeitsplätze in der Lausitz, in Mitteldeutschland im Braunkohlerevier abschaffen wollten. – Im Gegenteil! Wir sind die Protagonisten hier im Hause, die Strukturwandelgesetzgebung einfordern, die sich mit dem Betriebsrat von Vattenfall treffen, die vor Ort diskutieren, welche Möglichkeiten und Alternativen wir zu dem kennen, was jetzt gerade dort passiert.

Ich habe eher den Eindruck, dass Sie noch nicht erkannt haben, dass die Energiepolitik, die Sie betreiben, Sie in die Sackgasse und damit auch ungesteuert zum Verlust von Arbeitsplätzen führen wird. Wenn wir nicht jetzt damit anfangen, darüber zu diskutieren, was vielleicht in 20, 30 Jahren in der Lausitz und in Mitteldeutschland passieren wird, und wir nicht jetzt schon anfangen, Alternativen aufzuzeigen, dann führt das in die Sackgasse und zum Verlust von Arbeitsplätzen.

Es ist eine Unverschämtheit! Sie selbst wissen, dass ich hier sehr oft zu Rohstoffstrategien gesprochen habe. Davon sind immer Menschen betroffen, davon sind Bergleute betroffen. Sie wissen, dass ich zu diesen Menschen stehe.

(Beifall bei den LINKEN – Frank Kupfer, CDU: Braunkohleabgabe erhöhen!)

Das war die Kurzintervention von Frau Kollegin Dr. Pinka. Jetzt reagiert Kollege Krauß, auf dessen Beitrag sich die Kurzintervention bezog.

Frau Kollegin Pinka, vielleicht können Sie einmal mit dem einen oder anderen Kollegen aus Ihrer Fraktion das Gespräch suchen. Da habe ich eine Abgeordnete wie Frau Kagelmann, die, um ihre Solidarität zu zeigen, zu Linksterroristen geht, die sich auf Bäume setzen und sich dort anketten, die verhindern will, dass Bergleute ihrer Arbeit nachgehen.

(Protest von den LINKEN – Susanne Schaper, DIE LINKE: So ein Mumpitz!)

Dann haben Sie andere Abgeordnete aus Ihrer Fraktion, die Lebensmittel zu den Leuten liefern, die widerrechtlich Kraftwerke besetzen. Sie wollen mir erzählen, dass Sie für die Kumpel der Braunkohle eintreten. Halten Sie uns für vollkommen blöd?

(Beifall bei der CDU – Proteste bei den LINKEN)

Jetzt geht es weiter in der Rednerreihe. Frau Kollegin Lang ergreift das Wort für die SPD-Fraktion.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Nachwendezeit war ein krasser Umbruch, nicht nur gesamtgesellschaftlich, sondern für jede einzelne Person. Viele erlebten diese Zeit als Aufbruch in ein neues tolles Leben, für einige war es jedoch das Gefühl, unter Wert behandelt zu werden, voll von Kränkungen und Demütigungen. Laut Sachsenmonitor stimmt fast die Hälfte der Sachsen der Aussage zu, dass nach der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten erneut vielfaches Unrecht geschaffen wurde. Jene, die dieser Aussage zustimmen, zeigen sich bis zu zwei Drittel unzufrieden mit der Praxis der Demokratie in Deutschland.

In den vergangenen Wochen wurde das geschafft, was dringend notwendig ist: Die Nachwendezeit wurde wieder auf die Agenda gebracht und hat nicht nur zu einer sächsischen oder ostdeutschen, sondern zu einer gesamtdeutschen Debatte geführt. Dabei sind die Menschen in den Mittelpunkt gestellt.

Heute sprechen wir über solch ein Beispiel der Ungerechtigkeit. Gleichzeitig sehen wir, wie schwierig die Aufarbeitung auf dem Gesetzeswege ist. Seit rund zwei Jahrzehnten wird jetzt über die Frage der Rentenansprüche ehemaliger Bergleute diskutiert. Doch nicht nur von dieser Gruppe muss man sprechen, nein, auch von Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitswesen, den Eisenbahnern oder in der DDR geschiedenen Frauen, die davon betroffen sind.

Vielen dieser Menschen würde die Anerkennung der Rentenansprüche aus einer schwierigen sozialen Lage helfen. Anderen wäre es ein Ausgleich für ihre gefährliche Arbeit. Gerade die Arbeiter in den Braunkohleveredelungen haben mit toxischen Gasen zu tun, mit Staub und anderen giftigen Stoffen. Manche sind daran sogar gestorben. Den meisten geht es aber auch einfach nur um Gerechtigkeit. Für sie ist die Nichtanerkennung eine Kränkung, ja etliche Betroffene sprechen von Demütigung.

Ehrlicherweise möchte ich betonen, dass die meisten Bergleute eine Zusatzrente bekommen haben. Alle Arbeiterinnen und Arbeiter der Braunkohleveredelung BornaEspenhain, die schon in Rente waren und die bis zum 31. Dezember 1996 in Rente gegangen sind, bekamen diese Zusatzrente. Das macht das beschriebene Gefühl der Ungerechtigkeit vielleicht noch größer.

Aber auch wenn wir als SPD-Fraktion das Thema unterstützen, inhaltlich können wir diesen Antrag nicht mittragen. Es sind erstens nicht nur die Bergleute, die bis heute um ihre Rentenansprüche kämpfen, es sind eben auch Krankenschwestern und geschiedene Mütter. Sie alle haben damit zu kämpfen, dass ihre Position im Rentenüberleitungsgesetz nicht angemessen berücksichtigt

wurde. Schrieben wir eine dieser Gruppen ins Gesetz, würde neue Ungerechtigkeit für zahlreiche andere Gruppen entstehen. Genau das ist das Problem des Antrages der Linkspartei.

Wir wollen eine umsetzungsreife Lösung für alle Betroffenen. Ich finde, wir müssen den Bergleuten gegenüber ehrlich sein. Wir dürfen ihnen keine Versprechen machen, die wir nicht halten können. Die Bergleute schreiben selbst – ich zitiere –: „Die Zeit läuft uns davon.“ Jede enttäuschte Hoffnung ist nach diesen vielen Jahren immer noch eine zu viel. Auch Staatsministerin Köpping hat nichts versprochen. Sie hat sich lediglich dem Problem gestellt und nach Lösungen gesucht.

Nach Dutzenden Beratungen im Bundestag müssen wir leider außerdem sagen, dass dieses Problem im Rentenrecht kaum lösbar zu sein scheint. Auf der Basis des Rentenüberleitungsgesetzes von Anfang der 1990er-Jahre haben wir inzwischen Gerichtsurteile, die die bestehenden Regelungen bestätigen. Trotzdem ist es nicht gerecht. Deshalb benötigen wir eine politische Lösung.

Für eine solche politische Lösung brauchen wir politischen Willen. Im Jahr 2013 hat die SPD versucht, im Koalitionsvertrag eine steuerfinanzierte Fondslösung für die Betroffenen einzuführen. Der Lösungsvorschlag beinhaltete, dass wir nicht jede Gruppe einzeln behandeln und trotzdem den Menschen einen Ausgleich und vor allem eine Anerkennung bieten. Die Ausgestaltung wird eine knifflige Geschichte. Ich glaube, da besitzt keiner von uns den Stein der Weisen. Der Antrag der LINKEN ist es für uns jedenfalls nicht. Darum werden wir weiter streiten. Das sollten wir alle gemeinsam tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Jetzt folgt auf Frau Kollegin Lang Frau Kollegin Petry für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag setzt sich die Fraktion DIE LINKE für eine Verbesserung der Renten der in der ehemaligen DDR tätigen Bergleute ein, und zwar insbesondere für die Beschäftigten der Braunkohleveredelungen.

In Ihrem Antrag formulieren Sie eine Zielstellung, die begrüßenswert ist, aber bereits in der Antragsformel viel zu kurz greift. Es ist müßig, darauf hinzuweisen, dass es nicht nur um sächsische Bergleute, sondern um die Bergleute der gesamten ehemaligen DDR geht. Das wissen Sie, denn Sie haben hier – wie schon erwähnt wurde – ein Bundesthema einfach regionalisiert.

Nun aber zum Wesentlichen.

Die Kumpel in der Braunkohleveredelung haben sich in der Tat ihren Rentenanspruch durch harte, körperlich schwere und zum überwiegenden Teil gesundheitsgefährdende Arbeit verdient, auch wenn sie in der Regel nicht mehr im klassischen Bergbau unter Tage, sondern im Tagebau oder in der Kohleverarbeitung gearbeitet haben. Dazu haben wir diverse Beispiele gehört. Ich erinnere dabei nur an das Braunkohleveredelungswerk in Espenhain im Landkreis Leipzig, wo über Jahrzehnte hinweg stark ätzende Staubwolken aus den Schloten heraufzogen, Espenhain der angeblich schmutzigste Ort der DDR war und sogar den Menschen in weiterer Entfernung diese Gase auf die Atemwege schlugen. Ein Stempel im Ausweis verbriefte deshalb die Möglichkeit, den Ruhestand mit 60 Jahren anzutreten, sowie das Anrecht auf eine Zusatzrente.

Ja, meine Damen und Herren, es ist in der Tat für diese Bürger eine nicht hinnehmbare Ungerechtigkeit, dass sie sich heute schlechtergestellt fühlen. Aber genauso ungerecht ist es – das haben wir schon gehört, aber ich möchte es dennoch wiederholen –, wenn die Beschäftigten des Gesundheits- und Sozialwesens der DDR auf ihren Steigerungsbeitrag verzichten müssen, wenn Zeiten der Pflege von pflegebedürftigen Angehörigen nicht anerkannt werden, wenn DDR-Spitzensportler rentenrechtlich wie Studenten behandelt werden und wenn einige akademische Berufsgruppen wie zum Beispiel die Chemiker, Physiker, Mathematiker und andere Naturwissenschaftler die Intelligenzrente nicht erhalten, wie sie die Berufskollegen anderer Sparten bekommen. Diese Liste der Diskriminierung von Lebensleistungen ließe sich noch um eine Vielzahl von weiteren Punkten ergänzen. Aber dazu findet sich in Ihrem Antrag kein Wort.

Von der Rechtsprechung ist im Sinne einer Gesamtlösung derzeit nicht viel zu erwarten. Jüngste Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts und des Sozialgerichts Altenburg aus dem Jahr 2016 bestätigen und verfestigen die durch das Rentenüberleitungsgesetz entstandenen Überführungslücken.

Als ein weiteres Beispiel könnten wir all die Menschen nennen, die aus der DDR in den Goldenen Westen flohen. Auf der Grundlage des Fremdrentengesetzes von 1960 wurden sie zunächst so behandelt, als ob sie ihr vollständiges Arbeitsleben in der Bundesrepublik gelebt hätten. Auch diese Ansprüche waren nach der Wende beim Renteneintritt im wahrsten Sinne des Wortes Geschichte. Immerhin hat es unser Nachbar Polen durch ein Sozialabkommen geschafft, die Rentenansprüche aus dem Fremdrentengesetz gegenüber der Bundesrepublik zu schützen.

Wir sind uns also darin einig, dass das Rentenüberleitungsgesetz von Ungerechtigkeiten gegenüber Einzelnen geprägt ist. Wir sollten nur in der Konsequenz darauf achten, dass nicht neue Ungerechtigkeiten durch Einzelfallregelungen entstehen. Der von Ihrer Fraktion eingebrachte Antrag birgt dahin gehend ein erhebliches Gefahrenpotenzial.

Wir schlagen stattdessen vor – und das ist ein Gesamtansatz, den wir natürlich nicht allein in Sachsen, sondern bundesweit umsetzen müssen –, die Rente insgesamt zuallererst einer buchhalterischen Analyse, zum Beispiel auf Fremdleistungen aller Art, zu unterziehen, anstatt Flickschusterei durch die vermeintliche Korrektur von Ungerechtigkeiten für einzelne Arbeitnehmergruppen zu betreiben.

Wenn Sie als LINKE schon versuchen, die Bergleute zu animieren, weiterhin Ihre Partei zu wählen, dann seien Sie wenigstens so ehrlich und sagen Sie ihnen, dass die meisten Rentenerhöhungen durch die aktuellen Steuern wieder minimiert bzw. durch Steuerprogression komplett aufgefressen werden. Deshalb werden wir uns bei Ihrem Antrag enthalten. Denn gut gemeint, liebe LINKE, ist eben noch lange nicht gut gemacht.

(Beifall bei der AfD)

Jetzt kommt Herr Kollege Dr. Lippold für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Fraktion DIE LINKE, um es gleich vorab zu sagen:

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Wenn Sie so anfangen, wird es schwierig!)

Anders als unsere Kolleginnen und Kollegen im Bundestag, die sich mit fundierter Begründung beim dortigen LINKEN-Antrag zum selben Thema der Stimme enthalten haben, werden wir Ihrem Antrag zustimmen. Ich will Ihnen auch sagen, warum: Das hat nichts damit zu tun, dass wir den Antrag inhaltlich zielführend fänden, sondern ausschließlich damit, dass wir in Sachsen dieses konkrete Härtefallthema für so wichtig halten und den Betroffenen ein Signal senden wollen, dass wir ihre Situation sehen und möchten, dass wir uns im Landtag auf die pragmatische Suche nach einem wirklich gangbaren Weg zum Helfen machen.

Liebe LINKE, nachdem Ihr Antrag in diesem Hohen Haus abgelehnt werden wird und Sie damit die gewünschte regionale Presse machen können, lassen Sie uns untereinander – zusammen mit Frau Köpping, in den Ausschüssen – sachlich über solche gangbaren Wege nachdenken. Auch nach der absehbaren Ablehnung Ihres Antrages werden Sie hier weiter auf dem Prüfstand stehen, denn es wird sich erweisen, was Sie eigentlich erreichen wollen. Geht es Ihnen darum, zu zeigen, dass es die anderen nicht hinbekommen und dass sich in der Folge einfach gar nichts bewegt, oder bleiben Sie dran, weil es Ihnen darum geht, dass die Betroffenen tatsächlich rasch Geld in die Hand bekommen?

(Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)

Wir werden es sehen. Die betroffenen ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Braunkohleveredelungsbetriebe haben unter härtesten, besonders gesundheits

schädlichen Bedingungen gearbeitet. Dort wurden Schwelereianlagen auf Verschleiß gefahren und auf Teufel komm raus Stoffe wie Phenole, toxisch und mutagen, oder krebserregende Teerprodukte hergestellt. Manchmal kam der Teufel auch raus.

Wer dort regelmäßig vorbeifuhr, weiß, wovon die Rede ist. Man hat den Menschen deshalb wenigstens für die Altersvorsorge Konditionen wie für unter Tage tätige Bergleute versprochen. Obwohl für die Zusatzversorgung eingezahlt worden war, gingen ihre Ansprüche bei der Überleitung in das bundesdeutsche Sozialversicherungssystem unter.

Ja, das sind Härtefälle, denen Hilfe und Gerechtigkeit zuteilwerden muss. Doch wie? Motiviert wurde die Sonderversorgung damals durch besonders schädliche Arbeitsbedingungen. Schafft man nun für jeden solchen Härtefall spezielle Regelungen im Gesetzeswerk? Wenn ja, wo fängt man damit an und wo hört man auf? Was ist mit jenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den nicht weniger maroden und gefährlichen Chemieanlagen in der DDR, die genau diese Stoffe anschließend weiterverarbeitet haben?

(Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)

Was ist mit jenen in Bitterfeld, die unter gesundheitsschädlichsten Bedingungen in der Chlorchemie gearbeitet haben, wo doch das Chlor der Elektrolyse auch aus bergmännisch gewonnenen Salzsäulen kam? Und was ist mit jenen, die zehn Meter vor dem Werkszaun denselben Belastungen ausgesetzt waren, wie die zehn Meter dahinter?