Protokoll der Sitzung vom 20.08.2020

Den Doktortitel nicht zu entziehen, ist nach meinem Kenntnisstand und einer ersten kurzen Auswertung des Gutachtens auch nicht etwas, was in dem Gutachten irgendwie beanstandet oder kritisiert wird, weder vom Verfahren noch vom Ergebnis her. Eine kritische Stellungnahme gibt es zu dem Teil der Rüge,

[Frank-Christian Hansel (AfD): Gibt’s gar nicht!]

weil da aufgrund des Gutachtens die Rechtsgrundlage wohl fehlt.

(Senator Andreas Geisel)

Das werden wir uns jetzt genau ansehen, aber aus unserer Sicht ist es dann geboten einzugreifen, wenn es kein rechtmäßiges, ordnungsgemäßes Verfahren gibt, das die FU umgesetzt hat. Das können wir nicht erkennen, sondern sie hat im Rahmen ihrer Entscheidungskompetenz gehandelt und die Rüge im Übrigen nicht als „Lex Giffey“ ausgesprochen, wie es teilweise in den Medien dargestellt wurde, sondern eben auch nach Erfahrungen, die sie zum Beispiel durch die Charité gemacht hat, die auch schon diesen Weg gegangen ist und Rügen ausgesprochen hat. Insofern hat sich die FU dann diesem Verfahrensweg angeschlossen. Wir werden das jetzt auf Grundlage des WPD-Gutachtens auch noch einmal überprüfen. Bisher – noch einmal – haben wir keine Grundlage für ein Eingreifen der Rechtsaufsicht gesehen.

Herr Kollege Grasse, wünschen Sie, eine Nachfrage zu stellen? – Dann bekommen Sie das Wort, bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident, und vielen Dank für die Beantwortung der Frage! – Herr Regierender Bürgermeister! Nach meiner Kenntnis wurden in anderen Verfahren keine Rügen erteilt; von der Charité ist in der Vergangenheit keine Rüge erteilt worden. Aber davon abgesehen: Ist Ihnen eigentlich klar, welches verheerende Signal Sie damit in die Gesellschaft und insbesondere an die vielen Nachwuchswissenschaftler senden, wenn eine prominente Genossin einen Ministerbonus erhält?

Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Grasse! Genau deswegen hat sich die Wissenschaftsverwaltung, haben Staatssekretär Krach und ich uns aus diesem Verfahren auch völlig herausgehalten.

[Zuruf von Marc Vallendar (AfD)]

Es ist Aufgabe der FU, ein ordnungsgemäßes Verfahren, und zwar jenseits von politischer Einflussnahme in die eine oder andere Richtung, umzusetzen. Darum geht es. Die FU muss in ihrer Verantwortung das Verfahren führen, die Kommission besetzen, begründen, warum sie zu dem entsprechenden Ergebnis kommt und das uns gemeinsam, dem Parlament wie der Verwaltung wie der Öffentlichkeit, lückenlos offenlegen und erklären können. Das ist Aufgabe der FU. Ich glaube, es wäre fatal, wenn es bei diesem Verfahren in die eine oder andere Richtung eine politische Einflussnahme geben würde.

Die zweite Nachfrage geht an Herrn Abgeordneten Ubbelohde von der AfD. – Bitte schön!

Vielen Dank! – Herr Regierender Bürgermeister! Es geht hier immerhin um die potenzielle Spitzenkandidatin der SPD, und da machen Sie es sich hier doch ein bisschen zu einfach. Meine Frage: Welche insbesondere auch politische Reaktion empfehlen Sie denn der zweifelhaften Urheberin dieses Plagiats?

Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Ich habe doch gerade gesagt, dass ich glaube, dass es nicht gut wäre, sich in irgendeiner Form politisch in dieses Verfahren einzumischen. Soweit ich mich erinnere, hat Frau Ministerin Giffey selbst darum gebeten, dass die Doktorarbeit überprüft wird und dass die FU ein entsprechendes Klärungsverfahren praktisch anstrebt und dann zu einer Entscheidung kommt. Ich glaube, es spricht für sie, dass sie das so angestrebt hat. Wir haben ein Ergebnis, wir haben eine Entscheidung. Es ist das gute Recht der Öffentlichkeit und des Parlaments, den Verfahrensweg und die Entscheidung zu hinterfragen. Noch einmal: Das muss die FU aus ihrer Verantwortung heraus offenlegen und die Entscheidung begründen können.

Dann kommen wir zur SPD-Fraktion. – Herr Kohlmeier, bitte schön!

Danke schön, Herr Präsident! – Ich frage den Senat, welche neuen Erkenntnisse der Senat in Hinblick auf den Anschlag auf der A 100 hat.

Herr Senator Geisel!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Kohlmeier! Neue Erkenntnisse über die in den letzten Tagen bekannt gewordenen hinaus haben die Ermittlungen im Moment noch nicht ergeben. Wir müssen davon ausgehen, dass es sich um einen absichtlich herbeigeführten Anschlag handelt, aus is

(Regierender Bürgermeister Michael Müller)

lamistischer Motivation heraus, gepaart wahrscheinlich mit psychischen Problemen des Täters.

Die Ermittlungen haben bisher ergeben, dass es sich bei dem Täter um einen dreißigjährigen Iraker handelt, der 2016 aus Finnland kommend nach Deutschland gekommen ist, einen Asylantrag gestellt hat, der 2017 abgelehnt wurde, der sich auf der Grundlage einer Duldung hier in Deutschland befand, weil Deutschland im Moment grundsätzlich nicht in den Irak abschiebt, weil es sich dabei um ein Bürgerkriegsland handelt. Ausnahmefälle sind schwerste Gewalttäter, Mörder, Vergewaltiger, Personen, die schwerste Körperverletzungen begangen haben, Terroristen; all das sind Erkenntnisse, die vorher bei diesem Täter nicht bekannt waren. Der Staatsschutz hat ihn zwar als einen Bekannten eines Gefährders hier in Berlin registriert, aber dieses Kennverhältnis bestand dadurch, dass sie gemeinsam in einem Wohnheim lebten. Aber auch das ist schon eine ganze Weile her. Ansonsten war eine Körperverletzung mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte registriert, auch im Zusammenhang mit psychischen Auffälligkeiten.

Das Ganze zeigt, dass Berlin nach wie vor im Fokus von Terroristen steht, unabhängig davon, ob es Netzwerke sind, die solche Taten vorbereiten, oder ob es Taten Einzelner sind. Deshalb ist es klar, dass der Weg, den wir in den vergangenen Jahren gegangen sind – die Sicherheitsbehörden umfangreich auszurüsten, personell auszustatten, unsichere Sicherheitssysteme kritisch zu überprüfen und zu verbessern, ein Antiterrorzentrum einzurichten –, ein richtiger Weg war. Aber dieser Anschlag zeigt eben auch, dass solche Taten wie die des Anschlags auf der Autobahn durch die Polizei systematisch nicht zu verhindern sind. Aber die Verantwortung, die wir haben, ist, alles zu tun, um solche Taten möglichst auszuschließen. Das ist vorgestern leider nicht gelungen.

Herr Kollege Kohlmeier, wollen Sie eine Nachfrage stellen? – Dann bekommen Sie das Wort. Bitte schön!

Danke schön, Herr Präsident! – Herr Senator! Können Sie mir mitteilen, ob der immer wieder insbesondere in konservativen Kreisen geforderte Einsatz von Fußfesseln diese Tat nach Ihrer Auffassung verhindert hätte?

Bitte schön, Herr Senator!

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Kohlmeier! Nein, das wäre an dieser Stelle nicht das Mittel der

Wahl gewesen. Unabhängig davon, ob die Rechtsvoraussetzungen in Berlin dafür bestehen oder nicht bestehen, wäre der Täter mit den Erkenntnissen, die wir vor dem Anschlag hatten, nicht in den Kreis derer aufzunehmen gewesen, die eine Fußfessel hätten tragen müssen. Die Fußfessel hätte hier an dieser Stelle nichts verhindert.

Die zweite Nachfrage geht an den Abgeordneten Wansner von der CDU-Fraktion. – Bitte schön!

Herr Senator! Wenn ich Ihren Ausführungen folgen darf, ist der Asylantrag dieses Herren 2017 abgelehnt worden. Machen Sie sich persönlich nicht verantwortlich, da Sie ihn dann hätten abschieben können,

[Torsten Schneider (SPD): Hat er doch gesagt!]

abschieben müssen und die ständigen Duldungen, die Sie zwischenzeitlich hier aussprechen, die fast bei Ihnen üblich sind, der falsche Ansatz für solche Verbrecher sind?

[Torsten Schneider (SPD): Das ist eine Bundesentscheidung! Soll er mit Seehofer reden!]

Herr Senator Geisel!

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Wansner! Ich habe dazu schon Stellung genommen. Die Entscheidung, dass Deutschland grundsätzlich nicht in den Irak abschiebt, ist auf der Innenministerkonferenz getroffen worden, schon – ich weiß gar nicht – 2015 oder 2016, immer in Übereinstimmung der Landesinnenminister von CDU und SPD und getragen von den jeweiligen Bundesinnenministern.

Wir treffen Ausnahmeentscheidungen, Einzelfallentscheidungen, ich sagte schon, für welchen Personenkreis. Auch ich habe solche Einzelfallentscheidungen schon getroffen. Das Schwierige dabei ist zu erkennen, von welchen Tätern unmittelbar Gefahr für Dritte ausgeht und von welchen nicht. Bei den Erkenntnissen, die wir vor der Tat hatten, reichte es nicht für eine Einzelfallentscheidung zur Abschiebung. Da gilt der Grundsatz: Der Irak ist ein Bürgerkriegsland, und wir schieben grundsätzlich nicht dahin ab.

Das ist eine Situation, in der wir zu den humanitären Werten unserer Gesellschaft stehen müssen, auch wenn wir dann mit solchen Ergebnissen umgehen müssen. Unsere freie Gesellschaft ist an dieser Stelle verletzlich –

(Senator Andreas Geisel)

ja, das stimmt. Sie ist verletzlich, aber die freie Gesellschaft deshalb infrage zu stellen, wäre der falsche Weg.

Wir kommen zur Fraktion Die Linke. – Herr Schulze, bitte schön!

Vielen Dank! – Ich frage den Senat: Wie ist der Stand der Semesterticketverhandlungen für die 200 000 Studierenden in dieser Stadt, und was tut der Senat, um sie zu einem erfolgreichen Ende zu führen? – Danke!

Dazu antwortet Frau Senatorin Günther. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wir sind zurzeit in der Tat in Verhandlungen im Rahmen des VBB über die neuen Tarife, und wie Sie wissen, gestalten sich Verhandlungen mit den Verkehrsunternehmen in Brandenburg manchmal auch unterschiedlich. Insofern sprechen wir über das Semesterticket. Sie wissen, es gibt eine Forderung der Studierenden, dass analog zu dem Azubiticket ein 365-Euro-Ticket eingeführt wird. Auch wenn ich mit dieser Forderung sympathisiere, sind da natürlich noch viele Hürden zu nehmen; das Land Brandenburg muss einverstanden sein, und es ist augenblicklich nicht im Haushalt eingestellt. Auch das müsste gelöst werden. Insofern: Wenn diese Hürden genommen werden können, können wir auf die Studierenden zugehen, aber da sind wir noch nicht.

Wünschen Sie eine Nachfrage zu stellen? – Das ist nicht der Fall. Andere liegen auch nicht vor.

Dann kommen wir jetzt zu Bündnis 90/Die Grünen. – Herr Dr. Altuḡ!

Dr. Turgut Altuḡ (GRÜNE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Klimakrise steht nicht mehr vor der Tür, sondern ist schon im Haus und breitet sich aus. Ich frage den Senat: Wie bewertet der Senat die aktuelle Hitzeperiode in Bezug auf die Auswirkungen auf das Berliner Stadtgrün und die Berliner Stadtnatur? – Danke schön!

[Ronald Gläser (AfD): Jedes Mal das Gleiche! – Georg Pazderski (AfD): Hatten wir nicht schon mal Waldsterben?]

Auch hier antwortet Frau Senatorin Günther.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Sie haben recht, es gibt eine anhaltende Trockenperiode, auch in diesem Jahr. Die beiden zurückliegenden Jahre, das muss man sagen, waren noch dramatischer als dieses Jahr, aber auch in diesem Jahr hat es deutlich weniger geregnet als im Durchschnitt der letzten Dekaden.

Das stellt das Stadtgrün vor enorme Herausforderungen. Es ist nicht mehr so, dass wir es uns theoretisch erzählen, sondern jeder, der durch den Wald geht, jeder, der das Stadtgrün betrachtet, sieht die verheerenden Schäden, die diese Trockenheit verursacht. Der letzte Waldzustandsbericht, Sie erinnern sich, hat gezeigt, dass nur noch einer von zehn Bäumen nicht geschädigt ist. Das trifft natürlich auch die 2 500 Grünanlagen und die 430 000 Bäume, die wir in der Stadt haben. Auch bei den Neuanpflanzungen ist die Bilanz nicht so, wie wir uns das vorstellen. Viele der Neuanpflanzungen überleben die ersten Monate nicht, sondern gehen wieder ein. Insofern sind wir da in einem permanenten Anpassungsprozess. Wir müssen, glaube ich, noch sehr viel stärker in die Umsetzung gehen, hier Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen. Wir haben schon viele ergriffen, und insofern stehen wir am Anfang eines dramatischen Umbruchprozesses.