Protokoll der Sitzung vom 22.06.2012

Herr Kollege Schminke stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, ob sie einen Überblick über die Qualifikationen der Arbeitnehmer hat, die von der ersten und zweiten Entlassungswelle betroffen waren.

Wenn Sie erlauben, schließe ich die zweite Frage gleich an. Aus den Kreisen der Arbeitnehmer und der Betriebsräte gibt es immer wieder Hinweise darauf, dass es wohl Forderungsabtretungen gegeben hat. Das wäre nichts Schlimmes, wenn sie nicht noch rückdatiert sein sollten. Deshalb die Frage an die Landesregierung: Gibt es Hinweise auf solche rückdatierten Forderungsabtretungen? Denn damit würde der Insolvenz, den Gläubigern und dem Investor Geld entzogen, mit dem Maßnahmen für Arbeitnehmer finanziert werden könnten.

(Zustimmung bei der SPD - Hans- Henning Adler [LINKE]: Das wäre eine Straftat!)

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst zur Struktur der Betroffenen bei Schlecker: Zwei Drittel sind zwischen 25 und 49 Jahren alt, zwei Drittel verfügen über eine abgeschlossene Berufsausbildung, und zwei Drittel haben in Vollzeit gearbeitet bzw. streben wieder eine Vollzeitbeschäftigung an.

Zur zweiten Frage, Herr Schminke: Forderungsabtretungen sind zunächst einmal etwas ganz Gewöhnliches und nichts Ungewöhnliches. Sie kommen in der Regel bei jedem Unternehmen vor, das sich finanziert. Ihre Frage, ob Forderungsabtretungen rückdatiert sind, kann die Landesregierung nicht beantworten. Der Insolvenzverwalter prüft dies allerdings gewissermaßen standardmäßig in seinem Verfahren. Sollte er auf entsprechende Hinweise stoßen, kann der Insolvenzverwalter damit diese Forderungsabtretungen gegebenenfalls anfechten und damit neues Geld, also neue Masse, sicherstellen. Jeder Insolvenzverwalter wird, weil er in seiner Arbeit überprüft wird, alles tun, um die Masse zu vergrößern, wenn er eine Möglichkeit dazu sieht.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Der Kollege Hagenah stellt seine zweite Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund der Auskünfte von Minister Bode, dass aufgrund der durch das Nichtzustandekommen - maßgeblich auch durch diese Landesregierung beeinflusst - einer Transfergesellschaft ausgelösten Kündigungsschutzklagen eine Kostenlast von etwa 100 Millionen Euro auf dem Unternehmen ruht, ob z. B. der bis zuletzt im Rennen befindliche Investor Berggruen sein Schlussangebot für die Insolvenzmasse von Schlecker schlicht von 100 Millionen auf 200 Millionen Euro hätte verdoppeln können, wenn diese Kostenlast von 100 Millionen Euro aus den Kündigungsschutzklagen nicht auf dem Unternehmen gelastet hätte?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verständlicherweise war die Landesregierung bei dem Schlussgespräch mit Herrn Berggruen und dem Insolvenzverwalter nicht dabei. Deshalb wissen wir nicht, was in der letzten Sekunde den Ausschlag für die Entscheidung gegeben hat.

(Johanne Modder [SPD]: Sie haben auch nicht nachgefragt! Die Landes- regierung hat kein Interesse!)

Herr Kollege Meyer stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass im Moment überall in Niedersachsen die Abschlussprüfungen für diejenigen stattfinden, die sich in der Erzieherausbildung befinden, habe ich zwei Fragen.

Erstens. Kann sich die Landesregierung vorstellen, wie es denen, die gerade nach vierjähriger Ausbildung an den Schulen ihre Examina machen, geht, wenn sie erfahren, dass diese Landesregierung der Meinung ist, dass man dies mit den ehemaligen Beschäftigten von Schlecker auch durch ein bisschen Umschulung machen kann?

Zweitens. Diese vierjährige Ausbildung findet in Niedersachsen überwiegend an berufsbildenden Schulen statt. Wer wird das für die Beschäftigten von Schlecker machen, und wer wird das bezahlen? Oder wollen Sie künftig alle Auszubildenden zum Erzieher finanzieren?

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Meyer, das, was hier jetzt passiert, finde ich im Umgang nicht fair.

(Oh! bei der SPD - Johanne Modder [SPD]: Die Schlecker-Frauen finden das auch nicht fair!)

Lassen Sie es mich erläutern. Es kann ja sein, dass man, wenn man eine Frage stellt, auch ein echtes Interesse an einer Antwort hat. Das unterstelle ich als Mitglied der Landesregierung zunächst einmal. Wenn man eine Frage gestellt hat und eine Antwort bekommt, dann erwarte ich, dass zugehört, die Antwort hingenommen, akzeptiert und bei weiteren Fragen berücksichtigt wird.

(Zurufe von der SPD - Glocke des Präsidenten - Stefan Wenzel [GRÜ- NE]: Welche Fragen gestellt werden, entscheiden immer noch wir!)

Lieber Kollege Meyer, ich habe genau zu dieser Frage der Erzieherumschulung gesagt: Die Landesregierung und auch die Betroffenen begrüßen jede Initiative, auch in Richtung Mangelberufe auszubilden und zu qualifizieren. Die Landesregierung hat aber schon am ersten Tag sofort gesagt, gerade im Bereich der Pflege- und der Erzieherberufe darf es keine Light-Ausbildung geben, sondern die Qualität muss am Ende genau die Gleiche sein. Dass Sie das ignorieren und hier anders darstellen, ist unparlamentarisch.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Minister Dr. Althusmann möchte ergänzen. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zurzeit befinden sich in Niedersachsen 12 000 Erzieherinnen und Erzieher in der Ausbildung. Jährlich absolvieren diese hoch qualifizierte Ausbildung etwa 2 000 Personen. Hinzu kommen etwa 700 Sozialassistenten. Bisher sollen im Raum Hannover etwa 50 oder 60 Sozialassistenten nicht in Arbeit vermittelt worden sein. Von daher wird es darum gehen, diese in Arbeit zu vermitteln. In Niedersachsen werden derzeit 45 Arbeitslose zu Erzieherinnen und Erziehern umgeschult. Bundesweit sind es jährlich ca. 2 500.

Das Problem bei der Umschulung der SchleckerFrauen besteht nach unseren Recherchen darin, dass sie oftmals keinen Realschulabschluss haben oder dass sich deren Berufsausbildung nicht auf dem Niveau befindet, das für die entsprechende Umschulung notwendig wäre. Das Kultusministerium hat gestern mit der Bundesagentur über diese Problematik gesprochen. Die Bundesagentur verfolgt aber eher das Ziel, die Schlecker-Frauen zu

Bäckerei- oder Fleischereifachverkäuferinnen auszubilden.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das ist auch ein echter Mangelberuf!)

Frau Kollegin Heiligenstadt stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund der vom Kultusminister soeben gemachten Ausführungen, dass in Niedersachsen zurzeit gerade einmal 45 Menschen eine Umschulung zur Erzieherin oder zum Erzieher machen, während es allein in Hessen, wo im Gegensatz zu Niedersachsen auch noch das dritte Ausbildungsjahr mitfinanziert wird, 500 sind, frage ich die Landesregierung: Sind Sie bereit, in Niedersachsen auch das dritte Jahr der Umschulung mitzufinanzieren?

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Dr. Althusmann.

Bisher ist nicht vorgesehen, das dritte Ausbildungsjahr mitzufinanzieren.

(Stefan Schostok [SPD]: Alles klar!)

Die nächste und damit seine zweite Zusatzfrage stellt der Kollege Will.

Herr Minister, vor dem Hintergrund, dass Sie vorhin noch einmal das Holzmindener Modell angesprochen und wir uns vor Ort erkundigt haben mit dem Ergebnis, dass lediglich fünf unverbindliche Beratungsgespräche mit Betroffenen geführt worden sind, frage ich Sie: Wie wollen Sie das eigentlich bei 2 500 Betroffenen in Niedersachsen insbesondere im Handwerksbereich, den Sie angesprochen haben, erfolgreich umsetzen? - Es geht nicht um 5, sondern um 2 500!

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie können Holzminden nicht mit einer Metropole wie beispielsweise der Landeshauptstadt Hannover vergleichen.

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Noch nicht!)

Dort gibt es weniger Einwohner als in Hannover. Ich glaube, das wird jetzt auch von der SPD nicht bestritten. - Oder? - Das heißt: Man muss es immer relativ sehen. Was aber nicht stimmt, Herr Will, ist - ich glaube, dass Sie das nicht mit böser Absicht so gesagt haben -, dass es lediglich fünf unverbindliche Gespräche gegeben hat. Fahren Sie ruhig noch einmal nach Holzminden; dann werden Sie auch sehen, warum wir dort die Verkehrsanbindungen verbessern müssen. Zwölf haben nämlich angefangen.

Frau Kollegin Helmhold stellt ihre zweite Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was die Umschulung zu Erzieher- oder Pflegeberufen - also zu Berufen, bei denen es einen Fachkräftemangel gibt - angeht, haben wir auf Bundesebene ja eine klassische von der Leyen erlebt. Da tönt sie rum: Es muss umgeschult werden. - Aber ihre eigene BA sagt: Machen wir mal lieber Bäckerei- und Fleischereifachverkäuferinnen. - Das ist, wie ich finde, eine ganz typische Geschichte, die man sich hier wieder bieten lassen musste. Auf die Frage, ob das Land dann, wenn die BA bei diesen Mangelberufen nur zwei Ausbildungsjahre bezahlt, bereit sein wird, das dritte Ausbildungsjahr zu übernehmen, hat der Kultusminister eben gesagt: Das ist nicht vorgesehen. - Ich sage: Es kann ja sein, dass das bisher nicht vorgesehen ist.

Frau Kollegin, jetzt muss aber die Frage kommen.

Wenn wir wissen, dass es sich dabei um einen Mangelberuf handelt und dass es wichtig ist, in diesem Bereich für Nachwuchs zu sorgen, frage ich: Hält es die Landesregierung dann nicht für

erforderlich, das dritte Jahr zu übernehmen? Plant sie, die Kosten dafür zu übernehmen?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Minister Dr. Althusmann, bitte!

Aufgrund des letzten Kinderförderungsberichtes geht man bei einem Erreichen der entsprechenden Ausbauziele bundesweit von etwa 16 000 fehlenden Erzieherinnen und Erziehern in den nächsten Jahren aus. Aufgrund der von mir vorhin erwähnten 12 000 Erzieherinnen und Erzieher, die sich zurzeit in Ausbildung befinden, sowie aufgrund der Sozialassistenten und der jährlichen Ausbildungsquoten haben wir in Niedersachsen zurzeit keinen Mangel an Erzieherinnen. Von daher glaube ich, dass es sinnvoller ist, dass man für diejenigen Damen und Herren, die bei Schlecker gearbeitet haben und arbeitslos geworden sind bzw. werden, geeignete Berufe finden, die ein Ausbildungsfeld und ein Berufsfeld ermöglichen.