Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

Für den Senat beantwortet die Fragen die Frau Sozialsenatorin – bitte schön, Frau Bluhm!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Hoffmann! Es gibt keine Abstimmung und Vereinbarungen zwischen dem Finanzsenator und mir, ob und in welcher Größenordnung Einsparungen sozialer Leistungen erfolgen sollen.

Zur zweiten Frage: Die Ende 2010 auslaufenden Liga- und Stadtteilzentrenverträge führen zu keinen Einsparungen im Landeshaushalt.

Danke schön, Frau Senatorin! – Eine Nachfrage des Kollegen Hoffmann? – Bitte!

Frau Senatorin! Wie erklären Sie sich denn die Ankündigungen des Finanzsenators, ausgerechnet in diesem sensiblen Bereich deutliche Einsparungen vornehmen zu wollen?

[Burgunde Grosse (SPD): Fragen Sie ihn doch selber! – Heiterkeit von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)]

Frau Senatorin Bluhm, wenn Sie das beantworten möchten, sonst kann das auch der Finanzsenator tun.

Mit einer großen Sicherheit gehe ich davon aus, dass die Frage auf eine informierte Öffentlichkeit und noch besser informierte Abgeordnete trifft. Sie wissen, dass wir einen Evaluationsprozess vereinbart haben, wo es um die Effektivität der Leistungserbringung beispielsweise bei den Einzelfallhilfen oder den Kosten der Pflege geht. Dieser Prozess findet transparent unter Einbeziehung der Bezirke statt. Es ist ein sehr aufwendiger Prozess, weil es auch in der Größenordnung um relativ große und komplizierte Sachverhalte geht. Dieser Prozess schreitet fort, er ist erst vor über einem Jahr mit einem sehr umfänglichen Auftrag in Gang gesetzt worden. Das wissen Sie.

Darüber hinaus wissen Sie auch, dass ein großer Teil der Steigerungen der Transferausgaben – aktuell 133 Millionen Euro – darauf beruhen, dass dieses Parlament mit seiner Mehrheit bestimmte Entscheidungen vorgenommen hat, Stichwort Kitakosten, die ganze Kitaproblematik. Der größte Anteil der Kostensteigerung, nämlich 79,5 Millionen Euro, geht in diesen Bereich, Aufstockung der Personalkosten, zweiprozentige Steigerung in den Kostensät

zen, ganz pauschal, höhere Inanspruchnahme der Kitaleistung als Angebot. Sie wissen, dass fast 95 Prozent aller Kinder die Kita besuchen. Diese Kosten für diese wichtige Bildungsaufgabe sind dann auch vom Gemeinwesen der Stadt zu tragen.

Danke schön, Frau Senatorin! – Damit ist die Fragestunde wegen Zeitablaufs beendet. Die heute nicht beantworteten Anfragen werden wieder mit einer von der Geschäftsordnung abweichenden Beantwortungsfrist von bis zu drei Wochen schriftlich beantwortet.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 2:

Fragestunde – Spontane Fragestunde

Zuerst erfolgen die Wortmeldungen nach der Stärke der Fraktionen mit je einer Frage. Es beginnt der Kollege Buchholz von der SDP-Fraktion. – Bitte schön, Herr Buchholz!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an die Verkehrssenatorin. Frau Junge-Reyer! – In den letzten Tagen gab es viele Artikel zum Thema neue Flugrouten über Berlin, darum meine Frage: Wird sich mit der Eröffnung des neuen Flughafens Berlin-Brandenburg International eine Verschlechterung für viele Berliner ergeben? Wie weit sind die Planungen der Flugsicherung und des Berliner Senats bisher gediehen?

[Dr. Uwe Lehmann-Brauns (CDU): Gute Frage!]

Frau Senatorin Junge-Reyer – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Buchholz! Die Deutsche Flugsicherung hat der Fluglärmkommission am Montag dieser Woche mitgeteilt, welche ersten Überlegungen sie über die Führung der Flugrouten vom Flughafen BBI ausgehend anstellt. Überrascht worden ist die Fluglärmkommission durch die Darstellung der Deutschen Flugsicherung, dass nunmehr nach dem Verlassen der Landebahnen verhältnismäßig kurzfristig ein 15-Grad-Winkel geflogen werden muss. Das bedeutet, dass die daran anschließenden Kurven zunächst einen Radius bekommen, der sich auf das Berliner Fluggebiet bewegen kann und die Flugzeug das Berliner Stadtgebiet im südlichen Teil überfliegen würden. So hat die Deutsche Flugsicherung dies dargestellt. Dies war bis dahin nicht bekannt.

Uns kommt es darauf an, jetzt im Interesse des Landes Berlin im folgenden förmlichen Verfahren Einfluss zu

nehmen. Dabei geht es in der Fluglärmkommission vor allen Dingen darum, Alternativen zu prüfen, nicht für die offensichtlich inzwischen vorgeschriebenen Abflugwinkel, sondern für die sich daran anschließende Überfliegung von Gebieten, so muss ich das inzwischen technisch ausdrücken.

Es geht dabei dann wiederum auch um die Frage, in welcher Höhe überhaupt ein besiedeltes Gebiet überflogen werden würde, ob es mehr als 2 000 Fuß sind, ob 3 000 Meter überschritten sind. Solche Fragen müssen geklärt werden und gegebenenfalls überlegt werden, welche Auswirkungen der Lärm auf die darunter liegenden Gebiete hat.

Wir haben als Träger öffentlicher Belange Einfluss und werden ihn darüber hinaus in einem förmlichen Verfahren geltend machen. Das heißt also, dass die Länder Berlin und Brandenburg selbstverständlich gehört und angehört werden und ihren Einfluss geltend machen werden. Ich habe die Mitarbeiter der gemeinsamen Landesbehörde aufgefordert, geltend zu machen, dass so etwas nach übergeordneten Gesichtspunkten entschieden werden muss, das heißt, zunächst kommt selbstverständlich die Sicherheit für den Flugbetrieb, für die Passagiere, aber eben auch für Bewohnerinnen und Bewohner in unmittelbarer Nähe.

Das Zweite ist selbstverständlich, so weit wie möglich von Lärmbelastungen frei zu sein, und zwar in Berlin, aber natürlich auch in Brandenburg.

Dann muss ich sagen, kommt erst an dritter Stelle die Überlegung der Wirtschaftlichkeit durch gegebenenfalls abgekürzte Flugrouten.

Nach dem, was ich inzwischen dazu gehört habe, kommt es hier offensichtlich auch auf ein paar Minuten der Vermeidung des Überfliegens mehr oder weniger nicht so sehr an. Es handelt sich um einen Prozess, der nach unserer Einschätzung noch viele Monate dauern wird. Im Rahmen dieses Prozesses werden wir alles tun, um zu vermeiden, dass es zusätzliche Lärm- und Luftbelastungen für die Berliner geben wird.

Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen Buchholz – bitte!

Frau Senatorin! Das heißt, ich habe Sie richtig verstanden, dass die bisher in den Zeitungen genannten Zahlen, wie viele Menschen in Berlin von neuen Überflugrouten und durch geringe Anflugwinkel belastet sein könnten, dann so nicht zutreffend wären, sondern dass der Senat sich vehement dafür einsetzen wird, dass so wenig Berliner Bevölkerung wie möglich überhaupt betroffen sein wird?

Frau Senatorin, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Buchholz! Es kommt hier natürlich wie in der Diskussion bisher auch auf die sogenannte Nettobelastung an. Das heißt, es geht nach wie vor darum, dass bestimmte Belastungen vermieden werden, die wir kennen, die wir öffentlich diskutiert sehen, die im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens berücksichtigt worden sind, die ja schon zu Lärmschutzmaßnahmen geführt haben in einer Größenordnung von nach meiner Einschätzung Schallschutzmaßnahmen für 42 000 Bürgerinnen und Bürger. Deshalb geht es uns darum, dass wir Alternativen aufgezeigt bekommen. Auch die Deutsche Flugsicherung hat erklärt, dass sie nur erste Vorstellungen präsentiert hat. Es gibt inzwischen offensichtlich auch alternative Vorschläge. Es bedarf einer intensiven Betrachtung nicht nur der Flugrouten und der Flugstrecken, sondern jeweils auch der Belastung, die damit verbunden ist. Die Deutsche Flugsicherung selbst entscheidet am Ende nicht allein, sondern es gibt eine Bundesbehörde, die, wenn sie einen Vorschlag macht, sich noch mit dem Bundesumweltministerium abstimmen muss.

Danke schön, Frau Senatorin!

Der Kollege Lehmann-Brauns von der CDU hat das Wort. – Bitte schön, Herr Lehmann-Brauns!

Ich habe eine Frage an den Regierenden Bürgermeister. – Was hat den Regierenden Bürgermeister veranlasst, noch vor drei Jahren, Herr Wowereit, die Rente mit 70 als „Schwerpunkt seiner Politik“ vorzuschlagen? Ist er heute der Auffassung, dass sein damaliger Vorschlag Unsinn und einen „Schlag ins Gesicht der Menschen“ bedeutet hätte, wie er das heute im Hinblick auf die Rente mit 67 formuliert?

Herr Regierender Bürgermeister, bitte schön!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Dieses Zitat stellen Sie jetzt in den Raum. Das kann ich jetzt nicht überprüfen. Ich bin der Auffassung, wenn die Realität in Deutschland so ist, dass die meisten Menschen noch nicht einmal 60 Jahre als Renteneintrittsalter erreichen – ganz große Bereiche wie beispielsweise ein riesiger Industriekonzern wie VW auf Nachfrage, wer ist denn in der Produktion noch über 60?, sagen: keiner! –, und die Realität ist, dass die offizielle Unternehmenspolitik darauf ausgerichtet ist

zu sagen: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen eigentlich mit 58 raus –, dann muss man diese Realität zur Kenntnis nehmen. Deshalb glaube ich – das ist die Richtung, die der SPD-Bundesvorstand beschlossen hat –, solange die Quote der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Höhe von 50 Prozent in dem Bereich bis 65 nicht erreicht ist, ist es obsolet, darüber nachzudenken, diese Zahl 65 auf 67 zu erhöhen. Und es löst im Übrigen auch nicht die Frage, wie wir zukünftig Renten sicher finanzieren können. Ein wesentlicher Beitrag zu einer besseren Situation der Rentenkassen wäre beispielsweise, dass die Bundesregierung endlich mal ihren Widerstand gegen die Forderung nach dem Mindestlohn aufgibt,

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

denn wer nichts einzahlt, kann auch nicht rauskriegen. Die Kassen würden dadurch eine erhebliche Vitalisierung bekommen, die weitaus höher wäre als durch eine Erhöhung des Rentenalters auf dem Papier.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Bisschen wenig Beifall!]

Eine Nachfrage von Herrn Lehmann-Brauns – bitte schön!

Herr Regierender Bürgermeister! Ich hätte mir gewünscht, dass Sie meine Frage beantworten und nicht ein Referat über das Thema halten. Ich frage Sie deshalb noch einmal: Sind Sie der Auffassung, dass angesichts unveränderter demoskopischer Fakten und einer unveränderten Realität ein derart brutaler Paradigmenwechsel Ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit nützt oder als Beweis für Ihre inhaltliche Beliebigkeit verstanden wird?

Herr Regierender Bürgermeister – bitte schön!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Ich weiß nicht, wo Sie sich gerade befinden, ob im Abgeordnetenhaus oder im Wahlkampf. Nochmals, ich habe Ihren Text nicht vorliegen. Ich bin ganz sicher, wie ich Sie kenne, Herr Lehmann-Brauns, haben Sie sich das aus dem Zusammenhang herausgesucht, was Ihnen passt. Insofern gehe ich auf diese Diskussion gar nicht ein. Ich kann Ihnen meine grundsätzliche Position, wie ich sie Ihnen eben geschildert habe, vortragen. Sie werden eines nicht erreichen, das sollten Sie als CDU-Politiker mit einem Anspruch, auch etwas für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in dieser Republik zu tun, nicht vergessen: Die Menschen halten es für zynisch, wenn wir darüber diskutieren, dass sie erst mit 67 in Rente gehen können, wenn

ein Großteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer heute schon körperlich nicht dazu in der Lage ist.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön!

Jetzt hat Herr Ratzmann von den Grünen das Wort.

Ich habe eine Frage an den Regierenden Bürgermeister. – Herr Regierender Bürgermeister! Der Vorsitzende des Beamtenbundes, Herr Heesen, hat gestern in einer Veranstaltung im Rahmen der Hauptstadtreden der Zukunftsstiftung Berlin gesagt – das passt ein bisschen zu dem, was Sie gerade ausgeführt haben –, er sei mittlerweile seit neun Jahren mit dem Beamtenbund in Berlin ansässig. Es sei ihm immer möglich, mit Ministerpräsidenten, selbst mit der Bundeskanzlerin, Gespräche unter anderem über solche Themen zu führen. Nur beim Regierenden Bürgermeister habe er immer vergeblich versucht, einen Gesprächstermin zu bekommen. Kann denn das sein?

Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Ratzmann! Das kann nicht sein. Ich halte das für eine gehörige Unverschämtheit, das sage ich ganz deutlich – ich habe auch einen Bericht darüber bekommen –, in dieser Art und Weise zu tun, als ob ich Herrn Heesen nie getroffen und gesprochen hätte und auch nicht kennen würde. Selbstverständlich kenne ich ihn. Selbstverständlich – wenn ich mich recht erinnere – war der auch in meinem Büro. Deshalb kann ich dies überhaupt nicht nachvollziehen. Es kann aber auch einmal sein, dass nicht zu jedem Zeitpunkt auch der Vertreter des Beamtenbundes sofort einen Termin bekommt. Ansonsten kann ich das überhaupt nicht nachvollziehen. Wenn er das Bedürfnis hat, mit mir zu sprechen – jederzeit. Herr van Heesen ist eine beeindruckende Persönlichkeit. Ob man immer mit seinen Forderungen und Thesen übereinstimmt, ist völlig egal. Er vertritt eine große Gruppe von Mitgliedern. Selbstverständlich bekommt er auch einen Termin beim Regierenden Bürgermeister.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]