Protokoll der Sitzung vom 19.02.2009

Herzlichen Dank. - Herr Kollege Bachmann von der SPD-Fraktion hat das Wort zu einer Zusatzfrage.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da ich den Inhalt eines Briefes, den Herr Ministerpräsident Wulff an einen kirchlichen Würdenträger geschrieben hat, kenne, in dem er Aussagen gemacht hat, die über das, was er heute hier mündlich in Bezug auf grundsätzliche Kritik und auch Veränderungsbedarf gesagt hat, hinausgehen, frage ich Sie, Herr Ministerpräsident: Würden Sie den gleichen Brief nach den Aussagen Ihres Innenministers erneut schreiben, und teilen Sie die Aussagen, die der Innenminister hier getroffen hat, bzw. empfinden Sie diese Aussagen nicht eher als Belehrung für sich?

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Für die Landesregierung antwortet Herr Ministerpräsident Wulff. Bitte!

Die Antwort, die der Innenminister hier dem Landtag als Hohem Hause gegeben hat, ist mit mir abgestimmt und wird dementsprechend auch von mir verantwortet.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Also wieder eingeknickt! Gut! - Hans- Christian Biallas [CDU]: Benehmen ist Glückssache!)

- Herr Kollege, ich habe den Eindruck, dass der Innenminister hier im Wesentlichen Sach- und Rechtslagen referiert hat. Ich finde es auch richtig, dass wir uns mit diesem schwierigen Bereich ausführlich beschäftigen. Es ist ein Bereich, in dem es um Einzelfallgerechtigkeit und um humanitäre Fragen geht. Bei den Fällen wird man in der Regel beim ersten Anschein ohnehin sagen: Ist es nicht möglich, dass eine reiche Industrienation all diesen Menschen dauerhaften Aufenthalt gewährt? - Bei näherem Hinsehen stellt man dann allerdings fest, dass die Dinge komplizierter liegen. Es ist nicht immer ganz einfach, im Landtag darzulegen, wie sie im Einzelnen liegen, wenn es um Missbrauch geht, wenn es um falsche Angaben geht, wenn es auch um Missbrauch der Kinder geht. Wenn jemand nach Deutschland kommt und dann nach neun oder zehn Jahren erfährt, dass er keinerlei rechtlichen Anspruch hat, ändert das nichts daran, dass wir bei der Gewaltenteilung an die Rechtsprechung gebunden sind. Das heißt, weder das Parlament noch die Exekutive, also die Regierung, darf sich über eine Gerichtsentscheidung hinwegsetzen. Sonst würden wir hier nämlich den Rechtsstaat desavouieren.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Deshalb gibt es doch die Härtefallkommission!)

- Ja, aber es gibt auch rechtliche Rahmenbedingungen, Frau Kollegin, die wir im Rahmen des Korrigierens von rechtsgültigen Entscheidungen wiederum zu beachten haben. In der Härtefallkommission wird dann meistens mit den Kindern argumentiert. Es wird gesagt, dass diese überhaupt keinen Bezug zu ihrem Heimatland hätten und überhaupt nicht mehr die Muttersprache beherrschen würden. Wir stellen natürlich immer wieder fest, dass eine unverantwortliche Missachtung der Erziehungsaufgabe der Eltern vorliegt, in der Phase des laufenden Asylverfahrens dafür

Sorge zu tragen, dass die Kinder nicht völlig ohne Heimat sind, weder dort noch hier, und dass sie hier sozusagen nicht zwischen die Stühle fallen, was eine besondere humanitäre Härte bedeuten würde.

Den erwähnten Brief würde ich an das stellvertretende Mitglied der Härtefallkommission heute genauso wieder schreiben. Ich bin dankbar dafür, dass ein solcher Dialog möglich ist. Ich gehe davon aus, dass es in der Härtefallkommission seitdem Veränderungen gibt. Wenn ich es richtig sehe, gibt es z. B. auch Veränderungen in der Zusammensetzung der Härtefallkommission.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Ja, zu seinen Gunsten!)

- Herr Kollege, ich denke, das kann man ein bisschen differenzierter sehen. - Ich meine, dass wir auch über die Frage einer Ausweitung der Härtefallkommission um ein weiteres Mitglied, um die Erreichbarkeit von sechs Stimmen bei voller Präsenz zu erleichtern, nachdenken sollten. Ich selber könnte mir vorstellen, dass aus Gründen der Befriedung und des besseren Zusammenwirkens in der Kommission z. B. der Vorsitzende des Petitionsausschusses des Niedersächsischen Landtages das neunte Mitglied sein könnte. Es gibt aber auch andere Vorstellungen. Die Entscheidung wird zu treffen sein, wenn wir die Verordnung novellieren, um das Parlament noch enger an die Arbeit der Härtefallkommission - - -

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Das Schreckensszenario wird ja immer größer, das Sie hier aufzeigen!)

- Herr Bachmann, ich glaube, Sie sind möglicherweise nicht ganz in der Lage, der gesamten Debatte bis zum Ende zu folgen. Sie haben sich vorher schon sehr deutlich festgelegt.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Dr. Lesemann von der SPD-Fraktion. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ist der Landesregierung bekannt, dass zehn bis elf ordentliche bzw. stellvertretende Mitglieder der Härtefallkommission von insgesamt sechzehn Mitgliedern ihre Mitarbeit aus Protest einstellen wer

den, wenn den Kernforderungen unserer Dringlichen Anfrage nicht entsprochen wird?

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Das ist ja Erpressung!)

Danke schön. - Für die Landesregierung antwortet Herr Ministerpräsident Wulff.

Mir gegenüber ist von mehreren Mitgliedern der Härtefallkommission und auch von Vertretern der Kirchen gesagt worden, dass dies nicht beabsichtigt sei, dass die Behauptung, dies sei geplant bzw. man wolle an die Öffentlichkeit gehen, nicht den Tatsachen entspreche. Wir weisen diese Behauptung bzw. dieses Gerücht - es ist ja eigentlich nur ein Gerücht - zurück. Es hat sicherlich den Versuch Einzelner gegeben, dieses Thema in der Öffentlichkeit zu behandeln. Die offiziellen Vertreter beispielsweise der Konföderation der evangelischen Landeskirchen sind aber froh, dass es die Härtefallkommission gibt, und wünschen sich eine erfolgreiche Arbeit dieser Kommission. Sie wünschen sich keine große öffentliche Debatte. Sie wünschen sich vielmehr, dass die Probleme in der Härtefallkommission und mit der Härtefallkommission gelöst werden. Daran wirke ich mit. Ich kann Sie nur auffordern, ebenfalls daran mitzuwirken. Das Thema ist zu wichtig, als dass man sein parteipolitisches Spielchen auf dem Rücken von Betroffenen austrägt.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Leuschner von der SPD-Fraktion. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben der Celleschen Zeitung entnehmen können, dass Herr Dr. Haack aus der Härtefallkommission zurückgetreten ist und dass seine Stellvertreterin, Frau Sibylle Naß von Kargah e. V., nicht in die Kommission berufen wurde, sondern der Innenminister vielmehr die Absicht hat, Herrn Lueder in die Härtefallkommission zu berufen. Ich frage die Landesregierung: Ist das nicht eine Missachtung des bisherigen Verfahrens bei der Härtefallkommission?

Herzlichen Dank. - Herr Minister Schünemann, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ist keine Missachtung der Härtefallkommission und auch nicht eines stellvertretenden Mitglieds. Für mich war gerade auch vor dem Hintergrund der Diskussion wichtig, dass wir eine Möglichkeit haben, der Integrationsbeauftragten dort eine beratende Funktion zu geben. Das ist, wie ich glaube, sinnvoll. Es wäre nicht sinnvoll - das will ich offen sagen -, der Integrationsbeauftragten Stimmrecht zu geben, weil sie dann durchaus irgendwo in ein Abhängigkeitsverhältnis geriete. Sie wäre dann nicht in gleicher Weise wie bisher für alle Organisationen ansprechbar. Ich halte es aber für eine richtige Entscheidung, dass sie in der Kommission dabei ist und dort beratend tätig sein kann. In der erwähnten Situation war dies nur machbar, indem Herr Lueder, der bisher stellvertretendes Mitglied war, jetzt ordentliches Mitglied geworden ist. Damit habe ich die Stellvertreterfunktion des Vorsitzenden frei bekommen. Ich bin sehr froh, dass Frau Deihimi meiner Bitte entsprochen hat und jetzt diesem Gremium angehört. Das ist meines Erachtens sinnvoll und auch im Interesse derjenigen, die bisher dort Kritik geübt haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Polat von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön, Frau Polat!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass sich uns hier der Eindruck erschließt, dass der Innenminister zumindest keinen Bedarf an einer Änderung der Verordnung sieht - und dies, obwohl in den letzten Tagen eindrücklich an die Landesregierung appelliert wurde, und zwar noch gestern von einer Besuchergruppe des Katholischen Rates des Bistums Osnabrück, und auch einige Kolleginnen und Kollegen aus der CDU- und der FDP-Fraktion den politischen Wunsch geäußert haben, dass es zu Veränderungen kommt -, und vor dem Hintergrund, dass die Mitglieder der Härtefallkommission gesagt haben, dass die Rahmenbedingungen in Niedersachsen, um unabhängig zu agieren und den Er

messensspielraum, den ihnen das Gesetz gibt - der entscheidende Begriff im Gesetz lautet „abweichende Erteilungsvoraussetzungen“ - zu nutzen, nicht zufriedenstellend sind, frage ich die Landesregierung: Werden die entscheidenden Änderungen vorgenommen, etwa den Posten des neunten Mitglieds der Kommission mit einem Vertreter aus der Flüchtlingssozialberatung zu besetzen - wir wollten keine politischen Vertreter in der Kommission haben; das war interfraktionell beschlossen worden - und das Quorum abzusenken, weil es dabei um den entscheidenden Hinderungsgrund, Härtefälle zu beschließen, geht, wenn es sich darum handelt, Kinder, Familien mit behinderten Kindern - - -

Ich glaube, die Frage ist angekommen, Frau Polat.

Diese Forderungen, die ich hier additiv aufgezählt habe, werden von den Verbänden und den Kirchen erhoben. Sie laufen darauf hinaus, die Nichtannahmegründe zu ändern, weil sonst vielen der Zugang zur Härtefallkommission verwehrt wird.

Vielen Dank.

Lange Ausführungen für eine kurze Frage. - Herr Minister Schünemann, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe in meiner Antwort bereits darauf hingewiesen, dass ein Zweidrittelquorum wie in Niedersachsen bzw. sogar ein noch härteres Quorum in insgesamt 13 Bundesländern gilt. Ich erinnere nur einmal an Hamburg, wo das Einstimmigkeitsprinzip gilt.

Es geht darum, dass ein Ersuchen der Härtefallkommission nur empfehlenden Charakter hat. Ich habe hier deshalb so ausführlich geantwortet, weil ich Ihnen noch einmal darstellen wollte, vor welchen Abwägungsprozessen die Härtefallkommissionen jedes Mal stehen. Zum einen müssen sie die humanitären Gründe bedenken; zum anderen müssen sie aber auch die rechtlichen Aspekte und natürlich auch die Vorgeschichten derjenigen abwägen, die ein Aufenthaltsrecht begehren. Vor diesem Hintergrund halte ich ein so hohes Quorum für sinnvoll.

In drei Ländern ist das Quorum niedriger angesiedelt. Wenn Sie sich einmal anschauen, auf welche Akzeptanz die Empfehlungen der dortigen Härtefallkommissionen bei den jeweiligen Innenministern stoßen, werden Sie Fälle feststellen, in denen die Entscheidungen der Innenminister aufgrund der jeweiligen rechtlichen Situation von den Empfehlungen der dortigen Härtefallkommissionen abweichen. Schauen Sie sich einmal das Land Berlin an, das schon sehr früh eine Härtefallkommission eingerichtet hat. Dort wird fast 40 % der Empfehlungen der Härtefallkommission durch Innensenator Dr. Körting nicht stattgegeben. Ich meine, dass diese Situation oftmals auf die dortige Härtefallkommission äußerst frustrierend wirkt.

Vor diesem Hintergrund halte ich es für wichtig, dass in der Härtefallkommission eine breite Diskussion geführt und im Anschluss daran auch eine breite Empfehlung ausgesprochen wird, weil diese ein ganz anderes Gewicht hat und für den Innenminister eine ganz andere Beratungsbasis bietet.

Ich habe ferner dargestellt, dass wir die Verordnung gerade erst geändert haben, und zwar auch in wesentlichen Punkten, die z. B. von den Kirchen und den Wohlfahrtsverbänden genannt worden sind. Die Nichtannahmegründe sind zum Teil als Regelausschlussgrund dargestellt worden. Das bedeutet aber nicht - wie dies in den Zeitungen und auch von Ihnen immer wieder zum Ausdruck gebracht wird -, dass dann eine Annahme nicht möglich ist. Es ist aber ein Hinweis für die Kommissionsmitglieder darauf, dass sie nicht nur rein humanitäre Gründe sehen, sondern auch mitberücksichtigen sollten, dass etwa bei der Passbeschaffung nicht mitgewirkt worden ist. Wenn an der Passbeschaffung nicht mitgewirkt wird, kann in der Regel kein Aufenthaltsrecht eingeräumt werden.

Die Integrationsleistung kann aber trotzdem so groß sein, dass im Zuge der Abwägung gesagt wird: Nein, der Petent soll auf jeden Fall ein Daueraufenthaltsrecht bekommen. - Das genau ist die Regel.

Von daher glaube ich, dass die jetzt geltende Regelung gut und auch richtig ist. Das zeigen nicht zuletzt auch die Zahlen. Seit Änderung der Verordnung haben wir sehr viel mehr Fälle beraten und auch anerkennen können. Das heißt, dass die mit der Koalitionsvereinbarung beschlossenen Änderungen völlig richtig sind.

Ich gebe aber zu: Der vom Ministerpräsidenten geschilderte Fall hätte von der Härtefallkommission durchaus anders entschieden werden können. Die

Entscheidung der Härtefallkommission hat nun aber insofern keine Auswirkungen, als die betreffende Familie nicht abgeschoben werden kann. Deshalb haben die betroffenen Jugendlichen die Möglichkeit, ein eigenes Aufenthaltsrecht zu beantragen und zu bekommen, und die Eltern werden in Zukunft hier bleiben können.

Auch wenn es hier zu einer anderen Entscheidung gekommen ist, muss nicht sofort wieder die Verordnung geändert werden. Wir müssen zunächst einmal bis zum Herbst abwarten, welche Entscheidungen getroffen werden. Ich bitte die Härtefallkommission, sich jetzt wieder auf ihre Fälle zu konzentrieren. Dann werden wir im Herbst gemeinsam überlegen, ob die Härtefallverordnung nochmals geändert werden muss. Das ist meines Erachtens genau der richtige Weg. Richtig ist, dass wir uns jetzt auf das konzentrieren, was wichtig ist, nämlich auf die Bewertung der einzelnen Schicksale. Wir müssen zu einem Votum kommen. Dann schließlich wird der Innenminister in der Lage sein, darüber zu entscheiden.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. - Von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Korter das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angesichts der Tatsache, dass das Land eine Härtefallkommission eingerichtet hat, um in bestimmten schwierigen Fällen, in denen z. B. das christliche Menschenverständnis gefordert ist, eine Abschiebung von Flüchtlingen zu vermeiden, frage ich Sie, Herr Innenminister: Welchen politischen Grund hat die Landesregierung, den Ermessensspielraum, den die Mitglieder der Härtefallkommission einfordern, zu verweigern?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Für die Landesregierung antwortet Herr Innenminister Schünemann. Bitte!

Meine Damen und Herren, das ist eine Unterstellung, die einfach nicht wahr ist. Wir haben den Ermessensspielraum nicht eingeschränkt. Vergleichen Sie nur einmal ganz neutral die nicht von