Protokoll der Sitzung vom 15.12.2000

Meine Damen und Herren! Von entscheidender Bedeutung für den weiteren Erhalt des gesamten Gebäudeensembles ist die Herbeiführung einer möglichst vollständigen Nutzung dieses Komplexes. Der gegenwärtige Leerstand wird auf Dauer zu einer weiteren Verschlechterung der Gebäudesubstanz führen und letztlich auch nicht im Sinne der Gedenkstätte und der Opfer des NSRegimes sein.

Deshalb unterstützt die Landesregierung von SachsenAnhalt den geplanten Verkauf des ehemaligen Schlosses Lichtenburg durch den Bund unter der Voraussetzung, dass die zukünftige Nutzung den Interessen der Gedenkstätte nicht zuwiderläuft. Entsprechende Absprachen mit dem Bund hat es bereits vor einigen Monaten gegeben. Seitens der Oberfinanzdirektion ist zugesichert worden: Landkreis und Land werden Gelegenheit erhalten, sich dabei einzubringen.

Der Antrag der PDS-Fraktion erweckt den Eindruck, als ob die Landesregierung sozusagen durch Nichtstun die Gedenkstätte ihrem Schicksal überlassen würde. Das geht vollkommen fehl. Der Änderungsantrag der SPDFraktion hingegen trifft in Kenntnis der Verantwortlichkeiten den Kern der Sache.

Zum derzeitigen Stand der Verhandlungen mit der Bundesregierung kann ich an dieser Stelle ausführen, dass die OFD eine Ausschreibung plant und hierfür eine Expertise erarbeitet, die Rücksicht namentlich auch auf die Gedenkstätte nimmt. Im Übrigen bin ich gern bereit, zu gegebener Zeit darüber auch im Ausschuss zu berichten. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der PDS)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Den Standpunkt der SPD-Fraktion trägt die Abgeordnete Frau Leppinger vor. Bitte, Frau Leppinger.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann es ganz kurz machen. Wir schließen uns den Ausführungen unseres Innenministers an. Wir haben einen Änderungsantrag auf Berichterstattung der Landesregierung im Innenausschuss eingebracht, und ich bitte Sie, diesem Änderungsantrag zuzustimmen. - Danke.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr. - Die Fraktion der DVU-FL hat auf einen Beitrag verzichtet. Für die CDU-Fraktion spricht jetzt noch die Abgeordnete Frau Schnirch.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Innenministers waren so gut, dass ich meine Rede zu Protokoll geben kann. Ich denke, das löst im Saal Freude aus.

(Heiterkeit - Zustimmung bei der SPD)

Ich möchte aber gern noch die zusätzliche Überweisung an den Ausschuss für Kultur und Medien beantragen.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Berichterstattung!)

- Ja, richtig.

(Beifall bei der CDU)

(Zu Protokoll:)

Schloss Lichtenburg in Prettin hat viele Nachteile seit seiner Errichtung im Jahr 1553. Martin Luther war zwar mehrmals im Kloster - das vor dem Renaissanceschloss dort stand -, aber nur kurz und nicht ausreichend für eine

große Würdigung dieser Tat; hätte er dort nur die Thesen angeschlagen!

Die Lichtenburg ist ein herrliches Renaissanceschloss, aber nicht größer, sondern kleiner als das Residenzschloss Dresdens gebaut, wenn es auch viele Ähnlichkeiten dazu aufweist. Die sächsischen Kurfürstinnen, die dieses Schloss als Witwensitz wählten, waren, da Frauen, nicht geschichtsbestimmend.

Seit 1812 wurde das Schloss als Strafanstalt genutzt; dies bringt bekanntlich auch keine Freunde.

Und dann kommt die furchtbare Geschichte. Im Jahr 1933 wurde hier eines der ersten Konzentrationslager des Nazireiches errichtet. Vor allem Frauen wurden dort inhaftiert; eine im Rahmen der Expo angebrachte Tafel „Frauenorte in Sachsen-Anhalt“ erinnert daran.

Aber auch SPD-Politiker, wie Wilhelm Leuschner, ehemaliger Innenminister von Hessen, Hermann Lückmann, Regierungspräsident in Lüneburg, Carlo Mierendorff, Mitglied des Reichstages, und Ernst Reuter, unter anderem Oberbürgermeister von Magdeburg und dann Oberbürgermeister von Gesamtberlin, waren dort inhaftiert. Die Häftlinge wurden 1939 nach Ravensbrück überführt. Das Schloss wurde bis 1945 Zeughaus der SS.

Dann nutzte die LPG das Schloss bis zur Wende. 1965 errichtete die damalige DDR eine KZ-Gedenkstätte, aber nur halbherzig. Oder haben DDR-Schulklassen - außer vielleicht aus Wittenberg - je diese besucht oder davon erfahren? Lag das an den SPD-Politikern, den Bibelforschern und Homosexuellen, die überwiegend dort inhaftiert waren? Und einige Museen wurden errichtet (Brot, Wein, Feudal).

Nach der Wende lief dann gar nichts mehr. Prettin kam mit der Gebietsreform freiwillig zu Sachsen-Anhalt; dies hatte den Nachteil, dass viele Schlösser schon in die Stiftung „Schlösser und Gärten“ aufgenommen waren und für zusätzliche kein Geld mehr da war. Dazu kommt, dass Prettin so weit ab liegt, dass das Schloss nur mit Auto oder Bus erreicht werden kann, und kein Gutachten über die Bedeutung vorliegt.

Der Landkreis kann nun die Unterhaltung von Gedenkstätte und Schloss nicht mehr leisten, der Bund will sich aus der Finanzierung verabschieden, wenn sich nicht das Land mit 50 % an der Förderung beteiligt; deshalb die Ausschreibung der Immobilie.

Die CDU-Fraktion meint, dies ist der falsche Weg - abgesehen davon, dass sich schon bei der ersten Ausschreibung kein Investor fand. Es muss endlich ein Nutzungskonzept erarbeitet werden, das schlüssig ist für Schloss und KZ-Gedenkstätte.

Der Schutz der KZ-Gedenkstätte ist festgeschrieben; auch beim Verkauf muss sie erhalten bleiben. Historiker haben nun begonnen, die Bedeutung des Schlosses und der Gedenkstätte herauszuarbeiten. Die Studie soll im Frühjahr vorliegen.

Zusammenfassend: Die CDU-Fraktion ist gegen den Verkauf der Lichtenburg. Der Bund und das Land, vielleicht auch die Europäische Union müssen die historische Wichtigkeit für diese Randregion von Sachsen-Anhalt erkennen. Es gibt sechs KZ-Gedenkstätten in SachsenAnhalt, die auf die Gräueltaten der Nazis hinweisen. Dieses Schloss gehört dazu und die Studie wird die nationale und internationale Bedeutung untermauern.

Über Nutzungsmöglichkeiten würden wir gerne im Ausschuss für Kultur und Medien, im Innenausschuss und

im Finanzausschuss sprechen. Die Nutzung als Jugendbegegnungsstätte, als Alten- und Pflegeheim (50 Millio- nen DM Kosten), als Reha-Klinik oder als Fort- und Weiterbildungsstätte muss angedacht und geprüft werden.

Danke sehr. - Die FDVP hat ebenfalls auf einen Beitrag verzichtet. Vertreter dieser Fraktion sind hier gar nicht mehr anwesend. - Für die PDS-Fraktion hat noch einmal der Abgeordnete Herr Gärtner das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich möchte nochmals an Sie appellieren, unserem Antrag eine Chance zu geben. Ich denke, die Berichterstattung kann genauso gut im Innenausschuss stattfinden, wenn wir beide Anträge an den Ausschuss überweisen, damit wir auch über Alternativen reden können.

Ich möchte noch einmal dafür plädieren, dieses Anliegen mit den Opferverbänden und anderen im Ausschuss zu diskutieren - unter der Voraussetzung, dass unser Antrag dort liegt.

Wenn die Überweisung beider Anträge nicht zustande kommt, werden wir den Änderungsantrag der SPD-Fraktion ablehnen.

Bitte, Frau Leppinger.

Der Antrag auf Überweisung zur Beratung und Berichterstattung macht wenig Sinn. Unserem Antrag müsste zugestimmt werden. Im Rahmen der Selbstbefassung können wir im Ausschuss über alles reden.

Die Grundlage ist der Antrag der PDS-Fraktion. Über diesen wiederum kann man hier so nicht abstimmen. Weil der Antrag der PDS-Fraktion die Grundlage ist, macht es schon Sinn, beide Anträge in den Ausschuss zu überweisen.

(Frau Stange, CDU: Das machen Sie doch sonst öfter!)

Meine Damen und Herren! Das ergänzt sich doch. Punkt 5 im Antrag der PDS spricht von der Berichterstattung über den aktuellen Stand der Entwicklung. In dem Antrag der SPD-Fraktion wird die Landesregierung aufgefordert, im Ausschuss für Inneres über den Verhandlungsgegenstand bezüglich des geplanten Verkaufs in Prettin zu berichten. Ich meine, das ist deckungsgleich. Man kann beides im Ausschuss verhandeln.

(Frau Dr. Hein, PDS: Er ersetzt ja den Antrag! - Herr Oleikiewitz, SPD: Abstimmen!)

Wir können natürlich auch die Reihenfolge ändern, indem wir erst über den Änderungsantrag abstimmen und dann über den geänderten Antrag. - Bitte, Frau Stolfa, zur Geschäftsordnung.

Herr Präsident, nach meinem Verständnis der Geschäftsordnung muss der Gang folgender sein: Es ist eine Ausschussüberweisung beantragt worden. Diese beinhaltet immer den ursprünglichen Antrag und den Änderungsantrag. Darüber müsste zuerst abgestimmt werden. Sollte die Überweisung keine Mehrheit finden, dann ist über den Änderungsantrag und sodann über den Ursprungsantrag abzustimmen.

(Herr Bischoff, SPD: Korrekt!)

Ich hatte gerade ausgeführt, dass wir zunächst über den Änderungsantrag abstimmen. Ich sehe allerdings keinen inhaltlichen Unterschied, wenn man beide Anträge an den Ausschuss überweist.

Wir stimmen jetzt über den Änderungsantrag der SPDFraktion ab.

(Zurufe von der PDS: Nein!)

- Entschuldigung, über die Überweisung beider Anträge an den Innenausschuss.

(Frau Schnirch, CDU: Und an den Ausschuss für Kultur und Medien!)

- Und an den Ausschuss für Kultur und Medien, richtig.

Wer dem Überweisungsantrag seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Dann müssen wir jetzt zählen. Ich bitte noch einmal um das Handzeichen derjenigen, die der Überweisung zustimmen. - 28 Jastimmen. Gegenstimmen? - 23 Gegenstimmen. Die Mehrheit war für die Überweisung.

(Zuruf: Federführung!)