Wollen Sie diese schützenswerten Interessen wirklich jedermann preisgeben? - Mir jedenfalls läuft ein kalter Schauer den Rücken herunter, wenn ich nur daran denke. Ich bin sicher, den Richtern vom Bundesverfassungsgericht ginge es ähnlich. Von der Verwaltung, die sich dann nur noch selber verwaltet, weil sie nur damit beschäftigt ist, Akteneinsichten zu gewähren, will ich gar nicht erst reden.
Zu Frage 3: Die Fragestellung ist unklar. Sie lässt offen, auf welche Korruptionsaffären Sie, sehr geehrter Herr Wenzel bzw. Ihre Fraktion, Bezug nehmen wollen. Soweit Sie die beispiellose Korruptionsaffäre um den Siemens-Konzern meinen, sind mir keine Bezüge zu Niedersachsen bekannt. Korruptionsverfahren in Niedersachsen, die mir von den Strafverfolgungsbehörden bei Relevanz berichtet werden, werden hingegen in jedem Einzelfall auf möglichen Gesetzgebungsbedarf ausgewertet. Dazu zählt etwa eine von Ihnen übrigens mit schwachen Argumenten immer wieder abgelehnte praxistaugliche Kronzeugenregelung, die es ermöglicht, in das Dunkelfeld der Korruptionskriminalität einzudringen. Die Milderung der zu erwartenden Strafe kann dabei gerade für aussteigebereite Täter ein konkreter Anreiz zur Offenbarung ihres Wissens sein.
Den Einsatz verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, etwa die seit Jahresbeginn mögliche Überwachung der Telekommunikation oder den Einsatz anderer technischer Mittel halte ich ebenfalls für richtig und notwendig. Sie wollen das aber ja auch nicht. Dabei sind es gerade diese verdeckten Ermittlungsmethoden, die sehr oft Erfolg versprechen.
Soweit Sie schließlich nach einer wirkungsvollen Vorstandshaftung fragen, gibt es diese bereits im Gesetz. § 357 Abs. 2 StGB regelt, dass ein Vorgesetzter, dem die Aufsicht oder Kontrolle übertragen ist, sich ebenso wie sein Untergebener strafbar macht, wenn er sehenden Auges zulässt, dass dieser Straftaten begeht. Falls ein Vorgesetzter seinen Untergebenen sogar zu einer Straftat verleitet oder dieses auch nur versucht, greift § 357 Abs. 1 StGB. Auch in diesem Fall würde den Vorgesetzten die gleiche strafrechtliche Verantwortung treffen wie den Untergebenen selbst.
Wie jeder andere Bürger macht sich ein Vorstand auch dann strafbar, wenn er beispielsweise Bestechungsgelder zahlen lässt. Er macht sich dann nicht etwa nur wegen Bestechung - z. B. § 299,
Bestechung im geschäftlichen Verkehr, oder §§ 331 ff. - strafbar, sondern wahrscheinlich auch wegen Untreue, § 266 StGB. Das gilt auch bei riskanten Geschäftsaktionen, die den Interessen des Unternehmens entgegenstehen und so nicht autorisiert waren. Auch Betrug - § 263 StGB - kann bei bestimmten Handlungen zur Debatte stehen.
Neben dieser rein strafrechtlichen Behandlung steht aber für mich auch die zivilrechtliche Seite im Fokus. Das Beispiel Siemens zeigt doch eindrucksvoll, wie ehemalige Führungskräfte vom Unternehmen in die Haftung genommen werden. Der finanzielle Schadenersatz wiegt häufig viel schmerzhafter als eine Strafe.
Ich sehe deshalb zurzeit jedenfalls nicht so recht die Notwendigkeit für weitere Maßnahmen. Wenn Sie allerdings darauf anspielen, die Gewinne aus solchen strafbaren Handlungen frühzeitig abzuschöpfen, dann kann ich Ihnen sagen, dass wir für den Haushalt 2009 weitere 28 Stellen für das Projekt Gewinnabschöpfung in den Haushalt eingestellt haben.
Danke schön, Herr Minister. - Eine Wortmeldung für eine Zusatzfrage liegt mir von Herrn Kollegen Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Bitte schön!
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Minister hier kundgetan hat, wie wichtig ihm eine effektive Korruptionsbekämpfung ist, und er auch einschlägige Organisationen in diesem Bereich, wie z. B. Transparency International, zitiert hat, frage ich noch einmal ganz konkret: Was wird die Landesregierung tun, damit ein effektives gesetzliches Korruptionsregister bundesweit erlassen wird, auf das wir nun schon seit mehr als fünf Jahren warten und das nach Aussagen des Ministers immer noch auf die lange Bank geschoben wird? Also noch einmal ganz konkret: Welche politischen Maßnahmen wird die Landesregierung veranlassen, um dieses bundesweite Korruptionsregister endlich durchzusetzen?
Frau Präsidentin! Herr Kollege Briese, ich habe eben deutlich gemacht, dass es schon im Jahre 2002 einen Anlauf der Länder gegeben hat. Niedersachsen - damals unter anderer politischer Führung - war dafür. Das ist seinerzeit im Bundesrat gescheitert. Gleichwohl laufen immer wieder Bemühungen.
Ich will Inhalt und Umfang nicht ganz präzise abgrenzen, bin aber im Prinzip für ein solches Gesetz. Der Bund ist gefordert, hier ein entsprechendes Gesetz vorzulegen, weil nur eine bundesweite Regelung vernünftig sein kann. Ich kann mir vorstellen, dass wir nach den üblichen Beratungen im Rechtsausschuss des Bundesrates und allem, was dazugehört, auf einer Prolinie mitmachen würden.
Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage kommt auch von der Fraktion Bündnis90/Die Grünen. Sie wird von Herrn Kollege Hagenah gestellt.
Frau Präsidentin! Da selbst der Deutsche-BankChef Josef Ackermann angesichts der Bankenkrise nach dem Staat als Garanten für schlingernde Banken gerufen hat und sogar der FDPEhrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff eine stärkere Haftung von Managern einfordert, frage ich die Landesregierung, ob auch nach ihrer Einschätzung der Vormarsch eines ungezügelten Neoliberalismus gestoppt gehört und insgesamt mehr Kontrolle und Transparenz von Märkten und Unternehmen erforderlich sind.
Frau Präsidentin! Herr Kollege, für den gewaltigen Begriff des Neoliberalismus fehlt mir so ein bisschen die Deutungshoheit. Man könnte eine ganztägige Veranstaltung dazu machen, was man darunter verstehen darf.
Ich will Ihnen zwei Dinge sagen, die mir dabei auffallen, und das nicht erst seit ein paar Jahren. Wenn einmal wieder ein Manager sein Unternehmen an die Wand gefahren hat und dann noch mit einer fetten Abfindung weggeht, dann sagen alle mit geballter Faust, dass wir Regelungen brauchen und dass das nicht zu ertragen ist. Es ist ja geradezu zum Volkssport auch von Topmanagern und von mir aus auch von Politikern geworden, schärfere Gesetze zu fordern. Das reicht dann erst einmal für die nächste Ausgabe der Presse.
Dazu möchte ich Folgendes sagen: Das eine ist das strafrechtliche Ahnden. Ich habe Ihnen nicht ohne Grund mit einer gewissen Ausführlichkeit einige Tatbestände genannt. Darunter können Sie das Gemeinte sehr wohl subsumieren. Wenn es da irgendwo eine Ahndungslücke gibt, bin ich sofort bereit, mit Herrn Ackermann und anderen zu sagen, dass wir eine Ergänzung des einen oder anderen Tatbestandes oder einen völlig neuen Tatbestand brauchen. Das ist die eine Geschichte.
Mir scheint übrigens momentan ein großer Irrtum unterwegs zu sein. Ich weiß nicht, wer heute Morgen die Nachrichten auf NDR 2 gehört hat. Da hat ein Politiker - ich glaube, der Union - eine stärkere Bestrafung von Managern gefordert. Im nächsten Satz hieß es dann, man könne die Abfindungen einkassieren oder Geldstrafen verhängen. Da werden möglicherweise das strafrechtliche Ahnden - da besteht ein öffentlicher Anspruch - und das zivilrechtliche, auch vertragsrechtliche Ahnden von Fehlverhalten verwechselt.
Bitte sehr, wir haben Vertragsfreiheit in Deutschland, wie übrigens auch Tarifautonomie und alle diese Dinge. Die Unternehmen bzw. die bedeutenden Leute dort haben es selbst in der Hand, das mit ihren Managern und Vorstandsmitgliedern - abgesegnet werden die Verträge durch die Aufsichtsräte - entsprechend auszuhandeln. Manche Dinge halte ich auch heute noch für widersinnig, obwohl wir sie seit vielen Jahren diskutieren.
Ich nehme einmal den Fall von Herrn Schrempp, der ein bestimmtes Bild von einem globalen Konzern hatte und der aus verschiedenen Gründen, hauptsächlich selbst verursacht, damit gescheitert ist. Der Kurs von Daimler-Benz war im Eimer. Als Herr Schrempp mitteilte, dass er zurücktritt, schnellte der Kurs nach oben. Wer aber ist der erste große Verdiener an dieser Tat? - Er selbst, weil er in Aktien vergütet bzw. abgefunden wird. Es ist doch unglaublich, dass jemand bei einer Fehlleistung der erste Verdiener ist. Aber das betrifft
die Vertragsgestaltung. Das brauchen Sie nicht gesetzlich zu regeln. Das haben doch die Aufsichtsräte in der Hand.
Ich weise also noch einmal darauf hin: Das eine ist eine zivilrechtliche, vertrags- bzw. arbeitsrechtliche Ebene, und das andere ist die Ebene der strafrechtlichen Ahndung. Ich bin völlig offen: Wenn mir einer sagt, dass es irgendwo eine Lücke gibt, die geschlossen werden müsste, damit wir jemanden packen können, den wir gerne packen würden, dann bin ich dabei.
Frau Präsidentin! Ich frage die Landesregierung: Wie sieht die Praxis in den anderen EU-Staaten aus? Gibt es dort Informationsfreiheitsgesetze? Wie ist der Umgang? Wie kann das auf das Land Niedersachsen übertragen werden?
Frau Präsidentin! Herr Kollege, ungeschützt sage ich: Es soll Länder geben, in denen es so etwas gibt. Gleichwohl muss man sich genau anschauen, welche Ansprüche bzw. Möglichkeiten sich aus solchen Gesetzen ergeben. Da wird vielleicht manchmal die Überschrift des Gesetzes dem Anspruch so, wie Sie ihn deuten, nicht gerecht.
Ich habe in meiner Antwort klargemacht: Wenn wir zu der Auffassung gelangen, dass wir aus Transparenzgründen Informationsrechte brauchen, dann kann man das in den jeweiligen Spezialgesetzen entsprechend ansiedeln. Dazu brauchen wir nicht ein eigenes Gesetz, das dann alles und vielleicht auch zu umfassend regelt.
Mich befremdet etwas, dass gerade die Grünen mit einer solchen Leidenschaft dem Informationsfreiheitsgesetz anhängen, da sie hier doch eher durch Kämpfen für mehr Datenschutz brillieren.
Herr Minister Busemann, Sie haben eben aus dem Landesvergabegesetz zitiert. Ich frage Sie: Wie viele Fälle sind denn in dem Register des Landevergabegesetzes überhaupt erfasst worden?
Ich frage Sie ferner: Ist Ihnen der Vorfall bekannt, dass eine thüringische Firma entsprechende Verfehlungen begangen hat und dass aufgrund von Nachverhandlungen in der Oberfinanzdirektion, weil die Firma mit Insolvenz gedroht hat, vereinbart worden ist, dass die Firma von der Strafe befreit wird? Ist Ihnen das bekannt?
Danke schön, Herr Kollege Schminke. Das waren eigentlich zwei Zusatzfragen. - Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Möllring. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schminke, es ist Ihnen ja bekannt, dass ich insbesondere nach den Vorfällen in Rosdorf sehr viel Wert darauf gelegt habe, das Vergabegesetz konsequent anzuwenden. Das war nicht immer ganz einfach, weil wir natürlich erst einmal den Nachweis führen mussten. Wir mussten anschließend auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs berücksichtigen. Das ist Ihnen im Zusammenhang mit den Vorkommnissen um diese Firma aus Rosdorf sicherlich bekannt.
- denn hierbei geht es ja nicht um Korruption, sondern darum, dass Tarifverträge nicht eingehalten wurden, was nach dem Vergabegesetz nicht in Ordnung ist und weshalb wir die Verstöße geahndet haben -, kann ich Ihnen im Moment nicht genau sagen, wie viele Unternehmen wir in das entsprechende Register eingetragen haben. Diese Information können wir Ihnen aber gern nachreichen.
Ob es Verhandlungen mit der OFD und einer Firma gegeben hat, ist mir im Moment nicht geläufig. Ich habe immer deutlich gesagt, dass wir, solange wir dieses Gesetz haben, es anwenden müssen,
weil wir dazu verpflichtet sind, und dass wir notfalls in Kauf nehmen müssen, dass Insolvenzen eintreten und in Einzelfällen auch Arbeitsplätze verloren gehen. Wenn eine Firma von einem Auftrag entbunden wird, ist immer die Folge, dass sie an dem Auftrag nicht weiterarbeiten kann. So etwas trifft nun einmal nicht nur die GmbH, nicht nur den Unternehmer, sondern auch die am Bau produktiv Tätigen. Das ist der Widerspruch, in dem wir uns immer befunden haben. Deshalb müssen wir jedes Mal darauf achten, ob wir den Verstoß so sicher nachweisen können, dass wir die Verantwortung für diese Folge übernehmen können. Wenn Sie mir den erwähnten Einzelfall im Anschluss näher erläutern, will ich Ihrer Frage gerne nachgehen. Ich biete Ihnen an, dass ich Ihnen dann die Antwort auf direktem Wege gebe.
Herzlichen Dank, Herr Minister. Ich sehe zustimmendes Nicken von Herrn Schminke. - Die nächste Frage stellt Herr Kollege Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es zwar zivilrechtlich möglich ist, hohe Ansprüche geltend zu machen, wenn ein Unternehmensleiter oder ein Vorstandsvorsitzender geschäftsschädigend tätig wird, aber weder mir persönlich noch der Öffentlichkeit entsprechende Zahlungen bekannt sind, und wir zurzeit ein relativ hohes, gigantisches, erschreckendes Versagen von gewissen wirtschaftlichen Eliten erleben, frage ich die Landesregierung, wie sie dazu steht, das von vielen Korruptionsbekämpfern geforderte Unternehmensstrafrecht einzuführen.