Protokoll der Sitzung vom 14.12.2001

Im Vorfeld will ich noch einmal deutlich machen, dass auf Beschluss der Länder Bremen und Niedersachsen die Lune in den 80er-Jahren verlegt worden ist. Damals wollte man auf der Luneplate Industrie ansiedeln und diese von einer entsprechenden Flussquerung freihalten. Auch seitens der Landes Niedersachsen sind in erheblichem Umfang Mittel für dieses Projekt ausgegeben worden. Insgesamt ist eine 9,1 km lange Trasse zu unterhalten.

Jetzt versucht diese Landesregierung, sich aus der Verantwortung zu stehlen und die Kosten für diese Aufgaben auf den Unterhaltungsverband abzuschieben. Man muss sich das einmal vorstellen: Für eine Flusstrasse, die dem Unterhaltungsverband Nr. 80 Lune überhaupt nicht gehört, für eine Flusstrasse, die die Landesregierung politisch gewollt hat, für eine Flusstrasse, die im Besitz des Landes Niedersachsen ist, will diese Landesregierung die Kosten mit einem Federstrich abwälzen!

Die Grundbesitzer hätten über 50 % der jetzigen Kosten mehr zu tragen. Die Lune-Anlieger sollen also einmal mehr zur Kasse gebeten werden, damit diese Landesregierung letztlich ihren Haushalt entlasten kann. Es ist mehr als nur eine Unverschämtheit, es ist eine Ungerechtigkeit, die hier passieren würde, wenn Sie diesem Anliegen tatsächlich Rechnung tragen würden!

Deswegen plädieren wir dafür, diese Eingabe der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Ich hoffe, dass Sie, meine Damen und Herren von der SPD, diese Ungerechtigkeit auch so sehen, dass Sie den von den Ländern Bremen und Niedersachsen gemeinsam gefassten Beschluss entsprechend mittragen und den Unterhaltungsverband nicht länger belasten.

Zur selben Eingabe hat noch einmal Frau MeynHoreis das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Verbandsvorsteher, Herr Heusmann, wendet sich mit der von Frau Vockert vorgetragenen Eingabe gegen die geplante Änderung des § 105 des Niedersächsischen Wassergesetzes.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es grundsätzlich Aufgabe der in Niedersachsen flächendeckend vorhandenen Unterhaltungsverbände ist, Gewässer II. Ordnung zu unterhalten. Das Gewässernetz II. Ordnung umfasst eine Länge von mehr als 28 000 km. Lediglich für 3 % dieser Gewässer, die besonders schwierig und kostspielig zu unterhalten sind, wird die Unterhaltung vom Land geleistet.

Das neue Konzept sieht entgegen der ursprünglichen Planung nunmehr vor, alle bisher vom Land unterhaltenen Gewässer II. Ordnung und Außentiefs auch weiterhin in der Unterhaltung des Landes zu belassen und für die in der Anlage zu § 105 NWG aufgeführten Gewässer Kostenbeiträge von den Unterhaltungsverbänden zu verlangen.

Der Petent, Herr Heusmann, fordert für den Unterhaltungsverband Lune in seiner Eingabe den Verbleib der Unterhaltung des Lune-Unterlaufs und des Sieles beim Land Niedersachsen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Dieser Forderung wird mit dem neuen Konzept zur Änderung des § 105 NWG teilweise Rechnung getragen. Allerdings ist vorgesehen, den LuneUnterlauf in die Anlage zu § 105 NWG aufzunehmen, sodass der Unterhaltungsverband zu den Kostenbeiträgen heranzuziehen wäre. Der Kostenbeitrag wird voraussichtlich eine Anpassung des Hebesatzes von derzeit 15 DM/ha auf 15,92/ha erforderlich machen. Dieses hält die SPD-Landtagsfraktion für sachgerecht und vertretbar.

Wenn Sie, Frau Vockert, hier davon reden, dass es unverschämt sei, weitere Kosten auf die Unterhaltungsverbände abzuwälzen, dann muss ich sagen: Das, was Sie gesagt haben, war unverschämt; denn Sie prahlen hier mit irgendwelchen Forderungen, ohne Änderungsanträge zum Haushalt zu stellen. Wir werden nachher noch einmal darauf zurückkommen. Wir bleiben dabei, dass der Einsender über die Sach- und Rechtslage unterrichtet werden soll.

(Beifall bei der SPD - Frau Vockert [CDU]: Das war eine politisch ge- wollte Lösung!)

Zu anderen Eingaben hat sich Frau Stokar von Neuforn gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche zur Eingabe 3978. Bei dieser Eingabe geht es um die Abschiebung der kurdischen Familie Altekin. Ich bedaure sehr, dass der zuständige Herr Innenminister gerade jetzt Kaffeetrinken gegangen ist; denn wir behandeln im Rahmen der strittigen Eingaben einen Fall, bei dem es um einen letzten Appell in Fragen einer Abschiebung geht. Ich stelle die Eingabe hier trotzdem vor und richte meinen Appell mehr in Richtung des Ministerpräsidenten Gabriel; denn die Familie hat viele Jahre - zwölf Jahre! - in Goslar gelebt. Ich habe vernommen, dass sich Herr Gabriel zumindest in Goslar schon für diese Familie eingesetzt hat.

Die Familie Altekin lebt, wie gesagt, seit zwölf Jahren in Deutschland. Unterstützt wird diese Petition vom Kirchenvorstand der Kirchengemeinde St. Andreas, vom Deutschen Kinderschutzbund, von UNICEF Goslar. Zurzeit hält sich die Familie Altekin nicht mehr in Niedersachsen auf. Um der

drohenden Abschiebung zu entgehen, ist sie nach Oebisfelde in Sachsen-Anhalt ins Kirchenasyl gegangen.

Familie Altekin hat fünf Kinder im Alter von sieben bis zwölf Jahren. Diese Kinder sprechen kein Türkisch. Sie haben keine Lebensperspektive in der Türkei. Ich weiß, dass die juristische Auseinandersetzung beendet und verloren worden ist, weil davon ausgegangen wird, dass es in der Türkei eine inländische Fluchtalternative gibt. Die Familie hat, weil der Bruder von Herrn Altekin erschossen worden ist und mehrere Familienmitglieder zu schweren Haftstrafen verurteilt wurden, darauf gesetzt, dass sie das Asylverfahren hier in Deutschland gewinnt. Sie ist deswegen nicht in die Altfallregelung aufgenommen worden. Ihre anwaltliche Beratung war so, dass die Familie bei dem Verfolgungsschicksal Aussicht auf Erfolg hat, das Asylverfahren zu gewinnen.

Aber sie hat vor Gericht nicht Recht bekommen. Unsere einzige Möglichkeit bestünde darin - wir haben das in anderen Fällen von Kirchasyl auch gemacht -, sozusagen im Rückgriff auf die Altfallregelung für diese Familie doch noch etwas zu tun.

Was die soziale Situation angeht, so kann Herr Altekin einen Arbeitsplatz mit einem Bruttogehalt von 3 000 DM nachweisen. Ich habe heute Morgen noch einmal mit der Pastorin telefoniert, die dieses Kirchenasyl gewährt. Es gibt in Sachsen-Anhalt mittlerweile einen Unterstützerkreis, der bereit ist und dies unterschrieben hat, diese Familie bis zum Jahre 2003 zu unterstützen. Das ist die letzte Chance.

Auch heute, kurz vor Weihnachten, laufen noch Gespräche mit Ministerpräsident Höppner von Sachsen-Anhalt. Eventuell ist Sachsen-Anhalt bereit, die Familie zu übernehmen, die hier in Niedersachsen keine Chance hat. Voraussetzung für eine solche Übernahme wäre aber, dass Niedersachsen auf den Vollzug der Abschiebung verzichtet. Mit einer solchen weiteren Duldung würde Niedersachsen die Möglichkeit eröffnen, dass diese Gespräche mit dem Ministerpräsidenten Höppner fortgeführt werden.

Mir ist es im Innenausschuss nicht gelungen, von der SPD eine Zustimmung für eine Zurückstellung dieser Petition zu bekommen, was ich sehr bedauert und - weil es nur noch wenige Tage bis Weihnachten sind - auch nicht verstanden habe. Ich bitte Sie, hier und heute für Berücksichtigung zu

stimmen, damit die Gespräche in Sachsen-Anhalt - wie gesagt - fortgeführt werden können. - Danke schön.

Zur gleichen Eingabe spricht jetzt der Abgeordnete Biallas.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was die Kollegin Stokar hier soeben vorgetragen hat, ist im Wesentlichen richtig. Wir haben es uns mit dieser Eingabe ganz gewiss nicht leicht gemacht, und zwar insbesondere deshalb nicht, weil alle fünf Kinder hier in Deutschland geboren worden sind und weil die Familie seit 1989 hier lebt. Wir hatten uns im Ausschuss darauf geeinigt - ich möchte das jetzt im Einzelnen ganz kurz beschreiben -, dass dem Familienvater zunächst einmal die Gelegenheit gegeben werden sollte, ein halbes Jahr zu arbeiten und so nachzuweisen, dass er sich selbst darum bemüht, seine Familie zu ernähren.

Ein weiteres Problem ergab sich aus dem Hinweis des Innenministeriums darauf, dass der Familienvater an dem Stichtag, der für die Anwendung der Altfallregelung relevant gewesen wäre, aus eigenem Verschulden nicht einer Arbeit nachgegangen war, obwohl er die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Nachdem wir im Innenausschuss schon einmal beschlossen hatten, die Eingabe ein halbes Jahr zu vertagen, ist uns vom Innenministerium mitgeteilt worden, dass es selbst dann, wenn der Familienvater ein halbes Jahr arbeitet und brutto 3 000 DM verdient, wegen der von mir soeben erwähnten Stichtagsregelung nicht möglich sei, der Familie ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu gewähren. Deshalb hat der Ausschuss letztendlich gesagt: Wenn das rechtlich nicht möglich ist und wir einen Präzedenzfall schaffen würden, können wir nur die Unterrichtung über die Sach- und Rechtslage empfehlen.

Nach meinem Dafürhalten gibt es keinen Abgeordneten, der diesen Beschluss aus voller Überzeugung und mit sehr gutem Gewissen gefasst hat. Das ist einfach so. Wir stehen hier vor dem Problem: Hätten wir anders entschieden, hätten wir nach Auskunft des Innenministeriums auch in einer ganzen Reihe anderer Fälle entsprechend entscheiden müssen.

Mir persönlich tut es sehr Leid, dass die fünf Kinder darunter leiden müssen, dass ihr Vater hinsichtlich einer Arbeitsaufnahme offensichtlich etwas nachlässig war. Das will ich hier sehr deutlich sagen. Uns sind hier aber offensichtlich die Hände gebunden. Wir können leider nicht anders entscheiden als Sach- und Rechtslage, es sei denn, es gibt eine andere Rechtsauskunft.

(Frau Harms [GRÜNE] meldet sich zu Wort)

Zur selben Eingabe Frau Harms, oder nicht?

(Frau Harms [GRÜNE]: Wir haben keine Redezeit mehr!)

- 20 Sekunden haben Sie noch.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Einlassungen des Herrn Kollegen Biallas von der CDU-Fraktion und dem Hinweis darauf, dass eigentlich keiner der Kollegen im Innenausschuss diese Entscheidung mit seinem Gewissen vereinbaren kann, frage ich mich, ob diese Entscheidung des Innenausschusses nicht doch noch einmal im Sinne von Frau Stokar überprüft werden muss.

(Beifall bei den GRÜNEN - Frau Sto- kar von Neuforn [GRÜNE]: Zurück- überweisen!)

Es hat sich der Ministerpräsident zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe dem Innenausschuss des Niedersächsischen Landtages vier Jahre lang angehört. Dort ist mit den Kollegen aus der CDU-Fraktion, von den Grünen und aus der SPD-Fraktion öfter über Fälle gesprochen worden, bei denen wir immer wieder erhebliche menschliche Schwierigkeiten hatten, auf der Grundlage des geltenden Rechtes zu entscheiden.

Ich möchte an dieser Stelle einen Fall schildern, den wir damals gelöst haben und der heute keine Rolle spielt, um deutlich zu machen, dass wir es

uns noch einmal schwer machen müssen. Wir haben damals über eine junge Rumänin gesprochen, die von ihrem Vater sexuell missbraucht worden war. Der Vater war nach Verbüßung einer Haftstrafe in sein Heimatland verwiesen worden. Als das junge Mädchen 16 Jahre alt war, hat sie nach dem geltenden Ausländerrecht in ihr Heimatland ausgewiesen werden müssen. Das deutsche Ausländerrecht geht nämlich davon aus, dass ein Mädchen in diesem Alter allein zu Hause leben kann. Sie hatte kein Recht mehr, hier zu bleiben. Sie sollte dann aber in den Heimatort ausgewiesen werden, in dem ihr Vater wohnt.

Sie können sich vorstellen, dass wir uns die Entscheidung sehr schwer gemacht haben. Wir haben das Problem nur lösen können - so bitter und zynisch es klingt -, weil das Mädchen selbstmordgefährdet war. Nachdem wir diese Gefahr durch ein psychiatrisches Gutachten mehrfach bestätigt bekommen haben, haben wir das Mädchen wegen tatsächlicher Abschiebungshindernisse nicht ausgewiesen. Inzwischen ist sie verheiratet, hat, glaube ich, einen deutschen Pass, lebt hier und hat selbst Kinder. Sie ist jetzt in eine andere Lebenssituation gekommen, und die Gefahr eines möglichen Selbstmordes ist gebannt.

Ich habe dieses Beispiel angeführt, weil ich bereit wäre, Frau Harms - ich nehme an, das ist bei der CDU-Fraktion und auch bei der SPD-Fraktion nicht anders -, diesen Fall noch einmal zu überprüfen, allerdings unter einer Voraussetzung: Am Ende werden sich der Niedersächsische Landtag und die Niedersächsische Landesregierung nicht rechtswidrig verhalten dürfen. Wir können nur Folgendes tun: Wir können die Rechtmäßigkeit nochmals prüfen. Ich misstraue dem Innenministerium nicht. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Innenministerium die betreffende Petition rechtlich sauber beantwortet hat und dass der Innenausschuss auf dieser Grundlage entschieden hat. Ich vermute nur, dass wir in den nächsten Wochen im Rahmen des Zuwanderungsrechtes auch über so etwas wie Härtefallklauseln reden werden. Ich nehme stark an, dass dies Bestandteil der Debatte sein wird. Ich kann es nicht vorhersagen. Wenn wir dann in vier oder acht Wochen wieder der Überzeugung sein sollten, dass sich die Rechtslage nicht geändert hat, dann hoffe ich, dass meine Bereitschaft - sicherlich auch die Bereitschaft von CDU und SPD -, diesen Fall noch einmal zu überprüfen, dazu führt, dass wir auf der Grundlage des geltenden Rechts entscheiden werden, ganz gleich, wie schwer es uns fallen mag.

Ein rechtswidriges Verhalten werden wir als Landtag und auch die Landesregierung am Ende nicht durchhalten.

Mir geht es im Übrigen nicht um den Vater; denn der hätte längst eine Arbeit aufnehmen können. Es ist unglaublich, wie wenig Bereitschaft er zeigt, für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen. Mir geht es vielmehr um die Kinder, die wir zurückschicken müssten und die relativ wenig Chancen hätten, sich dort zu integrieren.

Wenn wir uns darauf verständigen können, den vorliegenden Fall noch einmal prüfen zu lassen, ohne das Ministerium, die Landesregierung und das Parlament zu rechtswidrigem Handeln zu zwingen, wäre ich bereit, den Fall mit Blick auf das, was uns menschlich bewegt, noch einmal zu überprüfen.

(Beifall bei der SPD)

Der Kollege Plaue hat sich zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Harms, wir müssen hier in der Tat eine schwierige Entscheidung treffen. Sie ist aus zweierlei Gründen schwierig. Wie der Ministerpräsident und, so glaube ich, auch Sie will auch ich die Entscheidungsgründe unserer Kolleginnen und Kollegen nicht anzweifeln. Wir stehen hier vor der schwierigen Aufgabe, eine Entscheidung zu treffen, die Menschen konkret betrifft. Wenn wir die Entscheidung jetzt zurückstellen, wecken wir unter Umständen Hoffnungen, die wir nicht erfüllen können. Wir stehen an dieser Stelle zwischen Baum und Borke.

Gleichwohl akzeptiere ich Ihren Vorschlag und übernehme ihn für meine Fraktion. Wir stellen die Eingabe noch einmal zurück und werden uns mit dieser Angelegenheit im Januar erneut zu beschäftigen haben. Wohl ist keinem von uns dabei. Aber besser, wir machen es jetzt, als dass wir eine falsche Entscheidung treffen.

(Zuruf von der CDU: Das ist doch al- les schon gesagt worden!)

- Nehmen Sie zur Kenntnis, dass hier nur Fraktionen einen Antrag stellen können, aber nicht die Landesregierung.

Noch einmal der Herr Ministerpräsident!