Protokoll der Sitzung vom 15.01.2009

Gorleben wurde 1977 durchgedrückt, technisch und administrativ ohne Standortalternative. Auf die gesellschaftspolitische Dimension der Endlagerfrage und die Standortentscheidung wurde in keinster Weise Rücksicht genommen - natürlich ohne Beteiligung der Bevölkerung -, obwohl es auch an anderen Standorten, die zur Diskussion standen, massive Proteste gab. Auf die Bevölkerung wurde damals keine Rücksicht genommen. Es kann nur ein neues, ergebnisoffenes und transparentes Suchverfahren geben. Dieses muss letztendlich nach internationalen Maßstäben durchgeführt werden, meine Damen, meine Herren.

Ich sage noch einmal: Ich lebe gern in Niedersachsen. Wir alle tun das. Denn sonst würden wir nicht hier sitzen. Ich lebe sehr gern in Südostniedersachsen. Meine Frau tut es, meine Kinder tun es, meine Familie tut es, wir alle tun es gern. Ich möchte, dass auch meine Enkelkinder, meine Urenkel, meine Familie und die gesamte Bevölkerung in der Region gern dort leben. Letzten Endes muss sich diese Landesregierung an dieser Stelle bewegen, auch wenn es manchem schwerfällt, sich zu bewegen. Tun Sie bitte etwas für dieses Land! Starten Sie die Endlagersuche für Deutschland neu!

Ich danke Ihnen.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Försterling von der FDP-Fraktion gemeldet. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Marcus Bosse, du hast ja gerade die aktuelle Entwicklung bei der Asse angesprochen. Ich bin dem niedersächsischen Umweltministerium sehr dankbar; denn wenn es die Asse-IIBegleitgruppe am Dienstagnachmittag nicht davon in Kenntnis gesetzt hätte, dass in der Kammer 4 die Gefahr besteht, dass Teile der Schwebe herunterstürzen, dann wüssten wir bis heute noch nichts davon. Das Bundesamt für Strahlenschutz, das für sich ja immer postuliert hat, in die Öffentlichkeit gehen zu wollen, hat nämlich am Dienstagnachmittag in der Asse-II-Begleitgruppe folgende Äußerung zu diesen Vorkommnissen getroffen, Herr Wenzel: Wir wollten die Öffentlichkeit erst dann informieren, wenn wir auch eine Lösung für das Problem haben.

Wenn wir mit der Asse die ganze Zeit so umgegangen wären oder auch weiterhin so umgehen würden, würden wir heute noch nicht über die Asse sprechen; denn bis heute - ich glaube, darin sind wir uns einig - gibt es noch keine Lösung. Das Bundesamt für Strahlenschutz steht in der Pflicht, auch die Öffentlichkeit entsprechend zu informieren. Ich frage mich nun in der Tat: Hat das Bundesamt für Strahlenschutz, das ebenfalls schon im Dezember von den Ergebnissen der mikroseismischen Messungen erfahren hat, den Bundesumweltminister informiert? Und kann die Tatsache, dass sich der Bundesumweltminister erst am Montagabend zum Wahlkreiskandidaten hat krönen lassen, möglicherweise in einem Zusammenhang damit stehen, dass auch er die Öffentlichkeit nicht über die Vorkommnisse in der Asse informiert hat?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zu einer Erwiderung hat sich Herr Kollege Bosse gemeldet. Bitte!

Lieber Björn, das Letzte hake ich unter der Überschrift „das glaubst du doch selber nicht“ ab. Am 1. Januar dieses Jahres hat das Bundesamt für Strahlenschutz die Verantwortung für die Asse übernommen. Die seismografischen Untersuchungen laufen nun aber nicht erst seit wenigen Wochen, sondern schon seit Monaten oder Jahren, und halbjährlich werden Berichte erstattet. Der Landkreis Wolfenbüttel bekommt Hunderte von Seiten umfassende Wälzer mit einem Rieseninhalt,

den aber wahrscheinlich kein Mensch lesen mag. Der ehemalige Betreiber hat es über viele Jahre hinweg versäumt, zu informieren.

Kaum ist das BfS wenige Tage in der Verantwortung, da steht der Minister auf und sagt, das Bundesamt für Strahlenschutz begehe Versäumnisse in der Öffentlichkeitsarbeit. Ich brauche hier nur an die wenige Monate zurückliegende Zeit zu erinnern. Aus dem, was damals geschah, könnte man einen Strick drehen. Man sollte sich insofern jetzt ganz, ganz vorsichtig in das Mauseloch zurückziehen und erst einmal eine Decke über den Kopf ziehen, nicht aber gleich anderen neuen Betreibern Schuld zuweisen und sie zurechtweisen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Dürr von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da wir jetzt gerade beim Thema Asse sind, Herr Kollege Bosse, will ich dazu noch etwas sagen. Ich erinnere mich noch an die Zeitungsartikel aus dem Herbst letzten Jahres, als der Bundesumweltminister ein Schließungskonzept für die Asse für Ende 2008 angekündigt hat. Als das offensichtlich nicht geklappt hat, hat die SPD damals gesagt, bei Asse müsse man jetzt behutsam vorgehen, man müsse ganz genau nachdenken, denn ein Zeitmangel sei ja gar nicht gegeben. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist die Wahrheit beim Thema Asse und beim Thema Kammer 4!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir alle - jedenfalls ist dies meine Erinnerung - waren von dem Vorstoß von Bundesministerin Schavan, Bundesminister Gabriel und von Minister Sander begeistert, als gesagt wurde, wir wollen einen Betreiberwechsel bei Asse, wir wollen weg vom Helmholtz-Zentrum München und hin zum Bundesamt für Strahlenschutz, und zwar gerade weil wir, Herr Bosse, von der Informationspolitik des HMGU mehr als enttäuscht waren.

(Zuruf von der SPD: Und des Ministe- riums!)

Anfang des Jahres hat das Bundesamt für Strahlenschutz dann eine Informationsstelle eröffnet. Man konnte, wie ich gerne zugebe, in der Region

tatsächlich den Eindruck gewinnen, dass sich bei der Informationspolitik etwas tut. Ich habe die Ankündigung des BfS und seines Präsidenten ausdrücklich begrüßt. Ich habe aber auch gesagt, dass die Organisation von Eröffnungsfeiern noch keinen guten Betreiber ausmacht. Erst nachdem - das hat Herr Försterling vorhin zu Recht dargestellt - das Landesumweltministerium auf Druck der Mitglieder der Begleitgruppe diese Begleitgruppe über die entsprechenden Befunde, auch was die Kammer 4 anbetrifft, informiert hatte, hat das Bundesamt für Strahlenschutz gestern auf seiner Homepage eine entsprechende Pressemitteilung eingestellt.

Herr Dürr, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, im Moment nicht. - Ich sage Ihnen das ganz deutlich: Das ist nicht die Informationspolitik, die wir von einem neuen Betreiber erwartet haben.

Herr Dürr, ich muss Sie noch einmal unterbrechen. Es gibt einen weiteren Wunsch nach einer Zwischenfrage.

Ich gestatte im Moment keine Zwischenfrage. - Ich sage ganz deutlich: Das ist nicht die Informationspolitik, die wir von einem neuen Betreiber in der Asse erwartet haben. Deswegen dürfen wir das dem Bundesamt für Strahlenschutz genauso wenig durchgehen lassen, wie wir es dem HMGU hier an dieser Stelle haben durchgehen lassen. Wir werden deutlich Farbe bekennen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Nachdem der Kollege Bosse auch etwas zum Thema Asse gesagt hat, möge es mir die SPDFraktion verzeihen, dass ich an dieser Stelle ein paar Richtigstellungen vorgenommen habe.

Ich will jetzt auf den Kollegen Wenzel eingehen, der vorhin gesagt hat, dass es klare Zuständigkeiten bei der Einrichtung eines atomaren Endlagers in Deutschland gibt. Auf der einen Seite sind die Energieversorgungsunternehmen für die Finanzierung einer solchen Einrichtung - übrigens letztendlich mit dem Geld der Stromkunden - zuständig. Auf der anderen Seite ist die Politik - genauer gesagt: der Bund - dafür zuständig, einen entsprechenden Standort zu finden. Ich finde es bemer

kenswert, dass Sie sich hier hinstellen und kritisieren, dass die Energieversorgungsunternehmen für die Finanzierung Rückstellungen gebildet haben. Ich stelle mir gerade die Frage, wie die Situation wäre, wenn die Energieversorgungsunternehmen keine Rückstellungen gebildet hätten. Dann würde doch die gleiche Kritik von den Grünen kommen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Am Ende ist es doch egal, wie es gemacht wird. Ihnen geht es um Kritik in der Grundsatzfrage, nicht aber darum, beim Thema Endlagerung nach vorn zu kommen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich will gern noch etwas zu dem Endlagersymposium sagen, das sogar Herr Bosse vorhin als wissenschaftlich hervorragend dargestellt hat. Ich war mit einigen Kollegen aus fast allen Fraktionen bei diesem Symposium anwesend. Abends wurde in den Nachrichten gesagt, dieses Symposium sei eine Tagung mit 300 Experten gewesen. Ich bin Landespolitiker. Ich mache Umweltpolitik. Ich bezeichne mich ausdrücklich nicht als Endlagerexperten. Insofern konnte ich zumindest die Kollegen aus dem Landtag, was die wissenschaftliche Expertise betrifft, von dem Kreis der Experten schon einmal abziehen. Diese Veranstaltung von Sigmar Gabriel auf des Steuerzahlers Kosten war reine Politikshow. Das ist die ganze Wahrheit an der Stelle!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das Ganze hat ja Methode. Es geht hier doch letztlich darum, nur ein Ziel zu verfolgen. Es geht darum, Wissenschaft sukzessive durch Politik zu ersetzen - um nichts anderes. Das kommt übrigens auch in dem Entschließungsantrag der Linken eindeutig zum Ausdruck, in dem gesagt wird, dass man Salz als Endlagermedium ausschließen muss. Herr Herzog, mit den gleichen Argumenten, mit denen Sie hier gerade Salz ausgeschlossen haben, könnten Sie genauso Ton oder Granit ausschließen. Ihnen in der linken Hälfte des Hauses geht es nicht darum, ein sicheres Endlager zu finden. Ihnen geht es darum, kein Endlager in Deutschland zu finden. Auch das muss gesagt werden!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Wenzel, zum Abschluss will ich noch etwas zum Thema Zwischenlagerung sagen. Ich glaube, auch der Kollege Bosse hat dieses Thema angesprochen. Der Bevölkerung an den Kernkraft

werksstandorten ist seinerzeit versprochen worden, dass die Zwischenlager eine Übergangslösung für maximal 40 Jahre darstellen. Das heißt - dies war immer damit verbunden -, dass es die verdammte Pflicht und Schuldigkeit der Bundespolitik ist, ein Endlager zu finden. Ich sage das noch einmal, auch wenn ich es hier bereits einmal gesagt habe, und zwar gerade im Blick auf den AkEnd weil Herr Herzog ihn angesprochen hat: Der Endlagerprozess ist scheinbar von Rot-Grün und von Herrn Trittin begonnen worden. Dann ist ein AkEnd ins Leben gerufen worden. Am Ende haben den Prozess niemand anders als Rot-Grün und Herr Trittin gestoppt. Ihnen ging es auch während der Regierungszeit von 1998 bis 2005 nicht darum, den besten Standort in Deutschland zu finden, sondern Ihnen ging es immer darum, über ein letztes Argument gegen die Kernenergie zu verfügen - um nichts anderes.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es liegen Wortmeldungen zu drei Kurzinterventionen vor. Zunächst hat Herr Kollege Meyer von der SPD das Wort.

Herr Kollege Dürr, Sie haben mit Ihrem Redebeitrag eben bewiesen, dass Sie kein Experte in Sachen Atom sind. Dem können wir nur beipflichten.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Ich will den Aspekt Asse noch einmal aufgreifen, weil von Ihrer Seite jetzt versucht wird, eine Skandalisierung herbeizuführen, um dem neuen Betreiber - Sie sind ja froh, dass Sie einen gefunden haben, der Ihren Sauhaufen aufräumt und Ihre verantwortungslosen Geschichten aus der Welt zu schaffen versucht - ans Bein pinkeln zu können. Wenn es denn richtig ist, dass am 4. oder 5. Dezember - ich weiß es nicht genau - der Sachverhalt bekannt war, würde mich schon interessieren, warum zu diesem Zeitpunkt weder das HelmholtzZentrum noch das niedersächsische Umweltministerium mit einer entsprechenden Information an die Öffentlichkeit gegangen sind. Versuchen Sie nicht, hier Nebel zu werfen und andere zu beschimpfen, obwohl Sie selbst oder der Minister in der Verantwortung sind.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Herr Kollege Meyer, den Begriff „Sauhaufen“ will ich nicht mit einem Ordnungsruf belegen. Ich möchte Sie aber bitten, einmal darüber nachzudenken, ob der Ausdruck richtig war.

(Zuruf von der SPD: Sachlich gerecht- fertigt! - David McAllister [CDU]: Sau- haufen ist was anderes: die da drü- ben!)

- Herr Kollege McAllister, wenn ich das jetzt gehört hätte, hätte ich Ihnen dafür allerdings einen Ordnungsruf erteilt.

(Heiterkeit)

Zu der nächsten Kurzintervention hat Herr Herzog das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Dürr, daraus, dass Sie 60 % Ihrer Redezeit auf das Thema Asse verwandt haben, schließe ich, dass Sie - wie ich - von einer großen Ähnlichkeit bei den Themen Asse und Gorleben ausgehen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zuruf von der FDP: Fehl- schluss!)

Sie sagten, mir gehe es nicht um die Endlagersuche, sondern nur um Kritik in der Grundsache. Ich gebe Ihnen recht. Es geht mir um Kritik der Grundsache. Es ist doch nicht schlecht, wenn man nach den Havarien in Tschernobyl, nach der KiKKStudie, nach den Krebsfällen in der Elbmarsch etc. die Frage der Atomenergie einmal in der Grundsache angeht, oder?