Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

Zunächst wird unterstellt, die Y-Trasse könne man angesichts der noch nicht bestehenden Planfeststellung ohne größeren Verlust an Zeitaufwand und Sachaufwand aus der Planung streichen und ohne Verluste beliebige andere Projekte starten. Hierzu ist festzustellen, dass es zum einen bereits ein abgeschlossenes Raumordnungsverfahren für die Y-Trasse gibt. Zum anderen ist die Bahn gerade dabei, die Planungsarbeiten aufzunehmen. Wie Sie wissen, hat der Bund hierfür bereits 20 Millionen Euro bereitgestellt. Wer an dieser Stelle meint, die Planungen könne man verlustlos abbrechen und an anderer Stelle von vorne anfangen, der kennt die Maßstäbe für Schieneninfrastrukturprojekte nicht.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sehen auch inhaltlich keinen Grund, vom Bau der Y-Trasse abzuweichen. Wie die UBA-Studie richtigerweise aussagt, basiert das Konzept des Y primär auf einer Verbesserung des Hochgeschwindigkeitsverkehrs. Nur folgen wir nicht der Aussage, dass es aufgrund des gestiegenen Angebotes an „Billigfliegern“ keinen Bedarf mehr am Ausbau des Hochgeschwindigkeitsnetzes gebe. Wir halten den Ausbau nach wie vor für eine wichtige Aufgabe zur Stärkung des europäischen Raumes, zur Erhaltung der Mobilität bei steigenden Energiekosten und zur Erfüllung der angestrebten Einsparungen an CO2 - auch im Verkehrssektor.

Die veränderte Entwicklung im Schienenpersonennahverkehr und im Schienengüterverkehr schätzen wir genauso wie die Studie ein. Das heißt, aufgrund der Steigerungen, die vor Jahrzehnten noch nicht absehbar waren, gibt es einen enormen Bedarf an Trassen für diese Verkehre. Und genau dem dient auch das Y. Hier geht es also nicht nur um eine kürzere Fahrzeit. Angesichts der jetzt schon bestehenden und noch wachsenden Konflikte um Trassen für den Personennahverkehr und für den Güterverkehr halten wir eine Entlastung der Altstrecken vom Hochgeschwindigkeitsverkehr und auch vom Güterverkehr für dringend geboten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Y wird zweifelsfrei Trassengewinne bringen. Wie hoch sie im Einzelnen sein werden, hängt allerdings von vielen Details der Infrastruktur und des Betriebsprogramms ab. Die konkreten Angaben der UBA-Studie werden zurzeit von uns überprüft. Der Großteil der Kritikpunkte bezieht sich auf absehbare Engpässe außerhalb der Y-Strecke. Es liegt auf der Hand, dass nach dem Bau einer Neubaustrecke dann die Engpässe davor und dahinter liegen. Dementsprechend fällt die Kostenbetrachtung je nach Einbeziehung weiterer, über das Y hinausgehender Maßnahmen im Netz unterschiedlich aus.

Die in der Öffentlichkeit diskutierten angeblichen immensen Mehrkosten basieren auf der unterschiedlichen Betrachtung Y oder Y plus Ergänzungen. Heute reden wir hier über die Y-Trasse. Dass weitere Maßnahmen sinnvoll oder sogar erforderlich sind, ist heute nicht Thema.

Wir stimmen mit der Aussage der UBA-Studie überein, dass die Fertigstellung der Y-Trasse zu spät kommt, um die jetzt schon vorhandenen Kapazitätsengpässe, die sich angesichts der Prognosen noch weiter verschärfen werden, abzufangen.

Daher unterstützten wir mit eigenen Maßnahmen und Vorschlägen eine Überbrückung bis zur Fertigstellung des Y. Einige der vom Land vorgeschlagenen und geforderten Maßnahmen zur Ergänzung der Y-Strecke sind in der UBA-Studie enthalten. Wir sehen allerdings im Unterschied zum UBA diese Maßnahmen nicht als Alternative zum Y; denn die in der UBA-Studie zugrunde gelegten Kapazitäten der vorgeschlagenen Maßnahmen sind aus unserer Sicht nicht realistisch. Daher sehen wir diese Maßnahmen als zeitliche und räumliche Ergänzung zum Y.

Im Übrigen erfüllen die Maßnahmen der UBA-Studie nicht die Kritik, die sie am Y äußert, wie die Engpasssituation in den Knoten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie Sie sehen, ist es dringend geboten, an der Y-Strecke festzuhalten, um die Situation im Güterverkehr, im Personennahverkehr und im Personenfernverkehr in den Griff zu bekommen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Damit ist Ihre Frage 1 zur Haltung der Landesregierung beantwortet.

Zu den Fragen 2 und 3, also den Konsequenzen und möglichen Alternativen, kann ich Ihnen mitteilen, dass wir an der Y-Trasse festhalten und uns für einen schnellen Planungsverlauf einsetzen. Gleichzeitig halten wir einen Großteil der Vorschläge der UBA-Studie für sinnvoll als Ergänzung, damit ausreichende Kapazitäten bis zur Fertigstellung des Y zur Verfügung stehen.

Aber auch nach Fertigstellung des Y wird der Verkehr weiter steigen, sodass weitere Kapazitäten erforderlich sind. Die in der UBA-Studie und von uns befürworteten Maßnahmen sind dazu geeignet, diesen Kapazitätsbedarf zu stillen, und daher langfristig zusätzlich zur Y-Trasse sinnvoll.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die erste Zusatzfrage stellt Frau Flauger von der Fraktion DIE LINKE. Bitte sehr, Frau Flauger!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass die Landesregierung erfreulicherweise mit eigenen Mitteln in die Zukunft der niedersächsischen Eisenbahninfrastruktur investiert - so in den Ausbau der Strecke Bremerha

ven–Bremervörde–Rotenburg (Wümme) -, vor dem Hintergrund, dass die Güterzüge aber aktuell in Rotenburg (Wümme), wie man sagt, Kopf machen müssen, damit sie weiter in Richtung Süden fahren können, vor dem Hintergrund, dass das nicht nur zeitraubend, sondern auch sehr unwirtschaftlich ist, und vor dem Hintergrund, dass es schlussfolgernd sinnvoll und äußerst notwendig wäre, für eine gute Rendite der Landesinvestitionen den Ausbau der Strecke von Rotenburg (Wümme) nach Verden (Aller) einschließlich einer Verbindungskurve über Rotenburg (Wümme) voranzutreiben, frage ich die Landesregierung, warum sie diese Schritte unterlässt.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, Sie möchten antworten. Bitte schön!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung unterlässt keine sinnvollen Schritte. Vielmehr war die Landesregierung durch die Vorlage des DLR-Gutachtens schon vorher aktiv, das für uns der Maßstab des Handelns ist, weil die gutachterlich festgestellten Ergänzungsmaßnahmen bzw. Maßnahmen, die im Vorfeld gemacht werden, vorangetrieben werden müssen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir sind sogar bereit, mit eigenem Landesgeld in die eigentlich vom Bund zu tragenden Kosten bei dem Infrastrukturausbau der Bahn einzusteigen, wie man am Knoten Bremen sieht. Alles, was in der Prioritätenliste der DLR-Studie sinnvoll ist, wird von uns gemacht. So soll es auch bleiben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Twesten von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Sie haben sich zur nächsten Zusatzfrage gemeldet.

Herr Präsident! Ich frage die Landesregierung: Wie will die Landesregierung mit Planungen für eine Hochgeschwindigkeitsstrecke für den Personenverkehr den Herausforderungen durch den schnell anwachsenden Güterverkehr begegnen?

Bitte schön, Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ihrer Annahme liegt ein Irrtum zugrunde. Die Y-Trasse ist auch für Güterverkehr gedacht gewesen und so konzipiert.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Hagenah für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen!

Herr Präsident! Ich frage die Landesregierung, mit welchen Baukosten sie für die Y-Trasse und für die aus Sicht der Landesregierung notwendigen Ergänzungsbauwerke, die der Minister in seiner Antwort genannt hat, in ihren Verhandlungen mit der Bundesregierung rechnet.

Der Herr Minister hat das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Hagenah, mit Prognosen im Hinblick auf die Zukunft ist es ja immer so eine Sache. Sie sind in der Regel falsch. Deshalb ist es, denke ich, nicht sinnvoll, dass wir den Zahlen, die überall in den Zeitungen stehen, weitere Zahlen entgegensetzen.

Momentan geht es darum, die Finanzierung der Planungskosten sicherzustellen, damit die Planung beginnen kann. Der Bund hat hierfür bereits 20 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das Land Niedersachsen hat sich gemeinsam mit Hamburg und Bremen bereit erklärt, ebenfalls Planungskosten vorzufinanzieren. Da der Bund jetzt so stark in Vorleistung getreten ist, müssen wir sehen, ob es in dem Bereich überhaupt noch erforderlich sein wird, dass wir bei der Vorfinanzierung der Planungskosten einspringen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist die Größenordnung, über die wir reden. Der erste Ansatz sind momentan 20 Millionen Euro Planungskosten. Nach dem Planfeststellungsverfahren wird man abschätzen können, welche Kosten

tatsächlich entstehen werden. Alles andere ist nur eine Prognose, und die ist von vornherein falsch.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Weisser-Roelle für die Fraktion DIE LINKE!

Danke, Herr Präsident. - Herr Minister Bode, mit der Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes liegt nun eine weitere unabhängige Studie vor, die als Fazit - es wurde gerade erwähnt - ein vernichtendes Urteil über die Y-Trasse abgibt. Im Regelfall folgen auf solche Studien Gegenstudien. Meine Frage an die Landesregierung ist: Gibt es aktuelle, unabhängige Studien, die die Y-Trasse befürworten?

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Man kann doch nicht alle paar Wo- chen eine neue Studie fertigen las- sen!)

Der Herr Minister hat das Wort.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Jetzt sagt er, es gibt die Bode-Studie!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wenn ich es eben richtig verstanden habe, wollte sich Herr Dr. Sohn darum bewerben, eine Studie zu schreiben.

Das DLR-Gutachten - man kann es sicherlich auch „Studie“ nennen - bezeichnet die Y-Trasse als erforderlich.

Man kann natürlich nach jeder Studie noch eine weitere Studie fordern und beauftragen. Ich weiß aber nicht, ob das sinnvoll ist. Es ist allgemein anerkannt, dass der Bedarf nur durch eine Neutrassierung bzw. eine Neuplanung gedeckt werden kann. Die Landesregierung wird jedenfalls hierzu keine weitere Studie in Auftrag geben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Dr. Sohn von der Fraktion DIE LINKE stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bode, als jemand aus dem Braunschweiger Land, wo gegenwärtig 600 000 Zugkilometer von der Streichung bedroht sind, habe ich vor dem Hintergrund der Diskussion von heute Morgen, dass die Mittel für den Bahnausbau und insgesamt für Verkehrsmaßnahmen außerordentlich begrenzt sind, und angesichts der ganzen Haushaltsdiskussion die Frage an Sie, ob Sie ausschließen können, dass die ja noch nicht abzuschätzenden Kosten für die Y-Trasse irgendwann einmal dazu führen, dass bestehende Bahnverbindungen in Niedersachsen, z. B. im Braunschweiger Land, gestrichen oder gefährdet werden oder dass notwendige Ausbaumaßnahmen unterbleiben.

Herr Minister, Sie haben das Wort.