Protokoll der Sitzung vom 21.03.2019

se die Frage, wie und mit wem wir zukünftig im Alter die Pflege leisten, von eminenter Bedeutung und ohne Zuwanderung praktisch gar nicht mehr zu beantworten. Das gilt auch für die Frage beispielsweise von Handwerkerdienstleistungen. Wer mal versucht hat, Handwerkerdienstleistungen zu erhalten, kann ein Lied davon singen.

Das sind Bereiche des Arbeitsmarktes, die ohne aktive Zuwanderungspolitik nicht mehr zu bewältigen sind, und gegenwärtig ist es politisch so, dass man im Wesentlichen in Deutschland nur illegal einwandern kann, wenn man denn auf dem Arbeitsmarkt Interessen hat. Das muss sich ändern.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Deshalb ist es so wichtig, dass das auf Bundesebene verändert wird, und deshalb hat dieses Fachkräfteeinwanderungsgesetz, wenn es denn vom Deutschen Bundestag beschlossen wird, durchaus historische Bedeutung, und darauf muss sich Berlin einrichten.

Die Berliner Ausländerbehörde ist mit Abstand die größte Ausländerbehörde Deutschlands. Wir haben etwa

400 000 Kundinnen und Kunden, die im Jahr vorsprechen. 12 Prozent der Aufenthaltstitel in Deutschland werden von der Ausländerbehörde Berlin erteilt, und es ist auch eine außerordentlich innovative Behörde. Wenn Sie also fragen, was sich ändert, sei gesagt, dass die Ausländerbehörde Berlin schon heute deutlich anders arbeitet als andere Ausländerbehörden Deutschlands üblicherweise. Ich verweise da beispielsweise auf den BusinessImmigration-Service, ein Angebot, das wir gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer und Berlin Partner eingerichtet haben und das sehr erfolgreich agiert. Man hat mit 600 Firmen angefangen, die bei dem BusinessImmigration-Service begonnen haben, Fachkräfte zu suchen, und inzwischen ist das auf 1 100 Firmen angewachsen. Das ist außerordentlich erfolgreich. Wir suchen dann unter Zuwanderern nach speziellen Fachkräfteprofilen, die von Firmen nachgefragt werden, und der Leiter der Berliner Ausländerbehörde ist in einem Arbeitskreis des Bundes vertreten, um dort im Vorgriff auf die Erarbeitung dieses Fachkräfteeinwanderungsgesetzes die Erfahrungen der Berliner Ausländerbehörde mitzuteilen. Also insofern arbeiten wir bereits heute innovativ und stellen uns dann organisatorisch zum Januar 2020 entsprechend auf.

Diese Eigenständigkeit führt zu einer organisatorischen Stärkung. Das ist zweitens ein politisches Signal, und ich gehe davon aus, dass Berlin dann für die nächsten Jahre und eigentlich für die nächsten Jahrzehnte in diesem Bereich gut aufgestellt sein wird. – Vielen Dank!

Frau Kollegin, wünschen Sie eine Nachfrage zu stellen? – Das ist nicht der Fall. Frau Demirbüken-Wegner, Sie

(Präsident Ralf Wieland)

hatten sich gemeldet? – Dann bekommen Sie das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Herr Senator! Ich würde gerne mit Blick auf den neuen Namen – die Ausländerbehörde hat jetzt ein Facelifting bekommen – wissen, welche strukturellen Veränderungen, sprich: Zielvereinbarungen, in der Behörde dahingehend getroffen wurden, dass interkulturellen Teams gebildet werden – mit Blick auf die Kundschaft – und die interkulturelle Öffnung plus Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiter ein stetiger Prozess sind?

Herr Senator!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete! Das ist bereits heute in der Berliner Ausländerbehörde der Fall. Wenn Sie sich die Mitarbeiterschaft anschauen – wir haben etwa 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter –, so besteht die bereits heute zu erheblichen Teilen aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Migrationshintergrund, sodass die Interkulturalität der Behörde bereits gegeben ist. Das ändert nichts daran, dass selbstverständlich eine kontinuierliche Aus- und Fortbildung erfolgen muss.

Die Berliner Ausländerbehörde ist außerdem die erste Behörde des Landes Berlin, die vollständig durchdigitalisiert ist und also auch die technischen Voraussetzungen hat, um die anfallende Menge von Kundinnen und Kunden tatsächlich zu bearbeiten. Ein Beispiel für die Leistungsfähigkeit der Behörde sei jetzt mal im Zusammenhang mit dem Brexit genannt. Seit 3. Januar dieses Jahres bieten wir speziell für britische Staatsangehörige, die sich in Berlin aufhalten, einen Service an, ihren Aufenthaltsstatus auch nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union zu sichern. Wir haben

18 000 Britinnen und Briten, die in Berlin wohnen. Bis Mitte März haben 8 000 britische Staatsbürger bereits digital, online einen Antrag gestellt, ihren Aufenthaltsstatus in Berlin zu wahren oder zu verlängern. Die Voraussetzungen sind dafür geschaffen.

Wir brauchen aller Voraussicht nach eine personelle Verstärkung der Behörde. Das ist eine Diskussion, die wir im Zusammenhang mit der Haushaltsaufstellung 2020/2021 führen müssen, um die Voraussetzungen zu schaffen, die Aufenthaltstitel in der erforderlichen Zeit erteilen zu können. Ja, die Behörde bereitet sich gegenwärtig darauf vor.

Ein Landesamt zu gründen, ist nicht ganz einfach. Wir haben im Zusammenhang mit dem Landesamt für Flücht

linge gemerkt, dass erhebliche organisatorische Aufwendungen erforderlich sind, um unseren ehrgeizigen Zeitplan einhalten zu können, das heißt, bereitzustehen, wenn die entsprechende Bundesgesetzgebung erfolgt. Wir werden beispielsweise einen Vertrag mit dem LABO abschließen, um die Zentralabteilung des LABO weiterhin für das neue Landesamt für Einwanderung zuständig zu halten, um auf diese Art und Weise die organisatorischen Voraussetzungen für eine arbeitende Behörde zu haben.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Anne Helm (LINKE)]

Die zweite Nachfrage geht an Herrn Krestel. – Sie haben das Wort. – Bitte schön!

Danke! – Herr Senator! Sie haben uns hier geschildert, dass Sie im Vorgriff auf ein zu erwartendes Bundesgesetz eine Behörde mitbegründen wollen. Wie genau können Sie denn vorab abschätzen, wenn das Gesetz noch im Bundestagsgeschäftsgang ist, wie diese Behörde aussehen wird und ob das Gesetz bei dem derzeitigen Zustand der Bundesregierung überhaupt zustande kommt?

Herr Senator! Sie haben das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Krestel! Das Bundesinnenministerium stimmt diesen Gesetzentwurf sehr eng mit den Fachleuten ab. Ich sagte schon, der Leiter der Berliner Ausländerbehörde ist Mitglied der Arbeitsgruppe, die mit dem Bundesinnenministerium zusammenarbeitet. Der Staatssekretär für Inneres und ich hatten in der vergangenen Woche einen Termin bei der Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, um dort bereits Abstimmungen im Vorgriff auf ein solches Gesetz vorzunehmen.

Da beide Partner der Regierungskoalition erklären, dazu zu stehen und diese seit Jahren faktisch erfolgende Zuwanderung nach Deutschland rechtlich zu untersetzen, gehe ich fest davon aus, dass eine solche Beschlussfassung erfolgt. Ich gehe auch deshalb davon aus, weil die Vertretung der deutschen Industrie, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, sehr deutlich erklärt, dass sie diese Fachkräftezuwanderung nach Deutschland braucht, dass sie sie will und dass die Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssen.

Die Beschlussfassung dieses Gesetzes ist nach bisheriger Planung des Bundesinnenministeriums nicht zu

(Präsident Ralf Wieland)

stimmungspflichtig. Es gibt also keine Befassung im Bundesrat. Insofern ist der zugegeben ehrgeizige Zeitplan, Beschlussfassung noch vor der Sommerpause und Inkrafttreten zum 1. Januar 2020, aus dieser Sicht gesichert.

Vielen Dank!

Die nächste Frage geht an die Fraktion der CDU. – Herr Friederici! Sie haben das Wort. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Ich frage den Senat: Wieso nimmt der Senat jetzt das Mittel des Luftreinhalteplans zum Anlass, flächendeckend Fahrverbote und weitere den Verkehr und die Stadt erlahmende 30er-Zonen durchzusetzen? Weshalb werden nicht endlich Maßnahmen erlassen, um sinnvoll in Berlin Fahrverbote zu verhindern?

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Für Frau Senatorin Günther spricht Herr Staatssekretär Tidow. – Sie haben das Wort. – Bitte!

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Abgeordneter! Die Luftreinhaltung ist ein wichtiges Anliegen des Senats aus Gründen des Schutzes der Bevölkerung im Hinblick auf die Gesundheit. Es ist gleichzeitig immer unsere Devise gewesen, Fahrverbote, wo möglich, zu vermeiden, so wenig, wie möglich, aber auch so viel, wie nötig.

[Zuruf von Stefan Förster (FDP)]

Um Fahrverbote zu vermeiden, greifen wir zu anderen Mitteln. Dabei ist die Ausweitung von Tempo 30 ein wichtiges Mittel der Wahl und die Parkraumbewirtschaftung, gerade um Fahrverbote zu minimieren.

[Stefan Förster (FDP): Abzocke!]

Es ist im Übrigen kein Mittel, das nur aus Gründen der Luftreinhaltung geboten ist. Sie werden es wissen: Die Koalition hat sich vorgenommen, die Parkraumbewirtschaftung im Laufe dieser Legislaturperiode auszuweiten. Insoweit ist es aus mehreren Gründen geboten, nicht nur wegen der Luftreinhaltung, sondern auch, um den Parksuchverkehr zu reduzieren und den großen Druck, den wir in den Bezirken haben, zu mindern.

Herr Friederici! Sie haben die Möglichkeit der Nachfrage. – Bitte!

Danke, Frau Präsidentin und Herr Staatssekretär! – Ich frage nach: Weshalb wird nicht aufgrund der neuen, von Bundestag und Bundesrat in der vorletzten Woche beschlossenen gesetzlichen Grundlagen künftig durch aktive Maßnahmen, wie zum Beispiel offenporiger Asphalt, saubere Straßen, Auflösung von Stau, die schnellere Abarbeitung von Baustellen, verhindert, dass es Fahrverbote gibt? Warum müssen immer Fahrverbote kommen?

Herr Staatssekretär, bitte!

Herzlichen Dank, Herr Abgeordneter! All das, was Sie nennen, sind sicherlich sinnvolle Maßnahmen, an denen wir auch sitzen, aber so zu tun, als ob wir dieses ernsthafte Problem durch die Einrichtung von Mooswänden oder dadurch, dass wir grüne Welle in allen Richtungen zu jeder Zeit machen, oder auch durch die von Ihnen jetzt genannten Maßnahmen bewältigen könnten, ist einfach eine Illusion.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf von der AfD: Wäre doch was!]

Wir kriegen die Grenzwerte mit diesen Maßnahmen nicht herunter. Wir wissen, dass wir die Ausweitung von Tempo 30, das Gericht hat uns das bestätigt, mit einem Minus von ungefähr fünf Mikrogramm ansetzen können. Wir wissen, dass die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung im Schnitt bis zu minus zwei Mikrogramm bringt, je nach Lage auch noch deutlich mehr. Das sind Maßnahmen, von denen wir wissen, dass sie wirken. Die von Ihnen genannten Maßnahmen sind sicherlich auch wünschenswert, aber werden niemals in dem erforderlichen Umfang die Luft in Berlin verbessern.

Die zweite Nachfrage geht an Herrn Daniel Buchholz. – Bitte! Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Staatssekretär! Da Sie dem Kollegen Friederici jetzt schon eine Illusion genommen haben, könnten Sie ihm vielleicht noch eine nehmen. Er hat offensichtlich vergessen, dass ein CSUBundesverkehrsminister ständig verhindert, dass die Hersteller in Regress genommen werden und eine blaue Plakette kommt. Könnten Sie bitte noch mal darstellen, was das Land Berlin tut, um das auf Bundesebene zu forcieren.

(Senator Andreas Geisel)

[Zuruf von der AfD – Stefan Evers (CDU): Nein! – Lachen bei der CDU und der FDP]

Herr Staatssekretär, bitte!

Sowohl die Hersteller in die Verhaftung, in die Haftung zu nehmen – –

[Beifall und Heiterkeit bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Gunnar Lindemann (AfD): Enteignen und verhaften!]

Ja, hier ist auch betrügerisches Verhalten, das muss man, glaube ich, ganz deutlich sagen, zu sehen. Insoweit wäre das Mittel der Wahl, dass die Bundesregierung wirklich ernst macht und die Hersteller zur Nachrüstung verpflichtet.