Stefanie Winde

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Frau Schillhaneck! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute mit einem hochsensiblen Thema der Gesundheitspolitik in Berlin: Was soll aus Vivantes und Charité werden? – Wie wir alle heute den wie immer gut informierten Zeitungen „Berliner Morgenpost“ und „Berliner Zeitung“ entnehmen konnten, hat gestern die Senatsarbeitsgruppe gemeinsam mit den Chefs von Vivantes und Charité getagt. Eine abschließende Entscheidung ist allerdings noch nicht gefallen. Die SPD-Fraktion hat allerdings klare Prämissen zu diesem Thema, und die möchte ich Ihnen gerne darlegen.
Erstens: Wir wollen, dass zunächst ein Gesamtkonzept für Vivantes und Charité erarbeitet wird. Eine ausschließliche Fokussierung auf den Südwesten Berlins ist nicht sinnvoll, denn es ist falsch anzunehmen, dass das Problem der beiden Unternehmen nur im Südwesten der Stadt liegt. Schaut man sich die Bettendichte in Berlin an – und das wird ja immer als Hauptgrund für die Südwestfokussierung genannt –, dann wird man eine gleiche Dichte wie im Südwesten auch im Bereich Mitte finden. Deswegen würde trotzdem keiner den Anspruch erheben, dass die Charité in Mitte schließen soll, auch wenn hier der Investitionsbedarf besonders hoch ist. Nur wenn man sich die Vivantes- und Charité-Häuser in ganz Berlin anschaut, wird man die strukturellen Probleme beider Häuser lösen können.
Zweitens: Die Schließung des Auguste-ViktoriaKrankenhauses lehnen wir ab. Zum einen macht es meines Erachtens keinen Sinn, ein profitables Krankenhaus zu schließen, das dem Vivantes-Konzern im vergangenen Jahr immerhin 6,8 Millionen Euro eingebracht hat. Erst dadurch wurde 2009 überhaupt ein Gesamtgewinn von 2,6 Millionen Euro ermöglicht. Zum anderen ist das AVK ein Krankenhaus, mit dem sich die Bevölkerung besonders gut identifiziert und das für seinen Kiez eine besondere Funktion hat. Wir haben doch bei der Schließung der Krankenhäuser in Moabit und Prenzlauer Berg sehen können, was das für einen Ansturm der Entrüstung mit sich brachte, und das waren Krankenhäuser, die unprofitabel waren.
Drittens: Wir wollen den Universitätsstandort im Südwesten der Stadt erhalten. Das heißt, das Klinikum Benjamin Franklin soll weiterhin Universitätsklinikum der Charité bleiben. – Es sei mal erwähnt, dass die Geräuschkulisse nicht nur von vorne, sondern ehrlich gesagt auch von hinten relativ störend ist.
Zum Klinikum Benjamin Franklin gehören die universitäre Forschung, die dort angesiedelt ist, ebenso wie die Drittmittelprojekte, die an diesen Standort gekoppelt sind. Die damit verbundenen fast 2 000 Arbeitsplätze dürfen nicht gefährdet werden. Wenn dieser Universitätsstandort aufgegeben würde, würde Berlin ein Großteil dieser Drittmittel verlorengehen und damit ein nicht unerheblicher Anteil der Exzellenz unserer Universitätsmedizin zum einen und der Freien Universität und der HumboldtUniversität zum anderen. Das können wir nicht wollen, denn Berlin hat mit seiner Universitätsmedizin einen Leuchtturm im Gesundheitsbereich unserer Stadt und in Europa.
Viertens: Die Universitätskrankenhäuser in Berlin unterscheiden sich in einem entscheidenden Teil von anderen Universitätskrankenhäusern anderer Städte. – Geht es etwas leiser? – Danke!
Diese Häuser haben auch einen nicht unerheblichen Stellenwert als Kiezkrankenhäuser. Dies gilt nicht nur für den Standort in Lichterfelde, sondern ebenso für Mitte und Wedding. Das muss bei der Planung berücksichtigt werden.
Fünftens: Aber die Beschäftigten wie die Konzernleitungen von Vivantes und Charité brauchen Klarheit und Sicherheit, wie es mit beiden Konzernen weitergehen soll. Das heißt, Entscheidungen müssen zeitnah getroffen und Investitionsmittel freigegeben werden.
Sechstens: Die begonnene Kooperation von Charité und Vivantes ist der richtige Weg. Mit der Entscheidung für ein gemeinsames Labor, dem größten Labor Europas, ist hier der erste richtige Schritt getan worden, auch wenn viele Beschäftigte, vor allem aus der Charité, noch nicht mit dieser Entscheidung konform gehen und sie zum Teil für falsch halten. Dies hängt aber auch mit der Angst zusammen, dass dieses Labor nach ein paar Jahren verkauft und damit privatisiert werden könnte.
Nein, danke!
Die Verträge sehen dazu im Moment nur vor, dass die Aufsichtsräte beider Gesellschafter damit einverstanden sein müssen. Ich denke, dass ein etwaiger Verkauf in
jedem Fall von der Zustimmung durch das Abgeordnetenhaus abhängig gemacht werden sollte. Nur so ist zum einen gewährleistet, dass eine entsprechende Öffentlichkeit hergestellt wird, zum anderen ist das für einen potenziellen Käufer eine ziemlich hohe Hürde, die nicht so ohne Weiteres genommen werden kann.
Ganz nebenbei sei angemerkt: Die Zeiten, in denen Berlin sein Porzellan reihenweise verkauft hat, gerade Institutionen der öffentlichen Daseinsvorsorge, sind vorbei. Wir wollen nicht, dass sinnvolle Kooperationsprojekte durch eine Verunsicherung der Beschäftigten gefährdet werden.
Siebentens: Das Ziel von Vivantes und Charité kann langfristig nur die Fusion der beiden Unternehmen sein.
Im Moment agieren beide Krankenhausunternehmen in Berlin als Konkurrenten, und das, obwohl sie beide im Besitz des Landes sind. Wenn sie aber ein gemeinsames Unternehmen wären, fiele zum einen diese Konkurrenzsituation weg, zum anderen könnten Krankenhausversorgung wie auch Forschung auf einer ganz anderen Basis erfolgen. Nicht nur die höhere Patientenzahl, sondern auch das Setzen neuer Schwerpunkte, die sowohl regional als auch inhaltlich begründet wären, wären dann Grundlage der Arbeit von Charité und Vivantes.
Dann gäbe es keine Doppel-, Dreifach oder sogar Vierfachstrukturen mehr, wie zum Beispiel im Bereich Kardiologie – ich nenne nur das Stichwort: Herzkatheter.
Meine Herren von der FDP! Sie haben gleich die Gelegenheit, auch noch etwas dazu zu sagen.
Hinzu kämen noch die bereits geplanten Einsparpotenziale in den Bereichen Einkauf, Pathologie, Strahlenmedizin und Verwaltung. Wahrscheinlich ließe sich hier sogar mehr als die bisher genannten 45 Millionen Euro einsparen. Eines will ich aber nicht verschweigen: Ein solch fusioniertes Charité-Vivantes-Unternehmen muss nicht unbedingt 43 Prozent der Krankenversorgung in Berlin abdecken. Weniger wäre meines Erachtens auch ausreichend und würde ein solch großes Unternehmen auch besser steuerbar machen.
Zum Schluss sei mir noch die Bemerkung erlaubt, dass die Opposition nicht den Fehler machen sollte, das Thema zum Wahlkampfthema zu machen. Dafür eignet es sich nicht
und würde zudem auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen. Zum anderen sollten Sie sich – das sage ich vor allem in Richtung von Herrn Czaja von der CDU, der leider nicht anwesend ist – nicht zu sicher sein, dass Sie 2011 wieder an die Regierung kommen. Die SPD ist die politische Kraft in Berlin, die dafür sorgen wird, dass Charité und Vivantes weiterhin starke Akteure in der Berliner Gesundheitswirtschaft sind und bleiben. Vivantes und Charité können sich auf die SPD verlassen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu vorgerückter Stunde komme ich heute zum Einzelplan 11, zum Bereich Gesundheit.
Der Haushalt umfasst für beide Jahre ca. 160 Millionen Euro pro Jahr. Davon entfallen auf folgende Bereiche: Krankenhausfinanzierung ca. 90 Millionen Euro, Krankenhaus des Maßregelvollzugs ca. 45 Millionen Euro, Drogen- und Suchthilfe ca. 2,8 Millionen Euro. Und der
Integrierte Gesundheitsvertrag umfasst ca. 11,5 Millionen Euro.
Was hat sich verändert? – Der Integrierte Gesundheitsvertrag bekommt eine Aufstockung von 300 000 Euro. Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband erhält für seine Steuerungsleistung jetzt 250 000 bzw. 254 000 Euro pro Jahr. Die inhaltliche Gewichtung des Vertrags zu den drei Handlungsfeldern wird derzeit noch verhandelt, sie steht noch nicht fest. Das sei noch einmal ausdrücklich gesagt, es gibt durchaus noch Diskussionen.
Bei den Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen gibt es jeweils jährlich 500 000 Euro mehr, sodass in diesem Bereich jetzt jährlich 2 550 000 Euro fließen. Hinzu kommen noch – die Summe mag gering sein, aber die Wirkung ist um so größer – 40 000 Euro für eine Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle im Kontext der Pränataldiagnostik. Dies ist durch einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen möglich geworden.
Beratungen vor, während und nach der Pränataldiagnostik – insbesondere bei auffälligem Befund innerhalb der Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchung oder nach einer speziellen weiteren Untersuchung – sind trotz Festschreibung im Schwangerschaftsberatungsgesetz auch heute noch keine Selbstverständlichkeit. Deswegen soll hier, auf unsere Initiative hin, ein zusätzliches Angebot in Berlin entstehen.
Ein Schwerpunkt der Politik der Koalition liegt im Bereich des Kinderschutzes. Wir haben heute das Gesetz zum Schutz und Wohl des Kindes verabschiedet, das damit 2010 in Kraft treten kann. Hierzu sind 277 460 Euro für den laufenden Betrieb der sogenannten zentralen Stelle an der Charité vorgesehen,
die das verbindliche Einladungswesen zu den Vorsorgeuntersuchungen organisieren und durchführen wird.
Nicht im Einzelplan 11, sondern im Einzelplan 29 als zusätzliche Sonderausgabe sind 1,1 Millionen Euro für das zusätzlich notwendige bezirkliche Personal vorgesehen – je eine Beschäftigungsposition im Bereich Kinder, Jugend und Gesundheitsdienst und eine im Bereich Jugendamt.
Ein anderer Bereich des gesundheitlichen Kinderschutzes liegt bei den Sozialpädiatrischen Zentren. Hierfür sind die Ausgaben gleich geblieben und umfassen fast eine Millionen Euro. Sicher könnte man sich hier noch mehr vorstellen, aber in Zeiten knapper Kassen ist das immerhin ein ganz schön großer Schluck aus der Pulle.
Vor zwei Wochen hat die Koalition schließlich noch einmal in der parlamentarischen Beratung Gelder für zwei Projekte beschlossen. Für die Beratungsstelle für alkoholgeschädigte Kinder, die FASD-Beratungsstelle, werden erstmals 50 000 Euro gegeben, um ihr nach der dreijäh
Mirco Dragowski
rigen Förderung durch die Aktion Mensch einen Neuanfang im Evangelischen Waldkrankenhaus zu ermöglichen. Nachdem ich das Projekt fast zwei Jahre lang begleitet habe, bin ich sicher, dass die Arbeit dort in guten Händen liegt, und kann allen Beteiligten nur viel Erfolg wünschen.
Ein weiteres neues Projekt ist das Projekt Stop-Stalking, das ebenfalls 50 000 Euro erhält. Stop-Stalking widmet sich im Gegensatz zu anderen bereits etablierten Einrichtungen nicht den Opfern, sondern den Tätern und arbeitet mit denen, um Rückfälle vorzubeugen oder zu vermeiden. Wir fanden das einen sehr wichtigen und guten Ansatz und wünschen auch diesem Projekt viel Erfolg.
Sicher könnte der Bereich Gesundheitspolitik in unserer Stadt mehr Geld verkraften – das kann man aber sicher von jedem Politikfeld sagen. Die Koalition hat in diesen Zeiten der begrenzten finanziellen Mittel einen ordentlichen Haushalt aufgestellt, der die Schwerpunkte an der richtigen Stelle setzt. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben Herbst. Das ist die Zeit, in der die Menschen in unserem Land vermehrt Grippe oder grippale Infekte bekommen. Im April trat der erste Fall der Neuen Influenza, im Volksmund „Schweinegrippe“ genannt, in Mexiko auf. Ende April gab es dann auch die ersten Fälle in Deutschland.
Bis heute gibt es in Deutschland mehr als 40 000 Fälle der an der Neuen Influenza Erkrankten, 13 Menschen sind gestorben. In Berlin sind bis jetzt über 1 700 Fälle bekannt und registriert worden, wobei die Zahl ständig steigt.
Was haben wir für eine Situation? – Lange Zeit stand die Bevölkerung der Schweinegrippe und einer möglichen Impfung eher zurückhaltend oder kritisch gegenüber, nicht zuletzt stark beeinflusst durch eine, wie ich fand, verfehlte Haltung der Medien zu diesem Thema. Nach den ersten Todesfällen – in Berlin starb bekanntlich letzte Woche der erste Mann an der Neuen Grippe – hat sich die Stimmung in der Bevölkerung allerdings gewandelt. Jetzt wollen sich plötzlich alle Menschen am liebsten sofort impfen lassen und stoßen dabei auf für sie ungeahnte Schwierigkeiten.
Eines sei hier einmal, bei aller Kritik, vorweg gesagt: Die Schwierigkeiten in der Organisation und in der Impfstofflieferung gibt es nicht nur in Berlin, sondern in der ganzen Bundesrepublik. In Bayern zum Beispiel gibt es die höchste Zahl an Infizierten, und dort entspricht die Zahl der gelieferten Impfdosen nicht einmal der Zahl der Risikogruppen. Da kommt jetzt verständlicherweise große Unruhe in der Bevölkerung auf.
Dass die Zustände deutschlandweit gleich schlecht im Bezug auf die Impfstofflieferung sind, macht die Sache zwar nicht besser, aber es macht deutlich, dass das Thema kein persönliches Versagen der Berliner Regierung und der Berliner Verwaltung ist. Deshalb eignet sich das Thema nicht – und das sage ich vor allem in Richtung Opposition – für Parteipolitik oder Parteipolemik.
Dazu ist das Thema zu ernst, und die Zielrichtung muss jetzt in erster Linie sein, dass alle den Ernst der Lage erkennen, aber nicht in Panik geraten.
Als die Schweinegrippe bei uns im April aufkam, befand sich Deutschland im Vorwahlkampf. Das Thema ist nun wahrlich nicht für den Wahlkampf geeignet.
Senator Dr. Ulrich Nußbaum
Auch obliegt die Organisation der Pandemiepläne grundsätzlich den Ländern, was durchaus schwierig, aber nicht zu ändern ist, denn meines Erachtens wäre eine bundesweit einheitliche Regelung und Organisation besser und einfacher.
Das Hauptproblem zur Zeit ist klar: Es gibt nicht genug Impfstoff, um all diejenigen, die sich jetzt impfen lassen wollen, zu impfen. Die Verträge mit dem Hersteller sind leider so, dass die Lieferungen des Impfstoffes erst anlaufen und die Lieferung der Gesamtmenge von 50 Millionen Impfdosen erst bis März erfolgen muss.
Da die Herstellung des Impfstoffs ca. 20 Wochen umfasst, ist das auch jetzt nicht mehr zu ändern. Täglich werden 340 000 Eier beim Hersteller GlaxoSmithKline für die Impfstoffproduktion verarbeitet. Ich denke, hier ist man jetzt wohl auch an Kapazitätsgrenzen gestoßen. Aber eines sage ich auch ganz klar: GSK verdient ein „Schweinegeld“ mit der Schweinegrippe, da ist Empfindlichkeit in punkto Kritik nicht ganz angebracht. Das muss man dort jetzt aushalten.
Wichtig ist jetzt, dass alle Ärzte, die zu Impfungen bereit sind, zügig die Möglichkeit dazu erhalten, indem sie möglichst schnell ihre Verträge von der Senatsverwaltung erhalten, zum anderen dass sie an den Impfstoff kommen, um ihre Patienten impfen zu können. Hier sei aber noch einmal erwähnt, dass die Ärzteschaft wahrlich nicht einheitlich auftritt – im Gegenteil. Eine Reihe von Medizinern rät den Menschen vom Impfen ab oder ist zumindest skeptisch. Ich finde es auch wenig hilfreich, wenn der Präsident der Berliner Ärztekammer im Radio explizit vom Impfen abrät. Damit wird er seiner verantwortungsvollen Rolle nicht gerecht. Insofern ist die gestern formulierte Kritik der Ärztekammer an der Senatsgesundheitsverwaltung nicht ganz angebracht.
Meines Erachtens ist es jetzt Aufgabe der Ärzte, die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass das Impfen gegen die Neue Grippe bei Teilen der Bevölkerung sehr angebracht ist, andere Teile der Bevölkerung jedoch nicht gleich den Tod befürchten müssen, wenn sie im Moment noch nicht geimpft werden können. Der Einzelne sollte prüfen, ob er zu einer Risikogruppe gehört und zum jetzigen Zeitpunkt unbedingt geimpft werden muss oder ob dies nicht auch noch etwas später geschehen könnte. Ansonsten gefährdet das den Erfolg der gesamten Aktion und zudem auch noch die Gesundheit von weitaus gefährdeteren Bevölkerungsgruppen.
Lobend möchte ich das Angebot der Kinder- und Jugendärzte an den Berliner Senat hervorheben, die bereit sind, kostenlos chronisch kranke Kinder zu impfen. Hier hat es erfreulicherweise eine erste Einigung mit dem Senat gegeben, sodass diese Aktion jetzt in den Räumen der bezirklichen Gesundheitsämter beginnen kann. Gleichwohl betone ich, dass ich das Durchimpfen von großen Teilen der Bevölkerung sehr sinnvoll finde. Ansonsten hätte der
ganze Aufwand keine Wirkung. Dieses Ziel kann nun leider erst im Februar oder März 2010 erreicht werden, weil erst dann ausreichend Impfstoff zur Verfügung stehen kann. Das ist meines Erachtens der eigentliche Skandal.
Was die Frage von Nebenwirkungen angeht, so sieht man zum Beispiel in Schweden, wo bereits 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung geimpft worden sind, dass nur bei jedem zehntausendsten Patienten eine Nebenwirkung aufgetreten ist, die tatsächlich auf die Impfung zurückzuführen war. Wichtig ist jetzt, dass die Bevölkerung ruhig bleibt, also keine Panik aufkommt, zum anderen aber auch die Ratschläge der Experten annimmt, wie man sich erfolgreich gegen die neue Grippe schützen kann, wie zum Beispiel durch häufiges Händewaschen und das Niesen in die Armbeuge statt in die Hand.
Wir müssen verhindern, dass es zu irrationalem Handeln aus Angst vor der Grippe kommt. Ich will Ihnen hierfür ein Beispiel aus meinem persönlichen Umfeld nennen. In der vergangenen Woche ist meine dreieinhalbjährige Tochter nachmittags aus dem Kindergarten gekommen und hatte ihre Zahnbürste und ihren Zahnputzbecher aus der Kita dabei. „Mama, wir putzen uns nicht mehr die Zähne wegen der Schweinegrippe“, erklärte sie mir. Aufgrund der Intervention von Eltern wurde diese von Erzieherinnen eingeleitete Maßnahme glücklicherweise durch die Leitung der im Übrigen städtischen Kita zurückgenommen. Aber abgewendet ist diese Maßnahme noch nicht, denn die Idee beruhte auf einer etwas unglücklich formulierten Dienstanweisung der Gesundheitsverwaltung, die die Angst der Erzieherinnen offenbar noch weiter unterstützte. Statt der „Schweinegrippepandemie“ droht hier jetzt womöglich eine „Kariesepidemie“. Wichtig ist es jetzt in erster Linie, Ruhe zu bewahren und möglichst rational an das Thema heranzugehen. Natürlich sind aber auch die bisherigen organisatorischen Probleme schnell zu beseitigen. – Vielen Dank!
Ich habe durchaus den Eindruck, dass das Thema auch parteipolitisch ausgeschlachtet wird. Seien Sie nicht böse.
Ich glaube, ich bin durchaus auch unter den Kritikern gewesen. Ich habe mir deshalb wiederum nicht unerhebliche Kritik anhören müssen. Die Kritik ist berechtigt gewesen. Ich stehe auch zu meiner eigenen Kritik. Aber ich
finde es unberechtigt, sich hier hinzustellen und zu sagen: Nur diese Verwaltung ist es. Es sind alle.
Es tut mir leid.
Wir können uns nicht hinstellen und sagen: Nur die sind es. Offensichtlich sind alle mit dem Thema relativ überfordert. Es ist ein Thema,
das sehr schwer zu behandeln ist. Das Hauptproblem, da gebe ich Ihnen völlig recht, waren die Verträge. Dass das so schleppend anläuft, habe ich durchaus in meiner Rede als Problem benannt, das jetzt gelöst werden muss.
Das ist mal wieder ein für die FDP typischer Antrag, ganz nach dem Motto: Alles soll zu jeder Zeit für jeden möglich sein. – Wirklich viele Praxen bieten doch mittlerweile auch Sprechstunden am Abend oder am Samstag an, das müsste doch eigentlich ausreichen, um einen Arztbesuch außerhalb der normalen Arbeitszeiten zu erledigen. Ich bin wirklich eine Befürworterin der Dienstleistungsgesellschaft, aber warum muss ich am Sonntag zum Arzt gehen, wenn ich das doch auch in der Woche oder am Samstag erledigen kann? Wenn ein Arzt seine Praxis alleine ohne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreibt, dann bitte schön, aber warum soll eine Arzthelferin ihrer Familie am Sonntag entzogen werden, nur weil es der Bequemlichkeit des einen oder anderen dient? Dafür habe ich kein Verständnis, tut mir leid!
Aber mal im Ernst: Der Sonntag ist in Deutschland ein gesetzlich verankerter Ruhetag, der nur in Ausnahmefällen für Einzelne zum Arbeitstag werden kann. Das hat nicht nur etwas mit Vereinbarungen mit den Kirchen zu tun, sondern begründet sich auch darin, dass es ein gesellschaftlicher Anspruch sein muss, allen Menschen zur gleichen Zeit die Möglichkeit zur Erholung, Entspannung, des gesellschaftlichen Miteinanders zu geben. Und das ist in der Regel das Wochenende, zumindest aber der Sonntag!
Aber auch ich sehe eine Notwendigkeit darin, dass am Sonntag einige wenige Praxen geöffnet haben, aber bitte ausschließlich für Notfälle, nicht für die Regelversorgung. Aus meiner Sicht ist § 10 Abs. 1 Nr. 3 des Arbeitszeitgesetzes auch genau so zu interpretieren:
Sofern die Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können, dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen abweichend von § 9 beschäftigt werden
3. in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen, …
Wann kann das also auf Arztpraxen zutreffen? – Mir fallen da folgende beispielhafte Szenarien ein:
wenn jemand gerade aus dem Krankenhaus entlassen wurde und z.B. einen Verbandswechsel benötigt,
wenn ein Kind akut krank ist,
wenn ein Erwachsener akut krank ist,
wenn einem Mensch im Zuge einer Behandlung Medikamente und/oder Infusionen verabreicht werden
müssen, um den Erfolg der Behandlung nicht zu gefährden.
Und: Es ist ein Trugschluss, dass mit einer Sonntagsöffnung von Arztpraxen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden, denn schließlich gibt es nicht plötzlich mehr Patienten. Auch muss den Angestellten, die am Sonntag arbeiten, in der Folgewoche zum Ausgleich ein freier Tag gewährt werden. Wo sollen dabei dann zusätzliche Arbeitsplätze entstehen? Dieses Argument führen Sie doch nur an, um sich das Deckmäntelchen der sozialen Gerechtigkeit zu geben.
Und noch etwas: Auch die Kassenärztliche Vereinigung ist nicht für offene Arztpraxen am Sonntag zur Regelversorgung, sondern geht auch davon aus, dass am Sonntag ausschließlich zur Notversorgung von Patienten Arztpraxen geöffnet haben. Auch verweist die KV darauf, dass wir in Berlin den besonderen Service des mobilen Kassenärztlichen Notfalldienstes haben – Sie kennen alle sicher die lilafarbenen Fahrzeuge –, der in der Nacht und am Wochenende gerufen werden kann.
Eine Bundesratsinitiative erübrigt sich, weil meines Erachtens das Arbeitszeitgesetz die Öffnung von Arztpraxen am Sonntag für die Notfallversorgung schon jetzt zulässt. Alles andere darüber hinaus ist gar nicht wünschenswert! Verehrte Kollegen von der FDP, gerade Ihr Ansatz, die Welt mal wieder ausschließlich aus der Sicht des viel beschäftigten, gutverdienenden und auf seine persönliche Bequemlichkeit bedachten Menschen zu sehen, macht es für uns mal wieder sehr leicht, diesen FDP-Antrag anzulehnen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erst einmal ein kurzer persönlicher Einwurf von mir. Ich möchte mich ganz herzlich für die fast ausschließlich positiven Reaktionen auf die Tatsache bedanken, dass ich heute mit meiner neun Wochen alten Tochter erschienen bin. Auch in den Ausschüssen habe ich ausschließlich positive Reaktionen auch auf Schreien bekommen und möchte mich dafür herzlich bedanken.
Der Nichtraucherschutz dürfte in dieser Legislaturperiode wohl das häufigste im Plenum besprochene Thema sein, denn es steht nun zum achten Mal hier auf der Tagesordnung, dieses Mal gleich mit fünf Anträgen.
Aber zur Sache: Der von der Koalition eingebrachte Antrag zur Änderung des Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in der Öffentlichkeit sieht alle nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Juli 2008 notwendigen Änderungen vor, die sich ausschließlich auf die Ausnahmeregelung vom Rauchverbot in Gaststätten beziehen. Diese Ausnahmen gelten demnach jetzt für Gaststätten, die erstens nicht über einen abgetrennten Nebenraum verfügen, zweitens eine Grundfläche von maximal 75 Quadratmetern haben, drittens keine vor Ort zubereiteten Speisen verabreichen und viertens Jugendlichen unter 18 Jahren den Zutritt zur Gaststätte verwehren. Mit diesen Regelungen wird ein umfassender Nichtraucherschutz sichergestellt, und es werden
gleichzeitig die wirtschaftlichen Interessen der Wirte berücksichtigt. Damit haben wir eine tragfähige Lösung mit Augenmaß durchgesetzt, wie ich meine.
Eine weitere Änderung sieht vor, dass der Gastwirt den Behörden den Betrieb der Rauchergaststätte innerhalb von vier Wochen nach Betriebsaufnahme schriftlich anzuzeigen hat. Auf diese Weise haben die Behörden die Möglichkeit zu überprüfen, ob bei der Gaststätte die Voraussetzungen dafür auch tatsächlich vorliegen. Es liegt demnach nicht nur im Ermessen des Gastwirts, eine Rauchergaststätte zu eröffnen, sondern es ist eine Überprüfbarkeit möglich. Die Überprüfung des Rauchverbots durch die Ordnungsämter wird dadurch erleichtert.
Die Vier-Wochen-Frist beginnt wahrscheinlich – davon ist wohl auszugehen – Ende Mai, einen Tag nach der Verkündigung im Gesetzes- und Verordnungsblatt von Berlin.
Die oben genannten Ausnahmeregelungen, keine vor Ort zubereiteten Speisen zu verabreichen und Jugendlichen unter 18 Jahren den Zutritt zur Gaststätte zu verwehren, sind Betreiberpflichten, gelten aber auch als Begründung für die Untersagung einer Rauchergaststätte, wenn diese Pflichten nicht beachtet werden. Insofern ist ab jetzt der Zustand der Rechtsunsicherheit beendet. Mit der Untersagung des Weiterbetreibens des Betriebs ist eine starke Sanktion eingeführt worden. Allerdings ist es jetzt auch an den Bezirken, den Vollzug des Nichtraucherschutzgesetzes zu starten. Jetzt sind keine Ausreden mehr möglich, und es ist die Pflicht der Bezirke, die Einhaltung des Gesetzes zu überwachen und zu kontrollieren und auch im Zweifelsfalle Sanktionen bei wiederholten Zuwiderhandlungen zu verhängen. Ich gehe davon aus, dass sich alle Bezirke tatsächlich daran beteiligen.
Mit dem Gesetzentwurf haben wir uns sehr eng an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gehalten, um hier weitere Klagen gar nicht mehr möglich zu machen. Berlin wird damit zu den ersten Bundesländern gehören, die die notwendige Änderung des Nichtraucherschutzgesetzes vollziehen.
Den Antrag der FDP lehnen wir ab. Durch die zahlreichen Änderungen im Nichtraucherschutzgesetz sind nun alle möglichen Modifikationen und Ausnahmen eingeschlossen – ich sage das durchaus mit einer gewissen Unzufriedenheit aus der Sicht der Gesundheitspolitikerin –, sodass auch fast alle Forderungen der FDP erfüllt worden sind. Ausgenommen ist der Vorschlag, auch den inhabergeführten Gaststätten ohne Beschäftigte das Rauchen zu genehmigen. Aber ich kann die Fraktionsmitglieder der FDP – die wenigen, die anwesend sind – beruhigen.
Ich vermute, dass die meisten inhabergeführten Gaststätten sowieso unter die Ausnahmeregelung vom Rauchverbot fallen, denn fast alle Einraumgaststätten sind kleiner
als 75 qm. Deshalb muss nicht eine weitere Ausnahme in das Gesetz aufgenommen werden, die keinerlei Verbesserung bringt. Eine Wettbewerbsverzerrung ist ebenfalls nicht zu erwarten, weil die Anzahl der inhabergeführten Kneipen ohne Angestellte, die größer als 75 qm sind, sehr klein sein wird. Alle Gaststätten und Kneipen in Berlin lassen sich künftig qua Gesetz entweder der Kategorie Raucher- oder Nichtrauchergaststätte zuordnen, ohne dass es hierbei dann noch Interpretationsspielraum gibt.
Auch der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, eine Bundesratsinitiative zum Nichtraucherschutz zu starten, wird von uns abgelehnt. Dabei ist der Gedanke, ein generelles Rauchverbot am Arbeitsplatz einzuführen, gut. Das sage ich ausdrücklich. Deswegen gab es in dieser Legislaturperiode bereits eine solche Initiative seitens des Berliner Senats im Bundesrat, allerdings ohne den gewünschten Erfolg, denn es ist unmöglich, dafür bei den anderen Bundesländern eine Mehrheit zu finden. Sicherlich wäre es im Rückblick einfacher gewesen, ein generelles Rauchverbot in den Gaststätten einzuführen, als den Bürgern diesen gesetzgeberischen Flickenteppich zu präsentieren. Aber dafür hätte der Nichtraucherschutz vom Bund geregelt werden müssen. Haben wir leider nicht!
Zum Antrag der CDU, der Drucksache 16/1407, kann ich nur sagen, dass er in die gleiche Richtung geht wie der FDP-Antrag. Es ist nicht sinnvoll, in kleinen Einraumkneipen den Inhaber selbst entscheiden zu lassen, ob eine Raucherlokalität entsteht oder nicht. Hier müssen klare rechtliche Vorgaben existieren. Das Schaffen von rechtlichen Grauzonen wird von uns nicht unterstützt, und das nun bald geänderte Nichtraucherschutzgesetz sieht hierbei klare Regelungen vor.
Das Rauch- und Alkoholverbot auf allen Berliner Spielplätzen generell einzuführen ist ein wünschenswertes Ziel, das aber auch nach der derzeitigen Gesetzeslage bereits möglich ist. Wer sich auf Kinderspielplätzen häufiger bewegt, wird die gelben Schilder sehen, die kindgerecht sind und nicht nur das Rauch- und Alkoholverbot, sondern auch noch diverse andere Verbote beinhalten. Die Bezirke haben also derzeit die Möglichkeit und machen davon auch zuhauf Gebrauch. Seit August 2006 gilt z. B. in Charlottenburg-Wilmersdorf das Alkohol- und Rauchverbot auf den Spielplätzen. Zuwiderhandlungen werden mit Bußgeld geahndet. Bis heute haben fast alle Berliner Bezirke ein Rauch- und Alkoholverbot auf Kinderspielplätzen eingeführt und auch durchgesetzt und mit selbsterklärenden Piktogrammen sichtbar gemacht. Wir sind der Meinung, dass das Rauch- und Alkoholverbot damit ausreichend in der Bezirksverordnung geregelt wird, sind aber gern bereit, das nach einer Evaluierungsphase noch einmal zu überprüfen und bei Bedarf eine Landesregelung zu schaffen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am kommenden Montag jährt sich zum zwanzigsten Mal der Weltaidstag. Die Medien sind derzeit voll der Berichterstattung über Projekte, Kampagnen und Spendenaufrufe. Es – dies sei nur erwähnt – war nicht die Idee der Koalition, sondern namentlich von Thomas Birk, dass wir dies zum Anlass nehmen, endlich etwas zu verabschieden, was zugegebenermaßen überfällig war.
Kürzlich titelte das „AWO-Magazin“ seinen Bericht zum Weltaidstag mit: „Die Krankheit lebt und tötet.“ Ich finde, treffender hätte man die aktuelle Situation nicht beschreiben können. Die Informationsoffensiven der letzten zwanzig Jahre – exemplarisch sei hier die Kampagne „Gib Aids keine Chance!“ der BZgA genannt – haben dazu geführt, dass wir heute einen hohen Bekanntheitsgrad der Krankheit Aids haben – theoretisches Wissen über die Ansteckungsgefahr besteht, aber eigentlich auch über die Schutzmöglichkeiten.
Berlin hat seit den 80er-Jahren eine hervorragende Infrastruktur für HIV-und Aidserkrankte aufgebaut. Dazu gehören auch die HIV-Schwerpunktpraxen, die es in Berlin gibt und die in dieser Form bundesweit eine beispiellos gute medizinische Versorgung für die Betroffenen bieten. Weil die Krankheit zwangsläufig sehr viel zeitaufwendiger zu behandeln ist als andere Krankheitsbilder, haben die niedergelassenen Ärzte den sogenannten Aidszuschlag erhalten. Dieser wurde ihnen seit Anfang des Jahres zunächst von der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin gekürzt und sollte ab Januar sogar ganz wegfallen. Die KV hat hier eine unrühmliche Rolle gespielt, während die Schwerpunktpraxen zum Teil um ihre Existenz fürchten mussten.
Heute Vormittag hat es hier nun endlich eine Einigung gegeben, die Pauschalen werden weitergezahlt, was nur auf den großen öffentlichen und politischen Druck zustande kam.
Ich möchte hier ausdrücklich der Gesundheitssenatorin und dem Vorsitzenden des „Arbeitskreises Aids niedergelassener Ärzte“ danken, ohne deren Beharrlichkeit das nicht möglich gewesen wäre.
Na, wer sagt es denn: Es gibt überparteiliche Zustimmung!
Durch den medizinischen Fortschritt gibt es heute für an Aids erkrankte Menschen bessere medikamentöse Behandlung, sodass der Verlauf der Krankheit beeinflusst werden kann und sich zum Teil erheblich verzögert. Dadurch hat der Virus für viele Menschen sein Schreckgesicht verloren. Trotzdem bleibt die Erkrankung unheilbar. Infizierte sterben früher oder später, das muss hier klar gesagt werden.
Schauen wir uns die aktuellen Zahlen an. In Berlin hat sich – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – die Zahl der Neuansteckungen mit dem HI-Virus im Zeitraum von 2001 bis 2008 verdoppelt. Berlin steht bedauerlicherweise bei den Neuinfektionen bundesweit an der Spitze. Auch andere sexuell übertragbare Krankheiten wie Syphilis sind in den letzten Jahren in Berlin sprunghaft angestiegen. An Syphilis erkrankte können sich leichter mit dem HI-Virus anstecken und sind zudem noch infektiöser.
Es gibt bei vielen Menschen eindeutig wieder einen höheren Informationsbedarf. Wir müssen unsere Aufklärungskampagnen überdenken und uns stärker an den gefährdeten Gruppen orientieren. Wir benötigen einen gezielten Umgang in den einzelnen Berliner Kiezen mit ihren unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, auch die nichtdeutscher Herkunft. Wir benötigen ihn auch vor allem mit jungen Menschen, die in der Regel am Beginn ihres Sexuallebens stehen, insbesondere mit jungen homosexuellen Männern. Die Zahl der Neuansteckungen bei den Männern, die Sex mit Männern haben, liegt viermal höher als bei heterosexuellen Männern.
Wir müssen auch Aufklärungsarbeit leisten, dass es andere sexuell übertragbare Krankheiten gibt. Es muss Aufklärungsarbeit geleistet werden, die sich neuer Kommunikationswege bedient. Die Aufklärungsarbeit an den Schulen sollte wieder eine größere Rolle spielen. Das sind Punkte, die in dem vorliegenden Koalitionsantrag genannt werden und bei denen die geforderte Präventionskampagne ansetzen muss, um eine Bewusstseinsänderung bei den verschiedenen Zielgruppen zu erreichen. Sexuell verantwortliches Handeln muss wieder positiv besetzt werden. Wir dürfen nicht müde werden, das immer und immer wieder zu fordern.
Der Bericht und das zu erarbeitende Präventionskonzept des Senats sollen Grundlage für eine Prüfung sein, ob die finanziellen Schwerpunkte innerhalb des Gesundheitsetats anders gesetzt werden müssen, um in diesen Bereich wieder mehr Geld fließen zu lassen. Die Entscheidungen darüber müssen aber erst nach der inhaltlichen Prüfung gefällt werden, nicht vorher. Als verantwortliche Gesundheitspolitikerin sage ich aber auch: Das bedeutet, dass an anderer Stelle etwas wegfallen muss, denn insgesamt mehr Geld steht angesichts der erforderlichen Haushalts
konsolidierung auch im nächsten Haushalt nicht zur Verfügung.
Ja! – Insofern bitte ich die Opposition bei ihren zum Teil sehr wünschenswerten Vorschlägen um entsprechende Berücksichtigung und um Vorlage entsprechend gestalteter Vorschläge. – Danke schön!
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Ganz ehrlich: Ich denke, wir führen hier eine Diskussion, die nicht in einem Landesparlament geführt werden sollte, sondern die – wenn überhaupt – im Bundestag geführt werden sollte. Denn, wie Sie wissen, lieber Herr Gersch, ist der Einfluss des Senats und des Abgeordnetenhauses in dieser Angelegenheit äußerst gering.
Aber schauen wir uns einmal die Situation etwas näher an! Ab 1. Januar 2009 gilt für mehr als 200 gesetzliche Krankenkassen und ihre 70 Millionen Versicherte bundesweit ein einheitlicher Beitragssatz. Gleichzeitig wird ein neuer Finanzausgleich zwischen den Kassen eingeführt. Für jeden Versicherten erhalten die Kassen Pauschalen, die nach Alter und Geschlecht, aber auch nach einer Liste von 80 chronischen Krankheiten berechnet werden. Der Wettbewerb der Kassen soll damit auf eine faire Basis gestellt werden, und die Leistungen der Krankenkassen sollen transparenter werden. Das verspricht der Gesundheitsfonds – so weit die Theorie.
In der Praxis sind von Beginn an Kompromisse gemacht worden – manche nennen sie auch faule Kompromisse –, die dazu führten, dass von der ursprünglichen Idee – nämlich Transparenz und Wettbewerb zwischen den GKVen und finanzielle Entlastung der Versicherten zu schaffen – nicht mehr viel übrig blieb. Die dringend notwendige Umfinanzierung der Krankenversicherung wurde nicht geschafft.
Erforderlich wäre eine Finanzierung gewesen, bei der alle Versicherten – die gesetzlich und die privat Versicherten – in einen gemeinsamen Solidartopf einzahlen. Das wäre sozial gerecht gewesen, und das wäre auch der ursprüngliche Zweck des Gesundheitsfonds gewesen. Aus diesem Grund hätten dann die Kassen mit den höheren Anteilen von kranken und alten Mitgliedern ihr Geld bekommen, und die Beitragssätze wären stabil geblieben.
An dieser Stelle muss man ehrlich sagen: Das hat die Union erfolgreich verhindert, dass die privat Versicherten mit in diesen Fonds einzahlen. Sie hat sich damit zum
Stellvertreter des Lobbyismus gemacht und gegen eine progressive Gesundheitspolitik gestellt.
Für die SPD war immer klar: Die Bürgerversicherung ist das einzige zukunftsfähige Projekt, das den gesundheitspolitischen Veränderungen Rechnung trägt und das auch als einziges Modell gerecht ist, weil es alle Bürgerinnen und Bürger und deren jeweiliges Einkommen proportional einbezieht.
Das Gegenmodell der CDU, das Modell der Kopfpauschale, ist von diesem Gerechtigkeitsanspruch so weit entfernt, wie es nur geht, weil es nun einmal nicht gerecht ist, alle Menschen den gleichen Beitragssatz zahlen zu lassen, egal, welches Einkommen sie haben und ob sie Kinder sind. Das entlastet lediglich die Besserverdienenden und schafft Belastungen für Geringverdiener und Familien, weil bekanntlich hier ja auch die Familienversicherung wegfallen sollte.
Ich will hier einmal in Richtung FDP klarstellen: Ich kritisiere den Gesundheitsfonds auch – aber offensichtlich aus ganz anderen Überlegungen als Sie, lieber Herr Gersch. Im Gegensatz zu Ihnen bin ich nicht der Meinung, dass Wettbewerb im Gesundheitswesen und erst recht nicht eine Steigerung des ohnehin schon bestehenden Wettbewerbs hilfreich oder gar gut ist. Es gibt Bereiche, in denen eine Regulierung gut und notwendig ist, und dazu zählt entschieden der Gesundheitsbereich. Sonst würden große Teile unserer Bevölkerung vom medizinischen Fortschritt ausgeschlossen werden, und wir würden Zustände wie in Großbritannien bekommen.
Dort erhält nur derjenige schnelle medizinische Versorgung – und ich meine jetzt nicht die Notfallversorgung, sondern notwendige Operationen, Prothesen etc. –, der sich das auch leisten kann und viel Geld aus der eigenen Tasche zahlt.
Nein! Ich kann mir denken, worauf das hinausläuft.
Wer das nicht kann, schaut in die Röhre. Ich sage ganz ehrlich: Das kann nicht das sein, was wir wollen, herzlichen Dank!
Aber zurück zum Gesundheitsfonds: Die Krankenkassen befinden sich im Moment in einer prekären Lage. Ab 2009 gibt es für die Kassen erhebliche Ausgabenrisiken. Wie hoch diese sein werden, kann bislang niemand sagen. Die Ausgabenseite ist unkalkulierbar, die Einnahmeseite auch. Denn die staatlichen Zuwendungen werden tatsächlich wohl erst Ende 2008 bekannt werden. Hinzu kommt, dass die Wirkungen des neuen Risikostrukturausgleichs
völlig unklar sind und die Höhe der Schwankungsreserve, also der Geldtransfer zwischen den Kassen und dem Fonds, nur in etwa definiert werden kann.
Mit anderen Worten: Die Kassen planen ihren Haushalt für 2009 mit unbekannten Variablen ins Nebulöse hinein. Mit dem Systemwechsel der Finanzierung der GKV werden sich erste Konsequenzen aus den Änderungen demnach frühestens im Laufe des Jahres 2009 zeigen. Das ist meines Erachtens sehr gefährlich.
Es wäre sinnvoll, den Gesundheitsfonds, der schon jetzt auf wackeligen Beinen steht, zu stützen.
Ja, ich weiß! – Bei der Umstellung der Krankenhausvergütung hat sich eine längere Übergangsphase auch positiv bewährt. Das ist der Grund, warum sich die SPD-Fraktion für eine virtuelle Erprobung oder für eine Konvergenzphase bei der Bundestagsfraktion eingesetzt hat. Die derzeitigen Verhandlungen laufen noch.
Wir werden sehen, wie sie ausgehen. – Danke!
Das war klar, dass das kommt, Herr Lindner. Deshalb wollte ich meine Rede beenden, bevor ich Ihnen auf diese Frage antworte. Man kann es auch umgekehrt sehen. Wenn es die Privatversicherten gar nicht gäbe und alle von vornherein die gleiche Versicherung hätten und alle gemeinsam in ein System einzahlten,
dann gäbe es dieses Problem nicht. Dann hätten wir auch keine ungleiche Bezahlung – von der ich überhaupt nichts halte – für privat und gesetzlich Versicherte. Wir hätten auch überhaupt keine Hürden, um überhaupt in die gesetzliche Versicherung hineinzukommen.
Ich will hier einmal erwähnen: Ich bin zwangsweise privat versichert, weil ich nach einem längeren Aufenthalt im Ausland nicht mehr in die gesetzliche Versicherung hineinkam.
Das ist völlig absurd. Ich bin eine Befürworterin dieses Systems und wollte mich freiwillig gesetzlich versichern. Das sind Systeme gewesen – mittlerweile hat sich das etwas gelockert –, die völlig absurd sind. Die haben Entwicklungen nach sich gezogen, die für eine Gesellschaft und ein Gesundheitssystem nicht förderlich sind. Ihr Argument mit den Praxen und den Krankenhäusern ist mittlerweile so absurd, da das System demnächst ohnehin zusammenbricht, wenn wir es nicht ändern. – Danke!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Grundsätzlich will ich hier klarstellen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich denke, das ist Konsens in diesem Haus. Das Netzwerk Kinderschutz ermöglicht eine Vernetzung und eine bessere Kommunikation aller Beteiligten im Sinne eines verstärkten Kinderschutzes. Die Ersthausbesuche, die in allen Bezirken durchgeführt werden, zielen im Moment vor allem auf die Risikogruppen. Es gibt sicher Bezirke, die da noch sehr viel weiter gehen. Ich nenne als vorbildlich Steglitz-Zehlendorf mit einer Quote von immerhin 70 Prozent. Aber die Zahlen aus den Bezirken sind sehr unterschiedlich, und das hat auch ganz unterschiedliche Gründe, zum einen wahrscheinlich eine unterschiedliche Personalausstattung, zum anderen eine unterschiedliche Schwerpunktsetzung. Da sind die Bezirke gefragt, ihre Schwerpunkte in dieser Richtung zu setzen.
Wir fordern – nicht nur als SPD-Fraktion, sondern grundsätzlich – vom Senat und von den Bezirken eine zügige Klärung innerhalb der nächsten drei Monate, wie die Schwerpunktsetzung und Personalausstattung der Bezirke ist, und wollen, dass die Ausstattung der Kinder- und Jugendgesundheitsdienste in Bezug auf eine Sozialraumorientierung angepasst wird. Das kann durchaus auch bedeuten, dass zusätzliches Personal hinzukommt.
Weiter sei das Gesetz zur Verbesserung der Kindergesundheit und des Kindeswohls genannt. Hier ist insbesondere das verbindliche Einladungswesen für die Vorsorgeuntersuchungen benannt. Frau Jantzen! Das Personal, das Sie in Ihrem Antrag fordern, ist in der jetzigen Ausstattung noch nicht berücksichtigt, weil das noch gar nicht Gesetzeslage ist. Eine solche Gesetzesänderung wird selbstverständlich erfordern, dass die Kinder- und Jugendgesundheitsdienste mit zusätzlichem Personal ausgestattet werden. Wichtig ist: Beim Kinderschutz sind alle angesprochen – Nachbarn, Kollegen und Familienangehörige. Die steigende Zahl der Meldungen bei der Hotline Kinderschutz belegt eine hohe Sensibilität in der Bevölkerung.
Abschließend stelle ich fest, dass wir auf dem richtigen Weg sind und jetzt die entsprechende Nachsorge sicherstellen müssen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ganz ehrlich, ein bisschen erstaunt war ich von dem Antrag der FDP schon, denn dass ausgerechnet Sie, Herr Gersch, eine wohnortnahe, bürgerfreundliche Krankenhausversorgung durch den landeseigenen Krankenhauskonzern Vivantes fordern, fand ich verwunderlich.
Aber Ihr Redebeitrag hat uns gezeigt, dass Sie eigentlich etwas anderes wollen. Nimmt man Ihren Antrag wörtlich, hieße es im Umkehrschluss, dass Vivantes noch mindestens drei weitere Standorte aufmachen müsste, um wenigstens einmal in jedem Bezirk vertreten zu sein. Das kann angesichts von 72 Krankenhäusern in Berlin nicht Ihr Ernst sein. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Sie das meinen. In den neun Krankenhäusern des VivantesKonzerns werden jährlich immerhin ein Drittel der Berliner Patienten behandelt. Das ist eine enorme Leistung.
Im Ernst: Die qualitativ gute Kiezversorgung ist ein wichtiges Anliegen des Vivantes-Konzerns. Hierbei muss aber nicht an jedem Standort eine Maximalversorgung angeboten werden, denn dazu besteht auch nicht die medizinische Notwendigkeit. Vivantes plant, künftig zwei seiner Standorte als Maximalversorgungskrankenhäuser auszubauen, aber alle bestehenden Krankenhausstandorte sollen erhalten bleiben. Dass in den weniger effizienten Standorten weniger in den stationären Bereich investiert wird, muss möglich sein, denn auch einem landeseigenen Krankenhauskonzern muss es ermöglicht werden, schwarze Zahlen zu schreiben.
Ich darf Sie beruhigen, liebe Kollegen von der FDP: Die von Ihnen gefürchtete Schließung des WenckebachKrankenhauses ist nicht geplant. Das hat mir Herr Bovelet persönlich vor zwei Tagen noch einmal erklärt.
Dass Vivantes die Kiezversorgung der Bevölkerung besonders am Herzen liegt, beweist es u. a. dadurch, dass
der Konzern aus eigener Kraft – ohne Investitionsmittel des Landes – den Standort Hellersdorf erhalten und einen Neubau errichten wird. Die Geschäftsführung von Vivantes schafft sich selbst weiteren Spielraum, strategische Entscheidungen zu treffen, an den Standorten neue Versorgungsformen auszubauen und eine besonders enge Vernetzung mit den ambulanten Strukturen der Kieze vorzunehmen. Durch dieses Vorgehen wird genau die von allen Seite immer wieder geforderte Wirtschaftlichkeit des Krankenhauskonzerns verbessert.
Bereits in der Vergangenheit hat Vivantes im Wenckebach-Krankenhaus bewiesen, dass es mit der Integration überregionaler Angebote wie denen des Max-BürgerZentrums für Geriatrie das Profil des Standorts geschärft und erweitert hat. Auch mit der Umstrukturierung des Standorts Prenzlauer Berg wird die kieznahe medizinische Versorgung aufrecht erhalten. Lediglich die vorher schon stark eingeschränkte stationäre Versorgung wird nun endgültig in das nur drei Kilometer entfernte Vivates-Klinikum in Friedrichshain verlagert. Im Gegenzug werden die hierdurch freiwerdenden Ressourcen für die Stärkung der ambulanten Versorgung im Kiez eingesetzt. Hierbei ist jede Form der Kooperation mit privaten und sonstigen Trägern denkbar, wie es beispielsweise am AugusteVictoria-Krankenhaus mit dem MVZ-Polikum bereits besteht. Weitere Kooperationen sind nicht nur denkbar, sondern bereits stark in der Diskussion innerhalb des Konzerns, sowohl auf der Leitungs- als auch auf der Personalseite.
Eine ökonomisch sinnvolle Bündelung der Standorte von Vivantes und der Charité im Südwesten Berlins fordert der Betriebsratsvorsitzende von Vivantes, Moritz Naujack, in Übereinstimmung mit dem Personalratsvorsitzenden der Charité, Christoph Bernhardt. Beide landeseigenen Betriebe stehen vor großen finanziellen Herausforderungen, wie wir alle wissen. Deswegen wurde im Koalitionsvertrag bereits eine engere Kooperation als Ziel formuliert, die in naher Zukunft offensichtlich konkretere Formen annehmen wird. Die sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Synergien werden beiden Parteien neue Spielräume eröffnen, ohne die hochwertige und kieznahe medizinische Versorgung der Bevölkerung zu beeinflussen.
Das stellt deutlich unter Beweis, dass sich die Führung des Vivantes-Konzerns zum einen ihrer Verantwortung für die wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung bewusst ist. Zum anderen zeigt es aber auch, dass hier bereits an Lösungen für den Erhalt von Standorten konzeptionell gearbeitet wird. Konzeptionelle Vorschläge sucht man aber im Antrag der FDP vergeblich. Dies und die Tatsache, dass die in diesem Antrag enthaltenen Forderungen bereits von Vivantes erfüllt sind, macht es uns wieder einmal sehr leicht, Ihren Antrag abzulehnen.
Ich will ehrlich sein: Eigentlich finde ich es erschütternd, dass ich hier schon wieder zum Thema Nichtraucherschutzgesetz reden darf, denn als wir im November vergangenen Jahres das Gesetz endlich verabschiedeten, war dies nach fast einem Jahr der Diskussion.
Und ganz ehrlich: Was hat sich denn verändert seit November? Haben wir wirklich neue Erkenntnisse, die es erforderlich machen, dass wir das Gesetz gut drei Monate nach Inkrafttreten bereits wieder ändern müssen? Ja, sind wir denn in Bayern, wo die CSU erst die strengste Regelung in der ganzen Bundesrepublik durchsetzt, um sie dann sogleich nach einer verlorenen Kommunalwahl im Hinblick auf die Landtagswahlen wieder aufzuweichen? Nein!
Aber es verwundert natürlich nicht, dass es gerade die FDP ist, die hier eine Änderung vorschlägt. Auch hier bleibt sie ihrer ständigen Devise „Das regelt der Markt“ treu und entzieht sich damit jeglicher vernünftigen gesundheitspolitischen Argumentation.
Die Schwierigkeiten der sogenannten EinraumEckkneipen mit dem Rauchverbot waren vorher absehbar. Und – das kann ich mir an dieser Stelle nicht verkneifen –
wir Gesundheitspolitikerinnen und -politiker der SPDFraktion haben vorher immer wieder auf die Schwierigkeit der Wettbewerbsverzerrung hingewiesen. Jetzt rufen genau jene Kolleginnen und Kollegen – leider nicht nur in der FDP! – nach einer Änderung genau dieses Punktes, aber nicht etwa in Richtung konsequenter Nichtraucherschutz, sondern natürlich in Richtung Aufweichung der Gesamtregelung. Sind wir also doch in Bayern, meine Damen und Herren?
Aber mal ganz im Ernst: Kann es wirklich sein, dass von unseren Gerichten ökonomische Nachteile in einzelnen Betrieben der Gastronomie höhergestellt werden als Gesundheitsrisiken, die individuell und volkswirtschaftlich weit höhere Kosten verursachen, um wieder Ausnahmen vom Rauchverbot vorzuschreiben? Diese Ausnahmen werden unter Berufung auf Artikel 12 Abs. 1 GG – Berufsfreiheit –, Artikel 14 Abs. 1 GG – Eigentumsfreiheit – und Artikel 2 Abs. 1 GG – allgemeine Handlungsfreiheit – verlangt, wobei vor allem auf die angebliche Existenzgefährdung oder jedenfalls den Umsatzrückgang bei kleinen Gaststätten hingewiesen wird.
Ich bin zwar keine Juristin, aber wenn Sie in unsere Verfassung schauen, dann werden Sie feststellen, dass es nach Artikel 2 Abs. 2 GG eine Schutzpflicht des Staates für „Leben und körperliche Unversehrtheit“ gibt. Der Staat ist danach verpflichtet, etwas gegen die Gefahren des Rauchens einschließlich des Passivrauchens zu tun.
Der Bund hat sich bedauerlicherweise nicht entschlossen, allgemeine Rauchverbote für den öffentlichen Bereich zu erlassen, sondern sich leider nur auf seine speziellen Zuständigkeiten für seine Einrichtungen, Verkehrsmittel des öffentlichen Personenverkehrs und Bahnhöfe der öffentlichen Eisenbahnen usw. zurückgezogen und es den Ländern überlassen, das Rauchverbot im Gaststättenbereich zu regeln. Entstanden ist ein sehr bunter Flickenteppich der unterschiedlichsten Regelungen.
Ein neues Rechtsgutachten der Universität Köln im Auftrag des Deutschen Krebsforschungszentrums zeigt nun unmissverständlich noch einmal zum einen die Kompetenzen des Bundes bei der Regelung in dieser Angelegenheit auf, macht aber zum anderen auch deutlich, dass hier auch europäische Regelungen zu erwarten sind, die dann selbstverständlich vor nationale Gesetze gehen. Das Gutachten kommt zum Schluss, dass der Bund eine konsequente und konsistente Gesetzgebung zum Nichtraucherschutz zu schaffen hat. Wörtlich heißt es hier: „Umsatzeinbußen vor Gesundheitsschutz rangieren zu lassen, ist eine falsche Gleichung.“
Die Zahl der Todesfälle und schwerer Erkrankungen durch Aktiv- und Passivrauchen in Deutschland in jüngster Zeit sprechen eine deutliche Sprache. Der Schutz von 73 Prozent Nichtrauchern in der Bevölkerung – so das Statistische Bundesamt in seiner Pressemitteilung vom 22. Juni 2006 – wiegt höher.
Insgesamt lässt sich resümieren: Die Freiheit zu rauchen hört dort auf, wo ein anderer, der ebenfalls von seiner allgemeinen Handlungsfreiheit Gebrauch machen will, gezwungen wird, Passivrauchen zu ertragen. Insofern lehnen wir den Antrag der FDP-Fraktion selbstverständlich ab.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Kinder und Jugendliche beschäftigt uns heute zum zweiten Mal. Diesmal geht es jedoch um Gewalt und Vernachlässigung, die sich gegen Kinder und Jugendliche richten, nicht von ihnen ausgehen. In diesem Zusammenhang sei mir gestattet, dass ich mich – im Gegensatz zu meiner Vorrednerin – auf den gesundheitlichen Aspekt beschränke, denn ich finde, fünf Anträge in fünf Minuten abzuhandeln, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist eines der wichtigsten Anliegen dieser Koalition. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich selbstverständlich auch der Opposition nicht unterstelle, dass ihr das Thema nicht wichtig ist. Sie zeigt nur andere Wege, um das gleiche Ziel zu erreichen.
Aber zu den Anträgen: Mit dem Netzwerk Kinderschutz hat die Koalition eine Möglichkeit geschaffen, Missstände und Problemfälle aufzudecken, um dort jeweils Hilfe zu geben. Ein anderes Projekt des Kinderschutzes ist es, für die Vorsorgeuntersuchung von Kindern ein verbindliches Einladungswesen einzuführen, damit möglichst viele Kinder von ihren Eltern zu diesen Untersuchungen beim Kinder- bzw. Jugendarzt gebracht werden. Wir wissen, dass die Teilnahmequote an diesen Vorsorgeuntersuchungen immer geringer wird, je älter das Kind ist. Aber nur, wenn die Eltern mit ihren Kindern zur Untersuchung gehen, können Entwicklungsdefizite, Vernachlässigung und Misshandlungen aufgedeckt werden. Noch wichtiger ist aber, dass den Eltern bei diesen Untersuchungen Hilfe, Beratung und Unterstützung zuteil werden kann.
Diese aufsuchende Hilfe ist für uns ein besonders wichtiger Aspekt, den ich hier noch einmal ausdrücklich betonen will. Ich will ganz ehrlich sein – gerade angesichts dieses neuen tragischen Todesfalls eines fünf Wochen alten Säuglings in Spandau –: Wir können nicht sicher sein, dass es solche Fälle nicht mehr geben wird, wenn wir mit Hilfe des verbindlichen Einladungswesens die Eltern jedes Kindes dazu auffordern, ihr Kind zur Vorsorgeuntersuchung zu bringen. Dafür haben wir im Doppelhaushalt jedoch immerhin 600 000 € zur Verfügung gestellt. Diese Umschichtung ist – im Gegensatz zu dem, was meine Vorrednerin sagte – sehr seriös und hängt nicht von Vertragsgestaltungen in der Abfallwirtschaft ab. Da müssen Sie etwas missverstanden haben.
Dies kann natürlich nur der erste Schritt sein, denn selbstverständlich hat das alles nur Sinn, wenn im Vorfeld der Geburt und danach eine Betreuung der Eltern stattfindet, wenn Eltern mit ihrem Kind engmaschig Hilfe und Betreuung erhalten, wenn Ärzte, Hebammen und Behörden hier zu der Erkenntnis gelangen, dass das notwendig ist oder aber die Eltern selbst darum bitten. Ich nenne hier nur den „Ja-bitte-Bogen“. Wir wollen hier gerade nicht – wie im Saarland – mit Drohungen oder polizeilichen Maßnahmen vorgehen, sondern unser Vorgehen soll ein Angebot auf der Grundlage von Freiwilligkeit sein, denn wir glauben fest daran, dass so mehr zu erreichen ist als mit Zwang oder Gewalt.
Letztlich ist unser Ziel dasselbe, das weiß ich. Ein Kollege sagte mir neulich, als er gerade sein Kind verloren hatte: Wenn man sein Kind verliert, geht auch die eigene Zukunft verloren. – So müssen wir uns um jedes Kind besonders bemühen und um jedes Kind kämpfen, denn Kinder sind unsere Zukunft. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Lieber Herr Gersch! Eigentlich müsste ich beleidigt sein, dass ich in Ihren Beleidigungen nicht enthalten war, sondern sich Ihr Unwille gegenüber der SPD ausgerechnet gegen den Kollegen Buchholz richtete. Ich gebe zu, dass er sich durchaus das eine oder andere Mal zum Thema Nichtraucherschutz geäußert hat, aber verwundert hat es mich doch.
Ich freue mich, dass wir nach dieser langen Zeit – einem dreiviertel Jahr – harter Diskussionen und Verhandlungen heute endlich zur II. Lesung des Nichtraucherschutzgesetzes kommen und ich meine jetzt schon fünfte Rede zu diesem Thema halten darf. In öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern, Schulen, Universitäten, Gaststätten, Restaurants, Kneipen, Diskotheken, Heimen und Kultur- und Sportstätten soll künftig das Rauchen untersagt werden. Das heißt also: Überall dort, wo Öffentlichkeit ist, wird das Rauchen künftig verboten sein.
Bei aller Kritik an dem einen oder anderen Detail, die in den letzen Wochen und Monaten geäußert wurde und die z. T. sicher verständlich ist, möchte ich eines klar feststellen: Dieses Gesetz ist eine enorme Verbesserung und ein enormer Fortschritt gegenüber dem Ist-Zustand, denn mit wenigen Ausnahmen können Sie sich überall hinbegeben, ohne dass Sie zwangsläufig zum Passivrauchen gezwungen werden. Im Gegenteil: Das Nichtrauchen ist jetzt endlich die Regel und das Rauchen die Ausnahme. Wenn das kein Fortschritt ist!
Während das Rauchverbot im öffentlichen Raum von allen mehr oder weniger akzeptiert und für gut befunden wird, gab es in den letzten Monaten immer wieder ausgeprägte Diskussionen über das Rauchverbot in Gaststätten, insbesondere in Kneipen. Das Gesetz sieht vor, dass das Rauchen in Gaststätten grundsätzlich verboten ist, ermöglicht aber sehr eingeschränkt, sogenannte Raucherräume einzurichten.
Diese Raucherräume haben es aber in sich, denn sie dürfen keine direkte Verbindungstür zum Nichtraucherbereich und zur Küche des Lokals haben. Auch dürfen die Gäste und das Personal nicht durch diese Räume hindurchgehen müssen, um zur Küche oder zur Toilette zu gelangen.
Da gibt es dann Gänge – oder wie auch immer. Es gibt solche Möglichkeiten, sie müssen aber erst einmal baulich geschaffen werden.
Sie fliegen da nicht hin, keine Sorge!
Zu guter Letzt: Bedient werden darf in diesen Räumen auch nicht. Das heißt: Berlin geht damit sehr viel weiter als die meisten anderen Bundesländer.
Nun mal ganz ehrlich: Wie attraktiv ist es noch für einen Gastwirt, solche Raucherräume einzurichten?
Insofern darf man davon ausgehen, dass in der nächsten Zeit das Rauchen in den Gaststätten mehr oder weniger eingestellt wird – und das ist auch gut so. Die Raucher wird das nicht so sehr freuen. Wie man neuerdings lesen
kann, gibt es Raucher und einige Gastwirte, die eine Kampagne für ein Volksbegehren starten wollen, um das Rauchverbot in Gaststätten und Kneipen wieder abzuschaffen.
Ich gehe davon aus – zumindest nach der Maßgabe der FDP – –
Genau! Rauchen wie in Tempelhof! Ich bin relativ sicher: Auch das wird keine Chance haben. Das Volksbegehren für Tempelhof wird scheitern, und das für das Rauchen in Gaststätten wird auch scheitern.
Den nichtrauchenden Gästen wird es sowieso – davon gehe ich aus – in den nächsten Monaten erst einmal obliegen, mit zu kontrollieren und zu gucken und sich zu beschweren, wenn sich ein anderer Gast neben ihnen eine Zigarette anzündet. Aber die Gastwirte sollten bitte nicht denken, dass nur die Gäste rechts und links diese Kontrollfunktion übernehmen, denn es wird auf jeden Fall auch Personal vom Ordnungsamt unterwegs sein, und dieses wird kontrollieren.
Da soll sich keiner in falscher Sicherheit wähnen, denn ich hörte durchaus, dass sich eine ganze Reihe von Gastwirten gegenüber dem Forum „Rauchfrei“ entsprechend geäußert hat. Das ist eine Täuschung. Diese Kontrollen werden stattfinden.
Nur die FDP ist offensichtlich diejenige, die weiter – ganz frei nach ihrer Devise: Das regelt der Markt! – dieses Thema angehen will und sich damit jeglicher gesundheitspolitischer Argumentation entzieht. Ich gehe davon aus, lieber Herr Dr. Lindner, dass Toleranz und Freiheit Gebote sind, die wir in Berlin durchaus fortführen werden, aber ganz sicher nicht in Bezug auf das Rauchen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir heute unseren Antrag zur Optimierung des Kinderschutzes diskutieren. Allerdings finde ich, dass mehr Abgeordnete im Saal sein könnten, um diesem wichtigen Thema zuzuhören.
Das betrifft sämtliche Fraktionen.
Mit diesem Antrag wollen wir erreichen, dass endlich mehr Kinder zu den Früherkennungsuntersuchungen, aber auch zu den Vorsorgeuntersuchungen gehen und dass die Eltern ihre Kinder dort hinbringen. Bisher ist es vor allem nach Ende des ersten Lebensjahrs so, dass die Eltern ihre Kinder häufig nicht mehr zu den Untersuchungen bringen, sodass Entwicklungsdefizite nicht erkannt werden und die Eltern auch keine entsprechende Hilfe und Beratung mehr erhalten können. Aber nicht nur dazu sind diese Untersuchungen gedacht, sondern auch, um neben Entwicklungsdefiziten Vernachlässigungen und Misshandlungen aufzudecken. Wir wollen damit auch all jene Eltern erreichen, die diesen Untersuchungen mit Desinteresse gegenüberstehen und ihre Kinder nicht hinbringen, weil sie denken: Es wird schon alles gut sein. Aber leider ist nicht alles immer gut. Wir würden das gern in jedem konkreten Fall wissen.
Wir möchten gern, dass Fälle wie der von Kevin nicht mehr vorkommen oder zumindest noch rechtzeitig aufgedeckt werden.
Der Unterschied zwischen unserem Antrag und dem der CDU besteht in erster Linie darin, dass wir diese Untersuchung nicht zur Verpflichtung machen wollen. Wir stehen auf dem Standpunkt – der auch von der Bundesregierung eingenommen wird –, dass dem das Grundgesetz mit dem verbrieften Recht der Eltern auf selbstbestimmende Erziehung entgegensteht. Dem gegenüber steht jedoch das Recht des Kindes auf Unversehrtheit. Um aus diesem rechtlichen Dilemma herauszukommen, fordern wir jetzt den Senat auf, alles auszuloten, was möglich ist, um Eltern dazu zu bringen, ihre Kinder bei den Vorsorgeuntersuchungen vorzustellen.
Das Ziel soll sein, dass der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst bzw. das Jugendamt selbst tätig werden und bei den Eltern nachfragen oder sie zu Hause aufsuchen können, nachdem die Eltern eingeladen bzw. aufgefordert wurden, ihr Kind zur Vorsorgeuntersuchung zu bringen.
Dazu müssen wir aber auf der Berliner Verwaltungsebene erst einmal die entsprechenden juristischen Voraussetzungen schaffen.
Des Weiteren ist es notwendig, Gespräche mit den Krankenkassen zu führen, da die Daten darüber, ob ein Kind zur Vorsorgeuntersuchung gebracht wurde oder nicht, nur von ihnen geliefert werden können.
Ich bin zuversichtlich, dass uns die Gesundheitsverwaltung bis Ende des Jahres einen Bericht über ein solches geeignetes Verfahren vorstellen wird, dass wir dieses dann mit unserer Mehrheit im Haus in Auftrag geben können und die Verwaltung es in geeigneter Form umsetzen wird. Um ihr das zu ermöglichen – wie Sie wissen, kostet alles im Leben Geld –, haben wir für dieses Vorhaben in den Haushaltsberatungen zum Doppelhaushalt 2008/2009 im Gesundheitsausschuss durch Umschichtungen vom Umwelt- zum Gesundheitsetat mit der Mehrheit der Koalition immerhin 600 000 € freigemacht.
Wenn dem jetzt noch der Hauptausschuss zustimmt – und da bin ich zuversichtlich –, haben wir damit ein gutes Zeichen gesetzt und einen weiteren Eckpfeiler innerhalb unseres Netzwerks Kinderschutz installiert. Darauf bin ich sehr stolz.
Auch wenn Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, das sicher anders sehen – ich finde, das haben wir gut gemacht. – Vielen Dank!
Das Erste, was mir bei unserer letzten Sitzung vor der Sommerpause beim Betreten des Abgeordnetenhauses
auffiel, waren die fehlenden Aschenbecher in den Gängen und eine rauchfreie Luft hier im Hause. Zum ersten Mal war ich an diesem Tag in den Plenarsaal gegangen, ohne durch eine dicke Wolke von Tabakqualm auf dem Gang zwischen Plenarsaal und Casino gehen zu müssen. Was für eine Wohltat! Herr Präsident, gestatten Sie mir, Ihnen meinen ausdrücklichen Dank dafür auszusprechen, dass Sie so schnell und konsequent das Rauchverbot im Abgeordnetenhaus durchgesetzt haben!
Und, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen, ich appelliere jetzt an jede und jeden von Ihnen: Setzen Sie dieses Rauchverbot auch in Ihren Fraktionsräumen durch, damit wir Abgeordneten den Bürgerinnen und Bürgern zeigen, dass wir hier bei uns im Haus keine Ausnahmen für uns gestatten, die wir den Bürgern draußen nicht erlauben wollen! Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass wir als Abgeordnete unserer Vorbildfunktion gerecht werden! Das ist einfach eine Frage der Glaubwürdigkeit.
Aber zu unserem eigentlichen Tagesordnungspunkt: dem Nichtraucherschutzgesetz, das der Senat vor der Sommerpause verabschiedet hat und das uns heute in erster Lesung vorliegt. Was wir hier im Abgeordnetenhaus begonnen haben, soll mit diesem Gesetz fortgesetzt werden: In öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern, Schulen, Universitäten, Gaststätten, Restaurants, Kneipen, Diskotheken, Heimen und in Kultur- und Sporteinrichtungen soll künftig das Rauchen untersagt werden. Das heißt also, überall dort, wo Öffentlichkeit ist, soll künftig das Rauchen verboten sein. Bei aller Kritik an dem einen oder anderem Detail, die in den letzten Wochen geäußert wurde, will ich hier doch mal eines ganz klar feststellen: Dieses Gesetz ist ein enormer Fortschritt gegenüber dem Jetztzustand, denn mit wenigen Ausnahmen können Sie sich überall hinbegeben, ohne dass Sie zwangsläufig zum Passivrauchen gezwungen werden. Nein, im Gegenteil: Das Nichtrauchen ist jetzt – endlich – die Regel und das Rauchen die Ausnahme. Wenn das kein Fortschritt ist!
Während das Rauchverbot im öffentlichen Raum von allen mehr oder weniger akzeptiert und für gut befunden wird, gab es und gibt es noch immer eine ausgeprägte Diskussion zum Rauchverbot in Gaststätten, insbesondere in Kneipen. Das Gesetz sieht auch hier vor, dass das Rauchen grundsätzlich in Gaststätten verboten ist, ermöglicht aber unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, so genannte Raucherräume einzurichten. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Ausnahmen haben es in sich: Die Raucherräume dürfen keine direkte Verbindungstür zum Nichtraucherbereich wie zur Küche des Lokals haben, auch dürfen die Gäste und das Personal nicht durch diesen Raum hindurchgehen müssen, um zur Küche oder zur Toilette zu gelangen. Eine Gesundheitsschädigung durch Passivrauchen für Gäste und Personal muss auch bei der Einrichtung solcher Raucherräume immer ausgeschlossen werden. Und zu guter Letzt: Bedient werden darf in diesen Räumen auch nicht. Also, mal ganz ehrlich: Wie attraktiv ist es dann noch für eine Gast
stätte, solche Raucherräume einzurichten? Ganz abgesehen davon, dass viele Gaststätten gar nicht die baulichen Voraussetzungen haben dürften, um Raucherräume einzurichten. Ich gehe deshalb davon aus, dass auch die Gaststätten zukünftig mehr oder weniger rauchfrei sein werden, die Nichtraucher unter uns wird es freuen, die Raucher – und da bin ich mir sicher – werden schnell die Lokale in der Stadt ausfindig machen, in denen sie noch rauchen dürfen, allerdings dann ohne das Glas Wein, das Bier oder das Essen. Vielleicht, nein hoffentlich führt das bei denen ja zu weniger Tabakkonsum, das wäre schön! Aber selbst wenn das nicht der Fall sein sollte: Sie schaden dann wenigstens nur noch sich selbst, nicht mehr anderen Menschen!
Und das bedeutet, dass in ein paar Jahren das Deutsche Krebsforschungszentrum hoffentlich keine Zahl von 3 300 Toten jährlich nur allein durchs Passivrauchen mehr veröffentlich kann. Gerade hier in unserer Stadt, die ja nicht nur Hauptstadt im politischen Sinne ist, sondern auch im Sinne, dass hier republikweit die meisten Raucher wohnen, freut es mich ungemein, dass wir hier endlich einen großen Schritt weitergekommen sind.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es in den letzten Wochen und Monaten in der Diskussion um die Einführung eines umfassenden Nichtraucherschutzes ging, war immer wieder die Rede davon, dass die Nichtraucher gegenüber den Rauchern Toleranz üben sollten. Wie wir eben von Herrn Gersch gehört haben, sind wir Nichtraucher borniert. Ich bekenne mich gern dazu, dass ich dann borniert bin, denn dies ist keine Frage von Toleranz, sondern von aktivem Gesundheits
schutz. Es ist keine Schikane gegenüber den Rauchern, um ihnen des Spaß zu nehmen!
Wenn man sich die Zahlen anschaut, wie viele Menschen in Deutschland jährlich durch Passivrauchen sterben – rund 3 300 Menschen –, ganz zu schweigen von den Erkrankungen, dann ist es ein Gebot der Vernunft, dafür zu sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht länger einer solchen Gefahr ausgesetzt werden.
Um hier noch eine andere erschreckende Zahl zu nennen: 140 000 Menschen erkranken in Deutschland jährlich an den Folgen des Rauchens.
Da sind die 3 300 noch eine verschwindend geringe Zahl. Wenn es nach mir ginge, Herr Gersch, würde ich auch etwas gegen das Rauchen an sich unternehmen: Ich würde es verbieten. Ich halte es nicht nur für ein Genussmittel, ich halte es für extrem störend, und ich halte es für extrem gesundheitsgefährdend. Diese Maßnahme würde sicher noch mehr Entrüstung auslösen als das geplante Verbot des Rauchens in Gaststätten.
Geraucht wird derzeit in Deutschland und damit auch in Berlin fast überall: in öffentlichen Gebäuden, in Krankenhäusern, in Schulen, in Universitäten, in Gaststätten, Restaurants, Kneipen, Diskotheken und Sportstätten. Nach unseren Planungen heißt es, dort überall das Rauchen zu verbieten. Wir werden bis zur Sommerpause eine entsprechende Gesetzesvorlage einbringen.
Während das Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden relativ unumstritten zu sein scheint, konnten wir in den vergangenen Monaten eine ausgeprägte Diskussion zum Thema Rauchverbot in Gaststätten, insbesondere in Kneipen, beobachten. Es zeichnet sich ab, dass der Schutz vor Passivrauchen in ganz Deutschland im Großen und Ganzen doch einheitlich geregelt wird. Wir wollen in Berlin eine klare und konsequente Regelung. Wir wollen das Rauchen in allen Gaststätten untersagen. Derzeit sind noch abgeschlossene Raucherräume in der Diskussion, aber das ist nicht sicher.
Der Antrag der FDP verfährt wieder einmal ganz nach dem Motto: Das regelt der Markt!,
und will es den Gastwirten selbst überlassen, ob sie Raucher- oder Nichtraucherlokale einrichten. Das ist der falscheste Ansatz, den man hierbei haben kann. Bei 17 Millionen Raucherinnen und Rauchern in Deutschland
kann nur dabei herauskommen, dass sich die Raucher dabei durchsetzen und die Nichtraucher aus den Gaststätten vertrieben werden, gar nicht mehr dort hingehen oder aber gesundheitlichen Schaden nehmen.
Die Einrichtung von Raucherräumen benachteiligt vor allem die kleinen Gaststätten, da sie in der Regel keine Extraräume haben, um Raucherräume überhaupt einzurichten. Es müsste eigentlich gerade im Interesse der CDU und der FDP sein, diese Regelung nicht umzusetzen. Deswegen verstehe ich Ihre Argumentation nicht. Ich möchte noch einmal erwähnen, dass es nicht nur um die Gäste in den Gaststätten geht, die geschützt werden müssen, sondern auch um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die als einzige Arbeitnehmergruppe in der Bundesrepublik das Recht auf einen rauchfreien Arbeitsplatz nicht haben.
Hierzu zeichnet sich glücklicherweise eine Gesetzesänderung auf Bundesebene ab.
Es steht uns gut an, wenn wir nun in Berlin eine Vorreiterrolle begonnen haben.
Es zeichnet sich ab, dass uns die Umfrageergebnisse hier recht geben. Im Februar 2005 hatten wir eine Zustimmungsrate von 53 Prozent für eine rauchfreie Gaststätte. Im Jahr später waren es 59 Prozent. Jetzt sind wir bei 57 Prozent. Ich freue mich, dass es damit bald wieder für Nichtraucher attraktiver wird, in Gaststätten zu gehen, eine Kneipe oder ein Café zu besuchen.
Ich komme zum letzten Satz: Meine Damen und Herren von der FDP! Sie werden sehen, auch das regelt der Markt! Die Umsätze werden wieder steigen und bald wieder auf gleicher Höhe sein wie vor dem Verbot. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eins der ersten Dinge, die mir als neue Abgeordnete hier im Hause auffielen, als ich im letzten Jahr hier einzog, war der Zigarettenrauch, der einem in den Fluren und