Protokoll der Sitzung vom 30.11.2017

Es ist aber auch kein Geheimnis an dieser Stelle – ich sage das hier deutlich –, dass wir bei besonderen Gewalttätern, bei Menschen, von denen ebenfalls Gefährdungen von Leib und Leben der Berlinerinnen und Berliner ausgehen, handlungsfähig werden wollen. Das ändert aber nichts an der grundsätzlichen Haltung, dass wir Direktabschiebungen als das Instrument betrachten, für die wir keine richterlichen Anordnungen benötigen, und dass von dem Instrument des Abschiebungsgewahrsams in Berlin bisher kein Gebrauch gemacht werden musste.

Auch der Vorwurf des besonders tragischen Falls, den wir im Innenausschuss erörtert haben, hat sich ja dann in der näheren Untersuchung als falsch herausgestellt. Dort war die Möglichkeit, Abschiebungshaft zu verhängen, nicht möglich, und deswegen sehe ich jetzt keinen Grund, an der Praxis des Landes Berlin etwas zu ändern.

Vielen Dank! – Für die letzte Nachfrage hat der Kollege Wansner das Wort.

Herr Senator! Kann ich Ihre beiden Antworten so verstehen, dass man Äußerungen des Genossen Taş im Innenausschuss eben nicht mehr ernst nehmen kann und Sie sich von diesen Äußerungen distanzieren?

[Hakan Taş (LINKE): Ich bin nicht dein Genosse!]

Herr Senator!

Also, Herr Wansner, durchaus nicht. Ich habe Herrn Taş so verstanden, dass er darauf aufmerksam macht, dass jeder Einzelfall sorgfältig geprüft wird, dass dieses Instrument der Abschiebung nicht willkürlich genutzt wird,

sondern dass wir sehr genau nach humanitären Gesichtspunkten entscheiden. Wir haben die Praxis im Land Berlin dort durchaus verändert, und dass der Kollege Taş darauf hinweist, habe ich als sachdienlichen Hinweis empfunden.

Vielen Dank!

Für die nächste Frage hat der Kollege Friederici das Wort.

Danke, Frau Präsidentin! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage den Senat: Weshalb lässt sich der Senat die kurzfristige Einstellung der Kindernotfallversorgung am Universitätsklinikum Benjamin Franklin der Charité in Berlin-Steglitz bieten, obwohl es offensichtlich schon seit längerer Zeit kein tragfähiges Personalkonzept gegeben hat? Was wollen Sie als Aufsichtsbehörde nun den Eltern und den Kindern sagen, die nach Steglitz gehen und Hilfe suchen? Wie können wir da vom Senat Abhilfe erwarten?

Herr Regierender Bürgermeister!

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Friederici! So weit sind wir noch nicht, dass wir das akzeptieren. Wir sind am 28. November vom Ärztlichen Direktor der Charité darüber informiert worden, dass die Charité das für Dezember und Januar plant, und bereits drei Stunden später hat der Staatssekretär dazu eine Telefonschaltkonferenz mit dem Ärztlichen Direktor und auch mit dem CharitéChef, Herrn Einhäupl, gemacht. Wir werden das auch in der Aufsichtsratssitzung am 11. Dezember noch einmal thematisieren.

Die Charité begründet diesen Schritt mit Personalengpässen beim Benjamin-Franklin-Standort, und man muss auch besprechen, wie die Personalausstattung ist. Denn in einer Ambulanz, einem Standort für die medizinische Kindernotfallversorgung muss es natürlich auch das entsprechende Fachpersonal geben. Insofern werden wir dem noch einmal nachgehen.

Die Charité hat versichert, dass natürlich weiterhin eine Versorgung in den Tageszeiten durch ein entsprechendes kinderärztliches Angebot sichergestellt ist, dass es eine Kooperation gibt zum Beispiel auch mit dem St. JosephKrankenhaus, das, wie Sie wissen, ja einen echten Schwerpunkt in der Kindermedizin aufgebaut hat, und dass es darüber hinaus auch ein Transportsystem gibt zwischen dem Standort Benjamin Franklin und dem

(Senator Andreas Geisel)

Virchow-Krankenhaus. – Insofern hat die Charité selbst schon Maßnahmen ergriffen.

Ich sage aber auch, dass ich einerseits sehr erstaunt bin über die Kurzfristigkeit der Ankündigung. Und zum Zweiten glaube ich auch, dass es insbesondere über die Feiertage, wo man nicht damit rechnen kann, dass es einen normalen Betrieb durch Kinderärzte in den vorhandenen Praxen auch in Steglitz-Zehlendorf gibt, auch ein sachgerechtes Versorgungsangebot am Standort Benjamin Franklin geben muss.

Insofern gehen wir dem weiter nach und werden das spätestens am 11. Dezember auch im Aufsichtsrat noch einmal thematisieren.

Der Kollege Friederici hat die Möglichkeit zur Nachfrage.

Vielen Dank, Herr Regierender Bürgermeister – ich danke Ihnen ausdrücklich für diese sehr fundierte Antwort! Ich frage aber dennoch noch einmal nach: Weshalb sind bei dem hervorragenden Ruf der Berliner Charité und auch bei dem hervorragenden Ruf des Vorstandsvorsitzenden Prof. Einhäupl dennoch immer wieder Personalfragen auffällig – sei es im Pflegebereich, sei es im Krankenversorgungsbereich, jetzt im Notfallbereich der Charité am Standort Steglitz –, wohingegen wir diese Personalprobleme bei dem anderen großen Krankenhauskonzern, den wir hier in Berlin haben, nicht sehen? Weshalb ist das charitétypisch? Können Sie Mutmaßungen anstellen, ob möglicherweise bei der Langfristigkeit von Personalkonzepten in der Charité noch deutlicher Optimierungsbedarf besteht?

Herr Regierender Bürgermeister!

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Friederici! Ja, das ist ein Thema, Personalkonzepte insgesamt im Medizin-, im Krankenhausbereich. Wir haben überall das Problem, entsprechendes Fachpersonal zu bekommen. Wir haben das Problem im öffentlichen Gesundheitsdienst, Fachpersonal zu bekommen. Die Gesundheitssenatorin konnte nun das Stellenangebot deutlich ausweiten, aber man muss dafür auch erst einmal die Menschen bekommen. Wir haben ein großes Thema im Pflegebereich. Sie wissen, dass es bundesweit bei allen Parteien in der Diskussion ist, diesen Versorgungsbereich deutlich aufzuwerten, was Ausbildung und Bezahlung anbelangt, um Menschen für diese Laufbahn zu interessieren. Das schlägt durch bis in den medizinischen, in den ärztlichen Bereich. Wir

haben überall dieses Personal- und Nachwuchsthema. Das ist so. In der Charité haben wir uns tatsächlich in der letzten Zeit insbesondere im Pflegebereich damit auseinandersetzen müssen, woher wir das entsprechende Fachpersonal bekommen.

Die Charité ist da dran. Es gibt die entsprechenden Personalkonzepte, die nun umgesetzt werden müssen. Ich glaube, das muss man nicht zwingend mit dem Thema in Verbindung bringen, das Sie eigentlich angesprochen haben: die Versorgung der Kinder. Es geht nicht um eine Schließung dieses Standortes für Kinder, sondern um ein Aussetzen für zwei Monate, bis sich die Personalsituation wieder entspannt hat.

Der Standort Benjamin Franklin ist uns wichtig. Er wird auch weiter ertüchtigt, personell, aber auch was Investitionen angelangt. Es steht jetzt ein extra Budget in Höhe von 50 Millionen Euro für dringend erforderliche Baumaßnahmen in Steglitz-Zehlendorf zur Verfügung. Das macht deutlich: Dieser Standort ist uns wichtig. Wir werden auch darauf dringen, dass es spätestens nach dieser Phase von zwei Monaten wieder ein sachgerechtes Angebot für Kinder gibt. Aber, ich betone es nochmals: Ich will daran bleiben, ob nicht die Pläne, die die Charité uns für Dezember und Januar für die Kindermedizin, die Kinderambulanz vorgelegt hat, noch einmal verändert werden können. Ich glaube, hier muss es ein lückenlos gutes Angebot für die Eltern und die Kinder über die Feiertage geben. Dem werden wir noch einmal nachgehen.

Weitere Nachfragen gibt es nicht.

Dann hat die Kollegin Kühnemann die Möglichkeit zur nächsten Frage.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Morgen, am 1. Dezember, begehen wir wie jedes Jahr den Weltaidstag. Vor dem Hintergrund, dass sich Berlin 2016 der „Fast-Track Cities Initiative to End Aids“ angeschlossen hat, frage ich den Senat nach dem aktuellen Stand der Umsetzung der Ziele dieser Initiative.

Frau Senatorin Kolat – bitte!

Frau Präsidentin! Frau Abgeordnete Kühnemann! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Weltaidstag haben der Regierende Bürgermeister und ich noch einmal bekräftigt, dass wir an den Zielen der Fast-Track-Cities

(Regierender Bürgermeister Michael Müller)

Initiative entschieden festhalten und auch sehr entschlossen sind, diese umzusetzen. Ziel ist, Aids in Berlin komplett zu eliminieren. Das ist ein sehr ehrgeiziges Ziel. Ich glaube aber, wenn Parlament und Senat dabei eng zusammenarbeiten, wird uns das gelingen.

Was heißt das für die Umsetzung? – Wir haben uns vorgenommen, die Strategie zur Bekämpfung von Aids neu auszurichten. Dafür hat meine Verwaltung alle Akteure in der Stadt an einen Tisch geholt. Wir haben mehrere Workshops durchgeführt – an zweien habe ich auch selbst teilgenommen –, um detailliert zusammenzutragen, wo Berlin noch besser werden muss. Wir haben bei diesen Workshops festgestellt, dass wir bei der Umsetzung der 90-90-90-Strategie klare Punkte haben, bei denen wir besser werden müssen. Wir haben in Berlin ungefähr 16 000 Menschen, die mit HIV und Aids leben. Wir wissen aber, dass 1 700 Personen – das ist ein Schätzwert – noch gar nicht wissen, dass sie HIV-positiv sind. Das ist der erste Punkt, bei dem wir besser werden müssen. Wir müssen dahinkommen, dass Menschen, die HIV-positiv sind, über ihren Status Bescheid wissen. Das bedeutet: Verstärkung der Testmöglichkeiten. Es ist unheimlich wichtig, diesbezüglich auch in Berlin noch einmal nachzulegen.

Punkt zwei ist: Die Menschen, die positiv getestet sind, müssen so schnell wie möglich in eine Therapie. Auch hier hat Berlin Nachholbedarf. Weshalb sind die Wege so lang? – Es gibt viele Gründe, weshalb die Menschen nicht den direkten Weg in die Therapie finden. Manchmal wird das ein bisschen verharmlost. Aber die schnelle Therapie, das wissen wir inzwischen, ist wichtig, um eine schnelle Heilung hinzubekommen, vor allem aber auch, damit infizierte Menschen keine weiteren Menschen anstecken.

Hier wird eine Maßnahme des Senats, mit Unterstützung des Parlaments, eine große Rolle spielen, nämlich Menschen zu erreichen, die aus anderen Ländern kommen und hier keinen Zugang zu einer Behandlung haben. Wir wollen über die Clearingstelle erreichen, dass dieser Personenkreis schneller zu einer Therapie kommt – über einen anonymen Krankenschein beispielsweise. Das sind die Bereiche, die wir zunächst einmal identifiziert haben.

Ich als Gesundheitssenatorin werde natürlich auch mit der Kassenärztlichen Vereinigung, mit den Hausärztinnen und Hausärzten weiter verstärkt daran arbeiten, dass nicht nur die Schwerpunktpraxen, sondern alle niedergelassenen Ärzte mithelfen, dass das Testen noch mehr stattfindet, aber vor allem auch der schnelle Einstieg in die Therapie gelingt.

Als vorletzten Punkt möchte ich vor diesen 90-90-90, die erst dann ansetzen, wenn jemand infiziert ist, das Thema Prävention nennen. Das ist eine Weiterentwicklung der Strategie, dass wir gar nicht erst wollen, dass sich Men

schen infizieren. Deswegen wird es in Berlin ein Modellprojekt geben müssen, dass wir das Medikament, das es aufgrund des medizinischen Fortschritts Gott sei Dank gibt, auch in Berlin modellhaft einsetzen. Es ist gut, dass der Preis für PrEP, für die Prä-Expositions-Prophylaxe, mit 50 Euro günstig ist. Wir wissen aber, dass nicht alle Menschen darankommen. Wir wissen, dass Menschen auch aus Kostengründen nicht mit einem Medikament vorbeugen. Deswegen ist Prävention sehr wichtig und über PrEP zu vermeiden, dass sich Menschen infizieren.

Der letzte Punkt ist die Nullstrategie. Wir wollen, dass Aids und HIV kein Tabuthema sind, dass sie nicht dazu führen, dass Menschen diskriminiert und ausgegrenzt werden, dass sie Angst haben, sich testen zu lassen, weil sie Ausgrenzung befürchten. Deshalb ist es im Rahmen der Strategie unheimlich wichtig, dass wir gegen Diskriminierung Flagge zeigen. Ich möchte mich ganz herzlich bei den Koalitionsfraktionen bedanken, die gestern verkündet haben, dass noch einmal ordentlich Geld für diese Strategie bereitgestellt wird. Mit diesen zusätzlichen Mitteln werden wir diese Strategie in Berlin erfolgreich umsetzen und damit Aids eliminieren können.

Abschließend möchte ich zu der Diskriminierungsfrage sagen: Ich halte nichts von Ideen wie beispielsweise von AfD-Abgeordneten in anderen Bundesländern, zu fordern, dass Menschen, die Aids haben, gelistet werden sollen. Da müssen wir ein klares Nein sagen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – [Beifall von Dr. Kristin Brinker (AfD) und Frank-Christian Hansel (AfD)]

Aids und HIV gehören in die Mitte unserer Gesellschaft, und der Umgang damit muss zur Normalität werden.

Vielen Dank! – Nun gibt es eine weitere Nachfrage vom Kollegen Walter.

Vielen Dank, Frau Senatorin, auch dafür, dass Sie noch einmal darauf hingewiesen haben, dass sich die Koalitionsfraktionen in der Tat darauf geeinigt haben, dieses Modellprojekt PrEP, das Sie gerade genannt haben, tatsächlich auf den Weg zu bringen und dafür Ihrer Verwaltung in den kommenden zwei Jahren über 2 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Mich interessiert, wie schnell wir damit vorangehen können. Haben Sie bereits Planungen, wie wir das umsetzen können? Wann geht es los mit PrEP – das sind die Fragen, die die Menschen in der Stadt beschäftigen. – Vielen Dank!

Frau Senatorin!

(Senatorin Dilek Kolat)

Wir sind gut vorbereitet, weil wir diese Workshops gemacht, mit allen Akteuren an einem Tisch gesessen und genau identifiziert haben, wie wir schnell in die Umsetzung kommen können. Die Mittel werden erst 2018 zur Verfügung gestellt, aber ich kann Ihnen versichern, dass wir in den Vorbereitungen schon so weit sind, dass wir sehr schnell loslegen können. Auch ich habe ein großes Interesse daran, dass wir international in diesem großen Netzwerk von Städten als Land Berlin Vorreiter sind, dass wir Aids hier sichtbar und deutlich bekämpfen.

Vielen Dank!

Dann hat der Kollege Isenberg die Möglichkeit zur nächsten Frage.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage den Senat, ich glaube, den Umweltsenat: Welche Auswirkungen sehen Sie bezüglich der gesundheitlichen Gefahren der Feinstaubbelastung? – Die WHO und auch das Umweltbundesamt gehen ja von 60 000 Todesfällen im Jahr in Deutschland aus. Wie schätzen Sie das auf Berlin heruntergebrochen?