Protokoll der Sitzung vom 14.09.2000

Ich frage daher die Landesregierung:

1. In welchem Zustand waren Thüringer Gewässer 1990 im Vergleich zu heute?

2. Gibt es Erkenntnisse darüber, wie hoch der Anschlussgrad an die örtliche Entwässerungskanalisation heute im Vergleich zu 1990 ist?

3. Wie ist die Lage bezüglich des Waldbestands in Thüringen damals und heute?

Herr Minister Dr. Sklenar, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Wackernagel beantworte ich im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: 1990 entsprachen insgesamt 84 Prozent der Fließgewässer nicht dem allgemein anerkannten Ziel der Güteklasse II, waren also durch Abwasser deutlich belastet. 36 Prozent der Gewässer waren sogar als stark bis übermäßig verschmutzt einzustufen. Davon waren 28 Prozent biologisch tot. Inzwischen ist dieser vorrangige Sanierungsanteil von 36 Prozent auf 9 Prozent zurückgegangen und betrifft in der Regel nicht mehr die größeren Flüsse. Zugleich nahm der Anteil der Gewässer zu,

die dem Ziel Gewässer Güteklasse II entsprechen. Heute liegt er bereits bei 57 Prozent. 1991 waren es nur 16 Prozent.

Zu Frage 2: Viele der Abwässer, die in die Kanalisationen abgeleitet wurden, wurden direkt ohne Behandlung in die Gewässer eingeleitet. Insgesamt waren nur 43 Prozent der Bevölkerung an kommunale Kläranlagen angeschlossen. Allerdings entsprach keine der damals vorhandenen 158 kommunalen Kläranlagen den heutigen gesetzlichen Anforderungen. Derzeit sind bereits 62 Prozent der Bevölkerung an kommunale Kläranlagen angeschlossen. Mittlerweile hat sich die Gesamtzahl der Kläranlagen auf 286 vergrößert, von denen mehr als die Hälfte für eine weiter gehende Elimination der Nährstoffe, Stickstoffe und Phosphor ausgelegt sind.

Zu Frage 3: Der angesprochene Zeitraum von zehn Jahren ist nach den Maßstäben eines auf Langfristigkeit ausgelegten Ökosystems, wie es der Wald ist, vergleichsweise unbedeutend. Dennoch kann festgestellt werden, dass in vielfacher Hinsicht in den vergangenen zehn Jahren Beachtliches zum Schutz und zur Erhaltung des Waldes in Thüringen erreicht wurde. Die Waldfläche ist durch Erstaufforstung in Thüringen seit 1991 sogar um mehr als 2.000 ha auf 540.300 ha angestiegen. Die Nutzung in der DDR lag bei allen Baumarten nur noch knapp im Bereich der Nachhaltigkeit. Nach der Wende wurde der Holzeinschlag daher zunächst drastisch auf 2,0 Erntefestmeter je ha gesenkt. Auch bei inzwischen wieder leicht steigenden Nutzungsmengen liegt die durchschnittliche Holznutzung in Thüringen insgesamt noch deutlich unter dem Holzzuwachs von ca. 8,1 Vorratsfestmetern. In Thüringen wird immer noch weit weniger als die Hälfte des jährlichen Holzzuwachses geerntet. Dies ist eine wesentliche qualitative Verbesserung. Die Landesregierung bekennt sich zum Prinzip der naturnahen Waldbewirtschaftung. So wurde im Staatswald seit 1993 auf knapp 5.000 ha zumeist mit der Pflanzung von Laubhölzern der Waldumbau vorgenommen. Lag der Anteil der Naturverjüngung 1992 noch bei unter 10 Prozent der gesamten Walderneuerung, so hat er sich 1999 mehr als verdreifacht. Im Rahmen des integrierten Waldschutzes setzen wir heute auf natürlich biologische Abwehrprozesse. Der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln wird weitestgehend vermieden. Für die Erhaltung und Pflege von Waldbiotopen sowie anderer besonders geschützter Biotope im Wald wird als Informationsgrundlage eine flächendeckende Waldbiotopkartierung für alle Waldbesitzarten durchgeführt. Seit 1993 wurden über 70 Prozent der Gesamtwaldfläche kartiert. Die Waldbiotopkartierung hilft den Waldbesitzern, ihrer Verantwortung für den Lebensraum Wald gerecht zu werden. Durch die Gewährleistung dieser Prinzipien bei der Bewirtschaftung des Staatswaldes sowie einer zielgerichteten Beratung der privaten und kommunalen Waldbesitzer haben sie die Wälder Thüringens auch hinsichtlich ihrer Schutzfunktion deutlich qualitativ verbessert. Auch was die biotische und abiotische Gefährdung der Wälder angeht, konnten gegenüber 1990 erhebliche Verbesserungen erreicht werden.

Wie aus dem jährlichen Waldzustandsberichten hervorgeht, ist der Verbesserungstrend bezüglich des durchschnittlichen Nadel-/Blattverlustes seit 1993 zu verzeichnen. Die Schadstoffbelastungen aus der Luft sind hinsichtlich ihrer Entwicklung differenziert zu sehen. Obwohl vor allem die aktuellen Schwefelimmissionen auf ca. ein Zehntel des Wertes von 1991 gesunken sind, liegt der Gesamteintrag von Schadstoffen, vor allem von Stickstoffeinträgen, immer noch über dem, was das Waldökosystem schadlos verkraften kann. Auch die Leistungsfähigkeit der Waldböden hinsichtlich ihres Abpuffungsvermögens bei Schadstoff- und Säureeintrag wird teilweise noch überbeansprucht. Als flankierende forstwirtschaftliche Schutzmaßnahme, je nach Empfindlichkeit der Waldböden, wird weiterhin Bodenschutzkalkung durchgeführt.

Vielen Dank für Ihre ausführliche Beantwortung. Gibt es Nachfragen? Das ist nicht der Fall. Die Mündliche Anfrage ist damit beantwortet und wir kommen zur Frage in Drucksache 3/892. Herr Abgeordneter Dewes, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Defizite der Schulen bei Erziehung zu Toleranz und Demokratie

Rechtsextremistische Straftaten prägen seit Jahresbeginn das Bild, das von Thüringen in der deutschen und internationalen Öffentlichkeit vermittelt wird. Zunehmend werden die Stimmen laut, die über das notwendige kurzfristige repressive Handeln hinaus eine intensive Analyse der gesellschaftlichen Ursachen des Rechtsextremismus im Freistaat fordern und darauf aufbauend eine nachhaltige Präventionsstrategie, die jenseits des Sicherheitsbereiches alle gesellschaftlich relevanten Gruppen einbinden will. Eine besondere Aufgabe kommt hierbei den Schulen zu. So drängt sich dem Fragesteller der Eindruck auf, dass sich die Thüringer Schulen nicht intensiv genug mit der Aufarbeitung der jüngeren deutschen Geschichte beschäftigen und vor allem Lehrerinnen und Lehrer, gleich welcher Fachrichtung, entweder nicht bereit oder nicht in der Lage sind, sich inhaltlich diesem schädlichen gesellschaftlichen Phänomen des wieder erstarkenden Rechtsextremismus zu stellen und Kinder und Jugendliche zu Toleranz und Akzeptanz im Verhältnis zu Menschen anderer Hautfarbe, Rasse und Religion zu erziehen. Das Angebot der Landeszentrale für politische Bildung zum Thema Rechtsextremismus wird häufig gar nicht angenommen - so deren stellvertretender Leiter in der Presse. Die Weiterbildung im Lehrerbereich ist nur fakultativ.

Ich frage die Landesregierung:

1. Ist beabsichtigt, für alle Lehrerinnen und Lehrer eine verpflichtende Weiterbildung einzuführen, die sich sowohl an den fachbezogenen Bedarfen orientiert als auch den gesamtgesellschaftlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule in der Demokratie mit umfasst?

2. Ist beabsichtigt, in der Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer einen Schwerpunkt in der Geschichte des Nationalsozialismus zu setzen und die Ausstellungen des Konzentrationslagers Buchenwald und des Lagers Dora mit einzubeziehen?

3. Wie würde die Landesregierung in Thüringen mit dem Vorschlag umgehen, die Schülerinnen und Schüler jeder 8. Klasse in Thüringen zu verpflichten - aus dem Landeshaushalt finanziert -, mit ihren Lehrerinnen und Lehrern das Konzentrationslager Buchenwald bzw. das Lager Dora aufzusuchen, um dort an einer ganztägigen Führung und Seminarveranstaltung zum Thema "Buchenwald vor und nach 1945" teilzunehmen?

4. Beabsichtigt die Landesregierung, die kommunale Ebene - Bürgermeister, Landräte, Parlamente, Vereine und Verbände - in ein gemeinsames Konzept zur Bekämpfung des Rechtsextremismus einzubeziehen und wenn ja, was ist bisher dazu veranlasst worden?

Herr Minister Krapp, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor ich die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Dewes im Einzelnen beantworte, gestatten Sie mir eine kurze Vorbemerkung.

In der Fragestellung von Herrn Abgeordneten Dr. Dewes wird das Wort "Weiterbildung" verwendet, wo nach Sprachgebrauch der Thüringer Gesetzlichkeit offensichtlich "Fortbildung" gemeint ist. Weiterbildung bezieht sich z.B. auf ein Ergänzungsstudium oder den Erwerb einer Unterrichtserlaubnis, also auf einen zusätzlichen Abschluss. Fortbildung ist demgegenüber die Qualifizierung innerhalb eines schon vorhandenen Abschlusses. In meiner Antwort werde ich mich deshalb auf Fortbildung beziehen.

(Beifall bei der CDU)

Nun zu Frage 1: Entsprechend der Dienstordnung für Lehrer, Erzieher und sonderpädagogische Fachkräfte an den Schulen in Thüringen ist der genannte Personenkreis zur Fortbildung verpflichtet. Der fachbezogene Fortbildungsbedarf ist vom Schulleiter festzustellen.

Zu Frage 2: Die Geschichte des Nationalsozialismus ist ein Schwerpunkt der Fortbildung. Darin wird die Gedenkstättenarbeit integriert; derzeitig werden in Zusam

menarbeit des ThILLM mit der Landeszentrale für politische Bildung mehrere thematische Publikationen zur Arbeit in der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald und auch Mittelbau Dora vorbereitet.

Zu Frage 3: Der Besuch der genannten Gedenkstätten sollte allen Thüringer Schülerinnen und Schülern ermöglicht werden und muss dann auch von einer soliden und angemessenen Vor- und Nachbereitung begleitet sein. Daneben sind aber auch z.B. Projekte mit lokalem Bezug oder entsprechendes Quellenstudium zum Schicksal von KZ-Häftlingen erzieherisch von großer Bedeutung. Die Verpflichtung zu einer bestimmten Aktivität kann auch kontraproduktiv wirken. Entsprechende Zwangsmaßnahmen im DDR-Schulsystem zum Beispiel haben dies offensichtlich erwiesen.

Zu Frage 4: Die schon bestehende Zusammenarbeit der demokratischen Kräfte, auch auf kommunaler Ebene, wird aktuell durch die Einrichtung einer Koordinierungsstelle beim Thüringer Innenministerium verstärkt. Dabei wirkt auch das Thüringer Kultusministerium personell und fachlich mit. Ich danke Ihnen.

Vielen Dank. Es gibt eine Nachfrage. Herr Abgeordneter Dewes, bitte.

Herr Minister Dr. Krapp, ist es richtig, dass 1999 ca. 1.000 Thüringer Lehrerinnen und Lehrer die Angebote auf Fortbildung der Landeszentrale für politische Bildung wahrgenommen haben und dass dies bei etwa 25.000 Lehrerinnen und Lehrern einen Anteil von nicht einmal 4 Prozent der Thüringer Lehrerinnen und Lehrer ausmacht?

Die Statistik der Landeszentrale für politische Bildung wird, wenn überhaupt, von dieser Landeszentrale durchgeführt und nicht vom Thüringer Kultusministerium.

Es gibt eine weitere Frage.

Herr Minister, stimmt es, dass eine Reihe von Schulleitern Fortbildungsmaßnahmen nicht mehr genehmigt oder nicht mehr genehmigen kann, weil es einen erheblichen Lehrermangel an einer Reihe von Schulen gibt?

Das kann ich nicht bestätigen.

Gibt es weitere Nachfragen? Ja, es gibt eine weitere Nachfrage. Frau Abgeordnete Kraushaar, bitte.

Herr Minister, Sie sagten, sie sind zur Fortbildung verpflichtet. Sind Sie sich sicher, dass alle an der Fortbildung teilnehmen?

Ich wiederhole noch einmal, die Verpflichtung steht und die Feststellung für die Fortbildung ist von den Schulleitern vorzunehmen. Wenn dies nicht durchgeführt werden sollte, muss die Schulaufsicht in Aktion treten.

Gibt es weitere Nachfragen? Das ist nicht der Fall. Danke schön, Herr Minister. Die Frage ist damit beantwortet. Wir kommen zur Frage in Drucksache 3/893. Herr Abgeordneter Ramelow, bitte.

Kali-Fusionsvertrag

Durch die Treuhandanstalt wurde die Thüringer Kaliindustrie mit dem so genannten Kali-Vertrag einem maßgeblichen Konkurrenten zugeschlagen. Trotz Forderungen der ehemaligen Thüringer Belegschaft sowie von PDSLandtags- und Bundestagsabgeordneten sind die Fusionsbedingungen nie bekannt gegeben worden. Die Presse informiert auf der Grundlage ihr vorliegender Unterlagen am 22. August 2000 über wettbewerbsverzerrende Klauseln eben dieses Vertrags.

Ich frage die Landesregierung:

1. Ist es zutreffend, dass in dem Fusionsvertrag oder in nachfolgenden Verträgen geregelt wird, dass bis zum 31. Dezember 2003 die Produktions- und Vertriebsinteressen der Kali & Salz GmbH nicht durch andere Firmen im Wettbewerb beeinträchtigt werden dürfen?

2. Welche Firmen neben der Glückauf Sondershausen Entwicklungs- und Sicherungsgesellschaft, die u.a. für den Winterdienst verwendbares Streusalz und Magnesiumchlorid-Sole vertreiben könnte, sind nach Kenntnis der Landesregierung von dieser wettbewerbsverzerrenden Klausel in ihrer Unternehmensentwicklung behindert?

3. Gedenkt die Landesregierung gegenüber der bundeseigenen Gesellschaft zur Verwahrung und Verwertung von stillgelegten Bergwerksbetrieben zur Vermeidung einer weiteren Beeinträchtigung des Wettbewerbs wirksam zu werden?

4. In welcher Höhe würden der landeseigenen Thüringer Straßenwartungs- und Instandhaltungsgesellschaft mbH wirtschaftliche Vorteile entstehen, wenn die TSI von der GSES Streusalz zum Preis von 50 Deutsche Mark je Tonne gegenüber dem derzeitigen Bezugspreis (Basis 1999) beziehen würde?

Herr Minister Schuster, bitte.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, namens der Landesregierung beantworte ich die Fragen von Herrn Ramelow wie folgt:

Zu Frage 1 nehme ich Bezug auf die Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Becker in der 88. Plenarsitzung am 11. Dezember 1998. Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, zitiere ich aus dem Plenarprotokoll die Antwort des Herrn Staatssekretärs Illert: "Im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit der BvS über einen Generalvertrag über die abschließende Finanzierung der ökologischen Altlasten im Freistaat Thüringen wurde eine Kopie des Rahmenvertrags vom 13. Mai 1993 durch die BvS unter dem Hinweis auf eine streng vertrauliche Behandlung des Vertragswerks zur ausschließlichen Verwendung im Zusammenhang mit der Erstellung des Generalvertrags übergeben." Laut Feststellung der EU-Kommission soll im Artikel 20 des Rahmenvertrags vom 19. Mai 1993 zugunsten des zu gründenden Gemeinschaftsunternehmens ein Wettbewerbsverbot vereinbart worden sein. Nach Aussagen der Kommission soll sich dieses Wettbewerbsverbot auch auf nachfolgende Verträge beziehen. Dieses wurde von der EU-Kommission nicht bestätigt. Der Europäische Gerichtshof hat allerdings die Entscheidung aus dem Jahr 1993 in einem Urteil 1998 insgesamt aufgehoben. Daraufhin hat die EU-Kommission im Juli 1998 erneut über die Fusion entschieden und diese mit dem europäischen Markt für vereinbar erklärt. Zu dem Wettbewerbsverbot hat sich die EU-Kommission in dieser Entscheidung allerdings nicht geäußert.

Zu Frage 2: Inwieweit Unternehmen in ihrer Entwicklung von der Verbotsklausel betroffen sind, ist der Landesregierung nicht bekannt.

Zu Frage 3: Grundsätzlich können Unternehmen, die sich im Wettbewerb beeinträchtigt fühlen, entsprechende Schritte zur Beseitigung wettbewerbsrechtlicher Hindernisse einleiten.