Protokoll der Sitzung vom 17.06.2020

Meine Damen und Herren, stimmen Sie unseren Anträgen zu! - Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat die Abgeordnete Eickhoff-Weber.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben öfter ausgeführt, dass Sie mit allen geredet haben, Herr Rickers, und Sie haben sich über mich lustig gemacht und mir unterstellt, dass ich das nicht getan hätte. Im Gegenteil, wir tun das seit Jahren. Ganz ehrlich, all diese Diskussionen hatten wir schon einmal. Weder der Ehrenkodex noch die Selbstverpflichtung der Fleischindustrie ist vom Himmel gefallen, das war kein Gnadenakt, sondern das war eine Reaktion auf

skandalöse Verhältnisse und einen deutlichen Einsatz der Politik, und ich kann Ihnen sagen, aus welcher Richtung dieser Einsatz gekommen ist.

(Beifall SPD)

Wenn Sie jetzt reden, ist das wunderbar. Wenn Sie im Hinterzimmer reden und vielleicht sogar in Rheda-Wiedenbrück, ist auch das wunderbar. Wir fordern jetzt einen Runden Tisch als Reaktion auf die Situation, denn es braucht einen Raum - noch einmal zur Klarstellung an die Gewerkschaft -, in dem wir nicht über irgendwelche komischen Kompromisse diskutieren, sondern in dem wir all die Erkenntnisse, die es in Schleswig-Holstein seit Jahren gibt, auf den Tisch packen, in dem der Stützkreis Kellinghusen, die Kirchen, die Gewerkschaften, aber auch die Unternehmer und die Landwirtschaft berichten können, was sie mit der Fleischindustrie in Schleswig-Holstein erleben. Das muss öffentlich werden, denn ich höre, dass es auch hier im Haus immer noch Abgeordnete gibt, die sagen, das sei alles nicht belegt.

Wir brauchen jetzt die Arbeitsinspektion vor Ort. Es muss jetzt jemand in die großen Betriebe gehen und die Dinge in den Blick nehmen. Wir wissen, dass das, was wir heute diskutieren, egal wie es ausgeht, noch eine Zeitlang dauern wird. Es darf nicht zu einer Phase kommen, in der es ein „Weiter so“ gibt.

Mit dem Bericht der Landesregierung zur Fleischindustrie aus dem letzten Herbst - Sie erinnern sich daran - musste Schleswig-Holstein eingestehen, dass es die Umsetzung von Ehrenkodex und Selbstverpflichtung nicht prüfen kann, nicht gewährleisten kann, nicht weiß, was in den Betrieben stattfindet. Es geht nicht nur um die Werkverträge, sondern es geht um eine ganze Menge mehr.

Sie wollen mit Ihren Anträgen jetzt Regelungslücken schließen. Der „europaticker“ von gestern zitiert Minister Garg: „Ziel“ der Landesregierung ist es, „diese Form der Beschäftigung und Ausbeutung zu beenden“. - Entweder sind Sie sich nicht einig, oder der Minister ist falsch zitiert worden. Gucken wir einmal, wie es weitergeht.

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass das Kabinett in Berlin beschlossen hat: Ab dem 1. Januar 2021 werden Werkvertragsgestaltungen und Arbeitnehmerüberlassungen hier nicht mehr möglich sein.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Davon distanzieren Sie sich, Sie wollen ein „Weiter so“, irgendeine Regelung. Ich finde in Ihrem Antrag keine deutliche Aussage dazu, dass damit in Schles

wig-Holstein jetzt Schluss sein muss. Das reicht nicht, und das reicht auch nicht mit Respekt gegenüber unserer Landwirtschaft, die sich zu Recht Sorgen macht,

Frau Abgeordnete, Ihre drei Minuten sind um.

Darf ich noch einen halben Satz? - denn die Ausbeutung, die die Werkvertragsarbeiter in den Betrieben erleben, erleben auch die Landwirte, die die Tiere für diese Schlachtindustrie produzieren. Danke.

(Beifall SPD und SSW)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Lukas Kilian.

Sehr geehrter Landtagspräsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es dem Landtag guttut, dass mit der Geschäftsordnung seit Jahren etwas großzügig umgegangen wird. In § 56 unserer Geschäftsordnung steht, dass Abgeordnete ihre Rede in freier Rede zu halten haben. Ich habe das Gefühl, dass hier heute eine Vielzahl von vorgefertigten, überhaupt nicht zum Thema passenden Reden abgespult werden, die sich leider überhaupt nicht mit den Inhalten unseres Antrags beschäftigen.

(Vereinzelter Beifall FDP - Zurufe SPD)

Wenn hier gerade vorgetragen wurde, dass die Jamaika-Koalition keine wirksamen Vorschläge mache, dann ist es so - es tut mir leid, das zu sagen; im Ziel sind wir uns nämlich ziemlich einig -, dass etwas abgespult wird, was überhaupt nicht zum Thema passt. Herr Dr. Stegner, Sie verstecken hinter markigen Worten wie „Tatort“, „Dumpinghölle“, „Lohnsklaverei“, dass Ihr Antrag inhaltlich hauchdünn ist und Sie eigentlich nur die Vorschläge von Hubertus Heil abschreiben.

(Vereinzelter Beifall CDU - Zurufe SPD)

Es gibt ganz große Diskussionen, ob es rechtlich überhaupt möglich ist, Werksvertragssituationen so zu unterbinden, wie die Bundesregierung sich das vorgenommen hat. Deswegen greifen wir dort ein und schlagen Regelungen vor.

Es passt halt nicht in das Bild der Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein, dass die Jamaika-Koalition vorschlägt, die Arbeitsstättenverordnung auszuweiten und damit den Arbeitsschutz auszuweiten. Wir schlagen vor, das Mindestlohngesetz zu verschärfen. Das passt nicht in Ihre Welt. Eigentlich ist das etwas, zu dem Sie sagen könnten: Stimmt, das ist ein richtig guter Vorschlag.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Nein, Sie stellen sich hin und tun so, als unterhielten wir uns über sonst was.

Wir schlagen die Ausweitung von Arbeitnehmervertretungen vor, dass Werkvertragsnehmer in Arbeitnehmervertretungen vertreten sind, Rechte, Wahlrechte haben. Sie spielen Ihr altes Lied: Die schwarze böse Ampel hat die Sozialstandards geschliffen und sonst etwas.

Denken Sie über Ihre Reden nach! Hören Sie zu! Debattieren Sie im Landtag, aber spulen Sie nicht irgendetwas ab, was überhaupt nicht zur Debatte passt!

(Beifall CDU und FDP)

Ein Punkt - das ist mir sehr wichtig - ist in dieser Debatte vollkommen danebengegangen. Hier wird von osteuropäischen Sklaven und sonst etwas gesprochen. Meine Damen und Herren, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von ihren Arbeitgebern zum Teil in Schleswig-Holstein schlecht behandelt werden, sollten wir nicht stigmatisieren und fertigmachen, sondern wir sollten uns darum kümmern, dass es ihnen besser geht.

(Zuruf Bernd Heinemann [SPD])

Wir sollten sie hier nicht mit solchen Begriffen beschädigen, sondern wir sollten uns effektiv um Verbesserungen im Arbeitsschutz kümmern und uns dafür einsetzen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Deswegen ist der Antrag der Jamaika-Koalition richtig. Das Zitat von Minister Heiner Garg, Frau Eickhoff-Weber, passt hervorragend zu dem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Dennys Bornhöft.

(Kirsten Eickhoff-Weber)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche, aus den Kurzbeiträgen etwas Schärfe herauszunehmen - eine für mich ungewohnte Rolle. Ich möchte ein, zwei Aspekte genauer aufgreifen.

Die Situation in der Fleischindustrie ist dauerhaft Thema im Sozialausschuss, zumindest seitdem ich dabei bin, seit Mai 2017. Es gab einen einstimmen Beschluss der Arbeits- und Sozialminister im November 2019, die dazu auffordert, die eine oder andere große Rechtslücke, die wir auf Bundesebene haben, zu schließen. Das war knapp vor der Coronapandemie, knapp bevor wir die Infektionszahlen hatten, die dafür gesorgt haben, dass das Thema das wurde auch schon erwähnt - bundespolitisch die Bedeutung bekommen hat, die ihm zusteht. Corona war das Brennglas. Die Bundesregierung, die vorher nicht so schnell, nicht so forsch agiert hat, hat nicht nur einen Marathon begonnen, sondern einen Vollsprint hingelegt und schießt hier und da vielleicht mit den Maßnahmen ein wenig über das Ziel hinaus.

Wir haben hier ein sehr spezielles, spezifisches Problem. Wir reden hier über Werkvertragsarbeitnehmer in Deutschland. In der Fleischindustrie sind das 90.000 Beschäftigte bei insgesamt rund insgesamt 45 Millionen Beschäftigten, die wir in Deutschland haben. Das sage ich, um einmal die Zahlen aufzugreifen.

Dann haben wir das Problem - das mit der Arbeit als solche nichts zu tun hat -, wie die wohnräumliche Situation ist. Das Problem, das wir dort haben, hätten wir nicht, wenn die Staatliche Arbeitsschutzkontrolle die wohnliche Situation kontrollieren und in die Unterkünfte hineingehen könnte. Wir haben hier eine Lücke in der Arbeitsstättenverordnung. Ansonsten hätten wir die Problemlage nicht. Diese spezielle, spezifische Problemlage ist offenkundig. Wir sehen die Ergebnisse, aber die Lösung ist nicht so offenkundig.

Frau Kollegin Ünsal, wir müssen auch aufpassen, dass wir nicht durch grobe Ziele und grobe Pläne andere Umgehungstatbestände schaffen. Der Steinburger Landrat hat im Sozialausschuss berichtet, dass die ehemalige Kaserne in Kellinghusen gar nicht für dauerhaften Wohnraum genutzt werden darf. Die personelle Fluktuation, die man dort hat, damit dort niemand dauerhaft wohnt, sorgt dafür, dass die Kaserne für diesen Bereich genutzt werden kann. Wenn wir dieses spezielle Problemfeld mit einem generellen Verbot von Werkverträgen und ei

nem Wohnraumschutzgesetz für sämtliche Wohnungen in Schleswig-Holstein beantworten wollen, müssen wir aufpassen, das Kinde nicht mit dem Bade auszuschütten. Als Verwaltungsrechtler tue ich mich ein bisschen schwer. Ein spezielles Problem sollte zielgerichtet gelöst werden und nicht auf breiter Fläche, weil damit andere Probleme ausgelöst werden.

Ganz glasklar - letzter Satz -: Einem Geschäftsmodell, das nur umsetzbar ist, wenn Arbeitsschutz dauerhaft nicht beachtet wird, muss zwingend das Handwerk gelegt werden. Dafür steht Jamaika. Ich habe es aber auch so verstanden, dass eigentlich jeder hier im Landtag dafür einsteht. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mir liegen bisher weitere sieben Kurzbeiträge vor. Das Wort hat nun der Herr Abgeordnete Werner Kalinka.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen gern Antworten geben.

Erster Punkt. Lieber Kollege Baasch, das Thema EU kommt bei uns sehr wohl vor: Punkt 5, Rechtsprechung EuGH. Wir mahnen dies genau zum Thema Arbeitszeiterfassung an und verlangen dies. Die EU ist sehr wohl in unserem Antrag enthalten.

(Beifall FDP)

Zweiter Punkt. Frau Ünsal hat von schrottreifen Immobilien gesprochen, also dem Wohnraumschutzgesetz. Ich verstehe die Situation eigentlich so, dass überall dort, wo unzumutbare Wohnverhältnisse sind, eingegriffen werden muss. Das kann am besten dort geschehen, wo es nötig ist. In dieser Woche war ein Bericht im „Schleswig-Holstein Magazin“ über Bad Oldesloer Immobilien zu sehen. Wir haben es früher auch schon woanders gehabt. Völlig unzumutbare Zustände! Das ist aber nicht nur auf das Thema Fleischwirtschaft begrenzt. Es ist auch nicht so, dass alle Mitarbeiter in Sammelunterkünften wohnen. Es gibt viele - das stelle ich fest, wenn ich in den Raum Schleswig-Flensburg und in andere Räume schaue -, die in Wohnungen wohnen. Es gibt übrigens auch Ortsansässige. Es gibt auch viele aus Rumänien, die mit ihren Familien hierbleiben wollen.

Ein bisschen differenzierter zu der Frage, wie kontrolliert werden soll, wie es gemacht werden soll! Wir denken darüber nach, wie man dies am stärksten und effektivsten machen kann.