Ich glaube, dass wir die Chance, die in dem Transportweg Wasser liegen, nutzen sollten, weil die Schiene überlastet ist und sich die Straße als Transportweg für große Gütermengen dauerhaft nicht eignet. Wenn damit die Möglichkeit verbunden ist, in Berlin Brücken auszubauen und dafür Bundesmittel zu bekommen, sollten wir sie nutzen und uns im Rahmen eines neuen Planfeststellungsverfahren dafür einsetzen, alles unter einen Hut zu bringen: die wirtschaftliche Entwicklung, die Entwicklung der Wasserstraßen und die Berücksichtigung von Natur und Umwelt, insbesondere im Uferbereich, selbstverständlich auch in Spandau. Ich halte das für möglich.
Frau Senatorin! Sie sprachen die Uferbereiche der Spree in Spandau an. Ist es aus Sicht Ihrer Verwaltung möglich, am nördlichen Spreeufer einen Rad- und Wanderweg, der schon lange in den Berliner Planungen vorgesehen ist, entstehen zu lassen, der ca. vom Kraftwerk Reuter bis zur Mündung der Spree in die Havel reicht?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bilaterale Gespräche mit der zuständigen Behörde lassen darauf schließen, dass die Notwendigkeit eines solchen Rad- und Wanderwegs in dem von Ihnen beschriebenen Bereich gesehen wird. Wir müssen darauf achten, dass bisher im öffentlichen Raum diskutierte Pläne, dafür in großem Umfang Bäume fällen zu wollen, sehr kritisch betrachtet werden. Auf der einen Seite wissen wir – auch unterstützt durch das bezirklich zuständige Natur- und Umweltamt –, dass es mit Sicherheit erforderlich und notwendig ist, sich um den Baumbestand zu kümmern, die Standsicherheit zu prüfen und zu sehen, was man tun kann. Auf der anderen Seite wissen wir, dass durch die Ufergestaltung und insbesondere durch die Neigung des Ufers im Wasser Voraussetzungen geschaffen werden müssen, die einen solchen Uferweg schützen und beständig halten. Wir müssen also dafür sorgen, dass hierbei Technik und Naturschutz
zusammenkommen. Ich glaube, dass das seit der neuerlichen Entscheidung der Wasserbehörde möglich ist.
Jetzt geht es weiter mit der Anfrage des Kollegen Behrendt von der Fraktion Bündnis 90. – Bitte schön, Herr Behrendt!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage die Senatorin für Justiz, ob es zutrifft, dass wegen laufender Bauarbeiten in der Jugendstrafanstalt in größerem Umfang Freiflächen und insbesondere Sportflächen wegfallen werden, und ob diese Bauarbeiten wahrheitswidrig damit begründet werden, dass es Anforderungen im neuen Strafvollzugsgesetz gebe und man deshalb solche Bauarbeiten durchführen müsse.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Behrendt! Es trifft zu, dass in der Jugendstrafanstalt Bauarbeiten durchgeführt werden. Sie haben zum einen mit dem Ausbau des neuen Hafthauses zu tun, das der Jugendstrafanstalt zugeschlagen worden ist. Sie haben aber auch damit zu tun, dass wir an dem Sicherheitskonzept weitergearbeitet haben und zusätzliche Sicherungsmaßnahmen durchführen werden. Es kann und wird sicherlich im Einzelfall zu Einschränkungen kommen. Die Frage, in welchem Umfang diese Einschränkungen derzeit gegeben sind, kann ich Ihnen im Moment nicht beantworten.
Ansonsten ergibt sich selbstverständlich keine Einschränkung aus dem Jugendstrafvollzugsgesetz. Im Gegenteil: Das neue Jugendstrafvollzugsgesetz ist darauf ausgerichtet, gerade die Freizeit- und Sportmöglichkeiten auszuweiten.
Frau Senatorin! Wie soll die Anforderung, dass es mehr Sport für die Gefangenen geben soll – was ja auch Sport im Freien bedeutet –, erfüllt werden, wenn an dem Ort, wo sich gegenwärtig der Sportplatz befindet, ein neuer Zaun gebaut wird?
Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Behrendt! Es handelt sich hierbei um vorübergehende Baumaßnahmen, und wir werden versuchen, die Einschränkungen so gering wie möglich zu halten. Ich hoffe, dass wir, bis das Wetter auch wieder besser ist, mit den Baumaßnahmen so weit fortgeschritten sind, dass die Einschränkungen gering gehalten werden können.
Für die gemeinsame Besprechung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redner aufgeteilt werden kann. Für die Linksfraktion hat Herr Kollege Liebich das Wort.
[Stefan Liebich (Linksfraktion): Nein, zuerst der Kollege von der SPD! – Weitere Zurufe von der Linksfraktion]
Herr Jahnke soll beginnen. Gut! Dann lassen wir Herrn Jahnke beginnen. – Herr Jahnke von der Fraktion der SPD hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Europäische Gerichtshof hat ein Urteil gesprochen, und zwar aufgrund eines Vorabentscheidersuchens des Oberlandesgerichts Celle, die Auslegung des Artikels 49 EG-Vertrag in einem konkreten Fall zu entscheiden. Es ist wenig hilfreich, vorschnell in programmierte politische Reflexe zu verfallen und beispielsweise den Jubel darüber anzustimmen, dass der EuGH angeblich das neue Berliner Vergabegesetz und die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn gleich mit versenkt habe, oder antieuropäische Töne anzustimmen.
Vielmehr muss der durch das Gericht entschiedene Fall genau betrachtet werden, um die Konsequenzen für die wahrlich nicht einfache juristische Materie des Vergaberechts auf europäischer, auf nationaler und auf Landes
Es geht zunächst einmal um das Vergabegesetz des Landes Niedersachsen. Darin ist eine Tariftreueklausel für die Baubranche enthalten ähnlich der, wie sie das Berliner Vergabegesetz für den Baubereich auch schon vor der Novelle vom vorigen Monat vorsah. Über die Rechtmäßigkeit dieser Tarifklausel im Berliner Vergabegesetz hatte das Bundesverfassungsgericht im Juli 2006 zu befinden, und es kam zu dem Ergebnis, dass die Forderung nach Tariftreue bei öffentlichen Ausschreibungen dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland entspricht.
Nach § 97 Abs. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, das die Grundlage für hiesige Ausschreibungen ist, können neben den maßgebenden Kriterien, dass ein Unternehmen fachkundig, leistungsfähig und zuverlässig sein muss, weitere Forderungen an den Auftragnehmer gestellt werden, sofern sie durch Bundesgesetz oder Landesgesetz geregelt sind. Hiermit haben wir also in Berlin die Möglichkeit gehabt, ein solches Landesgesetz zu erlassen, was im Jahr 1999 auch geschehen ist. Dieses Gesetz sah im Baubereich zusätzliche Bedingungen im Hinblick auf Tariftreue und Ausbildungsquote vor. Das Bundesverfassungsgericht sah hierbei weder Artikel 9 Grundgesetz und insbesondere die sogenannte negative Koalitionsfreiheit noch den Schutzbereich des Artikels 12 Grundgesetz tangiert.
Im Fall des Baus einer Haftanstalt in Niedersachsen verpflichtete sich der Auftragnehmer zur Tariftreue, während sein polnischer Subunternehmer lediglich 47 Prozent des betreffenden Tariflohnes zahlte. Nach Konkurs des Auftragnehmers verlangte die öffentliche Hand eine Vertragsstrafe in Höhe von 1 Prozent der Bausumme – ca. 85 000 €. Der Europäische Gerichtshof sieht nun jedoch eine Tariftreueklausel, die dem öffentlichen Auftraggeber vorschreibt, Aufträge für Bauleistungen nur an solche Unternehmen zu vergeben, die sich bei der Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Arbeitnehmer bei der Ausführung der Leistungen mindestens den am Ort der Ausführung tarifvertraglich vereinbarten Lohn zu zahlen, im Widerspruch zur Entsenderichtlinie der EU. Er erklärte daher die entsprechende Klausel im niedersächsischen Vergabegesetz für nichtig und entschied damit im Ergebnis, dass der klageführende Konkursverwalter nicht zur Zahlung der Strafe verpflichtet werden kann.
Was ist die politische Folgerung aus diesem Urteil? – Der niedersächsische Wirtschaftsstaatssekretär Werren von der FDP forderte selbstverständlich sofort die Abschaffung des niedersächsischen Vergabegesetzes. Dies entspricht dem Vorgehen der FDP andernorts. Hier in Berlin hat die FDP ebenfalls vor einiger Zeit die völlige Abschaffung unseres Vergabegesetzes gefordert, was wir jedoch abgelehnt haben. Wir haben vielmehr eine Novelle des Vergabegesetzes im Abgeordnetenhaus eingebracht, die genau heute vor vier Wochen hier beschlossen wurde.
An der Zielsetzung dieses Gesetzes haben wir keinerlei Abstriche zu machen. Es geht darum, dass Menschen von ihrer Hände Arbeit leben können und Dumpinglöhne kein Wettbewerbsvorteil sein dürfen.
[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen – Henner Schmidt (FDP): Das muss das Arbeitsrecht regeln!]
Dazu kommen wir gleich. – Ein flächendeckender Mindestlohn wäre auch im Einklang mit der Entsenderichtlinie der EU. Der Einwand des EuGH bezog sich nur darauf, dass ein nicht allgemeinverbindlicher Tariflohn zur Grundlage der Ausschreibung gemacht wurde. Übrigens plädierte der Generalanwalt beim EuGH, dem das Gericht normalerweise meist folgt, durchaus dafür, die Klage des Insolvenzverwalters abzuweisen, da der polnische Subunternehmer mit 47 Prozent des Tariflohnes auch den im deutschen Baugewerbe gesetzlich allgemeinverbindlichen Mindestlohn unterschritt. Doch der EuGH hob ausschließlich auf die gesetzliche Formulierung ab, der Tariflohn sei zu zahlen und dies könne – so die Auffassung der Richter – dann aber nur ein allgemeinverbindlicher Tariflohn sein.
Das Dilemma wird hieran deutlich: Der EuGH hat keineswegs einem gesetzlichen Mindestlohn eine Absage erteilt, was auch verwunderlich wäre, denn in 21 EUStaaten gilt ein gesetzlicher Mindestlohn. Der EuGH fordert vielmehr im Grunde genommen die Bundesregierung auf, tätig zu werden. Das muss sie nach unserer Auffassung auch. Sie muss sowohl darauf hinwirken, dass die Entsenderichtlinie mehr Raum für nationale Regelungen schafft, als auch für eine stringentere Praxis bei der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tariflöhnen sorgen.
Am besten wäre aus unserer Sicht die Einführung eines landesweiten Mindestlohnes, den es beispielsweise in Großbritannien seit 1999 gibt, ohne dass negative Wirkungen auf die Beschäftigung sichtbar wären. Studien zeigen, dass gerade im Niedriglohnbereich die Beschäftigung nach Einführung des Mindestlohns zugenommen hat. Bei uns wird hingegen von Union und FDP ideologisch dagegengehalten und die Mär verbreitet, ein Mindestlohn bewirke Arbeitslosigkeit.
Das ist zumindest nirgendwo belegt. Es gibt viele Studien dazu, und auch das Beispiel aus Großbritannien spricht nicht dafür, sondern dagegen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch auf ein anderes Urteil zurückkommen, das unser Berliner Verwaltungsgericht am 7. März 2008 gefällt hat. Hier ging es um die Allgemeinverbindlichkeit im Bereich der Postdienstleistungen, die das Bundesarbeitsministerium vorgenommen hat: 9,80 € für den Westen, und 9 € für den Osten.
Das wurde vom Gericht für nicht rechtens erklärt. Aus welchem Grund wurde das getan? – Das wurde aus dem Grund getan, weil sich dieser Tarifvertrag auch auf anderweitig tariflich gebundene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beziehen sollte, und diese gäbe es im Bereich der PIN AG, TNT usw. Führen Sie sich einmal vor Augen, was das bedeutet! Wir haben noch die eigenartige Aktion nach Jubelperser-Manier vor Augen, sogenannte Gewerkschafter vor das Brandenburger Tor zu karren,
die dann skandieren: Wir fordern bezahlbare Löhne – oder Ähnliches. Das ist völlig unsinnig. Wenn man solche Gewerkschaften, die sich in jedem Bereich sofort gründen ließen, als Hinderungsgrund dafür ansieht, einen Lohn als allgemeinverbindlich zu erklären, dann wird man das in keinem Bereich mehr hinbekommen.
Diese Pseudogewerkschaft der neuen Brief- und Zustelldienste hat eigenen Angaben zufolge 1 300 Mitglieder. Das ist ein Minimum gemessen an denen, die normalerweise in diesem Bereich in Deutschland tätig sind. Wenn man einer solchen Minderheit quasi die Möglichkeit eines Vetos gibt, dann wird man nicht weiterkommen. Das heißt: Beim Entsendegesetz besteht Verbesserungsbedarf!
Fazit des Ganzen: Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs betrifft indirekt auch das Berliner Vergabegesetz. Dieses Gesetz ist in Berlin nach wie vor geltendes Recht, allerdings droht jede Vergabe bei Anwendung anfechtbar zu werden. Wir können uns nicht erlauben, dass jede Vergabe vor der Vergabekammer landet und dort negativ beschieden wird. Allerdings können wir uns auch nicht erlauben, den „toten Käfer“ zu spielen und so lange, bis diese Frage geklärt ist, überhaupt keine Vergaben mehr zu machen, denn diese machen wir nicht aus Jux und Tollerei, sondern deshalb, weil sowohl das Land als auch die Unternehmen des Landes dringend Güter und Dienstleistungen zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Also müssen wir auf der Basis der jetzt geltenden Gesetze Vergaben machen, da wir keine andere Wahl haben. Eine Vergabe auf Basis des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen – GWB – und des Entsendegesetzes bleibt selbstverständlich möglich. Dies sichert zumindest im wichtigen Baubereich, aber auch in einigen anderen Bereichen, die im Entsendegesetz aufgenommen worden sind, den Mindestlohn. Die Bundesregierung bleibt aufgefordert, vor der Europäischen Union tätig zu werden, damit unser Gesetz insgesamt wieder EU-konform ist. – Vielen Dank!