Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Ende Mai haben die Allianz Pro Schiene und der Verband deutscher Verkehrsunternehmen die Forderung erhoben, bundesweit 186 Strecken mit einer Länge von insgesamt 3 072 km für den Personen- und den Güterverkehr wiederherzurichten.
Schon in den zurückliegenden 25 Jahren seit der Bahnreform und der Umwandlung der Bundesbahn zur Deutschen Bahn AG wurden laut der Allianz pro Schiene 827 km Strecke für den Personenverkehr und 359 km für den Gütertransport reaktiviert. Das klingt viel, ist es aber nicht; denn schließlich wurde in den letzten 35 Jahren bun
desweit ein Schienennetz von 6 000 km abgebaut bzw. stillgelegt, davon 3 600 km im Personenverkehr. 40 % davon entfallen auf die neuen Bundesländer, die nach der Wiedervereinigung besonders betroffen gewesen sind.
Daher verwundert es nicht, dass Sachsen-Anhalt, wenn man sich die Berichterstattung zu diesem Umstand anschaut, als Negativbeispiel besonders häufig Erwähnung findet. Hierzulande wurde in den letzten zweieinhalb Jahren ein Schienennetz von 660 km stillgelegt.
Die Linksfraktion hat dies zum Anlass genommen, den Antrag einzureichen, über den wir heute diskutieren. Im Kern nimmt er die eben genannten Forderungen auf. In der Sache können wir dies nachvollziehen, und das nicht erst seit heute. Ich erinnere an die Bemühungen meiner Fraktion in der letzten Legislaturperiode, Strecken wie die Heidebahn oder die Wipperliese zu erhalten.
Die Argumente sind richtig - die Bemühten klatschen -: Die Entlastung der Straßen durch die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene, Reisealternativen zum Auto und die damit einhergehende Minderbelastung durch CO2-Emissionen sind gute Gründe für ein Umdenken in der Verkehrspolitik. Ein engmaschiges Schienennetz erhöht die Attraktivität des ländlichen Raumes. Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse setzt eine angemessene Mobilität voraus.
Der Pferdefuß an dem Antrag der LINKEN ist allerdings die Finanzierungsfrage. Ich bin noch dabei, die Forderung an den Bund zu unterschreiben. Das könnte man in dieser Woche beschließen. Aber das ist eben ein wohlfeiler Appell, wie wir als ostdeutsche Länder aus jahrzehntelangen Erfahrungen bei den Verhandlungen mit dem Bund ahnen können, und zwar unabhängig davon, welche Partei jeweils verhandelt hat. Wir ahnen, was dabei herauskommt, nämlich leider nichts.
Dann sind wir bei der Frage, ob wir der LINKEN folgen und das machen, was sie vorschlägt, nämlich die substanzielle Plünderung der Regionalisierungsmittel. Für uns ist das unter den aktuellen Rahmenbedingungen leider kein Weg. Wir wissen, dass wir ab dem Jahr 2021 weniger Regionalisierungsmittel bekommen, als wir für die Aufrechterhaltung der jetzt bestehenden Verkehre brauchen.
Wir sparen die Mittel jetzt an, damit wir den kommenden Landtagen keine schwere Hypothek hinterlassen. Es macht jedenfalls wenig Sinn, bis zum Jahr 2021 Strecken zu bestellen, die wir im Jahr 2022 zusammen mit weiteren Strecken wieder abbestellen müssten. Das wäre ein Bären
dienst für die Mobilität der Menschen in SachsenAnhalt. Eingehender können und werden wir darüber im Ausschuss diskutieren. Wir beantragen die Überweisung an den Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der vorliegende Antrag, die Schieneninfrastruktur auszubauen, ist auch ein großes Anliegen der AfD. Die Bahn hat einen schlechten Ruf, Verspätungen, Ausfälle und Schäden stehen auf der Tagesordnung. Nicht selten habe ich selbst auf dem Bahnsteig gestanden, der Zug war da und die Türen öffneten sich nicht oder haben sich nicht geschlossen. Oder wenn ich im Zug saß, funktionierte die Klimaanlage nicht. Das war kein Sonderfall, sondern das hat sich häufiger abgespielt.
Gemessen an anderen Ländern finden wir in Deutschland eine gegensätzliche Entwicklung vor. Wir wollen mehr Schienenverkehr, haben aber die notwendigen Investitionen vernachlässigt, ja, verschlafen.
Mit der Bahnreform im Jahr 1994, mit der die Privatisierung der Deutschen Bahn AG eingeleitet worden ist, sind 5 400 km Bahnstrecke stillgelegt und nur 1 700 km Bahnstrecke neu gebaut worden. Es mag sein, dass andere hierzu andere Zahlen haben, aber der Trend ist derselbe.
In die Straße ist 150-mal mehr investiert worden. Seit 1994 wurden 247 000 Straßenkilometer aller Art neu gebaut. Vergleicht man die Investitionen in den Schienenverkehr mit denen anderer Länder, ergibt sich folgender Stand - das ist auch der Grund für die vielen Probleme, die wir mit der Bahn haben -: Wie die Allianz pro Schiene erklärte, gab der deutsche Staat im vergangenen Jahr für das Eisenbahnschienennetz pro Bürger 77 € aus. Nun der Vergleich mit anderen Ländern: In der Schweiz waren es 365 €, in Österreich 218 € und in Dänemark 182 €. Über diese Differenzen sollte man durchaus nachdenken.
Dass der Bund dieses Defizit erkannt hat, ist sehr begrüßenswert. Die vorgesehene Bereitstellung von 22 Milliarden € für den Ausbau des Schienennetzes bis zum Jahr 2022 ist der erste richtige Schritt. Um die Rückstände der Versäumnisse der letzten Jahre nachzuholen, sind aber wesentlich mehr Finanzmittel für Investitionen erforderlich und notwendig. Wir müssten über eine Größen
Deutschland hat sich aufgrund der Klimaproblematik große Ziele gesetzt. Die Deutsche Bahn könnte zur Erreichung dieser Ziele einen großen Anteil leisten. Dazu müsste die Bahn ihre Strategie grundsätzlich ändern. Das Auslagern von Transportleistungen auf andere Unternehmen ist der falsche Weg gewesen. Aufgabe der Bahn muss es sein, den Personen- und Güterverkehr in eine Regie zu führen.
Die Forderung der AfD ist es somit, mehr Güterverkehr auf die Schiene zu bringen. Gegenwärtig transportiert die Bahn 18 % der Güter auf der Schiene. Ziel sollte eine Steigerung auf 30 % bis 35 % sein. Um dies zu erreichen, müssen Investitionen in die Straße und die Schiene neu geregelt werden.
Ich habe kurz angeschnitten, in welchem Umfang Österreich investiert hat. Österreich hat heute 42 % der Verkehre auf der Schiene.
Herr Mittelstädt, das geht auch nur kurz in einer Dreiminutendebatte. Ihre Redezeit ist jetzt um, deshalb müssen Sie jetzt leider zum Ende kommen.
Der letzte Satz. - Es wurde vorgeschlagen, den Antrag an den Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr zu überweisen. Diesem Antrag schließen wir uns an; denn dort haben wir die Möglichkeit, die Deutsche Bahn vorzuladen, um ihren Bericht zu dem Zustand der Bahn abzugeben. - Vielen Dank.
Herr Mittelstädt, es gibt eine Wortmeldung von Herrn Striegel. Diese kann er jetzt wahrnehmen, und Sie können überlegen, ob Sie darauf reagieren wollen.
Es handelt sich um eine Frage. - Herr Mittelstädt, da Sie in Ihren eigenen Worten die Klimaproblematik angesprochen haben - wie ist denn Ihre Position dazu? Gibt es den menschengemachten Klimawandel aus Ihrer Sicht oder gibt es den nicht?
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ihre Kolle- gen schon! - Nein! bei der AfD - Tobias Rausch, AfD: Das stimmt doch gar nicht! Ihr müsst mal richtig zuhören! - Weitere Zurufe von der AfD)
- Nein, das ist ja nicht richtig. - Alle, was sich auf unserer Erde bewegt, Herr Striegel, hat auch einen gewissen Einfluss. Wenn ich atme oder wenn ich etwas esse - auch all das beeinflusst das Klima.
Gut, dann hätten wir das auch geklärt. - Wir können nun in der Debatte fortfahren. Es spricht Frau Lüddemann für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren! In einem Flächenland wie dem unsrigen stellt sich die Mobilitätsfrage ganz besonders dringlich. Mit einer guten verkehrstechnischen Verbindung steht und fällt die Integration unseres Landes. Nichts versinnbildlicht wohl so sehr das Abgehängtsein einer Region wie ein verlassener und verfallener Bahnhof sowie ramponierte und selten frequentierte Bushaltestellen. Daher legen wir nicht nur Wert darauf, sondern setzen auch viele finanzielle Mittel ein, damit dies bei uns so nicht passiert.
Wir müssen natürlich noch mehr tun, damit auch im ländlichen Bereich Mobilität als fester Bestandteil der Daseinsvorsorge spürbar wird, damit in Zukunft jeder und jede auch ohne eigenes Auto von A nach B kommen kann, ökologisch, verlässlich und bezahlbar, und zwar nicht nur die Menschen, die aus Alters- und Gebrechensgründen nicht Auto fahren können oder dürfen.
Aber es liegt grundsätzlich in unserer Verantwortung, die Mobilität und damit die soziale Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen zu gewährleisten. Nicht umsonst heißt es in unserem Koalitionsvertrag: „Wir wollen, dass auch Menschen ohne eigenes Auto bzw. ohne Führerschein mobil sind.“
Der öffentliche Schienenpersonennahverkehr ist daher eine wesentliche Säule. Für ein Mobilsein ohne Auto ist der Schienenverkehr zu stärken,
dies gilt insbesondere auch für den intermodalen Verkehr, sei es durch flächengebundene Rufbusse, die einen Transfer vom Bahnhof bis zur Haustür übernehmen können, oder eben auch durch autonom fahrende Kleinbusse, die diese sogenannte letzte Meile überbrücken können.
Der Knackpunkt des in Rede stehenden Antrages ist natürlich die Verwendung der Regionalisierungsmittel. Die Antragstellerin will diese stärker für den Schienenverkehr genutzt wissen, wobei - das muss man sagen - dies durchaus bereits geschieht. Ich erinnere an den Schülerverkehr, der jetzt nicht mehr aus diesem Topf finanziert wird. Das ist viel zu lange so gewesen. Über die Schwierigkeiten haben wir in diesem Hohen Hause mehrfach geredet. Das ist aber, glaube ich, ein deutliches Zeichen dafür, dass wir solche Dinge nicht mehr machen und dass wir den schienengebundenen Nahverkehr stärken wollen.
Wir werden im Ausschuss aber auch zu klären haben, inwieweit Gespräche mit der Bahn zur Reaktivierung und zum Neubau von Strecken die Mobilität der Menschen in Sachsen-Anhalt weiter voranbringen. Dabei kann es - auch wenn ich eine wirklich begeisterte Bahnfahrerin bin - nicht darum gehen, per se eine Strecke aufrechtzuerhalten; vielmehr müssen Kosten und Nutzen auch in diesem Feld in einem angemessenen Verhältnis stehen. Gerade Sie, Herr Henke, wissen das; denn im Nasa-Beirat diskutieren wir quasi quartalsweise darüber. - Vielen Dank.
Herr Schmidt hat eine Frage - diese könnte er jetzt stellen - oder eine Kurzintervention. Frau Lüddemann, Sie können sich dann überlegen, ob Sie darauf reagieren wollen. - Offensichtlich will sie das definitiv nicht. - Herr Schmidt, Sie können trotzdem etwas sagen, wenn Sie wollen.
Ich sage gern etwas, vielen Dank. - Mich würde interessieren, wie Sie das umsetzen wollen, wenn mehr Fahrradfahrer unterwegs sein sollen und, wie wir heute Morgen gehört haben, auch mehr Lastenräder zur Verfügung stehen sollen. Wie sollen diese in den Zügen transportiert werden? Das ist aktuell schon sehr schwierig. Bei einem Lastenrad stelle ich mir das umso schwieriger vor. Wollen Sie dann an jeden Regionalzug drei Waggons anhängen? Oder welche konkreten Vorschläge haben Sie, die dann auch praktikabel sind?
bleiben. Deswegen fahren wir in der Debatte fort und freuen uns alle auf den Redebeitrag des Kollegen Herrn Scheurell, der für die CDU-Fraktion spricht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann Ihnen diese Frage natürlich nicht beantworten. Sie war ja auch nicht an mich gerichtet.
Ich mache es kurz und bündig. Alle Redner haben die Allianz pro Schiene und Enak Ferlemann zitiert, der selbst nicht gerade ein Verfechter des Bahnverkehrs ist - und des Bundeslandes Sachsen-Anhalt auch nicht.