Protokoll der Sitzung vom 10.04.2019

(Christian Hartmann, CDU: Nein!)

Das nehme ich gern auf, 17372 und 17373 zusammen.

Ja. Genau. Sie sind im Grunde wesensähnlich. Die Quellen-TKÜ und die OnlineDurchsuchung sind vom Prinzip her ähnlich. Während die Quellen-TKÜ darauf abstellt, dass ich die verschlüsselte Kommunikation auf einem Smartphone abhören kann, sei sie in Wort und Schrift oder in Form von Telefonie – – Das ist aus unserer Sicht im Einzelfall deshalb zwingend notwendig, weil ich im Einzelfall auch mit der jetzigen Regelung die normalen Telefongespräche abhören dürfte. Warum darf ich die verschlüsselte Telefonie nicht abhören?

Wenn jemand ein Gefährder ist, und ich habe die Tatsachen begründet, die rechtfertigen würden, dass ich die Telefonie abhören darf, weil von ihm eine Gefahr für Leib oder Leben anderer Personen ausgeht, warum, bitte, soll ich dann nicht die verschlüsselte Telefonie ebenfalls erfahren dürfen? Glauben wir wirklich, dass die Personen, die Gefährder sind, so dumm sind, dass sie nicht wegen dieser Gesetzeslücke – und es ist nichts anderes – auf die verschlüsselte Telefonie abstellen würden?

Der nächste Punkt ist die Online-Durchsuchung. Ich sehe durchaus die Gefahr, dass man sagen könnte, die OnlineDurchsuchung greift in die Grundrechte der Menschen ein. Wer weiß, was der eine oder andere auf seinem Handy gespeichert hat. Da sind vielleicht Bilder, die man

nicht sehen will, wenn man nackt ist oder was. Das gibt es alles. Das kann ich nachvollziehen. Aber es ist im Grunde nichts anderes als die Durchsuchung bei der Person zu Hause.

(Albrecht Pallas, SPD: Nein, die ist offen!)

Diese darf ich zur Abwehr einer Gefahr auch machen. Wenn ich dann bei dieser Person in die Schlafstube gehe und dort den Nachttisch aufziehe oder in die Schränke schaue, finde ich dasselbe. Das können Sie mir glauben. Man findet dort dasselbe. Das will man nicht immer sehen. Dieser Grundrechtseingriff ist nicht sonderlich intensiver.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Wichtig ist aber, dass diese Person, wenn die Gefahr abgewehrt ist, darüber informiert wird, dass der Eingriff stattgefunden hat. Wichtig ist auch, dass ein Polizeibeamter nicht allein darüber entscheiden kann, sondern dass immer ein Richter die Tatsachen zugetragen bekommen muss, und ein Richter wird auf Antrag der Polizei darüber entscheiden, ob dieser Eingriff im Einzelfall verhältnismäßig ist, ja oder nein. Ein Richter weiß ganz genau um die hohen Formvorschriften und die Eingriffsintensität. Dann ist natürlich klar, dass wir das nicht bei Bagatelldelikten machen können, sondern dass es um höchste Rechtsgüter wie Leib und Leben einer oder mehrerer Personen geht. Genauso haben wir das in unsere Änderungsanträge hineingeschrieben.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Gibt es hierzu Wortmeldungen? – Jawohl. Herr Anton, bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Wippel, natürlich ist es kein Geheimnis, dass meine Fraktion sowohl die Quellen-TKÜ als auch die Online-Durchsuchung als Bestandteile des neuen Polizeigesetzes für erforderlich gehalten hat. Letztendlich ist dieses Gesetz ein sehr guter Kompromiss. Einem Kompromiss wohnt es nun einmal inne, dass sich nicht beide Partner mit all ihren Positionen durchsetzen konnten. Es ist nur eine überschaubare Zahl von Anwendungsfällen, für die diese Eingriffsnormen eine Relevanz haben. Wir haben das BKA-Gesetz, zumindest dort die entsprechenden Befugnisse. Gleichwohl wäre es gut gewesen, diese auf Landesebene auch zu implementieren.

Einer Aussage von Ihnen will ich allerdings entgegentreten. Das ist jene, dass es hierbei nicht um tiefe Grundrechtseingriffe geht. Hier geht es um tiefe Grundrechtseingriffe. Wir müssen uns klar werden, worüber wir reden. Hier geht es darum, entweder bei der Quellen-TKÜ oder bei der Online-Durchsuchung mit einem Trojaner den Inhalt dieses Gerätes auszuspähen. Das ist ein tiefer Grundrechtseingriff, der auch nur in sehr engen Fallbeispielen überhaupt zulässig ist. Für diese hätten wir es gern gehabt. Aber, wie gesagt, zugunsten des insgesamt sehr guten Kompromisses verzichten wir jetzt darauf.

(Sebastian Wippel, AfD: Bedauerlich!)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Herr Lippmann für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir stimmen nicht aus Kompromissen, sondern aus voller Überzeugung gegen die Quellen-TKÜ. Zunächst, Herr Wippel: Der entscheidende Unterschied wurde Ihnen gerade dargestellt. Es ist ein Unterschied, ob Sie eine Hausdurchsuchung durchführen oder etwas verdeckt tun, wie bei der Online-Durchsuchung und der Quellen-TKÜ. Der Betroffene weiß davon nichts, kann sich auch nicht in der sofortigen Situation unter Beiziehung anwaltlichen Rats dagegen zur Wehr setzen, sondern frühestens, wenn die Maßnahme beendet ist. Sie wissen selbst, dass die Benachrichtigungspflichten in bestimmten Situationen

unterbindbar sind.

Zweitens. Sie können den Kernbereichsschutz der privaten Lebensführung nicht so gewährleisten wie bei der normalen TKÜ. Sie wissen, dass über Messengerdienste mittlerweile vollkommen andere Inhalte ausgeteilt werden als früher über SMS und Telefon. Das heißt, die Problemkonstellation, die dort entsteht, ist, dass diejenigen, die das über den Trojaner abfischen, regelmäßig das Problem haben, dass sie dann Kenntnisse vom Kernbereich der privaten Lebensführung erfahren, was im Rahmen der Prognoseentscheidung beispielsweise nach den gegenwärtigen Regelungen der StPO so nicht geht.

Drittens. Sie schütten das Kind mit dem Bade aus, weil Sie die Sicherheitslücken brauchen, um den Trojaner auf das Endgerät aufzuspielen. Damit lassen Sie Sicherheitslücken offen, die es Kriminellen ermöglichen, Hackingangriffe durchzuführen. Es schafft nicht mehr Sicherheit. Es schafft mehr Unsicherheit, die Quellen-TKÜ einzuführen. Deshalb lehnen wir nicht aus Kompromissgründen, sondern aus tiefster Überzeugung Ihren Antrag ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit kommen wir zur Abstimmung über die Drucksachen 6/17372 und 6/17373. Wer stimmt zu? – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Danke sehr. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen, zahlreiche Stimmen dafür, aber nicht die erforderliche Mehrheit.

Nun haben wir noch drei Änderungsanträge, zuerst die Drucksache 6/17374. Oder wollen Sie alle drei zusammen? – Nein. Es war ein Versuch. Herr Wippel, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Jetzt geht es um die Bodycam. Der Minister hat gerade eben schon gepriesen, wie toll das neue Gesetz mit der Bodycam sei.

Jetzt nehme ich Sie einmal gedanklich mit auf die Prager Straße, und wir spielen einmal eine solche Situation durch, wie sie sich abspielen könnte. Da ist eine Auseinandersetzung, da sind Personen miteinander – wie heißt es so schön im Rechtsdeutsch – im Raufhandel, und die Polizei kommt jetzt angefahren, weil sie gerufen wurde. Sie hat die Bodycam dabei. Jetzt steigen sie aus dem Auto aus, nach dem jetzigen Gesetz; sie drohen den Einsatz des Pre-Recordings erst einmal an. Sie sagen, wir fangen gleich an aufzuzeichnen, dass wir in Zukunft mal aufzeichnen werden. Dann drücken sie auf den Knopf, und dann müssen sie das irgendwie den Leuten auch noch kenntlich machen, dass sie jetzt im Pre-Recording sind.

Dann hören die aber nicht auf, sondern machen weiter. Jetzt sagen Sie: „Jetzt zeichnen wir aber auch wirklich auf.“ – Dann wird auch aufgezeichnet, und es muss noch einmal wieder kenntlich gemacht werden. Dann stieben die Personen auseinander. Jetzt habe ich ausreichende Einsatzkräfte, die die Situation lösen wollen, und die filmen auch mit ihren Kameras das Geschehen. Jetzt laufen die Gefährder, die sich da gerauft haben, in Geschäfte. Nehmen wir irgendein Schnellrestaurant, in das sie hineinlaufen. Die Polizei läuft hinterher und muss erst einmal ausmachen. Dann geht einmal die Jagd durch das Gebäude durch und nachher wieder heraus; dann kann ich draußen wieder anmachen. Das ist die praktische Anwendung.

Wenn ich auf der Straße unterwegs bin und zum Beispiel so einen Gefährder habe und ihn suche und irgendwo eine Haustür offen ist, dann laufe ich mit der Kamera auf der Straße hinter ihm her, und wenn er durch eine offene Haustür, in eine offene Garageneinfahrt läuft, dann bin ich plötzlich im privaten Bereich und kann das Ding wieder ausmachen. Oder nehmen wir das Thema häusliche Gewalt, wo es ja sehr häufig zu Übergriffen und Widerstandshandlungen kommt, wo genau so etwas auch wirken kann. Genau dazu sagt dieses Gesetz: Nein, da geht es schon mal gleich gar nicht mit Filmen, weder im Hausflur noch in der Wohnung, wie auch immer.

Das heißt, wir haben jetzt hier eine Regelung, die den Polizisten draußen aber nur eine scheinbare Sicherheit an die Hand gibt, keine wirkliche. Ich kann Ihnen jetzt schon sagen: Sie werden sich vor Verwaltungsgerichten wiederfinden, wenn Sie dieser Regelung, wie sie jetzt im Gesetz steht, so zustimmen.

Wir geben Ihnen jetzt hier die Möglichkeit, mit diesem Änderungsantrag eine wirklich gangbare Variante umzusetzen, die in der Praxis tauglich ist. Sie ist auch rechtlich sauber, und da wird auch nicht unterschieden. Da ist auch das Pre-Recording eine ganz klare Geschichte. Das heißt nämlich: Wenn die Kamera läuft, dann läuft die Kamera. Das andere ist bloß die rechtliche Frage, ob ich die Bilder nachher behalten darf oder nicht. Behalten darf ich sie anschließend nur, wenn es zur Abwehr einer Gefahr für Leib oder Leben oder zur Strafverfolgung notwendig ist. Ansonsten muss automatisch nach fünf Minuten die ganze Sache überspielt werden.

Also stimmen Sie bitte unserem Änderungsantrag zu. Tun Sie den Polizisten draußen auf der Straße wirklich einen Gefallen und führen Sie sie nicht in Unsicherheit.

(Beifall bei der AfD)

Es gibt hierzu Wortmeldungen. – Herr Pallas, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wippel, natürlich ist das, was hier vorliegt, ein Kompromiss. Der Kompromiss besteht unter anderem darin, dass sich ein Teil vorstellen konnte, Bodycams auch in Wohnungen zuzulassen, während sich ein anderer Teil – in Klammern: die SPD – dies nicht vorstellen konnte. Deswegen finden Sie eine Formulierung, dass im öffentlichen Bereich der Einsatz von Bodycams unter den Bedingungen, die beschrieben sind, möglich ist.

Was Sie aber nicht machen dürfen, ist Folgendes: Sie dürfen hier nicht suggerieren, dass bestimmte Bereiche nicht zum öffentlichen Bereich gehören, die aber doch dazugehören;

(Sebastian Wippel, AfD: Das ist strittig! In der Anhörung wurde das ganz klar geäußert!)

denn das Entscheidende ist der Wohnungsbegriff. Das ist ein Punkt, der nicht ausdiskutiert wurde, spannenderweise auch nicht während der Anhörung. Es geht nämlich um Büro- und Geschäftsräume während der Öffnungszeiten. Das sind ja Räume, die sozusagen dazu da sind, dass sie von Menschen betreten werden, von Kunden und dergleichen. Da gibt es durchaus die Auffassung, dass dies während der Öffnungszeiten quasi zum öffentlichen Bereich gehört. Insofern ist Ihr Beispiel da nicht ganz sauber gewesen.

Es war auch an der Stelle nicht sauber, weil Sie ein Beispiel gewählt haben, bei dem Straftaten passiert sind. Sie wissen als Polizist genau, dass nach Strafprozessordnung die Polizei alle Beweise sichern muss, und dazu gehört in einem solchen Gesamtgeschehen unter anderem ein Videobeweis, wenn man so will. Das heißt, an dieser Stelle dürften die Kameras sogar auf der Basis der Strafprozessordnung benutzt werden; wir bräuchten das Polizeigesetz gar nicht.

Insofern braucht es diesen Änderungsantrag nicht. Der Entwurf ist sachgerecht, er ist ausreichend, er begrenzt den Anstieg der Grundrechtseingriffe durch die Fokussierung auf den öffentlichen Raum und führt dazu, dass es praxisgerecht angewendet werden kann.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Gibt es hierzu weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Ich lasse über die Drucksache 6/17374 abstimmen. Wer stimmt zu? – Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthaltun

gen? – Bei keinen Stimmenthaltungen und Stimmen dafür gibt es aber nicht die erforderliche Mehrheit. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Wir kommen nun zu dem nächsten Änderungsantrag der AfD-Fraktion, Drucksache 6/17375. – Herr Wippel, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Natürlich bedingt dieser Antrag ein wenig den, den Sie vorhin schon abgelehnt haben. Das ist jetzt etwas schade. Aber nichtsdestotrotz ist er trotzdem sehr brauchbar, weil er einfach dazu dient, dass wir noch einmal erklären, was für uns eigentlich wichtig ist.

Ich habe vorhin in der Debatte gesagt: Für uns ist der Mensch erst einmal frei, und der Staat muss seine Eingriffe rechtfertigen. Wir reden hier über den Schusswaffengebrauch gegenüber Menschen in Menschenmengen. Das andere wäre die Thematik „Gummischrot gegen Menschenmengen“ als solches gewesen. Dabei ist uns ganz wichtig, dass wir hier das Ausnahme-Regel-Verhältnis umkehren. Zum Einsatz, so wie er jetzt, in der jetzigen Form geregelt ist, steht quasi geschrieben: Es ist gestattet, in Menschenmengen hineinzuschießen, wenn dort eine Person drin ist, auf die die entsprechenden Tatbestandsmerkmale anzuwenden sind.

Wir machen es anders; wir sagen: Es darf grundsätzlich nie in Menschenmengen geschossen werden, außer wenn – – Das ist in der praktischen Anwendung kaum ein Unterschied, aber sagt, so glaube ich, einiges über das Verständnis vom Staat und hinsichtlich des Eingriffes des Staates in die Rechte der Bürger. Das ist uns unheimlich wichtig.

Wichtig ist uns auch, dass klar geregelt ist, dass dieser Schusswaffengebrauch gegen Personen in Menschenmengen wiederholt angedroht werden muss – auch das geht über den jetzigen Gesetzentwurf hinaus –, und wichtig ist uns ebenso, dass wir auch klären, wer ein Unbeteiligter ist, und vor allem, wann eine Person nicht mehr Unbeteiligter ist. Das haben Sie auch in Ihrem Gesetzentwurf verabsäumt. Deswegen bitte ich Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall bei der AfD)

Gibt es hierzu Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.