Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

Ob Sie erklären können, warum die Berliner CDU eine ganz andere Auffassung hat als die Thüringer CDU.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das kann er natürlich nicht erklären, weil er nicht in der Berliner CDU ist.)

(Abg. Hey)

(Heiterkeit im Hause)

Also, Herr Kuschel, Sie stellen auf die Höhe der in Berlin gezogenen Straßenausbaubeiträge ab. Das ist mir rein rechtlich gesehen neu, dass eine Rechtsverordnung in einem Bundesland mal abgestellt auf die Höhe nur deswegen gut oder richtig ist, ob viel oder wenig Geld eingezogen wurde, es geht generell um den Grundsatz, den ich versucht habe, hier einfach mal zu schildern. Das ist das Erste.

(Beifall CDU)

Das Zweite: Ich weiß, was Sie meinen. Das ist wirklich eine ziemlich verkehrte Welt. Es war in Berlin so - das will ich Ihnen auch gleich sagen -, dass die PDS damals mit der SPD gegen den Willen der Opposition - das war u.a. die CDU - diese Straßenausbaubeiträge eingeführt hat. Aber Sie müssen es auch mal in den Versammlungen - wenn wir beispielsweise in Gotha oder Arnstadt gemeinsam auf dem Podium sitzen - den Leuten erklären, dass DIE LINKE in Berlin das eine macht und DIE LINKE in Thüringen das andere. Das müssen Sie uns schon noch mal erläutern.

Und erklären Sie uns bitte auch noch mal Folgendes: Sie wollen die sogenannte Infrastrukturabgabe an den Grundsteuermessbetrag anknüpfen lassen, steht da so drin. Im Übrigen mitten in einer derzeit laufenden Debatte um die Grundsteuer, bei der noch gar nicht ersichtlich ist, wie die ausgeht, das finde ich hoch interessant. Wenn der Gesetzgeber sich hier eine geänderte Regelung einfallen lässt, was ist denn dann?

Dann erklären Sie uns bitte noch, Herr Kuschel, soll diese Infrastrukturabgabe auch die Steuerbefreiung des Grundsteuergesetzes berücksichtigen oder nicht und wenn ja, wie? Es ist nämlich im Moment ganz konkret so, dass grundsteuerbefreit sind Gebietskörperschaften, Kirchen und religiöse Gemeinschaften, Grundstücke, die als Bereitschaftsunterkünfte für Krankenhäuser, Pflegeheime, Kinderheime, Altenheime genutzt werden, Grundstücke von Universitäten und Schulen, was ist mit denen?

Herr Abgeordneter Hey, jetzt stehen wieder zwei Fragestellerinnen an den Mikrofonen, zuerst wäre Frau Berninger mit einer Frage dran und Herr Kuschel hat auch noch eine Frage. Wie sieht es aus, würden Sie die beantworten?

Frau Berninger ja, Herr Kuschel nein, mit dem werde ich mich dann im Ausschuss oder bei einer Tas

se Heißgetränk draußen vor dem Plenarsaal zu diesem Thema treffen.

Ich danke Ihnen, Herr Hey, obwohl ich das jetzt gerade nicht verstehe, wir können ja auch im Ausschuss streiten.

Wir können auch ein Heißgetränk zusammen trinken.

Sie sind jetzt sehr schnell weitergehetzt in Ihren Ausführungen. Aber ich möchte schon noch mal auf die Sache Berlin zurückkommen

und Sie fragen, ob Sie vorhin Herrn Kuschel zugehört haben, als er über die Unterschiedlichkeit von Grundstückseigentümern in Ost und West gesprochen hat und gesagt hat, dass es in Thüringen wenn ich selber richtig zugehört habe 16.000 Grundstückseigentümer gibt, die Hartz-IVEmpfänger sind und in selbstgenutztem Wohneigentum wohnen? In dem Zusammenhang möchte ich Sie als Zweites fragen, ob Sie zugestehen, dass die Unterschiedlichkeit von Grundstückseigentümern in einer Stadt wie Berlin und dem Land Thüringen auch unterschiedlich sein kann und man deshalb auch als LINKE zu unterschiedlichen Positionen kommt?

Selbstverständlich, Frau Berninger, das steht Ihnen völlig frei. Zunächst: Wenn es in Berlin eine solche rechtliche Regelung gibt und, wie Herr Kuschel eben schon angeführt hat, dadurch extrem wenige Beiträge, Straßenausbaubeiträge, bezogen werden konnten, ist es dennoch immer noch die Frage, ob ein Gesetz deswegen gut oder schlecht ist, wie viel Steuereinnahmen oder wie viel Beiträge ich daraus generieren kann. Es ist steuerlich sicherlich relevant, rechtlich aber nicht. Zweitens: Sie führen auch immer das Land Baden-Württemberg an. Dort gibt es auch keine Straßenausbaubeiträge. Soweit ich weiß gehört Baden-Württemberg nicht zu den fünf neuen Bundesländern, sondern zu den alten und gebrauchten. Da kann man Berlin eben genauso mit Ost und West ebenso wenig vergleichen wie Thüringen. Da gebe ich Ihnen schon recht, aber dann eben auch nicht Baden-Württemberg. Das muss man mal so sagen.

(Abg. Kuschel)

Sie haben geschrieben, Herr Kuschel, die Kosten sollen möglichst von allen Bürgern getragen werden, von allen Bürgern, also auch den Grundstückseigentümern, die normalerweise nach dem Grundsteuergesetz eventuell befreit sein können. Ich weiß es nicht, es steht zumindest nicht drin in dem Gesetzentwurf. Vielleicht können wir ihn dann noch einmal im Ausschuss diskutieren. Wir haben dann auch noch die Frage, wie es denn mit der Gleichbehandlung der Gemeinden steht, die künftig von einer Erhebung dieser Infrastrukturabgabe absehen wollen. Das steht da auch nicht drin. Dann noch die Frage, Sie schreiben: Für Grundstücke, für die bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits ein Straßenausbaubeitrag festgesetzt ist - so sinngemäß -, erfolgt eine Verrechnung der Infrastrukturabgabe in einem Zeitraum von höchsten 20 Jahren. Was ist jetzt mit dem Grundstückseigentümer, bei dem der bereits gezahlte Straßenausbaubeitrag mal angenommen höher ist, als die über einen Zeitraum von 20 Jahren zu verrechnende Infrastrukturabgabe? Das wird es auch geben. Das kann man bei diesem Gesetzentwurf hier munter so weitertreiben, aber das muss man gar nicht, denn das Hauptproblem dieses Gesetzentwurfs will ich mal als Schlagsahnehäubchen zum Schluss benennen. Herr von der Krone hat das bereits getan. Es gibt in der Bundesrepublik eine Gesetzgebungskompetenz, auch was Steuern betrifft. Was diese Infrastrukturabgabe angeht, heißt sie zwar „Infrastrukturabgabe“, aber ich denke, es ist durchaus möglich, dass sie rein materiell rechtlich kein Beitrag, sondern als eine Steuer zu betrachten ist. Wenn das so sein sollte - es kann ja sein, ich irre mich -, dann bekommen Sie mit der Verfassung Ärger. Ich weiß nicht, ob Sie das überhaupt haben prüfen lassen, wenn ja, von wem. Aber diese Gefahr besteht zumindest.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: So etwas prüft doch Kuschel selber.)

Es wird immer unterschwellig gesagt, wenn dieser Gesetzentwurf hier im Parlament keinen Erfolg findet - das habe ich auch schon gehört im Vorfeld -, da werden wir eben ein Bürgerbegehren initiieren, aber es wäre dann auch mal an der Zeit, wenn Sie so etwas sagen, die Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit Ihres Gesetzentwurfs zu erklären, denn da würde nämlich im Umkehrschluss auch dieses Bürgerbegehren kassiert, wenn das nicht verfassungskonform ist. Herr Kuschel, Sie wissen - ich habe das eingangs gesagt -, wie viele Menschen in Thüringen darauf warten, dass das Beitragsrecht im Freistaat transparenter wird. In meinem Landkreis hat die Bürgerinitiative oder Bürgerallianz eine Mitgliederzahl von mehr als 3.000 Menschen nur allein im Landkreis Gotha, das muss man sich hier mal vorstellen, manche großen Volksparteien träumen von solchen Mitgliederzahlen. Ich bin ja mehrfach mit Ihnen gemeinsam zu

solchen Versammlungen und Veranstaltungen dieser Menschen gewesen. Ich glaube, ich darf auch sagen, dass ich ein recht entspanntes Verhältnis habe z.B. zu Herrn Hammen als Vorsitzenden dieser Bürgerallianz oder zu den Vorsitzenden der Bürgerinitiative in Gotha, Herrn Ponick, den ich genauso kenne, der seit Jahren eine sehr engagierte Arbeit leistet. Diese vielen Menschen landauf, landab, deren Interessen hier von denen vertreten werden, die hätten eigentlich mehr erwarten dürfen als dieses Stückwerk, das Sie heute hier eingebracht haben.

(Beifall SPD)

Die Grundzüge Ihres Gesetzentwurfs sind nicht neu. Die Vorschläge der Bürgerallianz werden auch bei der Weiterentwicklung des Straßenausbaubeitragsrechts einbezogen und das findet statt, auch wenn das heute gar nicht so groß angesprochen wurde. Sie wissen, dass die Landesregierung ja einen eigenen Gesetzentwurf einbringen wird. Der ist im Übrigen schon seit langer Zeit auf der Homepage mit allen Eckpunkten veröffentlich und nachzulesen. Ich möchte das hier noch einmal ausdrücklich betonen, dass ich den Interessenverbänden, die sich in unterschiedlichster Weise bei der Erstellung dieses Gesetzentwurfs der Landesregierung eingebracht haben, ausdrücklich danke. Diese Menschen, die hier vor vier Wochen auch noch vor dem Landtag demonstriert haben, die haben einen langen Weg hinter sich und einen fast zwei Jahrzehnte langen Weg auch des herausragenden Engagements. Ich bleibe dabei, sie haben einen Gesetzentwurf verdient, der rechtlich belastbar ist, der nachvollziehbar ist bei der Gegenfinanzierung, vor allem muss er verfassungskonform sein. Ich glaube, dieser Gesetzentwurf hier ist dies alles nicht.

Aber, wie schon eingangs erläutert, wenn wir die Fragen, die ich jetzt aufgeworfen habe, klären wollen - Herr von der Krone hat es dankenswerterweise ja schon getan, und das haben die Menschen draußen im Land auch verdient -, dann sollten wir diesen Gesetzentwurf im Ausschuss auch auf Herz und Nieren prüfen. Deshalb beantrage ich hier, Frau Präsidentin, die Überweisung an den Innenausschuss als federführendem Ausschuss und an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten. Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD)

Und der Präsident dankt Ihnen.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, ich rufe als nächsten Redner auf den Abgeordneten Adams von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Abg. Hey)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, zunächst möchte ich eingehen auf meine Vorredner, insbesondere auf Herrn Hey und Herrn von der Krone. Herr Hey, Sie haben damit angefangen, dass Sie gesagt haben: Ja, was ist das nun, ist es ein Gesetzentwurf oder sind es Eckpunkte? Es ist ein Gesetzentwurf, den wir sehr ernst meinen. Es ist ein Gesetzentwurf, der auf Grundlage der Bürgerinitiativen entstanden ist. Insofern verstehe ich Ihre Kritik, in der Sie differenzieren wollen zwischen dem Anliegen der Antragsteller und dem Anliegen der Bürgerinitiativen, nicht wirklich und sie passt an dieser Stelle, glaube ich, auch überhaupt nicht vernünftig.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Weiterhin möchte ich Ihnen recht geben, falls ich Sie richtig verstanden habe, dass Sie meinen, dass der Genosse Nelke von der PDS in Berlin irrt. Ja, er irrt, da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Bevor Sie mich mit Stimmen aus meiner Partei konfrontieren, will ich Ihnen sagen, dass Sie innerhalb der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN überhaupt keine politischen Entscheidungsprozesse oder Debatten finden werden, wo Sie nicht mindestens zwei Positionen finden. Am Ende setzt sich immer eine Position durch und mit der kann man mich dann auch gerne konfrontieren. In Thüringen wird sich die Position, die in diesem Gesetz dargelegt ist, durchsetzen und auch grünes Handeln leiten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Wer vertritt die andere Position bei Ihnen?)

Ich weiß nicht, wonach Sie suchen. Ich finde aber, dass Sie vielleicht die beiden Positionen, die sich permanent in der Regierungskoalition abbilden, sehr verehrter Herr Fraktionsvorsitzender der SPD, dass Sie da eigentlich genug zu tun haben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Kümmern Sie sich doch einfach nicht um unsere Wahrheitsfindung. Bei Ihnen gibt es genug Arbeit. Ich werde im Übrigen auch noch auf Sie zurückkommen.

Kollege Hey ist auch noch einmal auf dieses immer wieder genannte Argument eingegangen „Eigentum verpflichtet“. Wir müssen hier beachten, und Herr Kuschel hat das versucht schon mal kurz zu skizzieren, es sind halt zwei Dinge, die hier miteinander konkurrieren, nämlich Schutz und Verpflichtung des Eigentums. Wenn Sie immer wieder davon reden, dass Eigentum verpflichte, dann müssen wir einmal klarstellen: Hier geht es nicht um das Eigentum von Grundstücksbesitzern, sondern hier geht es um das

öffentliche Eigentum, auf denen wir diese Straßen bauen. Das ist ein riesiger Unterschied, den müssen Sie beachten in Ihrer Argumentation, sonst kommen Sie nämlich auf einen Abweg. Dann sind Sie in einer Sackgasse, da geht es nicht weiter. Da haben Sie sich dann verlaufen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen gibt es auch eine Sache, die Sie meiner Meinung nach nicht richtig recherchiert haben. Sie haben die Frage gestellt: Wie machen wir das denn beispielsweise mit einem Friedhofsgrundstück?

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Machen Sie sich mal keine Sorgen.)

Von der Grundsteuer befreit würde man ja jetzt die Infrastrukturabgabe zahlen müssen. Sie müssen dabei beachten, dieses Grundstück, dieser Friedhof zahlt auch heute schon keinen Straßenausbaubeitrag. Damit wird er auch keine Infrastrukturabgabe zahlen. Das müssten Sie bei ordentlicher Lektüre bemerkt haben.

(Beifall DIE LINKE)

Auch hier noch eine letzte Anmerkung. Sie haben gesagt, es wäre vollkommen der falsche Weg, hier eine Steuer einzuführen, wir hätten die Kompetenz gar nicht. Wir führen keine Steuer ein, wir führen eine Abgabe ein. Das zeigt sich auch im Besonderen,

(Beifall DIE LINKE)

nämlich dort, wo Sie schauen, dass wir das nicht allgemeingültig wie eine Steuer umlegen, sondern Abrechnungsräume bilden, so wie das bisher auch schon möglich war. Hier wird deutlich, dass Ihr steuerrechtlicher Einwand außerordentlich hinkt.

Sehr geehrter Herr von der Krone, zunächst einmal muss ich sagen, ich hatte das nicht in meinem Manuskript, weil ich es nicht ahnen konnte: Ich bin Ihnen für Ihren Beitrag außerordentlich dankbar. Er war für meine Begriffe außerordentlich sachlich. Ich hatte anderes erwartet. Hier hat mich ein Konservativer wieder einmal positiv überrascht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das darf man durchaus einmal loben. Dennoch sind mindestens zwei Ihrer Gedanken recht irrig. Sie haben uns Kollektivismus vorgeworfen, Gleichmacherei. Jetzt erklären Sie mir doch einmal die Finanzierungsmodelle für eine Bundesautobahn. Ist die ganze Bundesrepublik ein gleichmacherischer Staat, ein kollektivistischer Staat, nur weil wir alle zusammen die Bundesautobahn, ob man bekennender Radfahrer, bekennender Fußgänger, bekennender Vielflieger oder weiß der Kuckuck was ist - alle zahlen für die Bundesautobahn mit. Hier hinkt Ihr Argument des Kollektivismus. Oder nehmen Sie ein Argument, das uns beiden sicherlich ganz genauso am Herzen liegt, nämlich das Argument der Aufbau Ost - ich finde eine riesige Kollek