Jetzt können wir in die Debatte der Fraktionen eintreten. Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Herr Krull.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es freut mich, dass die Fraktion DIE LINKE im Landtag von Sachsen-Anhalt die Planungen und Vorhaben der unionsgeführten Bundesregierung im Bereich Pflege grundsätzlich positiv begleiten möchte.
Bereits im Koalitionsvertrag auf Bundesebene werden zu dem Themenkomplex Pflege sehr umfangreiche Ausführungen gemacht. Damit wird der Weg, der mit den Pflegestärkungsgesetzen begonnen wurde, konsequent fortgesetzt.
Zu den Vereinbarungen gehört auch das Sofortprogramm Pflege, das unter anderem folgende Punkte enthält: Jede zusätzliche Pflegekraft in Krankenhäusern wird vollständig von den Kostenträgern, also den gesetzlichen oder privaten Krankenversicherungen, finanziert. Die Lohnsteigerungen beim Pflegepersonal werden ebenfalls voll refinanziert. Dabei ist nachzuweisen, dass das Pflegepersonal tatsächlich davon profitiert.
Die Ausbildungsvergütungen in der Kinderkrankenpflege, in der Krankenpflege sowie für Krankenpflegehilfen werden von den Kostenträgern der Krankenhäuser ebenfalls voll finanziert mit dem klaren Ziel, die Zahl der Ausbildungsplätze auf diesem Gebiet zu steigern.
Die Pflegepersonalkosten sollen unabhängig von den DRG-Berechnungen für Krankenhäuser erstattet werden. 13 000 und damit 5 000 Arbeitsplätze mehr als ursprünglich vorgesehen sollen in den Pflegeeinrichtungen etabliert werden. Die Möglichkeiten der Digitalisierung sollen genauso genutzt werden wie die Synergien, die sich aus der Zusammenarbeit von niedergelassenen Ärzten und Pflegeeinrichtungen ergeben. - Das sind natürlich nur einige wenige Punkte des Gesamtpaketes, die ich hier ausführen konnte.
Im Alternativantrag, den wir vorgelegt haben, machen wir deutlich, wo das Land Sachsen-Anhalt im Entwurf des Pflegepersonalstärkungsgesetzes des Bundes Verbesserungsbedarf sieht. Dazu gehören die Fortsetzung des Pflegezuschlags für Krankenhäuser in einem Umfang von insgesamt 500 Millionen €, die Verbesserung der Hebammenversorgung in den Krankenhäusern, die Einbeziehung von Rehabilitationseinrichtungen bei der Berechnung des Bedarfes an Pflegepersonal, aber genauso auch die Sicherstellung der Versorgung von Schlaganfallpatienten in unserem Land. Aber auch Fragen wie die Abrechnung und Kon
trolle der geplanten Leistungen sowie eine bessere Finanzierung ambulanter Pflegedienste wurden angesprochen.
Alle diese Maßnahmen sind aus meiner Sicht und aus der Sicht meiner Fraktion sehr zu begrüßen. Gleichzeitig muss ich aber auch ein paar mahnende Worte sagen. Viele der Vorhaben sollen mit Beiträgen der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung finanziert werden. Derzeit verfügen diese zugegebenermaßen über entsprechende Finanzmittel, auch aufgrund der guten Konjunkturlage und der wirtschaftlichen Situation in unserem Land. Möglicherweise kommen aber auch wieder andere Zeiten auf uns zu. Alle Beteiligten müssen dann sehr darauf achten, dass die Maßnahmen, die wir jetzt versprechen, auch mittel- und langfristig finanziert werden können. Alle Beteiligten haben Planungssicherheit verdient.
Ein zweiter wichtiger Punkt besteht aus meiner Sicht darin, dass wir sehr darauf achten müssen, dass sich die Krankenhäuser nicht mit Pflegepersonal zulasten stationärer Pflegeeinrichtungen oder ambulanter Pflegedienste ausstatten. Hierdurch würde der Fachkräftemangel auf dem einen Gebiet nur deshalb reduziert werden, weil er an anderer Stelle deutlich verschärft wird. Ab 1. Januar 2019 gelten für die Intensivmedizin, für die Geriatrie, für die Kardiologie und für die Unfallchirurgie, also die pflegeintensiven Krankenhausbereiche, entsprechende Personaluntergrenzen. Dabei erfolgt die Unterscheidung nur noch zwischen Tag- und Nachtschichten, und die ursprüngliche Unterscheidung nach Feiertagen und Wochenenden ist weggefallen.
halten, drohen ihnen Kürzungen bei den entsprechenden Vergütungen. Darüber hinaus wird es ab dem Jahr 2020 Vorgaben für das gesamte Pflegewesen in Krankenhäusern geben, also einen sogenannten Ganzhausansatz. Dabei soll errechnet werden, in welchem Verhältnis das eingesetzte Pflegepersonal zum individuellen Pflegeaufwand eines Krankenhauses steht. Dieser Pflegepersonalquotient soll wiedergeben, in welchem Umfang das Krankenhaus Pflegepersonal einsetzt.
Der Pflegepersonalquotient wird zurzeit erarbeitet. Dabei hoffe ich inständig, dass sich die Beteiligten diesmal selbstständig einigen und das Bundesministerium nicht darauf angewiesen ist, entsprechende Vorgaben zu machen, sondern die Selbstverwaltung die Kraft hat, die entsprechenden Zahlen selbst zu erarbeiten.
sundheitsbereich einen Personalmangel haben. Aber nur ein Gesamtpaket bietet die Chance, diesen langfristig abzustellen. Die beantragte Berichterstattung ist wichtig, um die politischen Entscheidungsträger über die Folgen der aktuellen Gesetzesvorhaben zu informieren, um gegebenenfalls notwendige Schritte einleiten bzw. Initiativen starten zu können.
Ich bitte in diesem Sinne um die Beschlussfassung zum Alternativantrag der regierungstragenden Fraktionen und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Krull, in Ihrem Alternativantrag weisen Sie auf einen Konflikt zwischen Bundesrat und Bundesregierung hin. Außerdem haben Sie hier drei Punkte genannt, die zwischen Bundesrat und Bundesregierung strittig sind. Gibt es zu den drei von Ihnen aufgeschriebenen Punkten schon eine abgestimmte Auffassung innerhalb der Koalition und, wenn ja, wie positioniert sich die Koalition zu den drei Punkten, die hier als strittig zwischen Bundesrat und Bundesregierung bezeichnet worden sind? - Das ist die erste Frage.
Die zweite Frage: Sie haben hinten geschrieben, dass dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration ein Bericht gegeben werden soll. Sie schreiben, dass die Berichterstattung zu einem geeigneten Zeitpunkt erfolgen soll. Können Sie diesen geeigneten Zeitpunkt näher eingrenzen?
Es gibt sicherlich noch Diskussionsbedarf beim Pflegepersonalstärkungsgesetz. Diesen Diskussionsbedarf erkennen Sie auch daran, dass die ursprünglich für November vorgesehene Abstimmung im Deutschen Bundestag auf Dezember verschoben worden ist. Von daher gehe ich davon aus, dass sich die Länder und die Bundesregierung an der Stelle noch einigen werden.
Zum Zeitpunkt: Ich habe es mir inzwischen abgewöhnt, bei sozialpolitischen Maßnahmen genaue Zeitpunkte vorzugeben, weil ich dort jeweils viel im Fluss sehe. Gehen Sie davon aus, dass unsere Landesregierung gemeinsam mit der aktuellen Bundesregierung unter Unionsführung einen tragfähigen Kompromiss finden wird, der für alle Beteiligten gut ist.
Gut. Wenn es sich erledigt hat, dann können wir in der Debatte fortfahren. - Für die Fraktion der AfD spricht der Abg. Herr Siegmund. Bitte sehr.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich versuche jetzt einfach mal, in zwei oder drei Sätzen verständlich das zu formulieren, was der Antrag der LINKEN eigentlich aussagen möchte. Wir sollen etwas begrüßen, was längst beschlossen wurde, nämlich dass Krankenhäuser, die definierte Personaluntergrenzen unterschreiten, stärker sanktioniert werden. Das ist natürlich gut, aber das ist längst beschlossen worden.
Parallel dazu sollen wir aber auch feststellen, dass die beschlossenen Gesetze zu den Personaluntergrenzen gar nicht dazu beitragen werden, die desaströse Personalsituation zu lösen. Und als Resultat dieser Situation sollen wir nun ein anderes Verfahren zur Bedarfsermittlung in Krankenhäusern anwenden. Das Ganze erfolgt dann unter dem Antragstitel der nachhaltigen Verbesserung der Personalsituation im Pflegedienst der Krankenhäuser.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, ja, ich stimme Ihnen zu, dass sowohl das Personalstärkungsgesetz als auch die Personaluntergrenzen-Verordnung zu begrüßen sind. Da beide allerdings längst beschlossene Sache sind, lautet hier meine große Frage, warum man dazu einen extra Antrag braucht.
Ich stimme Ihnen auch dahin gehend zu, dass beide Verordnungen keine langfristige Lösung des Fachpersonalmangels darstellen. Im Endeffekt ist es doch auch ein Linke-Tasche-rechte-TaschePrinzip; denn wenn ein Krankenhaus mit guten Marketingmaßnahmen Personal bei einem anderen abzieht und hier, wie gesagt, die Deckungsquoten erfüllt, dann fehlt dieses Personal natürlich an anderer Stelle.
Sie müssen sich dies einmal bildlich vorstellen. Wir haben in unserem Bundesland nur einen X-Kuchen an Personalbestand. Dieser X-Kuchen kann nur einmal zwischen den Häusern aufgeteilt werden. Das Problem besteht aber darin, dass immer mehr pflegebedürftige Menschen kommen, die von diesem Kuchen Gebrauch machen müs
sen. Da muss man nicht überlegen, wie man den Kuchen fair aufteilt, sondern wie man es schafft, dass man genug Kuchen für alle Patienten zur Verfügung stellen kann.
Ich gebe Ihnen auch insoweit völlig recht, als die Bedarfsplanung am individuellen Pflegebedarf ermittelt werden muss, also so, wie es bis zum Jahr 1996 üblich war. Nur diese Kennziffer - da haben Sie völlig recht - ist nachhaltig und den Patienten gegenüber fair. Aber glauben Sie denn wirklich, dass sich das Personalproblem als solches lösen lässt, indem man ein anderes Ermittlungsverfahren anwendet? - Das glaube ich jedenfalls nicht. Der Mangel an allen Ecken und Enden im Personalwesen ist doch bereits jetzt Realität.
Ich kann Ihrem Gedankengang nicht zustimmen, dass sich nur durch dieses andere Ermittlungsverfahren bei der Personalplanung eine - ich zitiere - „nachhaltige Verbesserung der Personalsituation im Pflegedienst der Krankenhäuser“ erreichen lässt.
Entscheidend ist doch, dass wir wieder mehr junge Menschen für eine Ausbildung in der Kranken- und Altenpflege begeistern können. Das bedeutet im Klartext weniger Bürokratie in der Pflege. Dokumentation ist gut und richtig und auch wichtig, aber natürlich nicht in dem Ausmaße, wie es aktuell viele Pfleger trifft.
Eine angemessene Bezahlung muss eine Selbstverständlichkeit sein, egal ob man sich für die Kranken- oder die Altenpflege entscheidet. Im Moment gibt es da extrem große Unterschiede, und das darf in meinen Augen überhaupt nicht sein.
Auch ein angemessenes Arbeitsumfeld mit einem humanen Pflegeschlüssel - da haben Sie natürlich absolut recht - ist eine Basis für die Arbeitsmotivation; denn wenn eine Schwester oder ein Pfleger auf einer Station für teilweise 20 oder 30 Patienten verantwortlich ist, wie es zwar illegal, aber mittlerweile, wie wir alle beide wissen, gang und gäbe ist, dann ist es eine logische Konsequenz, dass natürlich niemand mehr Lust auf diesen Beruf hat.
Langer Rede kurzer Sinn: Der Antrag ändert in meinen Augen wirklich überhaupt nichts an der Grundproblematik. Er schadet natürlich auch nicht. Wir werden uns daher der Stimme enthalten. - Danke schön.
Wir fahren fort in der Debatte. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abg. Frau Lüddemann. Bitte sehr.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Pflege ist eine der wirklichen Kardinalfragen für die Zukunft dieses Landes. Nur wenn wir im Land eine bedarfsgerechte Pflege sichern und endlich gute Arbeitsbedingungen in der Pflege schaffen, machen wir unser Land zukunftsfest. Es ist doch im Grunde genommen absurd, dass ausgerechnet im Gesundheitsbereich Arbeitsbedingungen herrschen, die krank machen.
Das ist mir sehr bewusst. Nicht umsonst haben wir den Antrag auf Einrichtung einer EnqueteKommission zur Pflege und zum Gesundheitssystem aufgegriffen und weiterentwickelt. Nicht umsonst wurden bereits Beschlüsse des Hohen Hauses zur Verbesserung der Situation in der Pflege gefasst. Für den Bereich der Altenpflege sei beispielhaft nur an die Einzelzimmerquote und an das Verbot von Dreibettzimmern erinnert. Nicht umsonst haben wir das Thema umfassend im Koalitionsvertrag verankert, von der Landespflegekonzeption bis zum allgemein verbindlichen Tarifvertrag.
Wir sind uns der Verantwortung und der Größe der Aufgabe bewusst, die sich natürlich insbesondere aufgrund der Alterung der Bevölkerung in unserem Bundesland potenziert. Diese Alterung führt zu Zweierlei: auf der einen Seite zur Zunahme der Morbidität, gerade der Multimorbidität mitsamt einem hohen pflegerischen Bedarf, und auf der anderen Seite natürlich auch hier zum Fachkräftemangel. Vor diesen sich potenzierenden Problemen stehen wir in diesem Bereich ganz besonders.
Selbst die nicht gerade für forsche Politikansätze bekannte große Koalition in Berlin ist vor diesem Hintergrund aktiv geworden. Dies belegen drei Pflegestärkungsgesetze in der letzten Legislaturperiode und jetzt aktuell das Pflegepersonalstärkungsgesetz und die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung. Das sind schwierige Worte, aber sie bezeichnen etwas, was unser Land dringend braucht.
Jetzt fordern Sie, liebe LINKE, im Antrag, das Land möge sich auf Bundesebene für Verbesserungen einsetzen, die über das genannte Gesetz und die bereits in Kraft getretene Verordnung hinausgehen. Unter anderem machen Sie sich für eine generelle Personaluntergrenze stark. So weit, so nachvollziehbar. Aber das, was Sie hier fordern - es ist bereits von den Kollegen ausgeführt worden -, ist ja bereits vollzogen. Ich weiß gar nicht, was wir jetzt noch an gesetzgeberischen Leistungen erbringen bzw. in Berlin ver
langen sollten. Wir haben hierbei doch tatsächlich kein gesetzgeberisches Problem, sondern ein Umsetzungsproblem.