Protokoll der Sitzung vom 24.09.2009

Herr Minister Busemann!

Herr Präsident! Herr Kollege Limburg, Sie haben nach der Verfahrensdauer gefragt. Ich habe hier den Stand von 2008. Das mag zu 2009 leicht differieren, ist aber von Jahr zu Jahr in etwa auf dem

gleichen Niveau. Im Jahre 2008 war es so, dass die Verfahren in Niedersachsen bei einem Jugendrichter durchschnittlich etwa drei Monate gedauert haben und bei einem Jugendschöffengericht etwa vier Monate.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Ab Ankla- geerhebung? Und zwischen Tat und Sanktionen?)

- Ab Anklageerhebung.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Die Frage war nach der Tat!)

Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Ich glaube, da müssen wir noch einmal präzise nachfragen. Aber das kann der Kollege Limburg machen. Ich habe eine andere Frage.

Eine zentrale Forderung nach diesem traurigen und tragischen Ereignis ist, dass die öffentlichen Einrichtungen, die angstbesetzt oder gefährlich sind, personell besser ausgestattet werden müssen, mit mehr Personal, Polizei oder anderen Personen. Wie will die Landesregierung diesem Wunsch nachkommen? - Personen können eingreifen, wenn ein Vorfall stattfindet. Eine Kamera wirkt immer nur retrograd.

Herr Minister Schünemann, bitte!

Für die Landesregierung war schon immer wichtig, dass die Polizei auch präsent ist. Das hat etwas mit dem subjektiven Sicherheitsgefühl zu tun. Wir haben nach den Vorfällen entschieden, diese Aktivitäten zu steigern. Ab morgen werden wir zusätzliche Beamte der Bereitschaftspolizei zur Verfügung stellen, um die Polizeipräsenz auszuweiten. Dem liegt eine klare Konzeption zugrunde. Es werden zwei Züge, d. h. 60 Beamte der Bereitschaftspolizei zusätzlich eingesetzt.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann übernimmt den Vorsitz)

Präsenz zu zeigen, ist aber nicht nur eine Aufgabe der Polizei. Es ist auch notwendig, das Sicherheitspersonal der Verkehrsbetriebe richtig einzu

setzen. Dazu habe ich bereits erste Gespräche mit der Üstra geführt. Wir müssen mehr Sicherheitspersonal haben und brauchen vielleicht auch eine neue Konzeption, um das zur Verfügung stehende Personal so einzusetzen, dass es sichtbar ist.

Wir müssen also zum einen die Videoüberwachung ausweiten und zum anderen die Präsenz steigern. Hier hat die Landesregierung sofort reagiert: Ab morgen werden wir die neue Konzeption starten.

Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Frage wird von Herrn Adler von der Fraktion DIE LINKE gestellt. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, wenn Ihre Ausführung richtig ist, wonach die Videoüberwachung die Sicherheit an den überwachten Orten erhöht - durch Abschreckung, wie Sie eben gesagt haben -, dann frage ich Sie: Führt das im Ergebnis nicht dazu, dass sich die Kriminalität an die nicht überwachten Orte verlagert, und was wäre dann im Ergebnis überhaupt gewonnen?

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Videoüberwachung ist im öffentlichen Raum nur an solchen Plätzen zulässig, die Kriminalitätsschwerpunkte sind. Diesen Bereich haben wir seit 2006 weiter ausgebaut. Die ersten Ergebnisse liegen vor.

Es wird ja immer wieder behauptet, dass durch die Videoüberwachung die Straftaten letztendlich nicht verhindert, sondern nur verlagert würden. Diese Auffassung können wir nach unseren Erfahrungen nicht bestätigen. Die Videoüberwachung führt im Gegenteil dazu, dass wir an Kriminalitätsschwerpunkten, an denen sich nun einmal ein bestimmtes Milieu aufhält und z. B. alkoholisiert auffällig wird - etwa vor Diskotheken - schneller eingreifen können. Wir sehen die Straftat und können die Täter schneller dingfest machen. Dass dem so ist, können wir schon nach einem Jahr an einzelnen Pro

jekten nachweisen. Wir werden das aber mit einer Langzeitstudie noch genauer untermauern.

Hier geht es aber um etwas anderes. Es geht vor allen Dingen darum, im öffentlichen Personennahverkehr, in S-Bahnen, U-Bahnen und Straßenbahnen, etwas zu erreichen. Die neue Konzeption besagt, auch in den Zügen selbst eine Videoüberwachung zu haben. Dabei reicht es aber nicht aus, wie es derzeit noch die Regel ist, dass man es einfach nur aufzeichnet. Damit kann man zwar den Täter dingfest machen, wenn etwas passiert ist. Aber der Abschreckung, wenn z. B. ein Jugendlicher völlig durchgeknallt ist, dient das nicht gerade.

Deshalb sieht das neue Konzept vor, dass man, wenn etwas passiert, sofort auf einen Notknopf drücken kann und das Bild beim Zugführer aufgeschaltet wird. Noch besser wäre es natürlich, wenn es auch in der Sicherheitszentrale aufgeschaltet würde. Das ist zwar sehr aufwendig, aber die Stadt Köln z. B. verfolgt dieses Konzept seit vielen Jahren.

Ich denke, dass darüber hinaus auch ein akustisches Signal sinnvoll ist, weil das durchaus auch abschreckend wirkt. Darüber muss man mit den Verkehrsbetrieben diskutieren, weil hier natürlich die Gefahr des Missbrauchs besteht.

Aufgrund der Erkenntnisse, die wir in München gewonnen haben, erstellen wir eine klare neue Konzeption, mit der es in Köln bereits positive Erfahrungen gibt.

Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Frage wird von Frau Jahns von der CDU-Fraktion gestellt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, wie bewertet die Landesregierung im Zusammenhang mit der Jugendgewalt das Thüringer Konzept einer Jugendstation im staatsanwaltschaftlichen Bereich?

(Helge Limburg [GRÜNE]: Sie haben den falschen Minister gefragt! - Wolf- gang Jüttner [SPD]: Das war doch so abgesprochen, alles in Ordnung!)

Herr Minister!

Herr Präsident! Frau Kollegin! Herr Jüttner, es interessiert Sie hoffentlich trotzdem, wie wir diese Dinge sehen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ja!)

Ich darf zunächst noch eine Bemerkung zur Verfahrensdauer machen. Wir führen in der Justiz natürlich eine Statistik über den Zeitraum zwischen Anklageerhebung und Verurteilung. Das Feld davor - wann die Tat begangen wurde, wann die Tat bekannt wurde, wie lange die polizeilichen Ermittlungen gedauert haben usw. - ist statistisch aber kaum erfassbar.

Dass Straftaten gerade von Jugendlichen und Heranwachsenden zügig geahndet werden müssen, ist völlig klar. Unverändert gilt der wissenschaftlich wie praktisch unterlegte Grundsatz: Die Strafe soll der Tat auf dem Fuße folgen. - Gerade bei jungen Leuten kann jedermann nachvollziehen, dass es schnell, zügig und spürbar gehen muss. Gerade dann begreift der junge Mensch, dass er auf einem Irrweg ist und einen anderen Weg einschlagen sollte.

Niedersachsen kennt seit 2007 das vorrangige Jugendverfahren, in dem sich Justiz, Polizei und Gerichte bemühen, geeignete Fälle mit einer Frist von sechs Wochen einer Verurteilung zuzuführen. Das gelingt in einer zunehmenden Anzahl von Fällen auch.

Ich war kürzlich in Thüringen; Sie haben es möglicherweise mitbekommen. In Gera ist vor ein paar Jahren ein Modellversuch gestartet worden, und zwar mit sehr viel Erfolg. Etwas Ähnliches gibt es, glaube ich, in Stuttgart-Bad Cannstatt. Dort hat man sogenannte Jugendstationen eingerichtet, in denen Staatsanwaltschaft, Polizei und Jugendgerichtshilfe sitzen und geeignete Fälle ganz schnell erfassen. Es gibt kurze Wege. Man kann schnell anklagen und verurteilen. Ich gebe zu, das ist im städtischen Bereich eher machbar als auf dem flachen Land.

Im Raum Gera hat man damit hervorragende Erfolge erzielt, und zwar in der Breite. Die Verfahren dauern nur wenige Wochen. Mir wurde ein Fall geschildert, dass an einem Tag ein Delikt passiert ist und schon am nächsten Tag die Gerichtsverhandlung war. Das hat mich überzeugt. Ich bin dabei, in Niedersachsen an mindestens einem geeigneten Standort etwas Ähnliches einzuführen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die nächste Frage wird von Frau Reichwaldt von der Fraktion DIE LINKE gestellt. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass das Kriminologische Forschungsinstitut in Hannover in seiner letzten Studie nicht nur auf die Videoüberwachung abhebt, sondern darüber hinaus sagt, dass Ganztagsschulen und eine ausreichende Ausstattung mit Sozialarbeitern eine gute präventive Wirkung hätten, frage ich die Landesregierung - den Innenminister, aber auch die Kultusministerin -: Was unternimmt sie, um Ganztagsschulen bzw. um die Schulen insgesamt ausreichend mit Sozialarbeitern und Schulpsychologen auszustatten? - Bei den Schulpsychologen haben wir eine Quote von 1 : 30 000. Ich weise darauf hin, dass eine vielleicht geplante Einstellung von bis zu 50 Schulpsychologen diese Quote nicht entscheidend ändern könnte.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Miriam Staudte [GRÜNE])

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Landesregierung hat die Zahl der Ganztagsschulen in erheblicher Weise ausgeweitet, nämlich von etwa 100 auf über 800. Dieses Programm wird weiter fortgesetzt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Björn Thümler [CDU]: Sehr richtig!)

Ich erinnere an die gestrige Diskussion zum Thema Amokläufe. Dort habe ich dargestellt, dass es ganz wichtig ist, potenzielle Amoktäter frühzeitig zu erkennen. Das Landeskriminalamt hat hierzu ein Handlungskonzept entwickelt, das mit dem Kultusministerium abgestimmt ist.

Es ist falsch, allein auf Schulpsychologen abzustellen. Ich habe gestern schon erwähnt, dass dort, wo die Amoktaten passiert sind, z. B. in Winnenden, die Täter in psychologischer Behandlung gewesen sind. Es ist vielmehr notwendig, dass das Ganze in das Alltagsgeschäft der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Schulen insgesamt übergeht. Wir brauchen eine ganzheitliche Betrachtung. Das Kultusministerium hat darauf reagiert und dieses Pro

gramm entwickelt. Wir können nicht an jeder Schule Schulpsychologen installieren - das wird überhaupt nicht machbar sein -, sondern wir haben das System so umgestellt, dass es erfolgreich sein wird.

Ich hoffe, dass wir mit dem neuen Konzept neue Erfahrungen machen werden. Wenn es sein muss, werden wir nachsteuern. Dieses System ist vom Ansatz her absolut richtig. Ich bin der Kultusministerin sehr dankbar dafür, dass sie zusammen mit dem Landeskriminalamt dieses neue System eingeführt hat. Wir müssen potenzielle Amoktäter frühzeitig erkennen. Das Klima an den Schulen muss so werden, dass wir gefährdete Jugendliche erkennen und unterstützen können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Die nächste Frage stellt Herr Oetjen von der FDP-Fraktion.

Herzlichen Dank. - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe zwei Fragen an die Landesregierung, die sich auf die Verkehrsunternehmen beziehen. Die GdP hat den Verkehrsunternehmen ja Sparpolitik zulasten der Sicherheit vorgeworfen. Ich hätte gerne gewusst, wie die Landesregierung diese Kritik bewertet.