Protokoll der Sitzung vom 14.02.2013

Herr Präsident, meine Damen und Herren, als in der vergangenen Woche ein Journalist anrief und nach meiner Bewertung des Sondervermögens fragte, habe ich intuitiv gesagt, es ist das größte faule Ei, das die CDU dem Land Thüringen ins Nest gelegt hat.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das war spontan, aber ich stehe auch heute noch dazu. Es ist nämlich das teuerste Wahlversprechen in der Geschichte Thüringens. Dieses vermeintliche Wahlgeschenk der damaligen CDU-Alleinregierung kommt einerseits dem Freistaat Thüringen, aber

andererseits seinen Bürgerinnen und Bürgern inzwischen teuer zu stehen. Die Kosten, die dem Land aus der Abschaffung der Wasserbeiträge und den Privilegierungen bei der Erhebung der Abwasserbeiträge entstehen, wurden in ein sogenanntes Sondervermögen geschoben. Gestern Abend habe ich gehört, dass die Großmutter von Uwe Höhn Geld in ihr Kissen gesteckt hatte als Sondervermögen für besondere Anschaffungen oder schlechte Zeiten. Hier funktioniert das ganz anders. Alle aus der Änderung des Kommunalabgabengesetzes resultierenden Erstattungen an die Zweckverbände werden durch Kreditaufnahme des Sondervermögens finanziert. Das Land finanziert aus seinem laufenden Haushalt lediglich die Zinskosten für die Schulden des Sondervermögens sowie einen ganz geringen Tilgungsanteil. Nur die Zinszahlungen des Landes, nicht aber die tatsächlichen Kosten des Wahlgeschenkes erscheinen somit im Landeshaushalt.

Meine Damen und Herren, allein die jährlichen Zinszahlungen sind inzwischen auf erkleckliche Summen angewachsen. 11 Mio. € haben wir im Jahr 2011 noch gezahlt, im Haushaltsplan für 2014 sind jetzt 21,6 Mio. € vorgesehen. Nach einer Prognose des Finanzministers steigen diese Aufwendungen auf 160 Mio. € im Jahr 2027/2028; 160 Mio. € im Jahr nur für Zinsen für diese Schulden des Sondervermögens. Die Schulden werden am Ende nicht die damals schon gigantische Summe von 1 Mrd. €, wie es veranschlagt worden ist, haben, sondern es ist ja schon gesagt worden, sie werden sich auf 4 Mrd. € hinbewegen. Die Angeschmierten aber sind die Bürgerinnen und Bürger. Sie bezahlen das vermeintliche Wahlgeschenk nicht nur, wie es eben hier dargestellt worden ist, mit ihren Steuern, sondern auch über erhöhte Gebühren und Beiträge. Die Investitionen im Wasserbereich können durch die Zweckverbände nicht mehr teilweise über Beiträge refinanziert werden und die Kosten für die Investitionen belasten jetzt die Gebühren und haben zum Teil zu deutlich erhöhten Wassergebühren geführt.

(Unruhe CDU)

Beim Abwasser ist es ähnlich. Hier stellen wir weniger Geld für die Abwasserbeseitigungsanlagen als Fördermittel zur Verfügung, weil wir es für das Sondervermögen brauchen.

(Beifall SPD)

Meine Damen und Herren, das Beispiel der Abschaffung der Trinkwasserbeiträge zeigt, wie ein sinnloses Wahlkampfversprechen dem Land Thüringen eine Steinkugel ans Bein geschmiedet hat.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Darauf ha- be ich jetzt noch gewartet.)

Und es gibt Parallelen zu heute. Nehmen wir mal das Thema Gebietsreform. Die CDU scheint es als

(Abg. Meyer)

Thema für den Wahlkampf auserkoren zu haben. Wie bei der Abschaffung der Wasserbeiträge könnte das Verzögern oder das Unterlassen von notwendigen Reformen am Ende für das Land ein nicht zu finanzierendes Wahlgeschenk werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und die Bürgerinnen und Bürger unseres Freistaats müssen dann wieder die Suppe auslöffeln, die ihnen die ÜRI-Partei eingebrockt hat. Vielen Dank.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Schauspie- ler!)

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Abgeordneter. Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Barth noch einmal um das Wort gebeten. Sie wissen, Sie haben 30 Sekunden.

Vielen Dank, Herr Präsident. Dass es einmal passieren würde, dass ich mich Werner Pidde anschließe, hätte ich nicht ohne Weiteres vermutet.

(Unruhe CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich weiß ja, dass das wehtut, aber, sich hier hinzustellen und zu sagen, dass der Umweltminister Hartmut Sieckmann - ich kann mich an die Zeit ganz genau erinnern -, der bis 1994 Verantwortung getragen hat, dafür verantwortlich ist, dass Sie 10 Jahre später eine falsche Entscheidung getroffen haben, ist schon ziemlich armselig. Danke.

(Unruhe CDU)

Danke, Herr Abgeordneter. Damit haben die Fraktionen ihr Kontingent fast ausgeschöpft. Für die Landesregierung hat Staatssekretär Herr Diedrichs um das Wort gebeten.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, zunächst zum Sachverhalt der heutigen Aktuellen Stunde, zum Zweck des Sondervermögens bzw. der Sonderrechnung. Rechtsgrundlage ist das Gesetz über die Errichtung eines Sondervermögens „Verbesserung der wasserwirtschaftlichen Strukturen“. Dieses besteht aus zwei Teilvermögen, nämlich dem Teilvermögen „Fernwasser“ und dem Teilvermögen „Beitragserstattung Wasserverund Abwasserentsorgung“. Gegenstand der heutigen Aktuellen Stunde ist nur das Letztere. Der Zweck dieses Sondervermögens ist die Abfinanzierung der Verbindlichkeiten, die sich aus der Erstattungsverpflichtung …

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wie laufen denn hier die Leute herum? Wir sind hier im Landtag.)

Herr Abgeordneter Fiedler, es reicht langsam. Sie betteln ja förmlich um den Ordnungsruf.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Sie sehen das wohl gar nicht, Herr Präsident, was hier für Kasper herumlaufen.)

(Unruhe CDU)

Herr Abgeordneter Fiedler, für die wirklich kaum noch zählbare Anzahl der Zwischenrufe erteile ich Ihnen jetzt einen Ordnungsruf.

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Für Zwi- schenrufe können Sie mir keinen Ordnungs- ruf erteilen.)

Herr Abgeordneter Fiedler, wenn Sie mal zwei Minuten haben, schauen Sie mal in die Geschäftsordnung. Das würde uns allen das Leben ein bisschen leichter machen. Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

(Unruhe CDU)

Herr Abgeordneter Fiedler, ich erteile Ihnen hiermit den zweiten Ordnungsruf und ich weise Sie darauf hin, dass die Erteilung eines dritten Ordnungsrufs dazu führt, dass Sie aus dem Saal entfernt werden.

Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

Der Zweck des Sondervermögens ist die Abfinanzierung der Verbindlichkeiten, die sich aus der Erstattungsverpflichtung des Landes gegenüber den kommunalen Wasserund Abwasserverbänden nach Maßgabe des § 21 a des Thüringer Kommunalabgabengesetzes ergeben. Dieser § 21 a schreibt sogenannte Privilegierungstatbestände fest, wonach die Aufgabenträger auf Beitragserhebungen in bestimmten Fällen verzichten müssen. Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist das Land diesen zur Kompensation ihrer Belastung aus der Privilegierung verpflichtet, was ebenfalls im KAG geregelt ist. Die Schulden des Teilvermögens „Beitragserstattung Wasserver- und Abwasserentsorgung“ beliefen sich Ende 2011 auf 188 Mio. €, wie der Jahresrechnung des Freistaats entnommen werden kann. Die Weiterentwicklung des Sondervermögens hängt ab von der Inanspruchnahme der Privilegierungstatbestände, wie sie in § 21 a KAG geregelt sind, und den dadurch veranlassten Kompensationszahlungen aus dem Sondervermögen an

(Abg. Dr. Pidde)

die Aufgabenträger. Dies vorausgeschickt möchte ich klarmachen, dass für jede Berechnung bestimmte Annahmen getroffen werden müssen, die mit Unsicherheiten belastet sind. Wesentlichen Einfluss hat der Betrachtungszeitraum über die Laufzeit des Sondervermögens. Bis Ende 2031 ergeben sich andere Summen als über den gesamten Zeitraum der erstmaligen Herstellung der öffentlichen Einrichtungen der Abwasserentsorgung und ihrer Abschreibung über weitere 50 Jahre. Ebenso wesentlich und gleichzeitig dem Einfluss des Landes entzogen sind die Ausbauplanung der Aufgabenträger und ihre Umsetzung. Darauf wurde bereits in dem entsprechenden Gesetz aus 2009 hingewiesen.

Dies vorausgeschickt zu den Berechnungen, die hier heute Gegenstand der Aktuellen Stunde sind, möchte ich klarstellen, dass das Finanzministerium keine Zahlen veröffentlicht hat, aber Modellrechnungen durchgeführt hat über die mögliche Entwicklung des Teilvermögens „Beitragserstattung Wasserver- und Abwasserentsorgung“, und diese sind unter konservativen Annahmen angestellt worden. Diese Modellrechnung geht davon aus, dass die Aufgabenträger die erstmalige Herstellung der öffentlichen Einrichtungen bis 2020 abgeschlossen haben. Sie berücksichtigt eine 50-jährige Abschreibung und jährliche Kompensationszahlungen, wie sie auch in dem Gesetzentwurf aus 2009 ausgewiesen sind, in Höhe von 56 Mio. €. Auf der Basis dieser Parameter ergibt sich einschließlich Finanzierungskosten eine kumulierte nominale Haushaltsbelastung von 3,75 Mrd. € bis 2070 nach dieser Modellrechnung. Diese 3,75 Mrd. € sind nicht vergleichbar mit den in der Presse erwähnten und hier wiederholt genannten 1,8 Mrd. € aus der Gesetzesbegründung 2009, denn dort handelt es sich bei den 3,75 Mrd. € um eine Schätzung bezogen auf die Gesamtkosten für den Wasser- und Abwasserbereich und nicht nur wie bei den 1,8 Mrd. € um die Kosten für den Abwasserbereich.

Eine Anpassung der Parameter führt schnell zu ganz anderen Ergebnissen. Zum Beispiel soweit eine jährliche Kompensationszahlung von nicht 56 Mio. €, sondern nur 39 Mio. € unterstellt wird, und dies entspricht den Ist-Ausgaben, den Ist-Kompensationsleistungen 2011, reduziert sich schon die Gesamtbelastung einschließlich Finanzierungskosten auf 2,78 Mrd. €.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich damit schließen, dass, was die Zahlen betrifft, die Grundlage hier bezogen auf die Gesetzesbegründung aus dem Jahr 2009, sich in der Substanz kein neuer Sachverhalt, auch keine neuen in der Substanz erhöhten Ausgaben ergeben haben. Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Damit schließe ich jetzt den zweiten Teil der Aktuellen Stunde und rufe den dritten Teil der Aktuellen Stunde auf

c) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: „Ungerecht, armutsfördernd, ziellos? - Welchen Handlungsbedarf gibt es in der Familienpolitik für die Landesregierung in Thüringen und auf Bundesebene?“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/5740

Das Wort hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abgeordnete Siegesmund.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir, mit einem Zitat zu beginnen: „Familienpolitik ist Stückwerk geblieben. Ihr fehlt ein annähernd vollständiges, konsequentes Konzept. Darüber hinaus sind die bisher eingesetzten Mittel zum Teil ineffizient, so vor allem die steuerlichen Entlastungen, die die Bessergestellten noch besser stellt. Zum Teil sind sie unzulänglich, wie etwa die Zahl und die Betriebszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen.“ Es ist aber kein Zitat aus dem Zwischenbericht, der kürzlich vorgestellt wurde und auf Bundesebene initiiert vom Finanzund Familienministerium, also kein Zitat aus dem Jahr 2013, sondern es stammt aus dem 5. Familienbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 1994. Es ist also eine Analyse der familienpolitischen Situation und der familienpolitischen Maßnahmen, die eigentlich getroffen werden müssten und die erschreckenderweise noch exakt genau so heute zutreffen könnte.

Wenig Neues ist seitdem tatsächlich passiert. Ja, wir geben im Jahr ca. 200 Mrd. € für familienpolitische Leistungen in der Bundesrepublik aus, vor allen Dingen steht jetzt im Vordergrund die Debatte um genau jene 200 Mrd. €. Das ist, das will ich gleich vorwegnehmen, vor allen Dingen im Vergleich zu Ländern wie Dänemark, Schweden, Finnland, Norwegen oder Frankreich erstaunlich wenig. Das ist überhaupt nicht viel. Die Frage, die in dieser Debatte wirklich von Bedeutung ist, ist etwas ganz anderes. Die Frage ist nicht, geben wir zu viel aus, sondern wofür gibt die Bundesrepublik und gibt am Ende auch Thüringen Geld aus, um Familien zu fördern, und kommt das Geld, was ausgegeben wird, auch bei denen an, die es am meisten brauchen?

(Staatssekretär Diedrichs)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir als GRÜNE wünschen uns nicht nur Transparenz in der Debatte, nämlich dass der Zwischenbericht am Ende für alle lesbar, erreichbar und analysierbar ist und vorgelegt wird, sondern wir wünschen uns auch, dass der Fokus der Debatte tatsächlich auf den Inhalten liegt. Wir wünschen uns eine Debatte über familienpolitische Ziele im Freistaat und auch auf Bundesebene. Ich habe deswegen die Äußerung der Ministerpräsidentin sehr wohl wahrgenommen und frage: Ist es wirklich so, dass in dieser Legislatur kein Handlungsbedarf mehr bei der Familienpolitik besteht? Sie sagt, dem sei so, wir als GRÜNE sagen, nein, wir erwarten mehr. Wir erwarten mehr, weil die Ziele einer guten Familienpolitik nach wie vor nicht im Vordergrund stehen im Land.