Protokoll der Sitzung vom 21.01.2011

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Meyer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt die nächste Frage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat zwar keine detaillierten Erhebungen an Gymnasien zur Rückgängerquote gemacht, aber ich habe vorhin vor dem Hintergrund der von Ihnen genannten absoluten Zahlen überschlägig errechnet, dass man von einer Rückgängerquote von 18 % ausgehen muss. - Ich war in einem Mathe-Leistungskurs an einem Gymnasium, das Sie vorhin gelobt haben. - Ich frage die Landesregierung erstens, ob diese Zahl 18 % Rückgängerquote mit Blick auf die absoluten Zahlen stimmt.

Sie haben ja keine regionalen Erhebungen gemacht, sondern sich nur auf Presseberichte bezogen, die an einzelnen Gymnasien sehr unterschiedliche Situationen aufzeigen. Sie haben auch etwas zu den Ursachen gesagt. Ich frage die Landesregierung zweitens, ob diese großen Unterschiede, die Sie beschrieben haben, auch ein Faktor für die nur noch anlassbezogen durchgeführte Schulinspektion sind und Sie dem näher nachgehen wollen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herr Minister, bitte!

Um mit der letzten Frage zu beginnen: Nein. Wir haben gerade die Gymnasien, die sich im doppelten Abiturjahrgang befinden, ausdrücklich von zusätzlichen Aufgaben, wie z. B. Vergleichsarbeiten oder Fragen der Schulinspektion, freigestellt, um sie nicht noch zusätzlich zu belasten, weil die Lehrkräfte und die Schulleitungen in der Regel mit der Organisation eines doppelten Abiturjahrgangs mit mehr Schülern doch eine Menge zu tun haben.

Die 18 % kann ich bestätigen. Die absoluten und prozentualen Zahlen sind richtig. Insofern ist auch diese Frage beantwortet. Das war aber auch in der Öffentlichkeit schon längst bekannt.

Frau Kollegin Staudte stellt die nächste Zusatzfrage.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Herr Kultusminister, Sie haben jetzt schon mehrfach ausgeführt, dass auch an Gesamtschulen mit 13 Jahren ein Zurückgehen, ein freiwilliges Wiederholen zu verzeichnen ist. Ich möchte Sie fragen, ob Sie die Einschätzung teilen, dass das daran liegen könnte, dass es die Landesregierung nicht fertiggebracht hat, für 2011 genügend Studienplätze und Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, dass also eine Ursache für das Zurückgehen und das freiwillige Wiederholen an den Gesamtschulen auch darin liegt, dass das Turboabitur übers Knie gebrochen wurde.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das ist ja ei- ne ganz neue Erkenntnis! Die These ist interessant!)

Herr Minister, bitte!

Nein, ich kann das so nicht bestätigen.

Ich will noch einmal die Zahlen nennen, die an der IGS eine Rolle spielen. Zwischen dem Jahrgang 12 und dem Jahrgang 13 beträgt der Unterschied minus 21 %, und zwischen der Einführungsphase des Jahrgangs 11 in der Integrierten Gesamtschule und dem Jahrgang 13 beträgt das Minus 25 %.

Wir haben den doppelten Abiturjahrgang in verschiedenen Runden auch mit den betroffenen Wirtschaftsverbänden intensiv vorbereitet. Gerade in der letzten Woche hat die Landesregierung unter Federführung unserer Wissenschaftsministerin entschieden, dass neben den von den Hochschulen zugesagten 5 500 Plätzen, die zusätzlich geschaffen werden sollen, weitere 2 400 Plätze von den Hochschulen geschaffen werden, um auch unter Berücksichtigung der Abschaffung der Wehrpflicht eine ausreichende Zahl von Studienplätzen zur Verfügung zu stellen. Insofern sind die Vorbereitungen an den niedersächsischen Hochschulen auf den erwarteten Andrang sehr gut vorangeschritten.

Wir gehen ebenso wie die Kultusministerkonferenz davon aus, dass alle betroffenen Bundesländer die notwendigen Maßnahmen getroffen haben und gut

auf den erhöhten Ansturm durch die doppelten Abiturjahrgänge vorbereitet sind. Das gilt in diesem Jahr für Niedersachsen und für Bayern sowie für Nordrhein-Westfalen und, wie ich glaube, für Baden-Württemberg und ein weiteres kleineres Bundesland, dessen Name mir gerade entfallen ist, im nächsten Jahr.

Insofern gehen wir davon aus, dass nach anfänglichen Schwierigkeiten, die ohne Zweifel bestanden haben, Frau Abgeordnete Staudte, das System inzwischen so eingefahren und so bewährt ist, dass ich glaube behaupten zu dürfen, dass aus keinem niedersächsischen Gymnasium auch nur die Forderung erhoben wird, zum Abitur nach 13 Jahren zurückzukehren. Im Gegenteil, auch der Landeselternrat hat darum gebeten, davon abzusehen, damit die Schulen nicht wieder von vorne anfangen und alles wieder neu organisieren müssen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Insofern bitte ich wirklich darum: Lassen Sie uns doch gerade mit Blick auf die in wenigen Wochen beginnenden Abiturprüfungen dieses Thema nicht erneut problematisieren, sondern lassen Sie uns im Gegenteil alles dafür unternehmen, damit dieser Abiturjahrgang zu einem Erfolg im Sinne der Schülerinnen und Schüler werden kann.

Wir haben versucht, sämtliche Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass auch die doppelte Abiturprüfung trotz der zusätzlichen Zahl von Schülern erfolgreich absolviert werden kann.

Oftmals wurde die Frage nach der Vorbereitungszeit gestellt, die in diesem Jahr anders ist als noch im letzten Jahr. Im vorigen Jahr konnten sich die Schülerinnen und Schüler, wenn ich es richtig im Kopf habe, im Rahmen der Osterferien auf die schriftlichen Abiturprüfungen vorbereiten. Das ist in diesem Jahr nicht möglich. Zwischen dem Abschluss des vierten Halbjahres und dem Beginn der ersten schriftlichen Prüfung in Deutsch am 26. März bleibt tatsächlich nur eine Vorbereitungszeit von einer Woche. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass die Osterferien, sofern sie von den Schülerinnen und Schülern zur Vorbereitung auf die Prüfung genutzt werden, als Vorbereitungszeit für das mündliche Abitur dienen können.

Warum konnten wir das nicht weiter entzerren? - Ich habe mit unserem Referatsleiter für die Gymnasien mehrfach über diese Frage gesprochen. Wir haben uns alle erdenkliche Mühe gegeben, den Zeitraum mit Blick auf die Schülerinnen und

Schüler weiter auszudehnen. Das ist aber nicht möglich, weil der Termin für die Sommerferien festgelegt ist und die Zeit für die entsprechenden Prüfungen mit den Nachprüfungen, für die Korrekturen und die Ermittlung der Zensuren und der Zeugnisnoten sonst nicht ausreicht. Die Zensuren müssen aber vor den Sommerferien vorliegen, damit sich die Schülerinnen und Schüler mit ihren Zeugnissen um einen Hochschulplatz, eine Ausbildung oder was auch immer bewerben können.

Wir haben wirklich alles unternommen, um hier im Sinne der Schülerinnen und Schüler für Entzerrung und Entlastung zu sorgen. Ich finde, man darf der Landesregierung an dieser Stelle keinen falschen Vorwurf machen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Poppe stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mal ohne Motivforschung, weil die Motive ja doch so unterschiedlich sind, wie Menschen unterschiedlich sind: Angesichts der Tatsache, dass Sie differenzierte Zahlen zum freiwilligen Wiederholen wünschen, diese aber ausweislich der Kleinen Anfrage der SPD, die Frau Heiligenstadt zitiert hat, nicht liefern, weil Sie nicht bereit sind, zwischen der Zahl der freiwilligen Wiederholer und der Wiederholer wegen Nichtversetzung zu unterscheiden, frage ich Sie Folgendes: Wenn, wie der Antwort der Landesregierung zu entnehmen ist, die Zahlen der Wiederholerinnen und Wiederholer eines jeden Schuljahrgangs und einer jeden Schulform ohnehin jährlich abgefragt werden, und zwar unabhängig davon, ob diese Wiederholung freiwillig oder wegen Nichtversetzung erfolgte, dann müsste es doch ein Leichtes sein, diese durchaus aussagekräftigen Daten sowohl landesweit als auch regional oder sogar schulscharf ohne großen Aufwand dem Parlament zur Verfügung zu stellen. Sind Sie dazu z. B. für die Sekundarstufe II für 2010/2011 im Vergleich zum Vorjahr bereit?

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, bitte!

Natürlich sind wir dazu bereit, die Wiederholerzahlen vorzulegen. Sie werden ja statistisch erhoben und liegen vor. Die Zahlen können Sie, soweit ich weiß, der jährlich von der Landesregierung veröffentlichten Statistik entnehmen.

(Claus Peter Poppe [SPD]: Regional!)

- Haben wir Regionalzahlen? - Nein, haben wir nicht. Da musste ich jetzt nachfragen. Wenn Sie das wünschen, können wir das für den speziellen Fall für Ihren Bereich gerne nachholen. Ich kann die Zahlen auf jede Region bezogen heute Morgen leider nicht nennen. Aber wir können die allgemeine Statistik zum Wechsel der Schülerinnen und Schüler zwischen den Jahrgängen und zwischen den Schulformen, die jährlich zum Stichtag 20.08. und zu einem weiteren Stichtag erstellt wird, vorlegen. Insofern bitte ich Sie, einfach einen Blick in die Tabelle zu werfen. Aber wenn Sie konkrete Zahlen für die Region haben wollen, liefere ich sie gerne nach.

Herr Kollege Wenzel stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass unsere Welt immer komplexer wird und Sie es offenbar für sinnvoll halten, die Ausbildungszeit unserer Kinder und Jugendlichen immer weiter zu verkürzen, und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass viele Jugendliche in der Vergangenheit die 11. Klasse z. B. für einen Auslandsaufenthalt genutzt haben, um dort ihre Lebenserfahrungen, aber auch ihre Sprachfähigkeiten zu verbessern, und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das mit dem Abitur nach 12 Jahren künftig erheblich schwerer fällt und sich schon jetzt abzeichnet, dass viele Kinder darauf verzichten oder nicht mehr wissen, wie sie das in den früher üblichen Rhythmen hinkriegen, frage ich Sie:

(Vizepräsident Dieter Möhrmann über- nimmt den Vorsitz)

Wie hat sich die Zahl derjenigen Kinder, die das 11. Schuljahr für einen Auslandsaufenthalt in Europa oder auch in anderen Teilen der Welt genutzt haben, in den letzten drei bis vier Jahren entwickelt? - Ich hätte gern exakte Zahlen. Wenn Sie die hier nicht nennen können, wäre ich Ihnen dankbar,

wenn sie bis heute Nachmittag nachgeliefert werden könnten.

Herr Minister, mit Fristsetzung.

(Jens Nacke [CDU]: 12 Uhr? Oder reicht 12.30 Uhr? Das kann doch wohl nicht wahr sein!)

Wir sind auf jede Frage vorbereitet und beantworten auch jede Frage. Zumindest kann ich Ihnen die Zahlen für einige Schulen nennen.

Wir haben uns den 10. Schuljahrgang mit seiner Doppelfunktion - Abschluss des Sekundarbereichs I, Einführungsphase - stichprobenartig angeschaut. Landesweite Erhebungen haben wir noch nicht durchgeführt.

In der Stadt Hannover, an der Käthe-KollwitzSchule, haben 6 von 7 Schülern einen einjährigen Auslandsaufenthalt angetreten. In der Stadt Oldenburg, am Herbartgymnasium, waren es 11 von 15 Schülern. In der Stadt Hildesheim waren es 5 von 20, im Landkreis Diepholz 4 von 26 und in der Stadt Lüneburg, am Johanneum, 4 von 6. Diese Schüler gehen also ein Jahr ins Ausland, kommen zurück und wiederholen dann.

Sie haben Recht, Herr Wenzel, dass den Schülerinnen und Schülern aufgrund der verkürzten Schulzeit bis zum Abitur die Entscheidung, ob sie ein Jahr lang ins Ausland gehen wollen, nicht leichter fällt. Das ist ohne Zweifel so. Eine Vielzahl von Schülerinnen und Schülern verzichtet aus diesem Grund tatsächlich auf einen Auslandsaufenthalt während der Schulzeit.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Sind es weniger geworden oder mehr?)

- Zahlen darüber haben wir noch nicht. Wir haben aber Stichproben genommen. Wir haben Schulen geprüft und gefragt, wie viele Schülerinnen und Schüler sich wegen eines Auslandsaufenthalts haben zurückstufen lassen. Das ist ja der Hintergrund Ihrer Frage.

Allerdings muss man die Verkürzung der Schulzeit im Zusammenhang mit der Verkürzung der Studienzeit durch den Bolognaprozess und die Einführung von Bachelor- und Masterstrukturen sehen. Aufgrund dieser Neuausrichtung des Studiums mit Blick auf die internationalen Anerkennung unserer Studienabschlüsse ist es inzwischen viel normaler

geworden, ein Semester im Ausland zu studieren. Daher mag sich Frage nach einem Auslandsaufenthalt vielleicht nicht mehr so häufig in der Schulzeit stellen. Sie stellt sich aber mit Sicherheit in der Studienzeit, und insofern bleibt die Internationalität unserer Schülerinnen und Schüler sowie unserer Studierenden aus meiner Sicht gewahrt.

(Beifall bei der CDU)

Ich gebe zu. Einige Schüler verzichten wegen der Verkürzung auf einen Auslandsaufenthalt während der Schulzeit und verlagern dieses halbe Jahr eher in die Studienzeit.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Die Stu- denten erzählen etwas anderes!)