Und wenn Sie der Meinung sind, dass der große Anteil der Briefe, die an die Eltern verschickt werden von dem Vorsorgezentrum in Bad Langensalza, auf ein Fehlverhalten der Ärzte zurückzuführen ist, nämlich dass die Ärzte ihrer Meldepflicht nicht nachkommen, dann bin ich gerne bereit, Ihnen einen Termin mit der Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung, Frau Dr. Rommel, zu machen. Ich muss da nicht dabei sein, aber erzählen Sie ihr das mal, die erzählt Ihnen dann, wie es wirklich ist. Von daher glaube ich, dass das Argument auch nicht sehr zielführend war.
Nichtsdestotrotz glaube ich, dass die Debatte gezeigt hat, dass das Gesetz, das am Ende des Jahres die Frist verliert, dringend zum einen einer Evaluation bedarf und wir das zum anderen natürlich nicht abschaffen wollen. Wir wollen es besser machen und ich glaube, das muss das Ziel sein, denn auch uns ist jeder Fall von Kindeswohlgefährdung, der aufgrund der Vorsorgeuntersuchungen aufgedeckt wird, es wert, dass dieses System besteht. Aber noch mal, wir wollen es besser machen, wir wollen es effizienter machen, wir wollen es zielführender machen, im Übrigen auch im Interesse der Kinder, weil Effizienz und Effektivität heißt nicht,
dass es die Intensität oder die Qualität der Vorsorgeuntersuchung für Kinder mangelhaft erscheinen lässt.
Vielen Dank, Herr Koppe, für Ihren Wortbeitrag. Als Nächster hat jetzt Herr Abgeordneter David Eckardt für die SPD-Fraktion das Wort.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn mir souffliert wird, dass man Termine hat, würde ich doch fast darum bitten, dass das Präsidium mal prüft, ob das mit der vierfachen Redezeit richtig ist. Ich komme auf sechsfache Redezeit, weil, wir reden über zwei Sofortberichte á doppelter Redezeit, sind wir bei vier und zwei Anträge, sind wir bei sechsfacher Redezeit. Aber keine Angst, ob vieroder sechsfache, ich werde sie nicht komplett ausschöpfen.
Die uns vorliegenden Anträge zielen ja überwiegend darauf ab, das Gesetz zur Förderung der Teilhabe an Früherkennungsuntersuchungen für Kinder zu evaluieren und zu überarbeiten. In dem umfangreichen Sofortbericht, für den auch ich Herrn Staatssekretär Dr. Schubert recht herzlich danke, weil er wirklich sehr informativ und umfangreich war, ist er mehrfach darauf eingegangen, dass man auch im Sozialministerium erkannt hat, dass beim jetzigen Gesetzentwurf noch die eine oder andere Ecke und Kante vorhanden ist, an der man arbeiten muss. Und ich bin da sehr gewiss, dass man diese Ecken und Kanten finden und beseitigen wird.
Zu dem Gutachten des Rechnungshofs wurde auch schon ausführlich Stellung genommen. Es ist nicht existent, aber es freut mich, dass das Angebot da ist, dass wir dann im Ausschuss, wenn das Gesetz eingebracht wird, über die Meinung des Rech
nungshofs reden und auch die sicherlich in das neue Gesetz mit einfließen lassen, aber auch hier ganz klar: Kinderschutz darf nicht rein monetär betrachtet werden, weil ein Kinderleben unbezahlbar ist.
Ich freue mich dann nach der Sommerpause auf die Diskussion des bis dahin hoffentlich eingebrachten Gesetzes im Ausschuss, sehe daher auch nicht die Notwendigkeit, die uns vorliegenden Anträge an einen Ausschuss zu überweisen,
weil wir dann all die aufgeworfenen Themen dort ausführlich beraten können. Eine Bemerkung noch zum Schluss, Frau Kollegin Meißner, sei mir noch gestattet: Kinder sind generell unbezahlbar.
Das Glück der Eltern, die gesunde Kinder haben, das allerdings ist wirklich unbezahlbar. Danke schön.
Vielen Dank, Herr Eckardt. Das Präsidium nimmt natürlich jeden Hinweis auch von Ihnen sehr ernst, die Verwaltung klärt das noch mal, aber im Moment sind wir immer noch bei vierfacher Redezeit. Jedenfalls ist das die Ansage, die ich auch von der Verwaltung habe. Aber es ist ja noch Zeit zur Klärung und jetzt hat die Abgeordnete Anja Siegesmund für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, das kann man so machen. Das kann man so machen, dass wir abwarten bis die Landesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt hat und wir den dann diskutieren, aber ich sage Ihnen mal ganz offen, dazu ist mir das Thema auch zu wichtig, als dass wir dann so wie beim Ladenschlussgesetz kurz vor Jahresende einen Entwurf bekommen, keine Zeit mehr für eine mündliche Anhörung haben und dann irgendwie im Hau-Ruck-Verfahren ganz schnell was beschlossen wird. Wir haben jetzt den Monat Juni. Ich würde den Staatssekretär sehr ernsthaft bitten, nachher mal zu sagen, wann ein Gesetzentwurf zugeleitet wird und dann können wir auch darüber sprechen, ob es sinnvoll ist, heute diese Anträge nicht an den Ausschuss zu überweisen, denn das fände ich dann schon, gestatten Sie mir diese Wortwahl, fahrlässig, wenn wir hier eine Debatte anfangen, die fachlich auch an vielen Stellen sinnvoll ist, Sie sich aber an der Stelle um die
Frage herumdrücken, wann wir mit einer ernsthaften Auseinandersetzung im Ausschuss rechnen können - erster Punkt.
Zweiter Punkt: Herr Bärwolff, niemand möchte das Versorgungszentrum abschaffen. Darum geht es überhaupt nicht. Ich weiß nicht, woher Sie das haben. Darum geht es nicht. Das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass wir gesagt haben, Kinderschutz und Kindeswohl stehen im Mittelpunkt. Da muss man sich die Strukturen anschauen und sehr genau überlegen, was das Richtige ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Eltern nehmen es in Thüringen sehr ernst, zu den Vorsorgeuntersuchungen mit ihren Kindern zu gehen. Bloß man muss sich das Verfahren mal angucken. Ich kann da, glaube ich, gut mitreden. Sie bekommen zum Teil drei Einladungen. Es kommt eine von der Krankenkasse, wo am Ende den Eltern auch noch versprochen wird, wenn sie an dieser U-Untersuchung teilnehmen, bekommen sie sogar fürs Kind noch ein kleines Spiel oder, was weiß ich, irgendein Stifte-Set. Dann kommt die Einladung vom Versorgungszentrum und im Zweifel kommt auch noch eine Erinnerung vom Jugendamt. Also es ist relativ viel Post. Das Anreizsystem ist ziemlich groß. Das ist das eine. Das andere ist aber, was kommt am Ende dabei hinten heraus. Wir haben festgestellt, dass sehr viele Fehlmeldungen dabei entstanden sind und da ist die Frage, haben unsere Jugendämter nicht eigentlich besseres zu tun als falsche Meldungen auseinander zu sortieren oder sollten sich die Jugendämter nicht wirklich auf die Fälle konzentrieren können, wo es prekär ist.
Da muss man auch über die Personalausstattung in den Jugendämtern sprechen, wenn man mit einem Gesetz Mehrbeschäftigung in den Jugendämtern erzeugt und viele fälschlich gemeldete Eltern und Kinder denjenigen, die im Jugendamt arbeiten, auf den Tisch legt, muss man auch darüber sprechen, wie die damit umgehen können und wie sie tatsächlich Kindeswohl und Kinderschutz in den Blick nehmen können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte noch mal den Blick ein bisschen weiten und zwei Beispiele aus anderen Ländern heranziehen. Auch in anderen Ländern, die nicht dieses Meldesystem haben, wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen, steigt kontinuierlich die Teilnahme an den U-Untersuchungen. Es gibt auch ein Gutachten aus NRW, wo es sehr klar heißt, ich zitiere: „Eine Verbesserung des Kinderschutzes konnte aufgrund des Meldewesens nicht nachgewiesen werden.“ Ich glaube, bei diesem Gesetz muss man sich auch sehr genau überlegen, wiegen wir uns nicht in falscher Sicherheit. Es ist toll, wenn 95, 96, 99 Prozent der Eltern mit ihren Kindern die U-Untersuchungen wahrnehmen, aber nichtsdestotrotz fehlt immer noch das ei
ne Prozent, über das man sich tatsächlich unterhalten muss. Das ist doch der zentrale Punkt, dass man sich nicht in falscher Sicherheit beim Kindeswohl und beim Kinderschutz wiegen darf, indem man Prozentzahlen heranzieht, sondern jeder einzelne Fall muss betrachtet werden. Ich sage, anhand der vielen Fehlmeldungen - und es waren zum Teil 40 Prozent im Jahr 2010 - haben wir nicht nur eine Überforderung der Jugendämter auf der einen Seite festzustellen, sondern auf der anderen Seite tatsächlich auch ein Meldesystem, was nicht funktioniert. Ich bin Ihnen deswegen sehr dankbar, Herr Staatssekretär, dass Sie gesagt haben, das Gesetz wird überarbeitet. Dann kommen wir nämlich zu dem, was DIE LINKE in ihrem Antrag fordert. Herr Bärwolff, ich verstehe nicht, wie man unter 3 a einerseits eine Evaluierung des Gesetzes möchte und auf der anderen Seite einen halben Satz später in 3 b, ohne die Kenntnis darüber zu haben, was in dieser Evaluierung steht, das Gesetz unkritisch entfristen will. Wir haben doch gerade mehrheitlich festgestellt, dass es Verbesserungsbedarf gibt.
Der Staatssekretär hat gesagt, es gibt Verbesserungsbedarf. Und Sie wollen eine Evaluation und gleichzeitig eine Entfristung - das müssen Sie mir mal erklären, wie das logisch zusammenhängt.
Der nächste Punkt, der mir in Ihrem Antrag nicht klar ist, ist die Frage, Sie behaupten, dass es empirische Studien gibt, die die qualitative Beurteilung von Kinderschutzmaßnahmen auf der einen Seite und die Strukturen auf der anderen Seite nicht ins Verhältnis setzen kann. Auch das stimmt nicht, es gibt empirische Studien, es gibt sie aus Hamburg, aus Schleswig-Holstein und aus Nordrhein-Westfalen. Da lohnt sich wirklich ein Blick reinzuwerfen, weil am Ende wollen wir doch alle das Gleiche, wir wollen Kinder schützen. Kinder gehören in den Mittelpunkt, aber dazu braucht man auch die probaten Mittel. Und noch mal, lassen Sie uns nicht in falscher Sicherheit wiegen, nur weil wir inzwischen bei einer Frequenz bei den U-Untersuchungen bei 96 Prozent sind. Das allein reicht nicht.
Ich will aber noch einen Punkt sagen, ein Stichwort, das mir wichtig ist, weil wir immer selbstredend davon ausgehen, die Meldungen, die stattfinden, gehen automatisch an die Jugendämter. Sie haben skizziert, warum Ihnen das wichtig ist. Es gibt aber auch zahlreiche Länder - Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, RheinlandPfalz, das Saarland -, die sich bewusst dafür entschieden haben, auch den Gesundheitsämtern die Informationen zur Verfügung zu stellen. Auch darüber muss man mal sprechen. Mir geht es doch darum, dass wir eine vernünftige und effiziente Struktur haben bei den Ämtern, die zuständig sind. Alleine - noch mal - die Überforderung der Jugend
ämter an dieser Stelle, muss man sich auch mal vorstellen, allein die Jugendämter hier immer hinzuzuziehen und einzuschalten, das muss man hinterfragen. Ich sage nicht, es ist immer die bessere Lösung, das zu den Gesundheitsämtern zu leiten, aber lassen Sie uns doch mal darüber nachdenken, ob das nicht der bessere Weg wäre.
In Hamburg gab es eine Expertenanhörung. Da gibt es ein besonderes System der frühen Hilfen. Dort wird von Schwangerschaft bis zum Schuleintritt der Kinder eine sogenannte Präventionskette verfolgt. Das finde ich ein sehr spannendes System. Das beginnt im Endeffekt beim Babylotsen ganz am Anfang - bei uns vielleicht analog auch zur Idee der Familienhebammen - und endet bei vielen anderen Maßnahmen, die wirklich effizienten Kinderschutz im Blick haben.
Ich warne noch mal an dieser Stelle davor, sich mit dem Gesetz in falscher Sicherheit zu wiegen. Ich warne davor, zu spät mit der Novellierung des Gesetzes hier in den Landtag zu kommen. Und ich bitte sehr darum, dass diese Anträge auch mit einer fachlichen Begleitung dann durch eine Anhörung in den Ausschüssen diskutiert werden. Es scheint mir sehr, sehr sinnvoll und sehr, sehr angemessen, das zu tun.
Vielleicht noch ein Satz zu Frau Meißners Vorschlag. Ich wünschte, es wäre so einfach, aber Faxe schicken hilft, glaube ich, im digitalen Zeitalter auch nicht, um diesem Problem der zahlreichen Falschmeldungen beizukommen. Da braucht es schon bessere Ideen. Diese halte ich jedenfalls nicht für tragfähig. Aber eine gute Debatte wäre anschlussfähig. Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Siegesmund. Bevor ich weitere Wortmeldungen aufrufe, noch ein Hinweis für alle Mathematik- und Geschäftsordnungsfans. Es liegen zwei Anträge vor, zu denen es jeweils Sofortberichte gibt. Das ergibt die vierfache Redezeit. Der Alternativantrag sorgt nicht für weitere Redezeit. Es bleibt also bei der vierfachen Redezeit, Herr Eckardt. Das Wort hat jetzt noch einmal die Abgeordnete Meißner für die CDU-Fraktion.
Da der Herr Kollege Koppe leider meine Nachfrage nicht zugelassen hat, muss ich das an dieser Stelle auf diesem Wege machen. Zum einen, Frau Siegesmund, natürlich gebe ich Ihnen recht, die kostenlose Faxnummer war doch nicht der einzige Punkt, bei dem ich sage, wir haben Änderungsbedarf. Das ist einfach nur eine praktische Idee, wo man vielleicht Erleichterung herbeiführen kann an Punkten, die durchaus für manche ein Problem
sind. Und das Problem, was sich ergibt, ist eben teilweise bei den Ärzten vorhanden, dass es die Teilnahme an den Vorsorgeuntersuchungen gibt, aber diese Meldung nicht erfolgt. Diese Meldung Herr Koppe, da können Sie einen gern maßregeln, aber bevor Sie das tun, sollten Sie die gesetzlichen Grundlagen lesen - ist vorgesehen im Früherkennungsuntersuchungsgesetz. Nämlich dass die Ärzte verschiedene Daten an das Vorsorgezentrum übermitteln. Wie Sie diese Daten übermitteln können, das regelt die Verordnung, die im Übrigen in dieser schönen Broschüre ist, die ich Ihnen an dieser Stelle gern überreiche, damit sie es nachlesen können. Diese Übermittlung in § 3 erfolgt zum Beispiel ab U7 innerhalb von fünf Tagen per Fax an das Vorsorgezentrum. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen herzlichen Dank, Frau Meißner, für Ihre Ausführungen. Es gibt noch eine Wortmeldung vom Staatssekretär Dr. Schubert.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, ich möchte nur noch kurz die Frage der Abgeordneten Siegesmund beantworten: Wir sind jetzt unmittelbar vor der ersten Kabinettsbefassung, ich weiß nicht genau, ob es am Dienstag auf der Tagesordnung ist oder die Woche später. Die zweite ist dann nach der Sommerpause, so dass im September-Plenum, wenn alles normal läuft, das Thema, die Gesetzesänderung hier auf der Tagesordnung stehen kann. Dann ist, glaube ich, noch genügend Zeit zur Anhörung. Es hat auch bei uns ein Stück weit gedauert, weil die vielen Aspekte, die auch hier zum Tragen gekommen sind, natürlich auch in unseren Überlegungen gewesen waren, so dass wir von den ersten Überlegungen bis zum Gesetzentwurf ein Stück Zeit gebraucht haben. Ich denke, es ist noch genügend Zeit, den Gesetzentwurf im Landtag zu diskutieren und die Anhörung durchzuführen.