Protokoll der Sitzung vom 28.02.2008

Wir sollten der Stiftung die Möglichkeit geben, ihrem Zweck entsprechend inhaltlich zu arbeiten und insbesondere die Geschichte aufzuarbeiten. Daran haben wir alle ein Interesse.

Wir haben die Gedenkstättenstiftung errichtet, nachdem alle Versuche, Hindernisse zu überwinden und einvernehmlich eine Lösung zu finden, nicht zum Erfolg führten. Tragen wir die Verantwortung dafür, Voraussetzungen dafür zu schaffen, der Stiftung wieder eine inhaltliche Arbeit zu ermöglichen. Wir wollen und brauchen eine Stiftung, die arbeitet, die funktions- und handlungsfähig ist. Nicht mehr und nicht weniger streben wir an.

Deshalb dieser Gesetzentwurf. Mit ihm machen wir den Weg dafür frei. Unser Ziel muss es sein, auf Dauer eine

vernünftige Stiftungsarbeit im Interesse der Opfer, der Opferverbände und unserer Gesellschaft zu gewährleisten. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Vielen Dank. Es gibt eine Nachfrage von Frau Dr. Klein. Wollen Sie diese beantworten, Frau Schindler?

Bitte schön, Frau Dr. Klein.

Frau Schindler, ich habe nur eine kleine Nachfrage, weil Sie sagten, der Stiftungsrat arbeite nicht. Nun weiß ich zufällig, dass der Stiftungsrat den Haushalt beschlossen hat. Ist das keine Arbeit?

Den Haushalt, ja; aber eine inhaltliche Arbeit wurde nicht geleistet. Ich habe mich mit unserem Stiftungsratsmitglied verständigt und habe dabei in Erfahrung bringen können, dass zwar im letzten Jahr eine Sitzung stattgefunden hat, seitdem aber keine weitere. Von inhaltlicher Arbeit des Stiftungsrates kann also nicht die Rede sein.

(Unruhe bei der LINKEN)

Es gibt eine weitere Nachfrage des Abgeordneten Herrn Kosmehl. Frau Schindler, wollen Sie diese auch noch beantworten?

Ja, ich mache das.

Bitte, Herr Kosmehl.

(Zuruf von der LINKEN - Herr Borgwardt, CDU: Es war ein Umlauf-Beschluss! - Frau Rente, DIE LINKE: Ja, aber trotzdem!)

Herr Präsident, ich warte vielleicht erst einmal ab, bis die Kollegen ihr Anliegen im Zwiegespräch geklärt haben.

Jetzt hat der Abgeordnete Herr Kosmehl das Wort. Bitte, stellen Sie Ihre Frage.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Kollegin Schindler, ich hätte gern von Ihnen noch zwei Aussagen. Erstens. Sind Sie wie Ihr Kollege Rothe bei der Einbringung des

Gesetzentwurfes in der letzten Legislaturperiode der Auffassung, dass der Landtag auch Mitglieder in den Stiftungsrat entsenden soll?

Zweitens. Wenn das so ist, wie beurteilen Sie es, dass Sie mit der Verabschiedung Ihres Gesetzentwurfs dafür sorgen, dass der Landtag zumindest für eine gewisse Dauer von der Mitwirkung im Stiftungsrat ausgeschlossen wird?

(Frau Budde, SPD: Sie hat doch erklärt, warum, und zwar sehr deutlich!)

Bei der Einbringung oder bei der Verabschiedung des Gesetzentwurfs war die Aussage von Herrn Rothe richtig und natürlich auch erwünscht. So war dann auch mehrheitlich der Beschluss des Landtages, und zwar, dass eingeführt wird, dass auch Landtagsabgeordnete in dem Stiftungsrat vertreten sind. Die Gründe dafür, warum das derzeit nicht möglich ist, habe ich erläutert.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Von der Fraktion DIE LINKE hat der Abgeordnete Herr Gallert das Wort. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte anwesende Abgeordnete! Um es gleich am Anfang klar und deutlich zu sagen: Die Fraktion DIE LINKE wird diesen Gesetzentwurf ablehnen. Wir werden dies aus denselben Gründen tun, mit denen wir ihn schon in der ersten Lesung abgelehnt haben.

Wir sind in den letzten Wochen verstärkt gefragt worden, ob wir gegen ein solches Gesetz juristisch vorgehen werden. Darüber hat meine Fraktion noch nicht entschieden. Es geht uns heute ausschließlich um die politische Bewertung.

In der Zeit seit der ersten Beratung hat es zwei Punkte gegeben, die deutlich machen, dass bei diesem Gesetz mit sehr unterschiedlichen Maßstäben gemessen wird. Ich möchte dazu zwei Seiten intensiv beleuchten; eine Seite ist bereits durch meine beiden Vorredner - vielleicht unbeabsichtigt - intensiv beleuchtet worden. Es geht um die Frage: Wie stehen die Verbände der Opfer zu dieser Stiftung?

Wir alle wissen, dass zwei Verbände, die Vereinigung der Opfer des Stalinismus e. V. und der Bund der stalinistisch Verfolgten e. V., die Forderung gestellt haben, Gudrun Tiedge solle aus dem Stiftungsrat verschwinden; vorher machten sie nicht mit. In diesem Gesetz wird jetzt ihren Wünschen entsprochen, sodass sie wieder mitarbeiten können.

Interessant war - das habe ich bei der ersten Lesung noch einmal deutlich dargelegt -, dass das mitnichten die einzigen Opferverbände sind, die in dieser Stiftung nicht mitarbeiten. Die Mehrheit der Verbände der Opfer aus der Zeit von 1933 bis 1945 will in dieser Stiftung genauso wenig mitarbeiten. Sie haben ihre Mitarbeit ausdrücklich eingestellt.

Ich habe damals dafür plädiert, eine Lösung zu suchen, die vielleicht allen Verbänden die Möglichkeit gibt, die

Arbeit der Gedenkstättenstiftung mit zu realisieren. Ich habe im Ausschuss ausdrücklich darauf hingewiesen und habe im Namen unserer Fraktion eine Anhörung beantragt, um wenigstens einmal zu hören, warum sie, und zwar für beide Perioden, vor und nach 1945, in dieser Stiftung nicht mitarbeiten wollen.

Ich sage noch einmal ausdrücklich: Das lässt tief blicken, das lässt sehr tief blicken. Für die einen wird ein Gesetz geändert, damit eine Person den Stiftungsrat verlässt, die dort ihrer Meinung nach absolut nicht hingehört, und die anderen werden nicht einmal im Ausschuss angehört. Wir fragen sie nicht einmal, warum sie in dieser Stiftung nicht mitarbeiten wollen, um ihnen vielleicht einen Weg zu zeigen, um bei uns wieder anzukommen.

Ich sage ausdrücklich, das sind so unterschiedliche Bewertungskriterien bei der Beurteilung von Opferverbänden, dass wir das an keiner Stelle akzeptieren können. Das ist für uns der erste Grund dafür, dass wir diesem Gesetz auf keinen Fall zustimmen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die einen ändert man das Gesetz, die anderen hört man nicht einmal an.

Zweitens. Ich habe der Rede von Herrn Scharf bei der ersten Lesung sehr genau zugehört. Darin hat er ausgeführt: Klar, dass die Sicht der Opferverbände wichtig ist, aber im Parlament wird natürlich bewertet, man wertet. Dann hat er versucht, mit der Biografie eines jüdischen Mitbürgers, der vorher Verfolgter des NS-Regimes war und dann Mitarbeiter des MfS, zu erklären, dass es richtig ist, dass man auch diejenigen, die dort entsendet werden, auf die Stasizugehörigkeit überprüfen muss.

Das ist eines der Kriterien, weswegen zum Beispiel der Zentralrat der Juden nicht mitmacht. Wenn man hier Gabriel Bach erwähnt, dann müsste man den Fakt zumindest erwähnen, dass der Zentralrat der Juden wegen dieser Stasi-Überprüfung seine Mitarbeit verweigert.

Die Rede von Herrn Scharf bedeutet im Grunde genommen: Deren Sicht auf die Dinge ist falsch, und unsere Sicht, dass sie sich überprüfen lassen müssen, ist richtig. Eine solche Differenzierung macht nur dann Sinn, wenn man umgekehrt der Meinung ist, dass die Forderung der Verbände, die ich vorhin genannt habe, nämlich Opfer des Stalinismus und stalinistisch Verfolgte, nun wiederum richtig ist, dass Gudrun Tiedge in diesem Stiftungsrat nicht sitzen darf.

Damit kommen wir zu einem weiteren Punkt von doppelter Moral und doppelter Bewertung. Das war ganz interessant, und zwar an einer ganz anderen Stelle. Ich meine die Auseinandersetzung um den OB-Kandidaten in Stendal. Dazu haben wir sehr interessante Ausführungen in der Presse gehabt.

Auf einmal haben wir einen CDU-Landesvorsitzenden, der in der Presse mit der Äußerung zitiert wird: „Nach 18 Jahren muss man auch einmal anerkennen, dass sich jemand ändern kann.“ - Herr Webel weiter: „Den Lebenslauf von Holger Hövelmann akzeptieren wir auch.“

Wohl wahr - aber den von Frau Tiedge offensichtlich nicht.

(Unruhe bei der CDU)

Ich sage ausdrücklich, das ist nicht nur ein Problem der Parteien. Ich habe mich mit den Opferverbänden in Verbindung gesetzt. Ich habe mit den Vertretern gespro

chen. Ich habe auch mit Herrn Ruden gesprochen, ob es aus dem Verband der Opfer des Stalinismus und dem Verband stalinistisch Verfolgter eine Position zum Beispiel zum Stendaler OB-Wahlkampf gibt. Er sagte, er müsse erst einmal recherchieren. Dann hat sich herausgestellt, nein, die gibt es nicht.

Ich habe Herrn Stiehl gefragt: Herr Stiehl, an dieser einen Stelle sind Sie unwahrscheinlich konsequent, an der anderen Stelle gibt es nicht einmal eine Position dazu? - Nein, die gibt es nicht, das müssen wir nicht machen.

Ich sage noch einmal ausdrücklich, das sind sehr, sehr unterschiedliche Bewertungskriterien, mit denen man an diese Dinge herangeht. Diese unterschiedlichen Bewertungskriterien untergraben die Glaubwürdigkeit - auch von Gedenkstättenstiftungsarbeit. Deswegen sind wir gegen dieses Gesetz.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir beantragen zu diesem Gesetz eine namentliche Abstimmung.

(Oh! bei der CDU)

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren! Der letzte Debattenredner ist der Abgeordnete Herr Kolze von der CDU. Sie haben das Wort, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Gallert, es drängt sich mir der Eindruck auf, dass es für Sie immer nur eine Wahrheit gibt, und das ist die ihre.