Protokoll der Sitzung vom 23.02.2012

Wenn ich die Signale richtig empfangen habe, dann sind Sie dafür, dass wir den Antrag in den Ausschuss für Wissenschaft, Medien, Datenschutz und Informationsfreiheit und in die Innendeputation überweisen, unter der Federführung der Innendeputation. Damit sind wir einverstanden, und wir warten dann auf die Diskussionen dort. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Fecker.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir erwarten in der Tat immer, dass die Polizei neue Wege geht, und zweifellos ist es auch sinnvoll, dass die Polizei sich dieser Herausforderung stellt. Wir alle wissen, dass sich Facebook nicht nur im Kreis von jüngeren Menschen, sondern durchaus auch älteren Menschen einer zunehmend großen Beliebtheit erfreut.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Sind Sie auch darin?)

Danke schön, Herr Dr. Kuhn!

Wenn man sich angeschaut hat, was die Polizei Hannover mit ihrem Facebook-Auftritt bewegt hat, mit dem ein Schneeballeffekt entstanden ist, dann könnte man natürlich zu dem Schluss kommen, dass eine Fahndung über Facebook ein sinnvolles Instrument sein könnte.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: War das jetzt konjunktiv?)

Eine mehr und mehr digitalisierte Welt erfordert aber auch einen wichtigen Blick auf den Bereich des Datenschutzes. In diesem Bereich gibt es viele offene Fragen. Die erste Frage ist hier schon angedeutet worden, nämlich: Wen stellt man eigentlich ins Netz? Sie alle wissen, dass das Internet nicht vergisst, und zu der Frage, warum ein Foto irgendwann einmal von der Polizei ausgeschrieben wurde, in zehn Jahren vielleicht wiedergefunden wird, obwohl tatsächlich nur ein Zeuge gesucht wurde und kein Täter, gibt es durchaus rechtliche Bedenken, ob das sinnvoll ist oder nicht. Auch die Feststellung, dass ein Beschuldigter noch lange kein Täter sein muss, ist ein Argument, das in dieser Debatte sicherlich abzuwägen ist.

Herr Hinners hat mit der Frage, ob eine Verlinkung möglich ist, einen möglichen Ausweg dargestellt. Ich glaube, dass wir insgesamt zu einer Abwägung zwischen den Belangen der Sicherheit, die es gibt, und den Belangen des Datenschutzes, die es ernst zu nehmen gilt, kommen müssen. Wir haben uns zwischen den Koalitionsfraktionen darauf verständigt, dass wir es nicht wie die CDU machen wollen, nämlich erst zu beschließen und anschließend zu beraten, sondern wir würden gern zuerst einmal beraten, und zwar die Fragen des Datenschutzes im Bereich des zuständigen Ausschusses, wofür ich jetzt auch offiziell die Überweisung des Antrags in den Ausschuss für Wissenschaft, Medien, Datenschutz und Informationsfreiheit und an die Deputation für Inneres und Sport, letztere federführend, beantrage.

Die Belange des Datenschutzes wollen wir im Datenschutzausschuss prüfen. Die Frage der personellen Auswirkungen auf die Polizei, der Machbarkeit ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

und der Praktikabilität wollen wir dann im Anschluss an diese Debatte in der federführenden Innendeputation prüfen. Am Ende werden wir sehen, ob dieses Instrument, das erst einmal als sinnvolles und richtiges Instrument erscheint, tatsächlich halten kann, was sich viele davon versprechen.

Wir sind da ergebnisoffen, Herr Hinners, wir werden sehen, was die Debatte bringt. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Senkal.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich kann es kurz machen, mein Vorredner hat eigentlich alles gesagt. Wir haben die Überweisung auch beantragt, und wenn es von dort keine datenschutzrechtlichen Bedenken gibt, aber auch nicht durch die Prüfung bei Inneres, wie viel Personal man im Endeffekt braucht, um diese vielen Daten, die gesammelt werden, dann zu verarbeiten, wenn es da grünes Licht gibt, können wir ohne Bedenken den Gefällt-mir-Button drücken und diesem Antrag dann auch eventuell zustimmen. – Vielen Dank! interjection: (Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sehe das ein wenig anders, Herr Senkal. Wir werden das Ansinnen, polizeiliche Fahndungsaufrufe bei Facebook zu verbreiten, ablehnen. Das hat auch Gründe. Wie müssen wir uns das vorstellen? Die Polizei stellt einen Fahndungsaufruf ins Netz, der analogen Fahndungsplakaten gleicht oder dem analogen Fahndungsmaterial gleichgestellt ist, das die Polizei an die Presse herausgibt, mit Richtervorbehalt, mit hohen Standards. Das wäre unproblematisch, da würde ich auch sagen, kein Problem.

Das Problem ist aber, dass Facebook so nicht funktioniert, denn wir wissen doch alle, es ist ein Account, und in dem können die Anträge verändert, weiterverteilt und weiterverbreitet werden. Es gibt keine technischen Möglichkeiten, diese Funktion auszuschalten, und Facebook wird diese Funktion auch nicht auf Anfrage deutscher Polizeidienststellen nachrüsten. Das ist ein Problem. Diese Möglichkeiten des Teilens und Kommunizierens bieten nämlich auch die Möglichkeit einer Veränderung.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Frau Vogt, schau- en Sie sich die Beispiele in Hannover an!) ––––––– *) Vom Redner und von der Rednerin nicht überprüft. Ich kann Ihnen gleich Beispiele nennen, und das werde ich auch, und dann sage ich, warum wir extrem dagegen sind! Als Nutzerin könnte ich den Polizeiaufruf nehmen, mit weiteren Informationen anreichern, weil ich den Verdächtigen vielleicht aus meiner Nachbarschaft zu kennen glaube, und dann weiter mitteilen. Das finden wir nicht richtig, weil es aus Sicht der informationellen Selbstbestimmung und weiterer Datenschutzbestimmungen hochgefährlich ist und viel Raum für eine Aushebelung der Unschuldsvermutung lässt. Dabei ist es auch egal, ob die Polizei ihre Daten jetzt bei Facebook direkt einstellt oder nur einen Link auf die Webseite der Polizei setzt. Jetzt sage ich, warum das tatsächlich schon zu Verwerfungen geführt hat. Es gibt nämlich die Kripo Bremerhaven, die das schon gemacht hat, und ich nenne einige Beispiele, was dabei passiert ist. Herr Senkal, ich bitte Sie, mir zuzuhören, weil das schon sehr interessant war! Unter dem Bild eines Verdächtigen und dem Fahndungsaufruf der Kripo Bremerhaven, den ein junger Mann seinen Freunden mitgeteilt hatte, steht auch für Außenstehende lesbar: „Wenn ich solche Typen erwische, rufe ich die Polizei erst nach dem Krankenwagen.“ Das geht gar nicht! In meinen Augen ist das versuchter Mord, was der gemacht hat. Das hat ein Nutzer unter seinem Clan-Namen gepostet, nachdem er eine Statusmeldung der Kripo Bremerhaven geteilt hat. Die Kripo ruft explizit dazu auf, ihre Meldungen zu teilen, (Zuruf der Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU])

sprich, sie an den jeweiligen Freundeskreis bei Facebook weiterzuleiten. Es gibt noch ein anderes Beispiel der Kripo Bremerhaven: „Ich bin selten für Selbstjustiz, aber bei so etwas, wenn ihr sie findet, erschlagt sie!“

Das finden wir hochproblematisch, und deshalb stimmen wir auch einer Überweisung in die Ausschüsse nicht zu, denn wir wollen das schlicht und ergreifend nicht. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Mäurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle meine Bilder nicht bei Facebook ein, keine Sorge!

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Schade!)

Ich bin durchaus aufgeschlossen, wenn es darum geht, die Fahndungsmethoden zu verbessern, aber nicht einfach so, sondern erst nach sorgfältiger Prüfung. Ich glaube, die Erfahrung gerade auch in Bremerha

ven zeigt, es sind Probleme vorhanden, wenn jeder völlig unkommentiert seine Eindrücke im Internet hinterlassen kann. Ich stelle mir vor, wir machen einen Fahndungsaufruf für einen Sexualtäter, dann kann ich mir vorstellen, welche Resonanz das in der Öffentlichkeit bringt und welche Kommentare dann auf der Facebook-Seite der Polizei wiederzufinden sind. Wir wären permanent damit beschäftigt, die Seite täglich zu korrigieren und zu löschen. Es gibt viele Probleme, dennoch arbeiten wir mit, wir sind in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe der Polizei dabei, es gibt einen Modellversuch, den wir uns ansehen. Ich möchte aber nicht, dass man montags sagt, wir machen das, und, wie es in Hannover war, am Dienstag gesagt wird, nein, jetzt doch wieder nicht, sondern ich würde das Thema gern mit Ihnen gemeinsam auf einer soliden Datenbasis, rechtlich abgestimmt in der Deputation angehen. Ich bin auch bereit, das umzusetzen, aber nicht als Schnellschuss und einfach einmal so zwischen Tür und Angel. – Danke sehr!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Beratung ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Hier ist die Überweisung zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Inneres und Sport, federführend, und den Ausschuss für Wissenschaft, Medien, Datenschutz und Informationsfreiheit vorgesehen. Wer dieser genannten Überweisung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und Abg. T i m k e [BIW])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen DIE LINKE)

Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) überweist entsprechend.

Für ein Recht auf ein Girokonto für alle

Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 18. Januar 2012 (Drucksache 18/205)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Bürgermeisterin Linnert.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Kuhn, ich kann es wirklich kurz machen, da ich glaube, dass ich da aus Ihrer Fraktion und auch vonseiten der SPD wahrscheinlich durchaus konstruktive Zustimmung erfahren werde, und es wird sowieso überwiesen.

Ich will nur ganz kurz die Problematik klarmachen! Unfreiwillige Kontolosigkeit bedeutet nämlich auch Ausgrenzung in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Die Betroffenen stehen vor enormen Problemen in der Arbeitswelt, weil kaum ein Arbeitgeber Lohn bar auszahlen wird und Sozialausgaben in bar und Einzahlungen in die Sozialversicherung mit Gebühren verbunden sind. Ohne Konto kommen Sie als Mieter, als Steuerzahler und als Gebührenzahler, als Vater oder Mutter von Kindern kaum zurecht.

Laut EU-Kommission sind 700 000 Menschen in einem der reichsten Länder der Welt von unfreiwilliger Kontolosigkeit betroffen, weil sie beispielsweise, das ist der zumeist anzutreffende Grund, überschuldet sind oder weil sie keinen sicheren Aufenthaltsstatus haben, das haben wir auch in Bremen gerade vor Kurzem erlebt, oder weil sie ohne festen Wohnsitz sind. Für Bremen gibt es leider keine konkreten Zahlen, aber Bremen ist nun einmal nicht nur die Stadt mit der zweithöchsten Millionärsdichte, sondern auch eine der Städte, die am stärksten verschuldet ist, auch privat.

Auch in Bremen sind von den Überschuldeten mindestens zehn Prozent von Kontolosigkeit betroffen, so schätzen die Steuerberater in Bremen. Dieses Problem ist lange bekannt, und im Jahr 1995 hat sich die Kreditwirtschaft darauf verpflichtet, allen, die nicht im engeren Sinne für ein Bankinstitut unzumutbar sind, ein Konto zu geben. Genutzt hat diese Selbstverpflichtung allerdings nichts. Dies belegen diverse Studien von den Verbraucherzentralen, von Sozialverbänden und sogar offiziell von der Bundesregierung.

Über die Notwendigkeit solch einer Regelung sind wir uns auf Bundesebene mit der SPD und den Grünen einig. Nur die CDU und die FDP in der Bundesregierung blockieren weiterhin eine bundeseinheitliche Lösung. Bremen hat alle Vorstöße im Bundesrat in dieser Sache stets unterstützt. Das war richtig, und dafür haben Sie auch unsere volle Anerkennung. Eine Positionierung im Bundesrat könnte man aber auch in Bremen vor Ort unterstützen, weil wir hier das Bremische Sparkassengesetz haben, und das hat einen politischen Spielraum, den wir nutzen können.

Damit komme ich zum Kern unseres Antrags! Wir fordern einen sogenannten Kontrahierungszwang, das heißt, eine tatsächliche und rechtssichere Verpflich––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

tung der Banken, ein Girokonto für alle einzurichten. Andere Bundesländer haben diesen Kontrahierungszwang schon in ihren Sparkassengesetzen, unter anderem Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, MecklenburgVorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Die Problematik unfreiwilliger Kontolosigkeit konnte damit wirklich signifikant bekämpft werden, leider nicht umfassend, aber das ist bei vielen Sachen nicht möglich.

Wir wissen, dass es eigentlich eine Regelung auf Bundesebene braucht, die alle, auch die Privatbanken, einschließt. Diese Regelung kommt aber bisher nicht, und wir befürchten, dass die Bundesregierung auch die von Binnenmarktkommissar Barnier angekündigte EU-Richtlinie verschleppen wird. Deshalb sagen wir: Lassen Sie uns in Bremen anfangen! Die Menschen brauchen eine handfeste Lösung, die endlich etwas an ihrer sozialen Ausgrenzung ändert.

Wir hoffen in dieser Frage auf eine konstruktive Debatte gerade mit den Koalitionsparteien in den Ausschüssen und auf eine schnelle Lösung. – Ich danke Ihnen! (Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss die Martinistraße häufig an einer Ampel überqueren, an der man einen Knopf drücken muss, damit man als Fußgänger hinübergehen kann. Wenn ich dahin komme und auf den Knopf drücke, muss ich eine Weile warten. Ich bleibe stehen und warte, und dann kommt jemand, drückt auf den Knopf, und eine Sekunde später springt die Ampel auf Rot. Derjenige schaut mich strahlend an und sagt: „So muss man das machen!“ So ein bisschen den Eindruck habe ich jetzt hier auch bei dem Antrag der LINKEN, bei allem Respekt!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)