Protokoll der Sitzung vom 09.10.2008

- Nein, nein, ich habe gesagt, dass wir durch Lehman Brothers im unteren Bereich betroffen sind. Das habe ich vorgelesen. Sie können es im Protokoll nachlesen. Auch im Haushaltsausschuss haben wir schon darüber diskutiert. Aus den Ausschusssitzungen dürfen wir hier aber nicht wörtlich zitieren.

Die nächste Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Limburg von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Ich erteile Ihnen das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Vor dem Hintergrund, dass der NDR am vergangenen Dienstag darüber berichtet hatte, dass auch norddeutsche Banken wie z. B. die Hamburger Sparkasse ihren Kunden geraten hätten, Zertifikate von Lehman Brothers zu kaufen, frage ich die Landesregierung, ob es ihrer Meinung nach auch bei niedersächsischen Banken einen Verbesserungsbedarf in Sachen Verbraucherschutz und Risikoaufklärung gibt oder ob sogar bereits geplant ist, die Verbraucherzentrale in Niedersachsen in dieser Hinsicht besser auszustatten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Möllring, bitte!

Die Sparkasse Hamburg heißt zwar Sparkasse Hamburg, ist aber ein Privatinstitut. Jedem, der von seinem Vermögensberater, Anlageberater, Sparkassenberater oder Volksbankberater eine Empfehlung bekommen hat, in bestimmte Papiere zu investieren, ist es unbenommen, zur Verbraucherberatung zu gehen. Es wird aber nicht so sein, dass der Staat neben jeden Anlageberater - egal, ob sie in einer privat, öffentlich-rechtlich oder genossenschaftsrechtlich organisierten Bank tätig sind - einen Verbraucherberater setzt. Man kann jedem Menschen nur raten, Herr Kollege, lediglich solche Geschäfte zu machen, die man selbst durchschaut zu haben glaubt. Dann muss der Glaube aber auch noch richtig sein.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann es nicht ändern. Das gute alte Sparbuch ist zwar langweilig, und auch das Termingeld ist nicht sehr erotisch. Wenn man hohe Renditen erzielen will und deshalb Risikopapiere kauft, die auch noch „Risiko“ heißen, dann besteht das Risiko darin, dass man nicht immer nur gewinnen kann, sondern auch einmal Verluste hinnehmen muss.

Ich habe neulich mit jemandem diskutiert, der mir gesagt hat: Ich hatte von dem Geschäft keine Ahnung. Die Bank hat mir trotzdem dafür Geld gegeben. - Das ist doch ungeheuerlich. Wenn ich also von einem Geschäft keine Ahnung habe, dann darf ich mich hinterher nicht darüber beklagen, dass ich damit auf den Bauch gefallen bin.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu einer weiteren Zusatzfrage erteile ich der Abgeordneten Polat von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Da Sie die Frage meines Kollegen Hagenah nicht konkret beantwortet haben, frage ich jetzt die Landesregierung, ob sie beabsichtigt, daraus, dass die in Rede stehende Krise insbesondere durch das Handeln einiger Bankiers und einiger Banken verursacht worden ist, Konsequenzen zu ziehen und Druck auf die Bundesregierung auszuüben, damit diese ihrerseits eventuell bei der nationalen Bankenaufsicht oder bei der europäischen Finanzaufsicht ebenfalls entsprechende Konsequenzen einfordert mit dem Ziel, dass auch dort regulierend eingegriffen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

Herr Minister Möllring, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Polat, ich habe es schon einleitend gesagt: In Deutschland ist die Bankenaufsicht schon sehr gut. Sie werden aber auch mit der besten Aufsicht nicht jedes operative Geschäft überprüfen können, sondern nur die Grundstrukturen. Derjenige, der das Geschäft führt, muss ein Risikomanagement implantieren und dieses Risikomanagement so ausstatten, dass es nicht nur das Recht, sondern die Pflicht hat einzugreifen. Ich sage das deshalb, weil dies bei der KfW, die auch gerade in Schieflage geraten ist, nicht so organisiert war, was mich sehr gewundert hat.

Ich bin der Überzeugung, dass wir das Ganze auf europäischer Ebene harmonisieren müssen. Die Bundeskanzlerin ist vom französischen Präsidenten dafür kritisiert worden, dass sie diese Forderung auf dem letzten Gipfel in Paris nicht hat durchsetzen können, sodass es nicht seine Schuld wäre, dass dieses Ziel nicht erreicht werden konnte. Durchsetzen kann man sich aber immer nur mit Mehrheiten und dann, wenn alle mitmachen. Außerdem müssen alle dieser Bankenaufsicht unterworfen werden. Zu kritisieren ist, dass uns die Amerikaner Basel I und Basel II „eingebrockt“ haben - an sich sind diese Dinge aber sehr gut -, sie in Amerika aber nicht selbst anwenden. So etwas darf es bei internationalen Bankengeschäften aber nicht geben,

(Beifall bei der CDU)

sondern wir müssen uns internationalen Regeln unterwerfen, und Kontrolle muss vorhanden sein.

Die Landesregierung wird aber auf jeden Fall - dazu bitte ich um Unterstützung des ganzen Hauses - ganz entschieden dafür kämpfen, dass in Deutschland das Dreisäulenmodell beibehalten wird: Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der LINKEN)

Dem, was auf uns aus Brüssel aufgrund der Lobbyarbeit des Bundesverbandes deutscher Banken ständig zukommt - ich nenne nur einmal das Gutachten der fünf Weisen, das in sich nicht schlüssig

ist, und das vom Bundesverband erarbeitete neue Gutachten, in dem es um die Abschaffung der Sparkassen nach dem italienischen Modell und um die Einrichtung irgendeiner Stiftung geht, in die diese Sparkassen integriert werden sollen -, werden wir uns widersetzen, und dem müssen wir uns auch widersetzen.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der LINKEN)

Es kann doch wohl nicht hingenommen werden, dass die öffentlich-rechtlichen Institute bei der Rettung der Sachsen LB allein dastanden und die Privatbanken gesagt haben, dass das deren eigenes Problem sei, im Zusammenhang mit der Rettung der Hypo Real Estate aber gerade die Privatbanken nach dem Staat und nach der Solidarität der öffentlich-rechtlichen Institute und der Genossenschaftsinstitute geschrien haben. Das zeigt, dass sie im Notfall auf uns angewiesen sind. Deshalb müssen wir für dieses System kämpfen.

(Lebhafter Beifall)

Zu einer weiteren Zusatzfrage erteile ich dem Abgeordneten Meyer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident, ich möchte die Landesregierung zum Fall Hypo Real Estate konkret fragen, welche Erkenntnisse sie über Geschäftsbeziehungen dieser Institution zu niedersächsischen Banken - etwa zur NORD/LB, zu Landesbanken oder Sparkassen - hat, welche Verlustrisiken es gibt bzw. welche Verluste erwartet oder befürchtet werden.

Herr Minister Möllring, bitte!

Bezüglich der Sparkassen kann ich Ihnen die Zahlen nicht nennen, weil sie mir nicht vorliegen. In Bezug auf die NORD/LB habe ich Ihnen die ungefähre Größenordnung genannt. Ich kann Ihnen die genauen Zahlen gegebenenfalls nachliefern. Die öffentlich-rechtlichen Banken werden in dem Abschirmungsbereich mit 1,6 Milliarden Euro dabei sein. Dieser Betrag teilt sich zu zwei Dritteln auf die Landesbanken und zu einem Drittel auf die Sparkassen auf. Auf die Landesbanken müssten somit - das liegt mir jetzt nicht schriftlich vor - etwa 1,066 Milliarden Euro entfallen. Die NORD/LB ist

dabei entsprechend ihrem Anteil beteiligt, ich glaube, in der Größenordnung von etwa 200 Millionen Euro.

Zu einer weiteren Zusatzfrage erteile ich der Abgeordneten Twesten von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Herr Möllring, arbeitet auch die Landesregierung mit risikobehafteten Finanzprodukten, und gibt es dabei Verlustrisiken, wenn ja, welche, insbesondere für die niedersächsischen Kommunen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Möllring!

Letzteres kann ich völlig ausschließen, weil wir keine Bankgeschäfte mit den Kommunen machen und auch keine Kredite der Kommunen bei uns hereinnehmen. Im Übrigen machen wir natürlich keine Risikogeschäfte. Wir haben ja das Problem, dass wir seit gut 60 Jahren Kredite aufnehmen. Wir haben weniger das Problem, Geld anzulegen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: C’est la vie! Da ist so eine Kri- se ja ganz hilfreich!)

Das ist natürlich in dieser Absolutheit nicht ganz richtig. Es ist doch völlig klar, dass wir auch Tagesgeld aufnehmen müssen. Weil die Steuereinnahmen nun einmal nicht so eingehen, müssen wir zum Monatsende natürlich immer einmal Tagesgeld aufnehmen. Wenn wir etwa 800 Millionen Euro an Gehältern, Versorgungsbezügen und Sozialabgaben zahlen müssen, kann es selbstverständlich einmal passieren, dass wir unser Konto überziehen. Das wird uns im Haushaltsgesetz ja auch in einer bestimmten Größenordnung - ich glaube, es sind 15 % des Gesamthaushaltes - zugestanden. Umgekehrt ist es so, dass wir dann, wenn wir zu viel Geld verfügbar haben, dieses natürlich vernünftig anlegen, aber nicht im Rahmen von Risikogeschäften, sondern im ganz normalen Tagesgeldbereich, allerdings natürlich auch bei vielen Banken. Das ist das einzige Problem. Wir machen jedenfalls keine Risikogeschäfte. Weiterhin legen wir Geld in unserem Pensionsfonds im

unteren Bereich an. Aufgrund der bundesgesetzlichen Regelung müssen wir 0,2 % der Beamtenbesoldung in einen sogenannten Pensionsfonds einzahlen. Die Größenordnung habe ich jetzt nicht verfügbar. Wir können sie aber nachliefern. Ich glaube, es sind 200 oder 300 Millionen Euro. Diese müssen wir natürlich sicher anlegen. Zum Teil haben wir sie in Staatsanleihen in Berlin angelegt. Das hat den großen Vorteil, dass wird dort etwas mehr Zinsen bekommen, als wir selber bezahlen, weil Berlin schlechter geratet ist als wir.

Die nächste Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Staudte von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich möchte Sie, Herr Möllring, gerne fragen, wie die Landesregierung den derzeitigen Koalitionsvertrag von SPD und CDU im Bund beurteilt; denn dieser formuliert unter dem Thema Finanzmarktpolitik die Zielsetzung - ich zitiere -: „Überflüssige Regulierungen sollen abgebaut werden.“ Es soll ein „Möglichkeitspapier“ erstellt werden, um den „Bürokratieabbau voranzutreiben“. Die Finanzmarktaufsicht soll nur noch „mit Augenmaß“ tätig werden. - Wie beurteilen Sie das? Denken Sie angesichts der heutigen Erfahrungen nicht auch, dass das nicht nur nicht richtige, sondern absolut falsche Zielsetzungen in der Politik waren?

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Ulf Thiele [CDU]: War das nur Zitat, oder war das auch Interpretation?)

Herr Minister Möllring, bitte!

Herr Präsident! Verehrte Frau Kollegin, ich habe es ja schon gesagt: Kontrolle muss richtig sein. Sie kann auch mit Augenmaß richtig sein. Das Problem ist, dass Kontrolle nicht übertrieben sein darf und dass auch nicht zu wenig Kontrolle erfolgen darf. Da wir alle Menschen sind, weiß man nie genau, welches das richtige Maß ist.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Man lernt ja dazu!)

- Ich habe doch gerade gesagt, dass bis vor einigen Monaten allgemein darüber geklagt wurde, dass die BaFin und die Bundesbank in den Häu

sern in übertriebenem Maße prüften. Auch die Sparkassen haben sich zum Teil darüber beschwert. Denn damit sind auch erhebliche Kosten verbunden. Man muss natürlich auch darüber diskutieren, ob man Doppelprüfungen abschaffen kann, ob man auch Bürokratie abschaffen kann. Das heißt aber nicht, dass es Dokumentationspflichten und Prüfpflichten nicht mehr gibt. Zunächst muss jeder bei sich selber prüfen. Der Autofahrer merkt als Erster, wenn irgendetwas an seinem Auto klappert. Er kann sich nicht darauf verlassen, dass alle drei oder zwei Jahre der TÜV kommt. Er muss vielmehr dann, wenn sich ein Schaden zeigt, in die Werkstatt fahren.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Wenn man die Rechnung aber nicht selber be- zahlen muss?)

- Die Banken müssen die Rechnung dann auch bezahlen. Wer keine richtige Risikoabschirmung vornimmt und kein gutes Risikomanagement betreibt, kann dann eben auch einmal Pech dabei haben. Es ist völlig richtig, dass die Prüfungen internationalisiert werden müssen, weil wir internationale Bankgeschäfte machen müssen. Es muss verboten werden, dass man - dies ist ja passiert - Geschäfte außerhalb der Bilanz macht. Nach den neuen Bilanzrichtlinien wird das nicht mehr passieren. Es darf dann aber auch keine neuen Tricks geben, die es ermöglichen, ohne Eigenkapital Geschäfte zu machen. Das sind Grundsätze, die jetzt umgesetzt werden. Das ist auch richtig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.