Protokoll der Sitzung vom 04.09.2007

Frau Staatsministerin, war das gerade eben die Ankündigung, die Möglichkeiten zur Querversetzung, die Sie eingeführt haben, wieder abzuschaffen, wenn es nicht opportun ist, Kinder an eine andere Schulform abzuschieben?

Frau Ministerin Wolff.

Herr Kollege Al-Wazir, die pädagogische Entscheidung, ein Kind querzuversetzen,ist eine pädagogische Entscheidung zugunsten eines Kindes, das in der gewählten Schulform nicht hinreichend gefördert werden kann und die Möglichkeit erhält, in einem anderen Bildungsgang im gleichen Schuljahr weiterzumachen.

Frage 807, Herr Abg. Dr. Lübcke.

Ich frage die Landesregierung:

Wie beurteilt sie die Auffassung der Leiterin der Integrierten Gesamtschule Helene Lange in Wiesbaden, nach der jede Schule „nur eine begrenzte Zahl problembeladener Kinder unterrichten kann“ („Wiesbadener Kurier“, 21.08.2007)?

Frau Ministerin Wolff.

Herr Kollege Dr. Lübcke, grundsätzlich hat jeder junge Mensch ein Recht auf Bildung. In § 70 des Hessischen Schulgesetzes ist festgelegt – ich zitiere –: „Die Aufnahme in eine Schule kann abgelehnt werden, wenn die Zahl der Anmeldungen ihre Aufnahmekapazität überschreitet oder niedriger als der für die Bildung einer Klasse oder Gruppe festgelegte Mindestwert liegt oder die Vorgaben des Staatlichen Schulamts zur Klassenbildung... einer Aufnahme entgegenstehen.“ Den Begriff „problembeladene Kinder“ gibt es hierbei nicht. Dies kann auch kein Kriterium für die Aufnahme in eine Schule darstellen.Das Bildungsrecht für alle, unabhängig vom Bildungsgang, steht im Vordergrund. Jede Schule hat einen Bildungsund Förderauftrag, der auf alle Schülerinnen und Schüler der Schule ausgerichtet ist. Die Helene-Lange-Schule hat einen Ausländeranteil von 6,8 %. Der Durchschnitt bei den integrierten Gesamtschulen in Wiesbaden liegt bei über 20 %. Ich denke, daher ist die entsprechende Schule

gefordert, zu erklären, warum vergleichsweise wenige Schülerinnen und Schüler mit ausländischer Staatsangehörigkeit bzw. anderweitigem Migrationshintergrund aufgenommen werden.

Zusatzfrage, Herr Dr. Lübcke.

Frau Staatsministerin, die Zahlen sprechen Bände. Wie will man einen Ausgleich zwischen den Schulen schaffen, damit alle Kinder die gleichen Bildungschancen bekommen?

Frau Ministerin Wolff.

Die angesprochene Helene-Lange-Schule hat einen besonderen Status, sodass dort eine Auswahlmöglichkeit besteht. Die Auswahlmöglichkeit wird offenkundig so interpretiert, dass ein hoher Anteil gymnasialer Schüler aufgenommen wird, was zulasten der beiden anderen Bildungsgänge geht.

Zusatzfrage, Herr Al-Wazir.

Frau Ministerin, wenn Sie für eine Mischung plädieren, wie halten Sie es dann für möglich, mit der Hauptschule ab der 5. Klasse zu mischen, wenn nur noch 4,5 % der Eltern ihre Kinder in der Hauptschule anmelden?

Frau Ministerin Wolff.

Herr Kollege Al-Wazir, ich weiß nicht, woher Sie die generelle Aussage nehmen, ich plädierte für Mischung. Ich zitiere den Anspruch der integrierten Gesamtschule, eine Mischung aus allen drei Bildungsgängen zu sein. Dies trifft an manchen Schulen in der anderen Richtung nicht zu.An dieser Schule ist ein hoher Anteil von gymnasialen Kindern angemeldet und wird aufgenommen.

Frage 808, Herr Kollege Weinmeister.

Jetzt könnte man der Meinung sein, das sei nur in Wiesbaden ein Problem.Aber ich frage die Landesregierung:

Wie beurteilt sie die Feststellung des Frankfurter Bildungsforschers Frank-Olaf Radtke im gleichen Artikel, nach der

ausländische Kinder an Gesamtschulen diskriminiert werden?

Frau Ministerin Wolff.

Herr Kollege Weinmeister, ich darf noch einmal sagen, dass grundsätzlich die Herkunft einer Schülerin oder eines Schülers kein Kriterium für die Aufnahme oder Nichtaufnahme in eine Schule sein darf. Das regelt das Hessische Schulgesetz. Das heißt, der Fall tritt ein, wenn zu viele Anmeldungen vorliegen.Wenn Radtkes Feststellung stimmt, dass manche Gesamtschulen, bei denen diese Bedingungen stimmen, bewusst weniger ausländische Kinder aufnehmen, um in der Leistungskonkurrenz mit anderen Schulen nicht zurückzufallen, dann kann dieses Verhalten nicht akzeptiert werden.

Bildungsstudien oder auch der landesweite Mathematikwettbewerb haben allerdings auch gezeigt, dass die Leistungen der integrierten Gesamtschulen im Durchschnitt – darauf weise ich hin – nur zwischen denjenigen an Hauptund Realschulen liegen. Diesem Befund muss durch verbesserte individuelle Förderkonzepte begegnet werden. Eine gezielte Selektion der Schülerinnen und Schüler bei der Aufnahme ist hingegen weder für die IGS noch im Rahmen des Prinzips von Eignung und Begabung an anderen Schulformen akzeptabel und widerspricht vielmehr dem Bildungs- und Erziehungsauftrag.

Frage 809, Frau Kollegin Henzler.

Ich frage die Landesregierung:

Wie steht sie zu der Einführung der Erlassregelung bei Nachprüfungen für Versetzungen, dass zukünftig nicht mehr die zuständige Fachlehrerin bzw. der zuständige Fachlehrer die versetzungsgefährdete Schülerin bzw. den versetzungsgefährdeten Schüler prüft, sondern dass die Prüfung von einer anderen Fachlehrkraft abgenommen wird, sodass eine unbelastete Prüfungssituation entsteht?

Frau Staatsministerin Wolff.

Frau Kollegin Henzler, die vorgeschlagene Regelung war mit der Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisses in der Fassung vom 18. Juli 1993 schon einmal geltendes Recht. Ich zitiere § 16 Abs. 6:

Die Schulleiterin oder der Schulleiter überträgt die Durchführung der Prüfung einer Fachlehrerin oder einem Fachlehrer,von denen die Schülerin oder der Schüler im vergangenen Schuljahr nicht unterrichtet wurde.

Diese Regelung hatte sich aber in den Fällen nicht bewährt, in denen ein bestimmtes nachzuprüfendes Fach an

der Schule nur von einer Lehrkraft besetzt ist. Schulen konnten dann Nachprüfungen nicht verordnungskonform umsetzen. Daher wurde mit der umfassenden Novelle der Verordnung im Jahr 2000 der Zusatz „von denen die Schülerin oder der Schüler im vergangenen Schuljahr nicht unterrichtet wurde“ gestrichen und die Letztverantwortung für die sachgemäße Umsetzung der Nachprüfung in die Hand der Schulleiterin oder des Schulleiters gegeben – auch als Beitrag zur größeren Eigenverantwortung von Schule. Der Schulleiter trägt damit die Verantwortung dafür – ich zitiere Ihre Frage –, dass „eine unbelastete Prüfungssituation entsteht“.

Zusatzfrage, Frau Kollegin Henzler.

Frau Ministerin, ist Ihnen bekannt, dass es Fachlehrer gibt, die in den Sommerferien gegen Entgelt diesen Schülern Nachhilfeunterricht geben und dann die Nachprüfung auch noch selbst abnehmen? Wie stehen Sie dazu?

Frau Ministerin Wolff.

Frau Kollegin Henzler, das wäre ein Fall, bei dem ein Schulleiter genau von der Möglichkeit Gebrauch machen müsste, nämlich in seiner Verantwortung die Prüfung zu organisieren, damit eine unbelastete Prüfungssituation entsteht, was auch bedeutet: eine korrekte Prüfungssituation.

(Minister Karlheinz Weimar: Namen und Adressen nennen!)

Frau Kollegin Henzler, Zusatzfrage.

Verehrter Herr Minister Weimar, ich werde Namen und Adresse mit Sicherheit nicht hier nennen. – Meine Frage geht dahin: Ist denn geplant, dass man diesen Erlass insofern verändert, dass man sagt, es kann derselbe Lehrer sein,wenn es an der Schule keine andere Möglichkeit gibt, dass es aber vom Grundsatz her ein anderer Lehrer sein sollte, der die Nachprüfung abnimmt?

Frau Ministerin.

Frau Kollegin, auch diese Verordnung ist nicht frei von Überprüfbarkeit. Sie wird regelmäßig überprüft. Insofern kann man auch dies wieder infrage stellen. Man sollte aber in der Verordnung meines Erachtens Dinge nicht präziser und im Detail regeln, sondern man sollte das der

Verantwortung der Schulleiterin oder des Schulleiters anheimgeben und dafür die Möglichkeiten bereitstellen.

Frage 810, Herr Abg. Möller.

Ein kleiner Themenwechsel kurz vor Ende der Fragestunde. Ich frage die Landesregierung:

Wie viele Windkraftanlagen mit einer Anlagenleistung von 4,5 MW und mehr sind derzeit in Hessen bzw. in der Bundesrepublik Deutschland in Betrieb?

Herr Wirtschaftsminister Dr. Rhiel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter, bisher gibt es in Hessen keine Anlage der betreffenden Leistungsklasse. In der Bundesrepublik sind 14 Anlagen dieser Leistungsklasse errichtet. Wir wissen, dass verschiedene Unternehmen daran arbeiten, sich in dieser Leistungsklasse mit modernen Anlagen zu präsentieren.

Vielen Dank. – Zum Schluss kommt die Frage 811. Herr Dr. Lennert.

Wie beurteilt die Landesregierung die Entwicklung der Personalvermittlungsstelle?

(Zurufe von der CDU: Gut! – Gegenruf des Abg. Michael Siebel (SPD): Nehmen Sie die Antwort ernst?)

Das aufgreifend, was das Plenum vorschlägt, sage ich: außerordentlich positiv. Wir haben lediglich noch 490 der 6.277 der in die PVS gemeldeten Personen aktiv zu vermitteln.