Protokoll der Sitzung vom 11.12.2008

Zweitens. Die im Kommunalabgabengesetz vorgeschriebene Bürgerbeteiligung für beitragsauslösende Maßnahmen wurde und wird in vielen Gemeinden, auch dank des Runderlasses vom 6. Juni 2001 des Ministeriums des Innern, in der Praxis immer wieder unterlaufen. Durch Auslegungsmodalitäten wird entgegen dem Gesetzestext nicht die Beschlussfassung des Gemeinderates über die Ausbaumaßnahme zugrunde gelegt, sondern die Beschlussfassung über die Vergabe. Durch diese Vorgehensweise wird es faktisch keine Verfristung der Bürgerinformation geben, sodass Sanktionen des § 6d Abs. 1 Sätze 3 bis 6 ins Leere laufen.

Nunmehr die Sanktionsmöglichkeiten, die übrigens einmalig in der Bundesrepublik Deutschland sind, abzuschaffen, nachdem man die oben genannten Handlungsempfehlungen für die Verwaltungen erlassen hat, ist unverhältnismäßig, unangemessen und wird die be

reits ausgehöhlte obligatorische Bürgerbeteiligung weiter schwächen.

(Beifall bei der LINKEN)

Hier wird die Zielrichtung der Landesregierung sichtbar, die Bürgerbeteiligung als verwaltungshemmend zu deklarieren. Der Stadtrat von Magdeburg hat es bisher als befruchtend angesehen, mit den Bürgern in Kontakt zu treten; denn sie müssen schließlich ihren Beitrag zur Entwicklung der Infrastruktur leisten.

(Beifall bei der LINKEN)

Befremdlich war, dass unser Antrag, das Kommunalabgabenrecht prinzipiell zu hinterfragen, der mit der Vorlage des VDGN im Zusammenhang stand, im Innenausschuss keine Mehrheit fand. Vor dem Hintergrund - man braucht bloß den Blätterwald der öffentlich-rechtlichen Medien durchzugucken - vieler Unwägbarkeiten im Rahmen des Kommunalabgabenrechts - ich könnte jetzt eine ganze Reihe an Beispielen aufzählen; das erspare ich mir an dieser Stelle jedoch - wird jedoch deutlich, dass ein Änderungsbedarf besteht.

Wir wollen heute mit unserem Änderungsantrag die Koalitionsfraktionen nochmals auffordern, die betreffende Regelung in Artikel 4 zu streichen. Bei der Abstimmung über diesen Änderungsantrag verlangen wir eine namentliche Abstimmung.

Die in Artikel 5 vorgesehene Änderung des § 14 Abs. 2 des Kinderförderungsgesetzes hinsichtlich einer Streichung des Anhörungsverfahrens der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist aus unserer Sicht abzulehnen. Hierzu teilen wir die Auffassung des Landkreistages uneingeschränkt. Aus unserer Sicht ist ein demokratisches Beteiligungsverfahren der örtlichen Akteure ein hohes Gut und darf nicht wegen des höheren Verwaltungsaufwandes abgeschafft werden.

Die von der Landesregierung in Artikel 6 vorgeschlagenen Regelungen lehnt unsere Fraktion ebenfalls ab. Zu den einzelnen Gründen haben unsere Fraktionskollegen in den entsprechenden Fachausschüssen ausgeführt.

Verehrte Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE lehnt die vorliegende Beschlussempfehlung in Gänze ab. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Das war der Beitrag des Abgeordneten Herrn Grünert. - Jetzt erteile ich dem Abgeordneten Herrn Stahlknecht von der CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hat in der Tat zwei Jahre gedauert, bis der Gesetzentwurf in der Fassung der vorliegenden Beschlussempfehlung das Licht des Parlaments wieder erblickt hat. Einige Dinge, die in dem ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehen waren, sind nun nicht mehr darin enthalten, zum Beispiel die Regelung zu den Sportstätten.

Wir teilen Ihre Auffassung hierzu, Herr Grünert. Es ist richtig, dass die Gemeinden selbst über ihre Sportstätten entscheiden sollen, sodass die alte Sportstättenverordnung der DDR ihre Gültigkeit behält. Andere angedachte

Regelungen waren nicht mit der Verfassung vereinbar, weil man ansonsten in das Recht der kommunalen Selbstverwaltung der Gemeinden, das in Artikel 28 des Grundgesetzes festgeschrieben ist, eingegriffen hätte.

Zu den Regelungen zum KAG. Wir haben eine Privilegierung von übergroßen Grundstücken vorgenommen, allerdings begrenzt auf fünf Wohneinheiten, weil wir innerhalb der Privilegierung eine soziale Abwägung vorgenommen haben. Wer ein Wohnhaus mit mehr als fünf Wohneinheiten betreibt - Sie haben die Genossenschaften genannt -, verfügt über wesentlich höhere Mieteinnahmen als etwa Betreiber von kleineren Wohnhäusern.

Daher halten wir es für sozial verträglich, kleinere Wohnhäuser aus der Regelung herauszunehmen und größere darin zu lassen. Im Übrigen können diese Kosten steuerlich geltend gemacht werden, weil sie als Betriebsausgabe umsatzmindernd wirken. Insofern halten wir die Regelung für völlig ausgewogen.

Herr Grünert, dass man, wenn es um Geld geht und man eine Schnittstelle finden muss, nie alle zufriedenstellen kann, wissen wir auch; denn diejenigen, die zahlen müssen, gehören immer zu denjenigen, die permanent unzufrieden sind. Das ist nun einmal das Los. Wenn man irgendwo Grenzen zieht, macht man nicht immer alle glücklich. Wir sind jedoch der Auffassung, dass diese Regelung sozial ausgewogen ist.

Ein weiterer Bereich - damit bin ich schon am Ende dessen, was im Gesetzentwurf an wesentlichen Dingen vorhanden ist - betrifft Änderungen des Ausführungsgesetzes zum Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz. Dort haben wir das Verursacherprinzip herangezogen. Das haben wir auch deshalb gemacht, weil das Verursacherprinzip europarechtlich nach dem Jahr 2013 in vollem Umfang greifen wird. Damit haben wir einer europäischen Forderung sozusagen vorgreifend Rechnung getragen. Daher ist diese Regelung aus unserer Sicht gut vertretbar und dient der europarechtlichen Harmonisierung.

Herr Grünert, hinsichtlich der Bürgerbeteiligungsrechte sind wir der Auffassung, dass das, was Ihrer Meinung nach im Gesetzentwurf übrig geblieben ist, gut ausgewogen ist und völlig ausreicht, um Bürger aktiv an den Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Um Dinge umzusetzen, sind nicht zwingend Sanktionen erforderlich. Vielmehr reichen der gute Wille und das Miteinander aus. Man muss nicht alles sanktionieren.

Insofern lehnen wir Ihren Änderungsantrag zu Artikel 4 des Gesetzentwurfs ab und bitten um Zustimmung zu unserem jetzt vorliegenden Beschlussvorschlag, damit wir nach nunmehr zwei Jahren diesen Gesetzentwurf im Hohen Hause verabschieden können. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Viele Dank, Herr Stahlknecht. Es gibt eine Nachfrage von Herrn Dr. Thiel. Wollen Sie diese beantworten?

Herr Dr. Thiel, bitte.

Herr Stahlknecht, ich habe eine Frage zu Ihrer Aussage zu den fünf Wohneinheiten. Sind Sie nicht auch der Auffassung, dass die Zahl Fünf eine mehr oder weniger willkürlich festgelegte Zahl ist, die dann vielleicht dem gleichen Verfahrensprozedere unterworfen wird wie die Zahl 21 bei der Kilometerpauschale?

Es gibt grundsätzlich keine wissenschaftliche Methode zur Wertfestlegung von Grenzwerten, die dem Beweis zugänglich ist, dass sie die einzig richtige Methode ist. Insofern sind Zahlen, die man bei Begrenzungen findet, immer willkürlich festgelegte Zahlen.

Im Zusammenhang mit den Beratungen des Begleitgesetzes beispielsweise haben wir darüber diskutiert, welche Quoren man braucht.

Wir halten die Zahl Fünf, auf die wir uns geeinigt haben, für diejenige Zahl, bei der der Break-even eintritt, wo man sagt: Danach kommen wesentlich größere Mehrfamilienhäuser, bei denen die generierten Mieteinnahmen so hoch sind, dass man aus denen gegebenenfalls auch Beiträge nach dem KAG zahlen kann. Ich gebe Ihnen aber Recht, dass Zahlen, die zur Begrenzung gefunden werden müssen, einem wissenschaftlichen Beweis leider selten zugänglich sind.

Vielen Dank. Weitere Fragen sehe ich nicht. - Ich erteile dem Abgeordneten Herrn Wolpert von der FDP-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich schließe mich dem Innenminister insoweit an, als er festgestellt hat, dass dieser Gesetzentwurf nicht mehr der Rede wert ist.

Ausgehend davon, dass dieses Gesetz mit dem Ziel eingebracht worden ist, die Kommunen zu entlasten, muss man das Ergebnis tatsächlich so bezeichnen: Es ist nicht viel übrig geblieben. Es waren sechs Artikel, die zum Erreichen dieses Ziels beitragen sollten. Die ersten beiden sind gestrichen worden. Auch das befürworten wir.

Sie kennen unsere Auffassung. Wir haben den Entwurf eines Sportstättengesetzes eingebracht. Darin wäre die richtige Lösung zu finden; nicht aber in der bloßen Aufhebung der Sportstättenverordnung. Der Artikel 3 ist nun überhaupt nicht dazu geeignet, Kommunen zu entlasten. Es ist eine Rechtsbereinigungsvorschrift, die als Anhängsel in diesem Gesetz enthalten ist. Aber letztlich hat sie keinen Beitrag geleistet.

Der Artikel 4 ist ein interessanter Artikel. Eine Entlastung für die Kommunen kann ich dabei allerdings nicht erkennen. Die Größe der Grundstücke - - Man kann sich über alles streiten; aber das, was Sie jetzt dargelegt haben, überzeugt mit Sicherheit nicht. Denn Sie kommen ja dahin, dass Sie sagen: Die Steuern werden nach der Nutzungsart festgesetzt.

Nehmen Sie an, Sie haben eine Fabrikantenvilla. Wenn Sie diese allein bewohnen, dann werden Sie besser gestellt, als wenn Sie sechs Wohnungen daraus machen. Das können Sie niemandem erklären. Es geht letztlich um die Grundsteuer und nicht um eine Nutzungssteuer.

Deswegen ist der Ansatz, den Sie gebracht haben, verfehlt. Fünf Wohneinheiten - das ist sicherlich willkürlich, aber wo will man die Grenze ziehen? Das gebe ich gern zu: Willkürlich wird man dabei wohl immer irgendwie sein müssen.

Dass Sie die Pönalisierung der fehlenden Bürgerbeteiligung abschaffen, ist sicherlich eine Entlastung für die Kommunen; sie haben keine Strafe mehr zu erwarten. Sie selbst haben allerdings in der Begründung vorgetragen, dass es fast nie passiert ist. Also ist die Entlastung an dieser Stelle eher null. Aber das, was Sie dadurch aussenden, dass Sie die Strafandrohung dort entfallen lassen, ist unter Umständen ein falsches Signal.

(Herr Stahlknecht, CDU: Das als Liberaler?)

- Das als Liberaler. Dort, wo eine Strafandrohung schon da war, ist das durchaus denkbar.

(Herr Stahlknecht, CDU: Das ist ein dickes Ding!)

Dann kommen wir zu Artikel 6. Bei Artikel 6 - das muss ich sagen - ist letztlich die Entlastung der Kommunen tatsächlich gegeben. Sie entlasten tatsächlich die Landkreise von 25 % der Kosten für ein Jahr, nämlich für das nächste Jahr. Im Jahr 2010 sind dann die Landkreise nicht mehr beteiligt.

Insgesamt gesehen ist also das Gesetz, das mit dem Ziel eingebracht worden ist, die Kommunen zu entlasten, tatsächlich nicht der Rede wert. Wir werden uns der Stimme enthalten. - Danke.

(Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank für den Beitrag der FDP. - Jetzt kommen wir zum Beitrag der SPD. Abgeordnete Frau Schindler hat jetzt das Wort. Bitte schön.

Danke, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Vorredner bzw. der Berichterstatter haben es schon dargestellt. Es ist ein Gesetz, das uns lange beschäftigt hat, das ein langes Verfahren hinter sich hat und das vielen Änderungen unterzogen worden ist.

Ich möchte in Erinnerung rufen, was Herr Wolpert ebenfalls getan hat, dass es schon lange Forderungen der kommunalen Spitzenverbände sind. Nicht erst seit zwei oder drei Jahren, sondern seit vielen Jahren gibt es einen Katalog der kommunalen Spitzenverbände, in dem eine Entlastung der Kommunen eingefordert wird. Einerseits sollen bürokratische Hemmnisse und bürokratische Regelungen verändert werden. Andererseits sollen gesonderte Regelungen, die zu Einnahmeverlusten bzw. zu Einnahmereduzierungen bei den Kommunen führen, geändert werden.

Die Regierung hat diese Vorschläge aufgenommen und ihren Gesetzentwurf vorgelegt. Im Zuge der ausführlichen Beratungen, wie sie dargestellt worden sind, sind diese Änderungen durch das Parlament, durch die Fachpolitiker verändert worden mit dem Hinweis, dass diese Änderungen für viele Bereiche nicht gewünscht seien oder dass nicht der gewünschte Effekt entstehe.

Wie es meine Vorredner auch schon dargestellt haben, verbleiben in dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf als wesentliche Änderungen die Änderungen des KAG, des Kommunalabgabengesetzes, und die Änderung des

Ausführungsgesetzes zum Tierische NebenprodukteBeseitigungsgesetz.

Ich möchte noch einmal auf die Änderung des KAG eingehen. Die Regelung zu den übergroßen Grundstücken war ja ursprünglich nicht in dem Gesetz enthalten. Das KAG wurde diesbezüglich 1995 geändert. An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf die ursprüngliche Intention, die dieser Änderung zugrunde lag, eingehen. Ich zitiere den damaligen Innenminister Manfred Püchel, der in der Einbringungsrede zu dieser Gesetzesänderung sagte:

„Wie schon erwähnt, soll das Kommunalabgabengesetz auch den besonderen Verhältnissen in unserem Land angepasst werden. So sieht die Novelle für übergroße bebaute Grundstücke die Möglichkeit der Kostenbegrenzung vor. Damit wird besonders der Grundstückssituation im ländlichen Raum Rechnung getragen.