Protokoll der Sitzung vom 28.08.2009

Zu 2: Ab 2010 wird es keine Regelmäßigkeitszahlen, sondern nur noch Mindestmengen geben. Und bei den Mindestmengen wird es zudem entscheidend auf das angebotene Qualitäts- und Beratungskonzept ankommen. So soll nach Pressemitteilung des G-BA bis Ende des Jahres 2009 zunächst die Mutterschaftsrichtlinie mit dem Ziel überarbeitet werden, eine Risikoschwangerschaft genauer zu definieren. Betroffene Frauen, bei denen eine Frühgeburt absehbar ist, sollen dann noch zielgerichteter dahin gehend beraten werden, rechtzeitig eine auf die Geburt von Früh- und Neugeborenen spezialisierte Klinik aufzusuchen. Meiner Meinung nach wird gerade die Verbindung von Mindestmenge und Qualitäts- und Beratungskonzept zu einer weiteren Optimierung führen, vor allem vor dem Hintergrund, das Überleben dieser Kinder zu sichern und eine lebenslange Behinderung möglichst zu vermeiden.

Zu 3: In dieser Frage geht es um den Level III, d. h. den der perinatalen Schwerpunkte. Zwischen der neonatologischen Versorgung und der Versorgung kranker reifer Neugeborener besteht ein enormer Unterschied. Perinatale Schwerpunkte sollen in der Lage sein, plötzlich auftretende, unerwartete neonatologische Notfälle adäquat zu versorgen. Ich bin sehr froh darüber, dass wir in Niedersachsen flächendeckend und wohnortnah ein Netz von 34 kinderheilkundlichen Abteilungen mit insgesamt 1 490 Betten haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine erste Zusatzfrage möchte die Kollegin König von der Fraktion DIE LINKE stellen.

Vor dem Hintergrund der Gesamtkonstellation und der Begleitumstände - Versorgung der Familie, fehlender Nahverkehr und geringes soziales Einkommen - frage ich die Landesregierung, wie sie die Entfernung dieser Frühchen zur Mutter, zu den Geschwistern und zur Familie bewertet.

Frau Ministerin, bitte!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Bereich einer sehr hoch spezialisierten medizinischen Versorgung werden wir immer vor dem Zielkonflikt stehen, auf der einen Seite auf sehr hohem Niveau mit hoher technischer Ausstattung und hoher Qualifikation des medizinischen und pflegerischen Personals die bestmögliche und optimale Versorgung der kleinen Frühchen und auf der anderen Seite auch eine möglichst familiennahe Erreichbarkeit sicherzustellen. Wenn Sie mir eben aufmerksam zugehört haben, werden Sie festgestellt haben, dass die Mindestmengen, die der G-BA festgelegt hat, darauf abstellen, dass Erfahrung ein ganz entscheidender Faktor ist, um das Überleben kleiner Frühchen zu ermöglichen.

(Zustimmung von Silva Seeler [SPD])

Für mich stehen diese kleinen Wesen, die zu einem sehr frühen Zeitpunkt auf die Welt gekommen sind, im Vordergrund. Ihnen möchte ich die optimalen Startbedingungen geben, die ein Überleben möglichst ohne Spätfolgen garantieren, damit sie ein tolles Leben haben können. - Das ist der eine Bereich.

Der andere Bereich, der genauso wichtig ist, ist für die kleinen Frühchen auch der Kontakt zur Mutter und zum Vater, das so genannte Cocooning, das auch für die psychische Reife des Kindes unglaublich entscheidend ist. Deshalb ist es wichtig, dass wir bei den Planungen, die wir aufnehmen werden, versuchen wollen, eine familiennahe Erreichbarkeit sicherzustellen.

Sie haben eben gehört, dass auch jetzt schon zwölf Kliniken die Voraussetzungen erfüllen. Wir werden genau schauen müssen, in welchen Bereichen wir Standorte, die bereits jetzt bestehen, auch weiterhin bestehen lassen können. Dies hängt aber ganz entscheidend davon ab, wie der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses letztlich ausgestaltet ist. Den müssen wir uns erst einmal genau angucken.

Sie sprachen zu Recht die Situation von Müttern und Vätern an, die kein ausreichendes Einkommen haben, um täglich weite Fahrtstrecken überwinden zu können. Da gibt es sowohl im Bereich des SGB V - Ansprüche gegen die gesetzlichen Krankenkassen - als auch im Bereich der ergänzenden Sozialhilfe die Möglichkeit, dass beispielsweise Fahrtkosten übernommen werden oder eine Mutter zeitweilig bei ihren Kindern mit untergebracht wird,

wenn die Notwendigkeit dieser engen Bindung anerkannt ist.

(Beifall bei der CDU)

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Kollege HumkeFocks von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eine Nachfrage an Sie, Frau RossLuttmann: Wie schätzt die Landesregierung die Möglichkeit ein, dass sich die von Ihnen genannten 34 Standorte bei der konsequenten Umsetzung des zu erwartenden Beschlusses erhalten lassen?

Meine zweite Frage ist: Wie beurteilt die Landesregierung langfristig die Entwicklung der Fort- und Weiterbildung im Schwerpunkt der Neonatologie angesichts der Tatsache, dass künftig deutlich weniger Standorte vorhanden sind? Wirkt sich dies aus Ihrer Sicht negativ auf dieses spezielle Fachgebiet aus?

Frau Ministerin, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach meinem Kenntnisstand gibt es genügend Fortbildungsangebote.

Zu dem, was Sie am Anfang ausgeführt haben, möchte ich sagen: Die Krankenhäuser, die schon jetzt die Level I und II haben, sind im medizinischen und technischen Bereich unglaublich gut ausgestattet. Wir werden natürlich alles dafür tun, damit wir - ausgehend von den Mindestzahlen - eine flächendeckende Versorgung bekommen.

Daran, dass wir einige sehr große Kliniken - beispielsweise in Oldenburg, die Kinderklinik auf der Bult, die MHH, die Uni Göttingen und das Städtische Klinikum Braunschweig, um nur ein paar zu nennen - mit weit über 30 Geburten im Jahr haben, werden Sie unschwer ersehen können, dass wir für eine flächendeckende Versorgung bei schon jetzt 678 Fällen pro Jahr eine gewisse Anzahl von Kliniken brauchen, damit wir die Versorgung der Kleinen auch weiterhin auf diesem hohen Niveau sicherstellen können.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Zimmermann von der Fraktion DIE LINKE stellt eine weitere Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Wie bewertet sie das Umdenken der Kassen in Schleswig-Holstein, und wie bewertet sie an diesem Beispiel die Gefahr von Kapazitätsengpässen in Niedersachsen?

Frau Ministerin, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde keine Bewertung von Aussagen einer Krankenkasse eines anderen Bundeslandes vornehmen. Im Verhältnis zu Schleswig-Holstein haben wir hier in Niedersachsen deutlich mehr Krankenhäuser. Wir haben vor allen Dingen eine große Anzahl von Krankenhäusern, die schon jetzt die kleinen Patienten in den Bereichen Level I und II versorgen. Ich gehe davon aus, dass es unser aller Interesse ist - das Interesse des Landes, der Krankenkassen und der Krankenhausgesellschaft -, diesen kleinen Wesen die bestmögliche Versorgung anzubieten. Dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren, trete ich ganz entschieden ein.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Silva Seeler [SPD])

Der Kollege Dr. Sohn von der Fraktion DIE LINKE stellt eine weitere Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ross-Luttmann, ich habe eine Nachfrage zur Fortbildungssituation. In diesem Zusammenhang haben Sie eben gesagt, wenn ich mir das richtig notiert habe, es gebe genügend Fortbildungsangebote. Nach meiner Kenntnis ist die sogenannte Weiterbildungsermächtigung für Fachärzte in diesem Bereich wie auch in anderen Bereichen daran gebunden, dass Praxismöglichkeiten für die Level I und II vorliegen. Wenn diese Levels nun zurückgefahren werden,

(Heinz Rolfes [CDU]: Die werden nicht zurückgefahren!)

möchte ich die Frage stellen, wie Sie langfristig die Fortbildungsmöglichkeiten für Fachärzte in diesem Fachgebiet gewährleisten, wenn die Level I und II ausgedünnt werden.

Frau Ministerin, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es uns gelingt, 12 + x Einrichtungen zu haben - ich möchte gerne + x Einrichtungen -, die die Kleinen künftig im Bereich Level I und II versorgen, dann reichen die Fortbildungsangebote aus.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt eine weitere Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es unstrittig ist, dass jemand, der eine bestimmte Menge von Eingriffen ausführt, mehr Erfahrungen hat und von daher eine höhere Qualität haben kann, frage ich die Landesregierung, in welchen anderen Bereichen es Mindestmengen gibt. Vielleicht können Sie das einmal an Beispielen festmachen. Welche Mindestmengen muss eine Klinik erfüllen, um z. B. Kniegelenke operieren zu dürfen?

Frau Ministerin, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frage, die Sie eben gestellt haben, Frau Helmhold, weicht absolut von der Kleinen Anfrage ab.

(Beifall bei der CDU - Ursula Körtner [CDU]: Ganz genau!)

Gestatten Sie mir, dass ich als Nichtmedizinerin und Juristin nur ein Beispiel nenne, das mir geläufig erscheint - dies wurde hier gerade schon gesagt -: Kniegelenk und Hüfte. Da gibt es, soweit ich weiß, eine Mindestmenge von 50.

Frau Kollegin Flauger von der Fraktion DIE LINKE stellt eine weitere Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Zentralisierung der Frühgeborenenversorgung frage ich die Landesregierung, wie sie das Problem bewertet, dass mehrfaches Reisen bei vorzeitigen Wehen medizinisch kontraindiziert ist und Niedersachsen nun einmal ein Flächenland ist.

Frau Ministerin, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin keine Ärztin und kann dies nicht beurteilen. Ich will Ihnen nur eines sagen: Die Ärztin bzw. der Arzt hat die Verantwortung für den Patienten, in diesem Fall für die Patientin. Die Ärztin bzw. der Arzt wird alles dafür tun, damit das werdende Leben möglichst lange im Mutterleib verbleibt, was für das werdende Leben das Beste ist.

Aus diesem Grund wird die behandelnde Ärztin bzw. der behandelnde Arzt sehr genau überlegen: Sind Reisen zumutbar, damit die Frau zu Hause bleiben kann, oder muss die werdende Mutter stationär aufgenommen werden, um diese Reisen zu vermeiden? - Dies, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird jeweils der behandelnde Arzt entscheiden müssen.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass die Mutterschaftsrichtlinie überarbeitet wird. In der Mutterschaftsrichtlinie wird dann nämlich deutlich formuliert, was eine Ärztin bzw. ein Arzt bei Risikoschwangerschaften tun muss, die sie bzw. er erkannt hat. Risikoschwangerschaften können immer zwei Auslöser haben: Zum einen kann der Auslöser in der Mutter selbst begründet liegen. Zum anderen kann der Auslöser aber auch in dem werdenden Leben begründet sein. Das heißt also, die Ärztin bzw. der Arzt muss sehr genau wissen, wie engmaschig die Betreuung und Versorgung der Mutter sein muss. Dies ist letzten Endes in die Entscheidungsgewalt des jeweiligen behandelnden Arztes zu geben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Perli von der Fraktion DIE LINKE stellt eine weitere Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, hat die Landesregierung Kenntnisse darüber, ob es neben Schleswig-Holstein weitere Bundesländer gibt, die den G-BA-Beschluss zur sogenannten Mindestmengenregelung nicht konsequent umsetzen?

Frau Ministerin, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Perli, ich habe den Eindruck, wir reden jetzt aneinander vor. Dieser G-BA-Beschluss ist am 20. August getroffen worden und wird zum 1. Januar 2010 umgesetzt. Das heißt, wir müssen uns erst einmal die Begründung sehr genau angucken. Dann müssen wir in die Planungen eintreten, wie wir das, was der G-BA als Selbstverwaltungskörperschaft begründet hat, in Niedersachsen umsetzen.