Protokoll der Sitzung vom 25.02.2010

Erlauben Sie mir am Ende noch eine Bemerkung, ich möchte nämlich auch wie Herr Adams mal 40 Jahre zurückschauen. Am 18. Juni 1970 verabschiedet der Bundestag nach heftiger Debatte eine Gesetzesvorlage - damals von Willi Brandt eingebracht -, nach der das Wahlalter auf 18 Jahre gesenkt wird - vorher waren es nämlich 21 -, also auf drei Jahre weniger. Damals sind bereits dieselben Argumente wie heute ausgetauscht worden und damals gab es zu diesem Zeitpunkt auch schon mehrere Bundesländer, in denen der Landtag mit 18 Jahren wählbar war. Das sind so Parallelen, die hier herzustellen sind. Und ich will Ihnen, Herr Adams, Sie haben mehrere Zitate gebracht, aus dieser Debatte auch wenigstens ein Zitat nicht vorenthalten, das ich besonders putzig fand, von einem gewissen Richard Jäger, damals Abgeordneter der CSU, der sagte im Brustton

der Überzeugung und gegen die Herabsenkung des Wahlalters: „So wie man im Militär erst gehorchen lernt, bevor man befehlen kann, kann man auch im Staatsleben zuerst einmal dienen, ehe man führt.“ Das ist ein besonders schönes verbales Schlagsahnehäubchen, wie ich finde.

(Unruhe SPD)

Sie haben also, liebe Kolleginnen und Kollegen der Bündnisgrünen meinen Äußerungen sicher entnommen, dass Ihr Antrag durchaus auf Wohlwollen in meiner Fraktion trifft. Gleich allerdings vorab muss ich bemerken, über dieses vorliegende Thema gibt es keine Regelung im Koalitionsvertrag.

(Unruhe DIE LINKE)

Wir werden uns deshalb innerhalb der Koalition hierzu verständigen und dann sehen wir mal weiter. Vorab beantrage ich ähnlich wie meine Vorredner die Überweisung des Antrags an den Innenausschuss als federführendes Gremium und mitberatend an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten. Frau Siegesmund, der Presse durfte ich entnehmen, dass Sie sinngemäß sagten, vielleicht passiert ja heute ein Wunder und der Landtag redet zumindest sachlich über diesen Antrag. Ich bin zwar nicht der Mann, der Wunder macht, aber ich hoffe zumindest mit meinen Ausführungen bei Ihnen ein Gefühl der Zuversicht und Freude geweckt zu haben. Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Herr Hey, gestatten Sie noch eine Frage?

Sie erwähnten eben interessanterweise den Beschluss des Deutschen Bundestags von 1970. Ist Ihnen noch in Erinnerung, welche Koalition damals die Regierung getragen hat und welche den Beschluss gefasst hat?

Darf ich zurückfragen, welchen Hintergrund diese Frage besitzt?

Ich muss Sie darauf hinweisen, dass Sie jetzt keinen Schlagabtausch führen dürfen.

Ja, aber eine Nachfrage wird ja erlaubt sein.

Sie können es ja dann notfalls nachlesen, aber es gab heute im Rahmen der Debatte einige Hinweise auf ein mögliches Abstimmungsverhalten bestimmter Fraktionen hier im Hause, deswegen würde es mich interessieren, ob Sie das auch recherchiert haben.

Ja, und möglicherweise können wir mit dem ähnlichen Ergebnis dann hier vielleicht auch in ein paar Monaten rechnen.

(Beifall SPD)

Vielen herzlichen Dank, Herr Hey. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Bergner für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin König, wenn ich so 30 Jahre zurückdenke, wenn ich an Ihre Redebeiträge gestern und heute denke, bin ich mir ganz sicher, dass es auch vor 30 Jahren Jugendliche gab, die politisch reifer waren als mancher Erwachsene heute.

(Beifall FDP)

Ich möchte zu dem Gesetzentwurf der GRÜNEN kommen. Es gibt viele gute Gründe, die für eine Absenkung des Wahlalters sprechen, es gibt Gründe, die auch dagegen sprechen. Ich denke, das sollte man sachlich, unvoreingenommen in der entsprechenden Ausschussarbeit abwägen. Deswegen beantrage ich namens meiner Fraktion die Überweisung an den Innenausschuss und an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Vielen herzlichen Dank, Herr Bergner. Ich frage: Gibt es weitere Wortmeldungen in der Debatte? Der In

nenminister wünscht das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich will jetzt nicht zum Besten geben, was ich als Vater von zwei Töchtern, die sich in dem fraglichen Alter befinden, für persönliche Erlebnisse habe, sondern - das können wir mal bei einem Bier machen - die Position der Landesregierung vortragen. Das Absenken des Wahlalters für das aktive Wahlrecht im kommunalen Bereich auf 16 Jahre ist eine - wie die vielen Vorredner gesagt haben - seit Langem diskutierte Frage und Forderung, die auch hier im Landtag mehrfach behandelt worden ist. Bislang haben die Länder Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein - das hat Herr Adams ja auch vorgetragen - das Wahlalter herabgesetzt. Die Problematik wurde auch in anderen Ländern kontrovers diskutiert. Die Frage ist - Herr Adams, da kann ich Sie ganz beruhigen - keine staatsrechtliche Frage, sondern eine Frage der politischen Entscheidung und der politischen Vernunft. Die Gesetzgebung räumt jungen Menschen gestaffelt nach dem Alter unterschiedliche Rechtspositionen ein. Grundlage hierfür ist die Einschätzung der jeweils entscheidenden Mehrheit, welche Sachlagen das Kind bzw. der Heranwachsende nach seiner altersspezifischen Entwicklung in der Regel bereits ohne Mitwirkung von Erwachsenen erfassen und sachgerecht entscheiden kann. Sie haben auf die Religionsmündigkeit hingewiesen, die bei 14 Jahren liegt. Die beschränkte Strafmündigkeit liegt auch bei 14 Jahren; auf der anderen Seite findet Jugendstrafrecht bis zu 21 Jahren Anwendung, weil der Gesetzgeber der Meinung ist, bis 21 Jahre gibt es Reifeverzögerungen, die man zumindest zugunsten von jugendlichen Straftätern berücksichtigen kann. Sie können kein Fahrrad kaufen, bevor sie 18 sind, wenn ihre Erziehungsberechtigten nicht zugestimmt haben. Sie können keinen Führerschein machen, mit Ausnahme der begleitenden Regelungen ab 17. Es gibt also eine ganze Reihe von differenzierten Linien, die die unterschiedlich zuständigen Gesetzgeber nach politischen Kriterien gezogen haben. Meines Erachtens sollte sich die Forderung nach der Senkung des Wahlalters deshalb insbesondere mit diesen Grundentscheidungen auseinandersetzen und konsistent bleiben. Man sollte, wie Sie das getan haben, wie es auch die GRÜNEN getan haben, Erkenntnisse der Sozialforschung, der Erziehungswissenschaften, aber auch der Gehirnforschung heranziehen, die im Strafrecht eine Rolle spielen, etwa für die Bestimmung der Strafmündigkeit. Die Begründung des Gesetzentwurfs stellt einerseits auf die Bekämpfung der Politikverdrossenheit ab, Herr Hey hat aber überzeugend dargelegt, dass das letztlich nicht zur Bekämpfung der Politikverdrossenheit führt; eine wesentliche Erhöhung der Wahlbeteiligung wur

de nicht erreicht. Was die Bildungspolitik angeht, das ist die zweite Begründung, haben die Kommunen im Bereich der Bildungspolitik wenig zu entscheiden. Insofern wird gerade die Herabsenkung des Wahlalters im kommunalen Bereich nicht zu einer größeren Partizipation in der Bildungspolitik beitragen.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ramelow?

Immer.

Vielen herzlichen Dank, Herr Minister. Ich habe gerade festgestellt, dass in meiner Fraktion eine gewisse Verwirrung über eine Kernaussage Ihres Beitrags eingetreten ist. Da Sie am Rednerpult stehen, habe ich gedacht, ich frage das direkt, damit das nicht im Raum bleibt. Ich frage den Herrn Professor, ob es sich bei dem Ankauf des Fahrrads um den Fakt des Fahrrads selber handelt oder ob es sich im Rahmen des Taschengeldgeschäfts möglicherweise nach dem 14. Lebensjahr nicht auch um den Ankauf eines Fahrrads handeln könnte, das einen geringeren Wert hat. Ist das Fahrrad, von dem Sie gesprochen haben, das Fahrrad, das Sie eben erfunden haben oder geht es um das Fahrrad generell oder geht es um den Wert im Rahmen des Taschengeldgeschäfts?

Lieber Herr Abgeordneter Ramelow, ich freue mich, dass Sie mir Gelegenheit geben, mich hier an mein erstes Semester BGB zurückzuerinnern.

(Heiterkeit und Beifall im Hause)

Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, hängt es von der Höhe des Taschengeldes ab. Meine Töchter haben jedenfalls nicht so viel Taschengeld, dass sie im Rahmen des Taschengeldparagraphen sich ein Fahrrad kaufen könnten. Ich weiß nicht, wie Sie es gehalten haben oder halten.

(Beifall CDU)

Scherz beiseite. Das war schon ein Scherz oder? Ich stimme der Auffassung zu, dass der Bereich der Bildung gefragt ist. So sollte bereits im Elternhaus und in der Schule begonnen werden, für Demokratie zu werben, junge Menschen für Politik zu begeistern und ihr Interesse für die Politik zu wecken. Ob die Absenkung des Wahlalters ein probates Mittel

dazu ist, scheint mir - bei allem Respekt vor meinem Freund Andreas Voßkuhle - jedenfalls nicht ausgemacht. Die Landesregierung hat ihre Meinungsbildung in dieser Frage noch nicht abgeschlossen. Ich würde empfehlen, dass wir die Erfahrungen in den Ländern, die Herr Adams am Anfang aufgeführt hat, als Benchmark nutzen, auswerten und dann eine sachgerechte Entscheidung im Laufe der Legislaturperiode treffen.

Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Frage, nämlich des Abgeordneten Kuschel?

Immer.

Danke, Frau Präsidentin. Herr Minister, Sie haben gesagt, durch die Senkung des Wahlalters ist in den Ländern, in denen das praktiziert wird, kein wesentlicher Anstieg der Wahlbeteiligung erfolgt. Die Wahlmüdigkeit ist dadurch nicht nivelliert worden. Würden Sie mir aber recht geben, dass allein durch die Existenz dieses Wahlrechts sich möglicherweise die Kommunalpolitik dahin gehend ändert, dass man Jugendliche in diesem Alter von 16 bis 18 viel intensiver in den Fokus nimmt? Nur allein durch die Existenz des Wahlrechts?

Dem Argument, dass Wähler ein größeres politisches Gewicht haben als Nichtwahlberechtigte, würde ich beipflichten.

Vielen herzlichen Dank. Ich frage jetzt: Gibt es weitere Wortmeldungen? Ja, das ist der Fall. Bitte? Jetzt haben sich drei Personen gemeldet. Vielleicht darf ich erst die Reihenfolge nennen. Meines Wissens hat sich zuerst Abgeordnete Berninger von der Fraktion DIE LINKE gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, eigentlich wollte ich mich melden, weil mir Herr Hey ein bisschen leid getan hat, der nicht wusste, ob es diese Debatte in Thüringen schon mal gegeben hat. Aber jetzt sind mir bei der Rede vom Herrn Innenminister auch noch ein paar Argumente eingefallen, die noch nicht genannt wurden.

Mit 16 dürfen Jugendliche Alkohol trinken, Zigaretten rauchen, Moped fahren und die Berufswahl hat Frau Kollegin König schon erwähnt. Die PDS hat im Bundestagswahlkampf 2002 mit der Frage geworben: Wenn ich meinen Gott fürs Leben schon mit 14 wählen darf, warum dann meinen Bundeskanzler oder meine Bundeskanzlerin erst mit 18?

(Beifall DIE LINKE)

Mit 14 dürfen sich Jugendliche entscheiden, ob sie sich firmen lassen oder zur Firmung gehen im Katholischen. Warum sollen sie denn mit 16 noch nicht fähig sein zu wählen.

Herr Hey, jetzt zu Ihren Fragen, zumindest habe ich sie mir als Fragen notiert. Die Debatte hat es in Thüringen schon gegeben, schon vor 1999 hat meines Wissens die damalige PDS einen entsprechenden Antrag eingereicht. Als ich selbst dann 2004 in den Landtag kam, haben wir im September 2004 einen Gesetzesantrag eingereicht, Kommunalwahlrechtsänderungsgesetz hieß das damals. Da wurde zum Beispiel die 5-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen gefordert und auch die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Und da Sie ein bisschen hilflos - für mich zumindest - erschienen, wie Sie sich als Fraktion behandeln sollten, habe ich jetzt noch mal nachgeschaut in der Debatte von 2004. Ihr Kollege Herr Gentzel hat in der zweiten Lesung am 11. November 2004 beklagt, dass es keine Debatte gegeben habe im Ausschuss. Ich erinnere mich, die CDU hat damals die Debatte geblockt. Das hat Herr Gentzel beklagt und gesagt, dass seine Fraktion sich wegen der fehlenden Debatte enthalten muss.

(Zwischenruf Abg. Sojka, DIE LINKE: Das war damals immer so.)

Nach dem, was Herr Gentzel da gesagt hatte, macht es für mich den Eindruck, als wünschte er sich, dass die Debatte bald wieder auf das Tableau kommt. Er hat dann gesagt, möglicherweise, wenn andere Mehrheiten herrschen. Die herrschen ja jetzt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die Bündnisgrünen waren ein bisschen schneller als wir, sonst hätten wir unseren Antrag möglicherweise auch wieder eingebracht. Aber der eine Landessprecher der GRÜNEN hat in Eisenach beklagt, dass es mit uns bald langweilig wäre, weil wir immer nur die alten Sachen bringen. Deswegen haben wir gedacht, wir lassen die GRÜNEN jetzt das Wahlalter einbringen.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch nett.)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen herzlichen Dank. Das Wort hat jetzt Abgeordnete Dorothea Marx von der SPD-Fraktion.