Protokoll der Sitzung vom 21.01.2010

weltministerium um eine praktikable Lösung geht, die umweltpolitisch einen Sinn macht. Ich und auch niemand anderes hat gesagt, dass weniger Autos in die Innenstadt von Hannover fahren sollen.

(Zustimmung bei der CDU)

Der Kollege Limburg stellt die nächste Zusatzfrage. - Er verzichtet darauf. Dann rufe ich als Nächsten den Kollegen Dr. Hocker von der FDP-Fraktion auf. Auch er möchte eine Zusatzfrage stellen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, wie die Stadt Hannover die neue Ausnahme kontrollieren soll.

(Zustimmung von Enno Hagenah [GRÜNE])

Herr Minister Sander!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hocker, ich habe eben schon anlässlich der Beantwortung der Zusatzfrage von Herrn Hagenah darauf hingewiesen, dass wir diese Frage mit der Stadt erörtern werden. Wir werden der Stadt nicht vorschreiben - es soll für die Bürger, aber auch für die Bediensteten der Stadt praktikabel sein -, in welcher Form die Kontrolle stattfinden soll. Zurzeit wird überlegt, dass der Kraftfahrzeugschein wie eine Parkscheibe verwendet werden soll, sodass die Politessen alles Notwendige schnell erkennen können.

Es gibt aber auch noch eine andere Möglichkeit. Diese wäre aber sehr viel bürokratischer, weil die Bürger in Hannover dies schon hinter sich haben. Wenn sie keine Plakette und auch keine Ausnahmebescheinigung haben, müssten Sie zum Ordnungsamt gehen und sich dort eine solche Ausnahmegenehmigung holen. Auch Sie müssen einfach einmal zur Kenntnis nehmen, dass die Stadt - das ist für mich erfreulich; dafür muss ich den Oberbürgermeister auch einmal loben; ich habe ihn übrigens noch nie kritisiert - in der Vergangenheit auch immer wieder Ausnahmen erteilt hat. Sie hat aber auch viele Bußgelder eingenommen. So

weit mir bekannt ist, haben 14 000 Bußgeldverfahren dazu geführt, dass der stattliche Betrag von mehr als 500 000 Euro in die Kassen eingegangen ist. Ich bezweifle aber, ob sich dieses Verfahren rechnet, weil Aufwand und Ertrag nicht immer übereinstimmen. Insgesamt sind wir aber um praktikable Lösungen bemüht, über die sich der Bürger freut, sodass er letztendlich bereit ist, die auch weiterhin notwendigen Beschränkungen auf sich zu nehmen.

Der Kollege Herzog stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Sander, Sie haben eben ausgeführt, dass Sie alle diese Dinge jetzt mit der Stadt besprechen wollten. Können Sie einmal dezidiert darstellen, wie Sie und die Mitarbeiter Ihres Hauses den Dialog mit der Stadt bisher, vor der Weisung, geführt haben?

Herr Minister Sander!

Herr Kollege Herzog, die Gespräche haben auf der Fachebene stattgefunden. Der zuständige Mitarbeiter ist Mitte letzten Jahres in Pension gegangen. Dieser Mitarbeiter hat das gemeinsam mit den Städten - ob es nun Hannover, Burgdorf oder anfänglich auch Osnabrück war - sehr akribisch bearbeitet und hat auch Vorschläge unterbreitet. Mit einigem war er auch nicht einverstanden. Wie dem aber auch sei.

Dem Oberbürgermeister von Hannover habe ich Ende des Jahres oder zu Beginn des neuen Jahres gesagt, dass wir die Wirksamkeit der Umweltzone überprüfen werden. Keine Abschaffung! Ich will jetzt nicht seine Äußerungen dazu wiedergeben. Er war zumindest nicht enttäuscht über diese Mitteilung. Ich habe gesagt: Wir werden sehr schnell eine Entscheidung treffen, damit bei der Bevölkerung erst gar nicht eine Verunsicherung auftritt. - Bevor wir den Erlass abgeschickt haben, habe ich mit dem Oberbürgermeister nochmals Kontakt aufgenommen und mit ihm telefonisch darüber gesprochen.

Herr Kollege Hagenah stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund des Umstandes, dass es Minister Sander und das Umweltministerium trotz ihrer vielen Kontakte mit der Landeshauptstadt Hannover bislang offensichtlich versäumt haben, ihr auch die Interpretation der in Rede stehenden Anweisung mitzuteilen - nämlich dass es mitnichten darum geht, alle Fahrzeuge mit einer gelben Plakette wieder zuzulassen, sondern nur einen Teil, von dem der Minister dem Parlament heute allerdings noch nicht sagen kann, welchen Teil er zulassen will -, interessiert mich, wie er angesichts dieser zusätzlichen Ausnahmegenehmigungen - ihre Zahl bewegt sich zwischen 0 und 50 000 - eine deutliche Zunahme von Bürokratie, Verzögerungen und extreme Verwaltungsarbeit zulasten der Bediensteten der Landeshauptstadt Hannover und derjenigen, die mit Euro-3-Dieseln ohne jeglichen Filter wieder in die Stadt fahren wollen, vermeiden will, die gestern auch schon vom Kollegen Toepffer aus Hannover angeprangert worden sind.

Herr Minister Sander!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hagenah, der Erlass ist eindeutig. Dass er gut und verständlich formuliert ist, können Sie daraus entnehmen, dass die Stadt darauf geantwortet hat und all das, was wir vorgeschlagen haben und für nötig halten, auch umsetzen will. Sie kann ja nicht die Antwort geben, etwas umsetzen zu wollen, wenn sie den Erlass nicht verstanden hat. Der Einzige, der den Erlass nicht verstanden hat, sind im Augenblick Sie.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Lachen bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Herzog stellt eine weitere Zusatzfrage. Bitte!

Herr Präsident! Herr Minister Sander, Sie haben, wenn ich es richtig verstanden habe, eben ausgeführt, dass der Nachweis für die Ausnahmen von den Fahrzeughaltern so erbracht werden soll, dass sie ihren Fahrzeugschein sichtbar im Auto auslegen. Ich habe bei meiner Fahrprüfung etwas ande

res gelernt. Bisher halte ich mich auch daran. Fahrzeugscheine nehme ich, wenn ich mein Auto parke, mit hinaus. Ist es unter dem Aspekt von Prävention gegen Diebstahl mit der Polizei abgesprochen, dass diese Maßnahme tatsächlich sinnvoll ist?

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister Sander, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich nicht daran erinnern, gesagt zu haben, dass man den Fahrzeugschein im Original hinter die Scheibe legen sollte. Gehen Sie in einen Copyshop, machen Sie dort für zwei Cent eine Kopie von dem Schein und schon ist alles geregelt. Wenn die Stadt aber andere Vorschläge hat, so sind wir auch dafür offen. Jetzt wird es wirklich etwas merkwürdig, Herr Hagenah.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Das ist wirklich lächerlich! Da haben Sie recht!)

Zu Tagesordnungspunkt 19 b liegen keine weiteren Wünsche auf Zusatzfragen vor.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 19 c auf:

Was tut die Landesregierung gegen die drohende Hinrichtung des Journalisten Mumia Abu-Jamal? - Anfrage der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/2089

Die Anfrage wird von Herrn Kollegen Dr. Sohn eingebracht. Ich erteile ihm das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bremische Bürgerschaft hat sich am 18. November 2009 in einem Dringlichkeitsantrag mit dem Journalisten Mumia Abu-Jamal solidarisiert. Er sitzt seit 1982 in den USA in der Todeszelle. Er wird beschuldigt, einen Polizisten erschossen zu haben. Beweise gibt es keine. Nun droht eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA, durch die die Hinrichtung von Mumia Abu-Jamal unmittelbar bevorstehen kann. Ich ergänze die Anfrage

vom 5. Januar um den Hinweis, dass am Dienstag dieser Woche eine solche Entscheidung, die allerdings aufschiebende Wirkung haben wird, ergangen ist. Wie in Bremen haben sich weltweit Parlamente mit Abu-Jamal solidarisiert. Die Stadt Paris hat ihn zu ihrem Ehrenbürger ernannt.

(Unruhe)

Herr Kollege Dr. Sohn, ich unterbreche Sie einmal kurz. - Gestern war es so, dass auf der, von mir aus gesehen, rechten Seite des Hauses in stärkerem Maße Gespräche stattgefunden haben, jetzt ist es erkennbar und unüberhörbar auf der anderen Seite des Hauses der Fall. Ich bitte, die Gespräche einzustellen. - Bitte schön, Herr Dr. Sohn!

Alles im Leben drängt nach Ausgleich. - Mehrere Menschenrechtsgruppen - u. a. Amnesty International - haben diese drohende Hinrichtung zum Anlass genommen, auf die weltweite Abschaffung der Todesstrafe zu drängen. Sie ist mit humanistischen Grundeinstellungen in einer Gesellschaft nicht vereinbar - in keinem Land der Welt. Sie negiert das elementare Menschenrecht auf Leben und ist eine Form besonders unmenschlicher, grausamer, erniedrigender Behandlung. Die Einhaltung der Menschenrechte und die gleichzeitige Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe schließen sich aus.

Der Niedersächsische Landtag hat sich mehrfach - so gleich zu Beginn der 16. Wahlperiode angesichts damaliger Ereignisse in China, vergleiche Drs. 16/633 - zu einer Verantwortung bei der Thematisierung von Menschenrechtsverletzungen in aller Welt bekannt. Die Landesregierung hat zu solchen Gelegenheiten und öffentlich betont, dass sie bei ihren internationalen Kontakten Menschenrechtsverletzungen, wer immer sie begehe, thematisieren wolle.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

Erstens. Teilt sie die Bewertung, dass sich die Einhaltung der Menschenrechte und die Verhängung der Todesstrafe ausschließen?

Zweitens. In welcher Weise hat sie bei ihren vergangenen Besuchen und Gesprächen mit Regierungsvertretern in den USA die dort praktizierte Verhängung der Todesstrafe thematisiert?

Drittens. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um sich der weltweiten Bewegung zur Rettung des Lebens des Journalisten Mumia AbuJamal anzuschließen?

Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Busemann. Bitte schön!

(Vizepräsidentin Astrid Vockert über- nimmt den Vorsitz)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Niedersächsische Landesregierung ist der Auffassung, dass die Todesstrafe weder ethisch noch rechtspolitisch zu rechtfertigen ist. Sie sieht sich damit übrigens in voller Übereinstimmung mit der Bundesregierung und der Europäischen Union. Nach einem Bericht von Amnesty International sind 2007 mindestens 1 252 Hinrichtungen nach Verhängung der Todesstrafe bekannt geworden. Aktuellere Zahlen liegen uns nicht vor. 88 % dieser Hinrichtungen wurden in fünf Staaten ausgeführt: in China, im Iran, in Saudi-Arabien, in Pakistan und in den USA.

Die Todesstrafe gehört in allen Staaten der Welt abgeschafft. Was die USA angeht, die auf eine lange rechtsstaatliche Tradition zurückblicken können, so bekümmert es, dass die meisten Bundesstaaten nicht für die Abschaffung der Todesstrafe zu gewinnen sind. Ausnahmen, wie z. B. New Jersey und New Mexico, geben aber Anlass zur Hoffnung.

Die Niedersächsische Landesregierung verurteilt jede Hinrichtung eines Menschen und knüpft große Erwartungen an den weltweiten Trend zur Abschaffung der Todesstrafe. Die vielfältigen Initiativen nicht zuletzt der Bundesregierung und der EU zeigen offensichtlich Wirkung. Als ein Beispiel für diese Aktivitäten nenne ich den 3. Weltkongress gegen die Todesstrafe vom 1. bis 3. Februar 2007 in Paris, bei dem Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel die Schirmherrschaft übernahm. Frau Merkel bekräftigte aus diesem Anlass, die Abschaffung der Todesstrafe sei ein zentrales menschliches Ziel der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch auf die Berichte der Bundesregierung über die Menschenrechtspolitik in den auswärtigen Beziehungen und in anderen Politikbereichen verweisen. Deutschland und Niedersachsen sehen sich im Einklang mit dem Beschluss der Vereinten Nationen vom 18. Dezember 2007, weltweit den Vollzug der Todesstrafe auszusetzen. Artikel 102 des Grundgesetzes lautet: „Die Todesstrafe ist abgeschafft.“ In Europa gilt die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Das Sechste Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention hat die Abschaffung der Todesstrafe zum Gegenstand. Artikel 1 dieses Zusatzprotokolls bestimmt, dass die Todesstrafe abgeschafft ist und niemand zu dieser Strafe verurteilt oder hingerichtet werden darf. Dies bestimmt auch Artikel 2 der EU-Charta der Grundrechte. Dem haben alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union uneingeschränkt zugestimmt. Sie wenden dies in der Praxis auch an.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass das Ministerkomitee des Europarates im Dezember 2007 beschlossen hat, einen Europäischen Tag gegen die Todesstrafe auszurufen, der alljährlich am 10. Oktober begangen werden soll. Im Dezember 2007 wurde dieser Europäische Tag von der Europäischen Union ausgerufen.

Meine Damen und Herren, ich darf wohl in unser aller Namen sagen, dass sich Niedersachsen als Teil dieser Initiativen und Aktivitäten sieht. Ich will auf die Aktivitäten der EU hier nicht im Einzelnen eingehen, aber darauf hinweisen, dass die Niedersächsische Landesregierung es für richtig und erfolgversprechender hält, wenn Initiativen und Aktivitäten zur Abschaffung der Todesstrafe auf EU-Ebene ergriffen werden. Es sind u. a. Demarchen in individuellen Fällen wie dem des Journalisten Mumia Abu-Jamal vorgesehen.