Protokoll der Sitzung vom 11.06.2009

Herr Lindner, sehr gern!

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Herr Liebich, der Hintergrund meines Vorschlags ist der, dass wir gegenwärtig eine Diskussion über die Bildung sogenannter Bad Banks haben, weil in den Bilanzen der bundesdeutschen Banken nach wie vor erheblichen Risiken aufgrund der toxischen Papiere lagern. Die gegenwärtig existierenden Schätzungen liegen bei einem Wertberichtigungsbedarf von um die 200 Milliarden Euro aufwärts. Das Eigenkapital der Banken liegt bei ca. 400 Milliarden Euro bis 450 Milliarden Euro. Damit droht ein erheblicher Eigenkapitalverlust, wenn man diese Wertberichtigungen vornimmt. Wenn man sie nicht vornimmt oder über lange Zeit streckt, droht weiterhin die Handlungsunfähigkeit der Banken, wie wir sie gegenwärtig haben, damit eine Kreditklemme und damit ein Abwürgen von Investitionstätigkeit und Finanzierungsmöglichkeiten von Unternehmen. Das würde die Wirtschaftskrise gegenüber dem jetzigen Zustand noch weiter verschärfen und verschlimmern.

Deshalb brauchen wir eine Lösung, wie eine Entlastung der Banken von diesen toxischen, von diesen Schrottpa

pieren und gleichzeitig eine Rekapitalisierung stattfinden kann. Das Ganze muss so stattfinden, dass der Steuerzahler nicht über Gebühr belastet wird. Aus meiner Sicht ist die einzige Möglichkeit, hier erstens einen konsequenten Schnitt zu machen, das heißt, eine wirkliche Entlastung der Banken vorzunehmen. Zum Zweiten muss eine Rekapitalisierung vorgenommen werden. Die Rekapitalisierung muss, soweit das nicht über die Alteigentümer erfolgen kann – es ist im Moment eher unwahrscheinlich, dass über den Kapitalmarkt größere Kapitalmengen für eine Kapitalerhöhung bereitgestellt werden –, über den Staat erfolgen. Dies kann nicht nach dem Modell vor sich gehen, wie es die Bundesregierung bei der Commerzbank getan hat, dass in ein Institut, das einen Börsenwert von 3 Milliarden Euro bis 4 Milliarden Euro gehabt hat, insgesamt 18 Milliarden Euro an öffentlichen Mitteln eingeschossen wurden und 25 Prozent Anteil an diesem Unternehmen erworben wurden, sondern vielmehr muss die Kapitalhilfe auch mit den entsprechenden Eigentumsrechten verbunden werden. Damit wird die Möglichkeit für die öffentliche Hand und den Steuerzahler eröffnet, an möglichen Sanierungserfolgen zu partizipieren, so wie wir in der Vergangenheit bei der Berliner Bankenkrise bereit waren, die Banken von den Risiken zu entlasten, dieses jedoch mit einer Kapitalerhöhung verbunden haben, mittels derer wir die vollständige Kontrolle über die Bank erlangt und deshalb auch in der Lage waren, aus dem Sanierungserfolg über 5 Milliarden Euro an Einnahmen zu erzielen, mit denen wir die Risiken wahrscheinlich mehr oder weniger gegenfinanzieren können. Wir werden auf der Bundesebene auch kein anderes Lösungsszenario eingehen können, das realistisch ist und vor allem Erfolg verspricht.

Danke schön, Herr Senator! – Es gibt eine Nachfrage vom Kollegen Liebich. – Bitte schön!

Herr Senator! Mich würde interessieren, wie die Resonanz auf diesen Vorschlag bei Ihren Ministerkollegen in den Ländern und auf Bundesebene ist.

Herr Senator Wolf, bitte!

Herr Liebich! Diesen konkreten Vorschlag haben wir noch nicht auf Ministerebene diskutiert. Ich kann mich nur an die letzte Wirtschaftsministerkonferenz erinnern, bei der wir erstmalig über dieses Thema auf der Grundlage des ersten Finanzmarktstabilisierungsgesetzes diskutiert haben. Mir ist in bleibender Erinnerung geblieben, dass mein ehemaliger Kollege Hirche, Parteimitgliedschaft der FDP, zugestimmt hat, dass die Banken in der gegenwärtigen Situation, wenn sie einen Schirm be

kommen, die entsprechende staatliche Einflussnahme und Verstaatlichungslösung annehmen müssen. Es ist interessant, dass man jetzt durchaus von einer Position, die bislang den Staat für Teufelszeug gehalten hat, feststellt, dass der Staat manchmal doch hilfreich ist, wenn er in wirtschaftliche Prozesse eingreift.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Danke schön, Herr Senator!

Dann hat der Kollege Schruoffeneger von den Grünen das Wort zu einer Frage. – Bitte schön, Herr Kollege Schruoffeneger!

Ich habe eine Frage an den Herrn Senator Körting. – Herr Körting! Nachdem der Senat am Dienstagmittag festgestellt hat, dass wir überraschenderweise eine unübersichtliche wirtschaftliche und finanzielle Situation haben, und sich genötigt sah, die Tarifverhandlungen für Mittwoch abzusagen, stelle ich Ihnen die Frage, wann Sie glauben, gegenüber den Verhandlungspartnern gesprächsfähig und verhandlungsfähig zu sein, um die Verhandlungen endlich aufnehmen zu können.

Herr Senator Dr. Körting, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schruoffeneger! Gesprächsfähig bin ich immer. Ich spreche zwischendurch auch wieder mit denen. Wir haben nur folgende Situation: Wir haben mit den Tarifpartnern vor einigen Monaten einen Tarifvertrag vereinbart, der Gehaltssteigerungen ab 1. Juni 2009 vorsieht. Das ist gerade einmal 10 Tage her. Die Gewerkschaften haben den Wunsch geäußert, dass man sich über das, was in der Zukunft passiert, relativ frühzeitig unterhält. Dies gilt insbesondere zu der Frage der Übernahme TV-L, oder was immer es an Möglichkeiten gibt. Wir haben gesagt, dass wir zu einem solchen Gespräch bereit sind, und haben ein ersten Gespräch im Mai dazu geführt – das war kein Tarifgespräch, sondern eine Sondierungsrunde – und haben festgestellt, bestimmte Vorklärungen zu finden und einen Termin zu vereinbaren. Dieser Termin war ursprünglich für diese Woche vorgesehen. Ich halte es aber für seriöser, dass wir zunächst unsere Senatsklausur zu den Eckdaten der nächsten zwei Jahre abhalten, bevor wir uns darüber unterhalten können, welche Möglichkeiten es im Tarifbereich gibt. Das habe ich den Gewerkschaften einen Tag vorher mitgeteilt. Das war ein wenig kurzfristig, ist aber rechtzeitig angekommen.

Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Schruoffeneger. – Bitte!

Herr Senator! Nun haben sich die Rahmendaten, das Datum der Senatsklausur und die wirtschaftliche Lage in den letzten vier Wochen nicht so wesentlich verändert. Meinen Sie nicht auch, dass die gesamte Öffentlichkeit und auch die Gewerkschaft dieses – wie Sie selbst sagen – doch sehr kurzfristige Verfahren eher als Signal für das völlige Chaos, das innerhalb des Senats und der Finanzpolitik herrscht, interpretieren müssen als für einen seriösen Umgang mit dem Thema?

Herr Senator Dr. Körting, bitte!

Herr Kollege Schruoffeneger! Seriös ist, dass man mit den Gewerkschaften zu irgendeinem Zeitpunkt zu einem Ergebnis kommt. Ich bin guten Willens, das zu tun. Das Ergebnis muss aber auch im Rahmen unserer Möglichkeiten finanzierbar sein, sonst würden wir uns selbst einen Tort für die Zukunft antun. Dementsprechend werden wir in Ruhe mit den Kollegen aller Gewerkschaften reden. Die haben übrigens sehr viel mehr Verständnis als das, was immer vollmundig in die Landschaft rausgepustet wird.

Danke schön, Herr Senator!

Der Kollege von Lüdeke von der FDP-Fraktion hat das Wort zu einer Anfrage. – Bitte schön, Herr von Lüdeke!

Meine Frage richtet sich an die Frau Senatorin JungeReyer. – Seit dem 1. Januar 2009 gilt das sogenannte Bauforderungssicherungsgesetz. Wie bewertet der Senat die Folgen dieses Gesetzes, nämlich den massiven Liquiditätsentzug, das erhöhte Insolvenzrisiko und den erheblichen bürokratischen Aufwand, der dadurch Bauunternehmen entstanden ist?

Frau Junge-Reyer hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter von Lüdeke! Das Gesetz will etwas Richtiges. Es will Forderungen sichern. Es will davor absichern, dass

bei einer Insolvenz oder in anderen Fällen berechtigte Forderungen nicht befriedigt werden. Auf der anderen Seite geht das Gesetz hier sehr weit. Das Problem, das wir anlässlich der Beratung morgen im Bundesrat sehen, hat dazu geführt, dass sich das Land Berlin zu einer Ablehnung der derzeitig weiter vorgeschlagenen Formulierungen entschlossen hat. Ich glaube, dass wir vor allen Dingen darauf achten müssen, dass kleine und mittlere Unternehmen hier nicht übermäßig belastet werden. Große Unternehmen können möglicherweise in einer solchen Situation die finanziellen Mittel aufbringen und sie irgendwo unterbringen, gegebenenfalls auch noch damit wirtschaften. Kleine Unternehmen wären hier überfordert. Deshalb glaube ich, dass in erheblichem Umfang an dem Gesetzesvorhaben, so nachvollziehbar der Zweck ist, nachgebessert werden muss.

Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen von Lüdeke? – Bitte!

Dann frage ich noch einmal ganz konkret: Die Länder Sachsen und Thüringen haben im Vorfeld erklärt, dass sie der Gesetzesnovelle nicht zustimmen werden. Berlin wird also morgen im Bundesrat dem Reformvorschlag der Bundesregierung zustimmen?

Frau Senatorin Junge-Reyer!

Sie sind offensichtlich ausgezeichnet informiert. – Noch einmal konkret: Das Land Berlin lehnt die Ziffer 3 ab.

Danke schön!

Damit ist die erste Runde nach der Stärke der Fraktionen zu Ende. Die weiteren Meldungen können im freien Zugriff erfolgen.

[Gongzeichen]

Gewonnen hat der Kollege Wansner. Ihm folgt Herr Jotzo. – Bitte schön, Herr Wansner!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage die Senatorin Knake-Werner: Sie haben über die Medien verkünden lassen, dass Sie die eingereisten Touristen aus Rumänien mit einem Gewerbeschein ausstatten werden, damit sie legal auf den Straßen in dieser Stadt die Scheiben der Autofahrer putzen dürfen. Wie weit ist Ihre Idee schon vorge

drungen? Sind die ersten Gewerbescheine denn schon ausgestellt worden?

Frau Dr. Knake-Werner, bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Wansner! Ich habe weder über die Presse „verkünden lassen“ noch bin ich selber der Meinung, dass wir Vorschläge zu machen haben. Das ist gar nicht unsere Aufgabe als Behörde. Unsere Aufgabe ist es, über die rechtliche Situation von Menschen, die hier als Touristen nach Deutschland einreisen, aufzuklären. Genau das habe ich getan. Das habe ich Ihnen übrigens schon das letzte Mal im Plenum hier erklärt.

Diese rechtliche Situation bedeutet, dass seit der EU-Osterweiterung für Rumänien bis zum Jahr 2013 – also noch zwei Jahre länger als bei anderen osteuropäischen Ländern – eine eingeschränkte Freizügigkeit besteht, in der sehr deutlich ist, dass man sich hier als abhängig Beschäftigter nicht verdingen kann. Diese Möglichkeit besteht nicht für Bürgerinnen und Bürger aus Rumänien. Es besteht allerdings die Möglichkeit, dass man sich als Gewerbetreibender, als Unternehmer, als Selbstständiger niederlassen kann. Das fällt nicht unter die eingeschränkte Freizügigkeit. Darüber sind die Menschen informiert worden. Das ist sozusagen auch meine Aufgabe. Genau die haben wir erfüllt.

Eine Nachfrage des Kollegen Wansner? – Bitte schön!

Frau Senatorin! Wenn Sie es so formulieren und wenn es so sein sollte: Haben Sie noch einmal wenigstens versucht, mit der Rumänischen Botschaft zu sprechen, die für ihre Landsleute zuständig ist, damit die Kosten bzw. auch die Probleme der Kinder, die hier mitgeführt werden, besprochen werden? Denn wir können die Situation der Kinder, wie sie zurzeit ist, nicht einfach hinnehmen. Wir sind verpflichtet, diesen Kindern auch in Rumänien bzw. in Europa eine Chance zu geben, zur Schule zu gehen.

Frau Senatorin Dr. Knake-Werner!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Da bin ich Ihnen aber sehr dankbar, Herr Wansner, dass Sie dieses Problem ansprechen. Wir haben es hier in der Tat mit einem euro

päischen Problem zu tun, dass weder in Deutschland und erst recht nicht in Berlin zu lösen ist. Wir haben in der Vergangenheit einen Umgang mit einer ausgesprochen schwierigen Situation gesucht und gefunden.

Ich habe natürlich mehrfach mit dem rumänischen Konsul gesprochen. Auch mein Kollege Körting hat inzwischen Gelegenheit gehabt, mit ihm zu sprechen. Ich habe mit aller Deutlichkeit auf die Situation hingewiesen. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sich die Rumänische Botschaft in der Pflicht sieht, in irgendeiner Form für ihre Staatsbürgerinnen und Staatsbürger finanziell einzustehen.

Danke schön, Frau Senatorin!

Jetzt geht es weiter mit einer Frage des Kollege Jotzo von der Fraktion der FDP. – Bitte schön, Herr Jotzo!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Herrn Wirtschaftssenator Wolf: Herr Wolf! Wie bewerten Sie die Vorwürfe vonseiten Ihres Koalitionspartners, der SPD-Fraktion, wonach Sie bei der Besetzung des IBBVorstandschefs bzw. der IBB-Vorstandschefin rechtswidrig verfahren seien? Inwieweit treffen die Medienberichte zu, wonach Sie die Vorschriften des Berliner Gleichstellungsrechts für inpraktikabel halten?

Herr Senator Wolf – bitte schön!

Herr Abgeordneter! Ich halte mich selbstverständlich an Recht und Gesetz, und das wird auch bei der Besetzung der IBB-Position so sein.

[Ramona Pop (Grüne): In der Frage die ganze Zeit schon! – Michael Schäfer (Grüne): Bei der BVG auch, nicht wahr?]