Wir brauchen eine umfassende Aufarbeitung des Repressionsapparates der SED. Die Hauptverantwortlichen waren in der SED. Es geht um die Auseinandersetzung mit den Mechanismen der SEDDiktatur. Die Stasi war nur Schild und Schwert der Partei. Die SED schützte sich selbst durch das Schild und die SED führte zur Repression des eigenen Volkes das Schwert. Deshalb war die DDR auch ein Unrechtsstaat. Wir haben also noch viel für eine verantwortliche Aufklärung zu tun. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Hildigund Neubert, auch von unserer Seite muss es an dieser Stelle zunächst ein Dankeschön für den Bericht und für die Arbeit natürlich in der Behörde geben, die jetzt dafür sorgt, dass die Akten nicht ins Vergessen geraten. Denn das halten wir für ganz wichtig, auch und gerade 20 Jahre, nachdem die DDR zu Ende gegangen ist, nachdem die friedliche Revolution gesiegt hat und nachdem es dann auch zur Wiedervereinigung kam.
Ich möchte trotzdem ein paar Punkte ansprechen - da hat mir Herr Zeh sozusagen auch ganz gut ein paar Bälle zugespielt -, bei denen ich glaube, dass sich noch einiges verbessern kann und muss, auch in unserer Zusammenarbeit, wenn wir es ernst meinen mit der Aufarbeitung. Herr Zeh, ich gebe Ihnen völlig recht, Sie haben gerade gesagt, Repressionen gingen nicht nur von der Stasi aus. Die Stasitätigkeit allein kann daher auch kein Gradmesser dafür sein, ob und wie jemand dieses System, die DDR, mit gestützt hat und sich damit auch mitschuldig gemacht hat an ganz vielen Menschen. Sie haben auch die Kinder und Jugendlichen genannt, die bisher noch viel zu wenig im Blickwinkel waren und die beispielsweise durch Zwangsadoption oder durch Zwangseinweisung in DDR-Kinderheime ein Unrecht erlit
ten haben, was sich eben nicht an einer mindestens sechsmonatigen Haftstrafe messen lässt. Deswegen glauben auch wir, dass dies nicht der alleinige Gradmesser gerade auch bei der Entschädigung der Opfer sein kann. Ich sage aber auch ganz deutlich, wenn wir dann einen solch authentischen Ort wie die Andreasstraße hier in Erfurt haben - und ich gehörte ja zu denen, die dort in der Bürgerwache, wie sie sich nannte, als eine der Jüngsten viele Tage und Nächte verbracht habe, als es uns darum ging, die Akten vor der Vernichtung zu bewahren -, dann, glaube ich, braucht es auch ein gemeinsames Vorgehen auch und gerade angesichts der doch, wie ich meine, unschönen Debatten rund um den Standort Andreasstraße, und was dort passieren soll. Da stellt sich mir schon die Frage, warum gestern - Sie haben es genannt, Sie haben sich darüber gefreut - der Baubeginn stattfand, aber unter Ausschluss - so muss ich es leider sagen - der parlamentarischen Öffentlichkeit. Denn wir jedenfalls waren nicht dazu eingeladen, als dieser Baubeginn startete und dafür habe ich kein Verständnis. Das muss ich ganz deutlich sagen.
Da wundere ich mich, weil ich glaube, es geht hier tatsächlich um sehr viel mehr. Wir haben, meine Familie, vier Töchter, im Alter zwischen 16 und 21 Jahren - wenn wir davon reden, dass wir gerade mit den kommenden Generationen über das sprechen müssen, was wir erlebt haben, um die Aufarbeitung auch der DDR-Geschichte weitergeben zu können, um das diskutieren zu können und zu müssen, dann stellen wir immer wieder fest, nicht nur in Studien, sondern auch ganz einfach zu Hause, dass unsere Kinder mitunter erschreckend wenig wissen. Und das, obwohl ich zumindest, immer wieder und ganz viel über das spreche, was ich erfahren und erlebt habe. Das aber muss uns zu denken geben, weil wir dann wissen, wie wenig offenkundig gerade die Erfahrungen, die wir gemacht haben, Thema waren, selbstverständlich auch sind, beispielsweise im Unterricht. Und da sage ich: Erinnern für die Zukunft braucht tatsächlich das Gedenken, braucht auch die Erfahrung und braucht das Sprechen darüber. Und wir haben im Herbst ja schon einmal gehört, dass die 20 Jahre schon oft, wenn wir uns erinnern, ungefähr die Zeit waren, die es braucht, um über bestimmte Dinge reden zu können. Wir müssen aber aufpassen, dass viele Dinge nicht in Vergessenheit geraten und müssen deshalb sehr offen über das sprechen, was wir erfahren haben, was wir erlebt haben und was den Alltag, auch und gerade in der DDR, geprägt hat. Und da sage ich ganz deutlich, das war die permanente Überwachungssituation, das war das Wissen darum, von klein auf nicht nur lesen, sondern auch zwischen den Zeilen lesen lernen zu müs
sen, wenn man tatsächlich die Wahrheit besprechen wollte. Das war die Angst davor, beobachtet zu werden für jeden noch so banalen kleinen Witz, den man erzählen konnte, weil schon Witze mitunter, wenn sie nur politisch waren, einem als Straftat ausgelegt werden konnten, wenn sie nur von den Falschen gehört wurden.
Diese permanente Bespitzelungssituation, und jetzt komme ich wieder auf die Kinder, auch auf meine eigenen Kinder zurück, die lässt sich ganz schwer beschreiben. Wenn ich mit meinen Kindern darüber rede, dann sagen die manchmal, sag mal, das ist doch völlig verrückt, wie konntet ihr in so einem Land leben, ich kann mir das gar nicht vorstellen. Und es ist gerade einmal 20 Jahre her, was wir erlebt haben, wie wir aufgewachsen sind. Ich will ein Beispiel benennen. Wir wissen alle, dass die Staatssicherheit Internierungslager geplant hat, die zum Glück keine Wirklichkeit geworden sind. Aber ich will Ihnen einmal aus der Perspektive einer Minderjährigen berichten, wie es war - wir wussten ja damals nicht, dass meine Eltern tatsächlich auf diesen Listen auch standen, das war aber so -, wenn man immer mit dem Wissen gelebt hat, dass die Eltern verschwinden können. Ich habe mich nicht als Opfer gefühlt, das sage ich ganz deutlich, weil ich einfach anders aufgewachsen bin und weil ich da tatsächlich sicher auch die behütete Erfahrung einer Pfarrerstochter machen durfte und weil wir immer einen Zettel bei uns hatten, auf dem stand, wer sich um uns sorgt, falls unsere Eltern plötzlich verhaftet werden. Ich weiß, dass meine Eltern ganz viele Diskussionen dazu mit Freunden hatten, ob das eine Zumutung für uns Kinder wäre, in diesem Wissen zu leben, dass unsere Eltern verhaftet werden können, nur weil sie sich politisch in der Opposition engagieren. Ich habe mich durch meine Eltern damals gut behütet gefühlt im Wissen darum, dass sie mit dieser Vollmacht dafür gesorgt haben, dass wir eben nicht in irgendein staatliches Kinderheim der DDR kommen, sondern dass sie dafür gesorgt haben, dass gute Freunde für uns die Verantwortung übernehmen, sollten sie, weil sie sich gegen die DDR oder für eine tatsächlich basisdemokratische DDR, das war ja mal unser Ziel, engagiert haben, in den Knast kommen. Ich glaube, diese Erfahrung lässt sich ganz schwer vermitteln, denn wie soll man diese, heute sagen wir, fast verrückte Erfahrung, Realität, die wir in der DDR gelebt haben, mit rechtsstaatlichen Maßstäben beschreiben, unter denen unsere Kinder heute aufwachsen. Das muss man sich immer wieder vor Augen führen. Ich glaube, genau deswegen braucht Aufarbeitung tatsächlich auch Erinnerung, braucht aber auch Professionalität, weil Erfahrung und weil das direkte Erleben nicht alles ist, braucht tatsächlich auch wissenschaftliche Begleitung, braucht Orte und braucht Zeitzeugenberichte gleichermaßen, die zumindest authentisch an das erinnern und im
mer wieder dafür sorgen, dass so etwas nie wieder vorkommen darf, dass schon die eigene Meinungsäußerung dazu führen konnte, ich sage nicht musste, aber dazu führen konnte, dass Menschen hinter Gitter geraten oder schlichtweg aus dem Verkehr gezogen worden sind. Insofern hat natürlich Ihre Arbeit eine ganz wichtige Bedeutung auch und gerade mit Blick auf die Zukunft und haben wir auch immer gesagt, dass die Gedenkstätte in der Andreasstraße mehrere Aufträge haben muss. Sie hat den authentischen Teil der Haftanstalt, sie hat aber natürlich auch einen Bildungsauftrag, um unseren Kindern, um den kommenden Generationen, aber auch, um denen, die gern die DDR-Realität ein Stück weit zur Seite schieben wollen oder nicht mehr diskutieren möchten, immer wieder deutlich zu machen, diese Diktatur-Erfahrung, die wir erlebt haben, diese Erfahrungen von Bespitzelungen, diese Erfahrungen von Geheimdiensten, die müssen wir weitergeben, um zu wissen und auch zu begreifen, welchen Wert und welchen Gehalt Demokratie für uns heute hat.
Ich will aber auch noch einen Punkt sagen, ich habe es ja vorhin schon angedeutet. Stasibelastung allein ist kein Gradmesser und Repression, das sagten Sie ja auch schon, ging eben nicht nur von der Stasi aus. Die DDR hatte viele willige Mitarbeiter, so will ich es mal nennen, auch Mitarbeiterinnen in den Verwaltungen, die beispielsweise die Listen erstellt haben für die Ausstattung der Internierungslager. Sie hatte viele Mitarbeiterinnen und Unterstützung natürlich auch durch die Blockparteien, das will ich auch in dieser Deutlichkeit sagen, die aus meiner Sicht jedenfalls keine Alternative zur SED dargestellt haben. Für mich gab es in der DDR nur eine Partei mit ihren Schwesterparteien oder wie Sie sie nennen wollte, aber im Prinzip waren sie alle unter einem Dach organisiert und standen auch für das Gleiche.
Auch dieser Verantwortung müssen wir gerecht werden und da warne ich vor Selbstgefälligkeit auf mancher Seite.
Lassen sie mich noch einen Punkt benennen. Ich glaube, gerade auch, weil die Anknüpfung vorhin gemacht wurde, mit Blick auf den 17. Juni, den wir ja haben, gerade auch mit Blick darauf, wie wichtig es ist, sich damit auseinanderzusetzen, wie leicht Geschichte, zumindest auch über die Medien, gefälscht werden kann, haben wir uns entschlossen, eine Ausstellung in unserem Fraktionsflur zu zeigen von Schülerinnen und Schülern aus Arnstadt, die gemeinsam mit ungarischen Schülerinnen die Geschichte von 1953 in der DDR und von 1956 in Ungarn auf
gearbeitet haben. Ich möchte sie herzlich einladen, sich diese Ausstellung einmal anzuschauen. Es ist beeindruckend, was diese jungen Menschen dort zusammengetragen haben. Auch das ist ein Zeichen von gelebter Aufarbeitung und von verantwortungsvoller Geschichtsbearbeitung, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Nur noch einen Satz zur Opferrente, sie ist ja angesprochen worden: Wir unterstützen hier ausdrücklich, wenn eine solche Bundesratsinitiative, wie vorhin beschrieben, auf den Weg gebracht werden soll. Ich möchte noch einmal sagen, ich glaube, wir müssen auch bei der Opferrente durchaus die Differenziertheit des Repressionsapparates in der DDR mit in den Blick nehmen und da eben auch die Kinder, die Jugendlichen, vielleicht aber auch die, die schlichtweg nicht den Beruf erlernen konnten oder denen im wahrsten Sinne des Wortes nicht nur durch die Mauer, sondern auch sonst die Zukunft verbaut wurde, weil die DDR oftmals so gewirkt hat, wie sie gewirkt hat und unzulässig in Biographien eingegriffen hat, die bis heute nachwirken und unter denen bis heute viele Menschen leiden.
Ich will nur sagen, wenn Sie die „Thüringer Landeszeitung“ zum Beispiel lesen, da gibt es im Moment eine Reihe, wo sich Menschen zu Wort melden, die über 20 Jahre darüber geschwiegen haben, weil sie sich geschämt haben für die Geschichte, die sie erleben mussten. Ich finde, genau solche Belege auch an Einzelbeispielen sind ganz wichtig, um nicht aus dem Blick zu verlieren, was tatsächlich noch vor gut 20 Jahren hier gelebte Praxis war. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zunächst darf ich mich auch ganz herzlich bedanken bei der Ministerin für den Bericht und ich darf mich auch bei Ihnen, Frau Neubert, für Ihre Arbeit insgesamt herzlich bedanken. Wir sind sicherlich nicht an jedem Punkt einer Meinung, aber was die Grundfesten und die Grundprinzipien angeht, auf jeden Fall und das gilt auch für Ihre Mitarbeiter. Ich sage auch ganz offen ein herzliches Dankeschön für das, was Frau Astrid Rothe-Beinlich hier gesagt hat, weil es nicht eine normale Rede ist, sondern weil es sehr wohl persönliche Betroffenheit und persönliches Erleben zeigt, was mittlerweile an der einen oder an
Ich möchte den jungen Leuten gar keinen Vorwurf machen. Wenn man heute mit jungen Menschen in der Schule darüber redet, Sie haben es angedeutet, wie die Situation vor 20 Jahren gewesen ist, dass man nicht per Telefon ganz einfach seine Eltern, seine Verwandten anrufen konnte, dass man mit einem Telegramm darüber informiert wurde, wenn Großeltern, Eltern auf der anderen Seite der Mauer krank gewesen waren - so muss man sagen - weil bis das Telegramm kam, konnte meistens auch schon irgendetwas anderes passiert sein, insofern genau das, wie Sie es geschildert haben, ist für viele junge Menschen heute so unvorstellbar, das kann man sich nicht mal in einem Science-Fiction-Film vorstellen.
Insofern denke ich auch, dass Thüringen immer den richtigen Weg eingenommen hat, was die Landesregierung angeht, um Opfern Entschädigungen zukommen zu lassen, um im Nachgang zu handeln, zu rehabilitieren und auch den Menschen an dem Punkt zu helfen, für sich selber zu erkennen, dass sie nicht falsch gehandelt haben, dass sie keine Kriminellen waren, sondern dass sie einfach von einem Regime traktiert worden sind, dieses Regime, das eine andere Meinung nicht zulassen wollte.
Ich gestehe zu, dass es nicht immer die zwangsläufige Folge war. Es hat nicht jeden getroffen. Der eine oder andere konnte sein Leben leben, auch indem er Witze erzählt hat oder indem er Kritik geäußert hat, den hat es halt nicht getroffen, aus welchen Gründen auch immer. Manche haben nur dem Witz zugehört und waren dann letztendlich Repressalien ausgesetzt.
Was für mich bleibt - insofern will ich auch dieses Thema gar nicht so ausweiten - ist die Frage der Opferpension. Das will ich hier auch nochmal deutlich sagen, sie ist eine Entschädiungsvariante und sie hat sich nicht an den Fragen von Bedürftigkeit zu orientieren. Es ist eine ganz andere Position, die hiermit festgehalten worden ist. Ich sage auch ganz deutlich, dass wir all den Menschen, die unter diesen Repressalien gelitten haben, letztendlich mit nichts die Jahre oder die Repressalien wieder zurückgeben können. Auch dieses ist mit Geld nicht gutzumachen,
aber es ist natürlich ein Zeichen für die Menschen, die jahrelang - und auch da stimme ich Frau RotheBeinlich zu - sich gar nicht getraut hatten, über die Situation zu reden. Insofern, wenn ich auch noch ein Stückchen persönlich werden kann, zitiere ich noch aus einem Artikel, der seinerzeit am 17. Juni 1953 in der Märkischen Allgemeinen geschrieben
wurde, wo auch Augenzeugen des Aufstandes befragt wurden. Ich zitiere jetzt aus diesem Artikel: „Von einem ungewöhnlichen Ort aus erlebte Max Pelke den Aufstand.“, der mein Vater ist - „Als politischer Häftling saß der damals 22-jährige Sozialdemokrat im Brandenburger Zuchthaus, weil er Verbindungen zum Ostbüro der SPD in Westberlin unterhält.“ Ich verkürze jetzt und komme zum Schluss, er hat also diesen Aufstand aus dem Gefängnis erleben können, das heißt, er hat ihn nicht erlebt, es kam dann nur zu Informationen. Bis zu seiner Begnadigung im Juli '56 verbrachte er die Jahre in der Gefangenschaft, das war also erst Brandenburg und dann war es Waldheim. Waldheim, das wissen diejenigen, die sich mit ehemaligen Häftlingen beschäftigen, war nicht weit entfernt von der Situation in Bautzen und anderen. Das hat was mit Biografie zu tun. Wenn man sich dann heute darüber Gedanken machen muss, es ist jemand begnadigt worden wegen einer anderen politischen Auffassung. Die Folge davon war damals, in den Westen zu gehen. Die Folge davon war, dass mit dem Mauerbau die Trennung der Familie manifestiert wurde. Ich glaube, das sind alles Dinge, die nicht mit Geld gutzumachen sind, sie sind nicht zu vergessen, sondern wir alle haben dafür Sorge zu tragen, dass es nie wieder durch politische Regime zu solchen Repressalien kommt. Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, dem hier von Ihnen vorgelegten Bericht und der Schlussfolgerung, die Sie namens der Landesregierung vorgetragen haben, kann ich - auch im Namen meiner Fraktion - weitestgehend zustimmen. Ich will das ein Stück weit auch begründen mit Positionen, die wir hier schon wiederholt, wenn es um diese wichtigen Fragen gegangen ist, als Fraktion DIE LINKE und auch in den Vorjahren als PDS-Fraktion deutlich gemacht haben. Jawohl, wir haben immer mit aller Klarheit gesagt, uns geht es nicht um einen wie auch immer gearteten Schlussstrich unter Geschichte, insgesamt nicht und auch nicht bezogen auf die Zeit von 1945 bis 1989.
Wir sind der Auffassung, mit all den Geschehnissen, die damit verbunden sind, und insbesondere mit denjenigen Fragen, die Menschen in solche Situationen gebracht haben, wie sie Astrid Rothe-Beinlich
hier vorhin beschrieben hat, muss man sich immer weiter auseinandersetzen, muss man auch Stellung nehmen zur politischen und gesellschaftlichen Verantwortung, wenn Freiheit und Demokratie in unserem Land weiterhin Bestand haben und nicht gefährdet werden sollen. Ich will in diesem Zusammenhang sagen, Herr Zeh, auch wenn wir gerade in der letzten Wahlperiode manche Debatte und vielleicht auch manches Wortgefecht miteinander hatten in diesen wichtigen Fragen, aber wir haben das immer getan und ich stimme heute noch mal ausdrücklich Ihrer Formulierung zu: Die Geschichte der DDR, das Unrecht, was Menschen in der DDR geschehen ist, kann man eben nicht auf das Ministerium für Staatssicherheit reduzieren. Sie lagen in diesem - ich nenne das mal, weil der Sprachgebrauch oft so ist - stalinistischen politischen System. Auch aus diesem Grund, meine Damen und Herren - ich will das hier auch noch mal sagen -, hat der außerordentliche Parteitag der SED im Herbst 1989, die Debatte - ich will mal sagen - nicht aus freien Stücken, sondern weil die Lage in der DDR so war, wie sie war, aber er hat es immerhin getan, versucht, klarzumachen einen Neuanfang, auch wie Astrid Rothe-Beinlich vorhin bemerkt hat, eine andere, eine basisdemokratisch orientierte DDR, die nicht zu erreichen war, wie sich dann später gezeigt hat. Aber der notwendige Ausgangspunkt war auch damals für uns der generelle Bruch mit dem Stalinismus als politisches System. Die DDR ist gescheitert an ihrem grundlegenden demokratischen Mangel, an der Tatsache, dass es Demokratie, dass es Meinungsfreiheit, dass es Redefreiheit, dass es Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern im direkten und umfassenden Sinne an den Entscheidungen nicht gegeben hat und in der Regel auch nicht wirklich in den parlamentarischen Gremien. Daran ist diese DDR gescheitert. Das Tragische ist, dass viele Menschen in ihrem Leben und in ihrer Biographie damit auch beschädigt wurden. Diese politische Verantwortung in der Auseinandersetzung haben wir zumindest immer versucht, in den vergangenen 20 Jahren auch entsprechend zu verarbeiten, zu bearbeiten, uns damit auseinanderzusetzen, eigene Verantwortung dafür zu bekennen, meine Damen und Herren. Das tue ich hier auch erneut an dieser Stelle.
Ich will aber auch deutlich sagen, die Situation, die es 1945 gegeben hat, hat natürlich die Vorgeschichte bis zu diesem April und Mai 1945. Die ist Ihnen allen bekannt. Das ist der Zweite Weltkrieg, das ist das faschistische Terrorregime, das sind Millionen Tote in ganz Europa und ein zerstörter Kontinent. An diesem Punkt unterscheiden wir uns vielleicht nach wie vor. Deshalb sehen wir es schon als gerechtfertigt an, dass in einem Teil Deutschlands - und die Teilung, meine Damen und Herren, war keine
deutsche Entscheidung, das dürfen wir doch wohl wissen, die Teilung war eine Entscheidung der Alliierten nach diesem furchtbaren Krieg. Man kann ihnen im Übrigen nicht vorwerfen, dass ihr Vertrauensverhältnis zu Deutschland damals natürlich auf ein Minimum herabgesetzt wurde. Aber diese deutsche Teilung, der folgende und schon vorausgegangene Kalte Krieg, die vielen Opfer vor 1945, das legitimierte schon auch Überlegungen zu einer alternativen Gesellschaft zu der vorherrschenden, auch vom Kapital dominierten und den Faschismus unterstützenden Politik bis 1945. Dass aus meiner Sicht dieser Versuch in Ostdeutschland aufgrund der politischen Verhältnisse von Anfang an eigentlich zum Scheitern verurteilt war, das hat nichts damit zu tun, dass es auch Millionen Menschen gab, die in ihrer Biographie versucht haben zu leben, so eine neue Gesellschaft aufzubauen und die am Ende 1989 auch betrogen wurden für ihre Lebensleistung durch Verantwortung der SED-Führung. Insofern sage ich, ist für mich die ganze Aufarbeitungsfrage eine etwas komplexere, aber dennoch in jeder Hinsicht notwendige.
Ich will hier noch einmal ganz deutlich sagen: Dieser Kalte Krieg rechtfertigt letztlich nicht die Toten an der Mauer und der Staatsgrenze. Dieser Kalte Krieg rechtfertigt letztlich nicht die von mir vorhin schon benannten Defizite, der fehlenden freien Möglichkeit zu wählen, der fehlenden Rede- und Pressefreiheit in der DDR und all das, was auch den Opfern dieser Politik angetan wurde. Das tut er wohlweislich nicht, aber er muss natürlich betrachtet werden bei der Einordnung dieser Fragen insgesamt.
Ich will - auch wenn das in dieser Debatte hier noch nicht gefallen ist, wir das aber im vorhergehenden Punkt hatten - noch einmal auf die Frage mit dem Unrechtsstaat eingehen, meine Damen und Herren. Ich habe Ihnen gerade - und das habe ich in diesem Haus schon wiederholt getan - noch einmal deutlich gemacht, wie ich die Geschichte der DDR von ihren Defiziten her, die letztlich auch zu ihrem Scheitern führen mussten, bewerte: Grenzregime, fehlende Freiheiten. Ich muss aber auf der anderen Seite auch sagen, da braucht es eigentlich nicht das Verdikt Unrechtsstaat - darin unterscheiden wir uns vielleicht auch weiterhin. Ich will aber an der Stelle ganz deutlich in diesem Zusammenhang noch einmal sagen: Natürlich war die DDR niemals ein Rechtsstaat im Sinne der Bundesrepublik Deutschland. Das war auch letztlich ein Grund für ihren Niedergang. Aber ich will Ihnen sagen, diskutieren Sie doch auch mit uns ganz kritisch über diese Defizite, über diese Fragen, wie gehen wir mit der Opfersituation um, und erkennen Sie doch an, dass wir nicht unbedingt sagen müssen, es war der Unrechtsstaat, wenn wir inhaltlich über diese Fragen debattieren. Es sei denn, Sie wollen das nur immer als Pflichtabfrage: Bist du
der Meinung, es war der Unrechtsstaat und danach ist völlig zu beurteilen, wie deine sonstige weitere Bewertung von uns aus ist. Ich glaube, das sollten wir uns 20 Jahre nach der Wende doch anders überlegen können und anders miteinander diskutieren können, meine Damen und Herren.
Dann möchte ich noch die Frage behandeln: Wie gehen wir weiter mit der Entschädigung der Opfer um? Ich stimme Frau Pelke völlig zu, wenn sie hier sagt, finanzielle Entschädigungen, Ausgleichsleistungen können niemals das rückgängig machen, was diese Menschen erleiden mussten. Da bin ich völlig bei Ihnen, das sehe ich ganz genauso. Deshalb stimme ich auch den von Frau Taubert hier gemachten Vorschlägen zu, dass wir in diesen Fragen keine Bedürftigkeitsprüfung brauchen. Wir haben wiederholt auch hier schon Vorschläge gemacht, die eigentlich dazu führen würden, dass wir sowieso von diesen ganzen Einzelfragen, Nachfragemöglichkeiten, konkreten Situationen von Menschen, die Unrecht erlitten haben in der DDR, an und für sich wegkommen müssen hin zu einer ziemlich grundsätzlichen Bewertung, die eben auch wenigstens teilweise die Frage einschließen kann, die dann berücksichtigt, wie ganze Biografien beschädigt wurden, weil nicht der Beruf ergriffen werden konnte, den man sich gewünscht hatte, weil nicht das Studium aufgenommen werden konnte, das man sich gewünscht hatte, aus politischen Gründen. Wir haben seinerzeit hier schon mal vorgeschlagen, dass man sich ein Stück weit orientiert an Einkünften, die mit der Zusatzrente in der DDR zusammenhängen. Wir kämen dann bei solchen Berechnungen einfach zu höheren Zahlen, wir würden sie dann auch loslösen von diesen ganzen Einzelprüfungsfragen und wir hätten auch die Möglichkeit, von diesen Sätzen ausgehend, viel individueller und trotzdem für jeden Einzelnen besser diese Entschädigungsfragen zu lösen, meine Damen und Herren.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen ein Stück weit deutlich machen, dass wir uns bis auf den heutigen Tag und auch für die weitere Zeit sehr intensiv mit der Geschichte in der DDR - bei aller Einordnung in die gesamteuropäische Geschichte des 20. Jahrhunderts - befassen und befassen werden, dass wir deutlich der Auffassung sind, dass die Opfer, soweit das mit Entschädigung möglich ist, finanziell für die Zukunft bessergestellt werden können, dass wir keinen Schlussstrich wünschen unter diese Geschichtsdebatte, dass wir aber auf der anderen Seite auch dafür eintreten müssen, dass wir die DDR in all ihren Facetten und vor allen Dingen die Biografien in der DDR berücksichtigen müssen und darüber weiterhin den gesellschaftlichen Dialog brauchen, wenn wir gerade auch den Jüngeren, die diese Zeit nicht erlebt haben, ver
mitteln wollen, worin die Probleme lagen und was sie uns für das Heute sagen, meine Damen und Herren. Ich bedanke mich recht herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bericht der Landesbeauftragten, aber auch die Debatte, die wir bisher im Haus erlebt haben, zeigen nach meiner Überzeugung ganz deutlich, wie notwendig die weitere Beschäftigung mit diesem Thema ist, wie falsch es wäre, den Brandenburger Kollegen nachzufolgen - von eifern will ich gar nicht sprechen - und eine Schlussstrichdebatte ernsthaft zu führen und ich möchte meine Ausführungen deshalb mit einem ausdrücklichen Dank beginnen sowohl an die Ministerin, die den Sofortbericht gegeben hat, als auch an Sie, Frau Neubert, und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Ihre Tätigkeit.
Meine Damen und Herren, die Stasi - das ist in den vergangenen Jahren, aber auch hier in der Debatte deutlich geworden - war kein Ausrutscher. Das war nicht etwas, was sich ein paar Verirrte oder Irre geleistet haben, sondern die Stasi war Teil, ein besonders perfider Teil eines Systems. Sie war Schild und Schwert der Partei der Arbeiterklasse. So war das Selbstverständnis